Lebensgier im Synthie-Swing

von Georg Kasch

Berlin, 16. Januar 2011. Am Ende, wenn sich Nora und Torvald Helmer im Schneetreiben anschreien und jeder den anderen verlassen will, stehen ihre zwei Kids still da und schauen ihnen zu. Dann wenden sich die lieben Kleinen um und versuchen, diesen Dialog lakonisch zu Ende zu führen. Er geht in – durchaus reizenden, aber wahrscheinlich unfreiwilligen – Lachanfällen unter. Was man daraus lernen kann? Kinder auf der Bühne, zumal mit Sprechtext, sind eine unsichere Bank. Und ja – das Treiben der Eltern wäre schon saukomisch, wenn's nicht so traurig wäre.

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Drehwand, Schatten, Hilke Altefrohne
© Bettina Stöß

Es wirkt, als wolle Jorinde Dröse in ihrer Inszenierung von Henrik Ibsens "Nora oder Ein Puppenheim" am Maxim Gorki Theater ihrer Scheidungskindergeneration ein Denkmal setzen. Helmers leben in den großgemusterten 70ern, als es zu Weihnachten noch Schreibmaschinen gab statt iPads. Dass sie sich erst hocharbeiten, springt einen aus Susanne Schuboths Ausstattung an: Ziemlich kahl und unbehaust wirkt die Bühne, auf der nur wenige Stühle stehen, ein Aschenbecher und ein Kühlschrank, der sich als selbstgebastelte musikalische Minibar entpuppt. Hier trägt Torvald geschmacklose Pullover von der Stange auf, hier wird gepafft, als könne man so seine Probleme in die Luft jagen.

Mit festen Prinzipen und Wohlstandsbauch

Es knackt im Getriebe dieser Ehe, sagt die Tonspur, und aus heutiger Sicht geht es natürlich überhaupt nicht, wie Peter Kurths Torvald mit Wohlstandsbauch und feucht zurückgekämmtem Haar seine Frau zwischen jovialen Späßchen mit Überwachungsfragen beschießt. Hilke Altefrohnes wandelndes Shoppingopfer Nora ist nicht besser: Für die existentiellen Probleme ihrer Jugendfreundin Kristine hat sie keinen Geist, weil sie zu sehr damit beschäftigt ist, sich an ihrem Kleinfamilienglück zu berauschen, und als Krogstad sie um ihre Hilfe bittet, probiert sie die Arroganz der Macht an wie ein neues Kleid. Eigentlich würden Nora und Torvald, die so federleicht miteinander tanzen können, ziemlich gut zueinander passen – wenn Torvald nicht so ein Prinzipienreiter und Nora nicht gar so romantisch wäre.

Grundsympathisch wirkt hier ohnehin niemand: Anja Schneiders verschrobene Kristine nicht, die nervös ihre Pulsgelenke aneinander reibt, wegguckt, wenn man mit ihr redet, dann plötzlich Nora kumpelhaft auf den Arm haut und sich am Ende mit Jeanne-d'Arc-Blick zum Glück zwingt. Auch Niels Rank nicht, der entschlussarme, auf sein Leiden fixierte Hausfreund, den Andreas Leupold zärtlich hintupft als großen Sehnsüchtigen, aber auch als ziemlich weinerlichen Schmerzensmann. Und Krogstad erst recht nicht, der zwar bei Gunnar Teuber zunächst als Häufchen Elend aufkreuzt, sein Kind an der Hand, das hinter der Glastür warten muss (und so eine Außenseiterbiografie spiegelt, die der Vater schon in Gesicht und Haltung trägt), aber da schon mit raubtierhafter Zähigkeit sein "Ich will nach oben!" in sich trägt.

Ihnen allen steckt eine krampfhafte Lebensgier in den Gliedern. Oft prallen sie saukomisch aufeinander, und einmal, da ist Nora schon ganz durch den Wind, weil Krogstads Brief bereits im Kasten steckt und es nur noch eine Frage von Stunden ist, bis Torvald ihn lesen wird, öffnet einer den Kühlschrank, fluffigster Synthie-Swing geht ihnen in die Beine, und dann albern die vier Großen so kindlich herum, als stünden sie in einer WG-Küche.

