Voller Strenge

Berlin, 13. Dezember 2010. Bis heute versteht man es nicht recht: Dreißig Jahre war Jutta Wachowiak am Deutschen Theater Berlin. Sie war dort 1972 die Sonja in Wolfgang Heinz' "Onkel Wanja", vier Jahre später bei Friedo Solter die Cordelia in Shakespeares "König Lear", war 1980 die Maria Stuart in der Inszenierung von Thomas Langhoff und 1993, wieder bei Langhoff, die Mutter Wolffen in Gerhart Hauptmanns "Der Biberpelz", an der Seite von Dieter Mann. Es müssen große, einschneidende Abende gewesen sein; bis heute schwärmt davon, wer dabei war. Wegen ihrer Forsch- und Entschiedenheit, auch wegen ihrer Berliner Schnäuzigkeit. "Ich kann mir keine 'heißere' Schauspielerin vorstellen als die eher bodenständige Jutta Wachowiak", sagt Martin Linzer, der Theaterkritiker, der sie seit Jahrzehnten auf der Bühne sieht.

Dann aber, 2001, als Bernd Wilms kam und Wachowiak das, wie sie sagte, "schwierige Matronenalter" erreicht hatte, stand sie kaum mehr auf der Bühne, fühlte sich missverstanden, an den Rand gedrängt. Und Wachowiak suchte den Wechsel, ging 2005 an Anselm Webers Schauspiel Essen, arbeitete dort mit David Bösch, Roger Vontobel und Rafael Sanchez.

Jutta Wachowiak, geborene Berlinerin, war Stenotypistin, bevor sie 1961 in Potsdam-Babelsberg die Ausbildung zur Schauspielerin begann. Drei Jahre war sie am Hans Otto Theater Potsdam, dann bei Gerhard Meyer in Karl-Marx-Stadt. Sehr früh schon begann sie Filme zu drehen, auch das oft mit Thomas Langhoff. Berühmt vor allem ihre Kommunistin Hella Lindau in "Die Verlobte" (1980), dem DEFA-Film von Günter Reich und Günther Rücker. Theater aber, sagt sie, ist ihre "längste Liebe" geblieben. Auch in ihr Berlin kam sie gastweise letztes Jahr wieder, ans Berliner Ensemble in Thomas Langhoffs Lorca-Inszenierung Doña Rosita.

Günter Gaus hat sie einmal gefragt, ob sie eine pflegeleichte Schauspielerin sei. "Würde ich nicht denken." Sie war immer schon streng zu sich; man hört es ihrem Sprechen an, den spitzen, spröden Silben; man sieht es auch ihren forsch würdevollen Figuren an. Sie ließ sich so wenig wie möglich den Mund verbieten, im November 1989 war sie eine der Initiatorinnen der großen Protest-Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz.

Wir gratulieren der streng bodenständigen, entschiedenen Frau sehr herzlich.

(dip)

 

 

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