Ein Ahnungsloser

5. Oktober 2010. "Der Hamburger Kultursenator Reinhard Stuth hat in vier Wochen mehr zerstört als all seine Vorgänger zusammen", schreibt Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung (5.10.2010). Der neue Hamburger Kultursenator, "der mit seiner kecken Fliege und dem verlegenen Dauerlächeln wie ein Mathe-Lehrer wirkt, der seine Klasse nicht in den Griff kriegt", will das Altonaer Museum schließen. Er will "das Gebäude verkaufen und damit die Hälfte der Sparquote erbringen, die er sich bei der Haushaltsklausur des Senats vorvergangene Woche hat aufschwatzen lassen". Das Altonaer Museum könne er dabei gar nicht schließen.

Und das mit dem verlegenen Lächeln kommen wohl daher, "dass Stuth in seinem Amtsbereich keine Freunde mehr hat. Mittlerweile muss der CDU-Jurist mit Fachgebiet europäische Politik (...) sich täglich Zeugnisse seiner Ahnungslosigkeit ausstellen lassen". Auch bei den angekündigten Kürzungen für das Schauspielhaus habe sich der Senator vor seinen Entscheidungen nicht über die Folgen der Entscheidung informiert. "Dass er das größte deutsche Sprechtheater dazu zwingt, entweder das erfolgreiche Kinder- und Jugendtheater abzuwickeln, oder nur noch zwei Inszenierungen pro Saison im Großen Haus zu zeigen, das habe er nicht gewusst und nicht gewollt, erklärt er den Theaterleuten."

Sein Standardargument ist, "die Kultur müsse eben auch ihren Beitrag leisten, sonst müsste noch mehr bei der Inneren Sicherheit und der Bildung gespart werden. Und das wollen doch wohl auch die Kulturleute nicht. Müssen sie auch gar nicht, denn Reinhard Stuth tut das ja bereits, ohne es zu wollen." Und auf die Frage, "woher er eigentlich seine Sachinformationen habe, lobt Stuth seine 'hervorragenden Mitarbeiter' in der Behörde (das sind die, die vor einem Jahr über den Betriebsrat erwirkt haben, dass Ole von Beust Stuth in den vorzeitigen Ruhestand schickt)." Stuth, "der laut Aussagen der Hamburger Intendanten noch nie im Staatstheater war - außer bei der Musical-Sommerbespielung mit 'Porgy & Bess' - weckt aber nicht nur bei Hamburgs Bürgertum den Zorn, der sich in einer Flut von Solidaritäts-Veranstaltungen, Demonstrationen und Stellungnahmen über ihn entlädt. Als reiner Erfüllungsgehilfe des Finanzsenators Carsten Frigge (...) findet Stuth auch unter seinen Kollegen kein Verständnis für sein Grobsparen."

 

Mehr zur Situation am Deutschen Schauspielhaus:

Am 14. September 2010 hat Friedrich Schirmer seinen Rücktritt zum 30. September 2010 bekannt gegeben.

Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus hat daraufhin am 17. September öffentlich über eine Hamburger Generalintendanz nachgedacht; am 28. September wird bekannt, dass diese Idee wieder vom Tisch ist.

Am 19. September haben die Mitarbeiter des Deutschen Schauspielhauses in einem offenen Brief die Hamburger Kulturpolitik dazu aufgefordert, mit ihnen das Gespräch zu suchen; am 22. September hat das Haus zu den Kürzungsplänen Stellung genommen. Das Gespräch mit Kultursenator Reinhard Stuth blieb ergebnislos.

Am 30. September kündigt Reinhard Stuth eine Evaluation der finanziellen Situation am Schauspielhaus an.

Am 4. Oktober hat der Schauspieler und Regisseur Claude-Olivier Rudolph sein Interesse an einer Übernahme der Intendanz am Schauspielhaus bekundet.

Gemeinsam mit dem Thalia Theater ruft das Schauspielhaus am 5. Oktober das Abo Doppel.Spitze ins Leben; außerdem haben Betroffene der Hamburger Sparpläne im Rahmen einer Vorstellung von Elfriede Jelineks Die Kontrakte des Kaufmanns am 7. Oktober Gelegenheit für Solidaritätsbekundungen.

Am 7. Oktober wird im Schauspielhaus Die Haifischbar eröffnet.

 

 

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