An der unteren Schwelle zur Mittelklasse

Doch solche Utopie-Idyllen währen nicht lang, weil Dröse die Suspense-Schlinge enger zieht und gewaltige Bilder komponiert: Da kämpft Hilke Altefrohne in all ihrer schmalen Zerbrechlichkeit mit der Drehwand, treibt sie an, schlägt sie ihrem Mann vor den Kopf, eine Getriebene, deren Überlebenskräfte erwachen. Überhaupt Nora: Wie sie da ins Publikum starrt, mit diesem "Ich weiß nicht was aber irgendetwas passiert gleich"-Blick, wie ihr Mund dabei mahlt, kaum merklich, aber beständig, wie sie den Kopf ruckartig bewegt, Torvalds Blicke sucht und ihnen doch ausweicht, das geht unter die Haut.

In der letzten halben der insgesamt zwei Stunden verliert Dröse diesen genauen, auch schrägen Blick auf die Figuren. Es entspinnt sich der übliche Ehekrach: verständnisloser Macho hier, resolute Zukunfts-Emanze da, und ob die Komik noch freiwillig ist – wer weiß das? Dennoch lohnt sich diese "Nora" mit der angenehm angerauten Oberfläche, die den gierigen Existenzkampf an der unteren Schwelle zur Mittelklasse zeigt. Schon allein wegen des Gorki-Ensembles – und der giggelnden Scheidungskinder.

 

Nora oder Ein Puppenheim
von Henrik Ibsen
Übersetzung und Bearbeitung von Gottfried Greiffenhagen und Daniel Karasek; Fassung des MGT Berlin
Regie: Jorinde Dröse, Ausstattung: Susanne Schuboth, Musik: Roderik Vanderstraeten, Dramaturgie: Carmen Wolfram.
Mit: Hilke Altefrohne, Peter Kurth, Andreas Leupold, Anja Schneider, Gunnar Teuber; Kinderdarsteller: Ole Köhler, Selma Köhler, Josie Lehmann.

www.gorki.de

 

Mehr zu Jorinde Dröse gibt es im nachtkritik-Lexikon.

 

Kritikenrundschau

"Im Foyer danach wurde vor allem über das eine geredet. Die lachenden Kinder", so Andreas Schäfer im Tagesspiegel (18.1.2011). Denn Jorinde Dröse mache aus Noras Akt der Selbstbefreiung einen ganz normal schäbigen Scheidungskrieg. Und während die beiden Elternteile "in einem existentialistischen Schneegestöber Wer-als-erster-geht-hat-Gewonnen spielen, bleiben die Kinder übrig. Sitzen verlassen auf einer Stufe, schon das ist ein trauriges Bild". Noch trauriger werde es, als die beiden anheben, die letzten Sätze, die Ibsen ihren Eltern zugedacht hatte ("darf ich dich wenigstens anrufen?" usw.) zu sprechen. "Aber sie müssen unfreiwillig immer wieder lachen – und ernten heftigen Beifall des Mitgefühls." Das Gute an dem Abend sei, dass Dröse ohne Brimborium erzähle, gewissermaßen mit der Nüchternheit der altrosa tapezierten Sperrholzbude. Klar und nackt wirke auch das Spiel der Schauspieler. "Aber die Figuren können nicht nur zwei Stunden frisch voreinander stehen, sie müssen sich auch bewegen. Und das tun sie auf eine überkandidelte, übertrieben alberne Weise. Es wird getanzt und gekichert, was wieder nur vom Ende her verständlich wird."

"Peter Kurth stampft. Er brüllt. Seine Gesichtsfarbe wechselt ins Dunkelrot", daran werden sich künftige Wutspieler messen lassen müssen, schreibt Dirk Pilz in der Berliner Zeitung (18.1.2011), der "Gefühlsverkrümmte" sah, "abgehetzt vom Dauerlauf nach Lebensglück", "Wurzellose", "Lebenswindgebeutelte". Dröse schere sich nicht um die Frage nach weiblicher Selbstbestimmung, nach Emanzipation, Freiheit. "Sie will wissen, wie gerechtes, glückliches, sozial verantwortliches Dasein funktioniert - und plädiert für Wahrhaftigkeit." Und werfe neben den Seelen- und Selbstfindungsfragen noch jene nach dem Geld auf, sie setze die Ökonomie ins Zentrum. "So wird aus 'Nora', dem Emanzipationsdrama, ein Schulden-, Geld- und Bankenstück. Es ist fast, als habe sie 'Nora' durch die Brille von Elfriede Jelineks Schulden-, Geld- und Bankenstück 'Die Kontrakte des Kaufmanns' gelesen. Jelinek hat ein bös komisches, scharf anklagendes Drama über die Ökonomisierung aller Gefühle und Gedanken geschrieben; Dröse buchstabiert aus, was das im Ehe- und Angestelltenalltag, für Scheidungskinder und Geldgläubige bedeutet: Es ist die Hölle."

