Presseschau vom 5. Januar 2011 – Neue Ideen aus der Intendanten- und Dramaturgenküche

Bizarres künstlerisches Selbstverständnis

Bizarres künstlerisches Selbstverständnis

5. Januar 2011. Die Finanz- und Existenzkrise der Theater liegt nicht nur in den Sparzwängen der Kommunen begründet, sondern ist auch hausgemacht, konstatiert Martin Eich in der Welt, nachdem er einer Tagung von Intendanten und Dramaturgen in der Evangelischen Akademie Hofgeismar beiwohnte (oder zumindest in der Zeitung so tat, als habe er die Tagung besucht. Inzwischen - 17. Januar 2011 - scheint es so, als habe Eich zwar über die Tagung berichtet, als sei er dort anwesend gewesen, nach unseren neuesten Informationen aber scheint er keinen Moment an dieser Tagung teilgenommen zu haben): "Mancherorts wurde gewirtschaftet, als gälte es, amerikanischen Investmentbankern oder griechischen Politikern nachzueifern", was peinlich sei "für eine Szene, deren Für- und Lautsprecher sich sonst gebetsmühlenartig über Rettungsschirme für Banken echauffieren."

"Die Intendanten, die wirkliche Probleme haben, werden in einen Topf geworfen mit denen, die offenbar machen können, was sie wollen", zitiert er einen Theaterleiter, "der seinen Namen nicht gedruckt sehen möchte". Auch Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theater Berlin (DT), sekundiert: "Das ist eine 70-er-Jahre-Haltung. Es gab damals ein bizarres künstlerisches Selbstverständnis nach dem Motto: Um Geld kümmern wir uns nicht. Heute ist das inakzeptabel."

Auf der Tagung also sprach Theaterwissenschaftler Dragan Klaic von der "Erschöpfung des Repertoires" (die Spielpläne würden durch zu viele Titel verwirren), der Esslinger Intendant Manuel Soubeyrand regte eine Diskussion über ästhetische Fragen an, aber: "Kaum einer der Intendanten sah sich dazu imstande, kaum einer schaut sich Produktionen auf anderen Bühnen als der eigenen an, kaum einer weiß, was und wie in der Nachbarstadt gerade inszeniert wird." Abhilfe soll nun ein nichtöffentliches Portal auf der Homepage des Bühnenvereins schaffen, wo "die Häuser je eine repräsentative Arbeit pro Sparte einstellen können".

Weniger Tellerandbeschränkung, mehr Bescheidenheit scheint das Credo der Tagung gelautet zu haben: Ein Moralkodex soll künftig verhindern, dass etwa "Theaterleiter trotz üppiger Gehälter auch an anderen Häusern inszenieren, gleichzeitig aber gerne den Duktus des Klassenkämpfers bemühen und zum mentalen Barrikadenbau aufrufen".

Absichtserklärungen auch bei neuen Strategien der Öffnung: "Fremdsprachige Produktionen - es war von Türkisch und Russisch die Rede - sollen Zuwanderer anlocken, Integrations-Themen will man nicht mehr Soziologen und Thilo Sarrazin überlassen." Peter Spuhler, ab der nächsten Spielzeit in Karlsruhe Intendant, will dafür sogar "Experten in der Dramaturgie", allerdings ohne Quote.

(geka)


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