"Es hängt ein Schatten über dieser 'Nora', und der heißt 'Nora"", schreibt Elmar Krakeler in der Welt (18.1.2011), der daran erinnert, "dass Thomas Ostermeier vor acht Jahren den Text an der Schaubühne ins neue Jahrhundert rettete, wie selten ein Text in ein neues Jahrhundert gerettet wurde". Mehrere Finanzkollapse später erzähle Jorinde Dröse eine ganz andere Geschichte, aus einem ganz anderen Land. "Eine enge Kammer ist dieses Land, in der alles auf eine Drehtür hin flieht, die den Raum teilt (...) Die Perspektiven stimmen nicht in diesem Raum, alles ist schief, alles muss schief laufen. Daraus hätte ja was werden können." Nur leider lauft dann nicht nur Noras Ehe schief. "Sondern gleich auch das ganze Stück", so Kraleler. Man habe es relativ schnell begriffen, was hier vorgehen soll. Fazit: "Es wird, wie in mancher modernen Ehe, viel geredet, aber wenig entschieden - zum Beispiel, ob man nun in einem Drama oder in einer Klamotte spielt. Am Ende lachen die Kinder. Und man ist sehr einverstanden damit.


Kommentare  
Nora, Berlin: entspannt-entrückte Inszenierung
bin auch noch zwei tage nach der premiere durch die kombination aus wahnwitzig- spielfreudigem ensemble- allen voran peter kurth-, verspieltem bühnenbild, fluffiger musik und entspannt-entrückter inszenierung vollkommen geflasht. spitzenabend.
Nora, Berlin: neuer Stil im Petras-Gorki
Auch ich war besgeistert. Endlich mal ein anderer, neuer Stil im Petras-Gorki. Juchz.
Nora, Berlin: schauspielschulhafte Albernheiten
Die Darsteller interessierten sich nicht für das Innenleben der Figuren, die sie zu spielen hatten. Es wurde nur nach schauspielschulhaften Albernheiten gesucht, um beim Publikum Punkte zu sammeln. Sämtliche Spieler (ausgenommen Leupold) lieferten ihre Maschen herunter, die sie schon vermehrt auf der Gorki-Bühne zeigten. Das ganze Ehedrama wurde von der Regie auf ein pubertäres "ich-mach-mit-Dir-Schluss,weil-Du-doof-bist" Gekieckse heruntergedrosselt, dass es nur konsequent wirkte, dass die Kinder am Stückende Ihre Eltern auslachten, bzw. sogleich die gesamte "Show". Eine wunderbare Emanzipation dieser Scheidungskinder: "Gehen wir halt ins Heim, unseren Eltern sind wir eh schon längst entwachsen."
Nora, Berlin: Mittelmaß eines Kleinstadttheaters
es ist bedauernswert wie ein großes Stück Gesellschaftskritik in einem solch kleinbürgerlichen und weinerlichen Ende zerfließen muss. Ich habe mir deutlich mehr von Frau Dröse versprochen. Lächerlich. Nie sah ich eine langweiligere Nora ohne Spannung, Peter Kurths Spiel (Torvald) bleibt die einzige Glanzleistung des Abends. Toll inszeniert das retardierende Moment, dann gehts ganz schnell wieder bergab ins Mittelmaß eine Kleinstadttheaters.
Nora, Berlin: Schulklassen als Gradmesser
@jan2: 5 schauspielern, die sich auf der höhe ihres könnens befinden, schauspielschulhafte albernheiten vorzuwerfen, grenzt doch selbst an eine abwegige albernheit.

das besondere an dieser nora-inszenierung ist für mich, allen fünf charakteren raum zu geben und nora nicht unbedingt in den mittelpunkt zu stellen.obwohl man ja genau weiss was passiert, bleibt die inszenierung durchweg spannend ohne längen, auch dadurch weil die großartigen schauspielern abgründe hinter ihrer kleinbürgerlichen fassade in ihrem innenleben aufblitzen lassen- wie wir alle.

auch ein gradmesser für gute inszenierungen: schulklassen.
sind die klassen während der aufführung ruhig, handelt es sich in der regel um eine starke inszenierung. gestern waren zwei klassen im saal- mucksmäuschenstill.
nach der aufführung ein mädchen zu einem schulkamerad, der offensichtlich lars hieß: "ich nenn dich ab jetzt krogstad"
Nora, Berlin: die invisible Kinderhand der Inszenierung
@ 4

Was Sie hier "kleinbürgerliches Ende" nennen, hatte für mich eher die Pointe, daß im Grunde doch das Ende offen blieb, jedenfalls wenn
man -wie ich- den Kinderschlußdialog streng bei den Kindern beläßt
und eben nicht sagt: die Kinder übernähmen von diesem Moment an den
Schlußpart der Eltern.
Warum sollte "man" das so lesen/sehen/verstehen müssen ? Das losgelassene Verhalten der Kinder im Zuge des gesamten Stückes, hierzu gehören auch die sehr interessanten Beobachterpositionen (zB. des Krogstadkindes), spricht meineserachtens eher für eine Interpretation des Endes, die ich persönlich (gut, ich bin ein Trennungskind, siehe "die Mutter verteidigen, dem Vater Recht geben...") außerordentlich gut herausgearbeitet und durchaus lohnenswert finde: es ist ein Dialog der Kinder (die ihren Eltern gerade nicht entwachsen und so, wie sie aufwachsen, möglicherweise auch schwerlich jemals entwachsen können: man kann auch das neue Krogstadpaar als so einen hoffnungslosen Fall betrachten, der gerade die mahnenden Beispiele der eigenen Vorgeschichten bzw. das konkrete Helmerehepaar vor sich hat und dennoch: Haustiere, geregeltes Sexualleben, Kinder ..., und wie oft haben streitende Eltern ihren Kindern schon "beigebracht": Hier seht ihr wenigstens, wie man es nicht macht ! (hat das je geholfen ???))!
Wie oft "klammert" sich das eine Kind an die Vorstellung, daß die Eltern sich zusammenraufen, währenddessen das andere Kind, meist wohl das ältere, eine Art Desillusionierungsarbeit beginnt, die Eltern "freisetzend": "Vielleicht ist es das Beste für sie... ."
An einen solchen Kinderdialog sehe ich nun das "Originalende"
des Stückes "Nora" gekoppelt - die Kinder mögen ihn schon ähnlich häufig gesprochen haben wie wir ihn auf Bühnen sahen bzw. hörten !

Für diese "Kinderperspektive" in der Inszenierung spricht zudem das
Bühnenbild: das ist nun mal ein großes Puppenhaus, und nicht alles, was dann an Gestühl etcpp. im Spiel in so ein Puppenhaus gesetzt wird, gehorcht -wie es in der Krakeler-Kritik heißt- der
Proportion und Perspektive - vielmehr deutet sich in dem sich zum Publikum öffnenden Raum mehr soetwas an wie eine "invisible Kinderhand", die, wenn sie zum Spiel ins Puppenhaus eingreift, eigentlich nur sehr grobmotoriges, meist nach vorne hin stattfindendes und Kinderlaunen unterworfenes Spiel zuläßt, zumal diese "invisible hand" sehr wohl auch von der Seite her spürbar ist, die Dirk Pilz in seiner Kritik herausgestellt hat, wenngleich der Jelinekbezug für mich sich nicht ohne weiteres erschließt.

Interessanter an den Pilzkritiken, ua. gibt es wieder ein Exemplar in der FR, war für mich ohnehin der Passus über Jorinde Dröses Anliegen (und eine Mode bei Regisseuren zwischen 30 und 40 Jahren), in dem es wie folgt heißt:
"Sie will wissen, wie gerechtes, glückliches, sozialverantwortliches Dasein funktioniert - und plädiert für Wahrhaftigkeit. So gesehen ist dieser Abend gut sozialdemokratisch.
Er paßt also bestens zur Regiegeneration der 30- bis 40-Jährigen, unter denen das Sozialdemokratisieren alter Stoffe regelrecht zur Mode geworden ist."

Ich persönlich finde allerdings schon, daß dieses Plädoyer für Wahrhaftigkeit genau das ist, worum es erstens in vielen Ibsenstoffen, siehe "Peer Gynt" !, hauptsächlich geht, nicht umsonst Weiningers Kant-Hinweis zu Ibsen in seiner Würdigung des Peer Gynt, zweitens wohl auch in seiner "Nora" viel mehr als es in zahlreichen Inszenierungen vor allem des Emanzipationsthemas zum Ausdruck gekommen ist.

Jorinde Dröses Inszenierung ist eine sehenswerte Bereicherung,
in einem angenehmen Sinne "bodenständig" trotz des vielen Drehtürwindes, der da gesät wird.
"Beim Publikum punkten", also Anbiederungsdramaturgie ??
Sehe ich nicht. Keine Zoten, kein Draufsteigen auf virulente Themen zwecks eines zynischen Drüberhinweglachens, nein, in erster Linie wirklich,
wie § 1 und 2 hier angemerkt haben: Spiel, sehr wohl auch das:
bewußt eingesetzte spielerische Mittel ! Das paßt sehr gut zur Kindesperspektive, welche durch die Premierenlacher möglicherweise anders "gelitten" hat, als die Kritik es bisher herauszuarbeiten verstand (siehe das, was ich oben "Pointe" nannte).
Nora, Berlin: wie ein Experimentierkasten
Sehr genau beobachtet, Arkadij, vielleicht hätte man für diese Perspektive im Rang sitzen müssen, was ich auch diesmal getan habe, ganz zufällig eigentlich. Hier wird diese Puppenstube noch viel deutlicher. Dieser Blickwinkel fehlte den meisten Kritikern wahrscheinlich. Allerdings werden die Figuren schon ganz bewusst gelenkt und diese unsichtbare Hand trägt deutlich die Handschrift der Regisseurin. Es ist ihre ganz persönliche Sicht aus eigener Erfahrung heraus. Einen großen Experimentierkasten hat Jorinde Dröse hier aufgebaut, in dem sie die Figuren hin- und herschiebt, ordentlich durchdreht und dann ungebremst aufeinanderprallen lässt. Das wirkt spaßig und bisweilen unfertig wie noch auf der Probe. Es gibt keine vorhersehbare Dramaturgie, es ist alles sehr erfrischend und manchmal auch etwas chaotisch wie auf einem Kindergeburtstag. Aber das ist das Konzept, die genüssliche Sicht des ehemaligen Kindes auf die Fehler der Eltern, aber nicht nur mit einem Gefühl der Überlegenheit, sondern durchaus auch mit dem nötigen Ernst für die Situation.
Eine ungewöhnlich aufgekratzte Nora ist hier Hilke Altefrohne, eine die sehr wohl ihren Platz im Leben neben ihrem Göttergatten Helmer beansprucht, aber ansonsten eigentlich akribisch an der gutbürgerlichen Fassade und Einrichtung ihres kleinen Wolkenkuckucksheim-Glücks bastelt. Dass das dann an der Wahrheitspedanterie und den Konventionen ihres Mannes scheitern muss, wird ihr erst zu spät klar. Sie ist das große Kind, für das sie auch von Helmer gehalten wird, Peter Kurth spielt ihn locker, generös und ist dabei selbst noch ein großer Junge. Er bevormundet Nora und nimmt sie nicht ernst, siehe Running Gag mit der Süßigkeitentüte. Nora, die Konsumverrückte, die sich selbst noch für ihren Göttergatten als Geschenk verpackt. Ihre einzige wirkliche Kommunikationsanlaufstelle ist eigentlich Doktor Rand, Andreas Leupold darf hier auch sehr lustig sein, endet aber wie immer als tragische Randfigur mit Heulkrampf.
Dennoch ist diese allen psychologischen und hoch philosophischen Kram über Bord werfende Inszenierung sehr sympathisch. Man muss sich erst mal in diese überraschend unkonventionelle Herangehensweise einsehen. Jorinde Dröses führt uns nicht nur in eine andere Zeit, es ist für viele eine ganz andere Welt, die dort gezeigt wird. Aber in eine neue Perspektive kann man sich ja einsehen, auch wenn diese einigen etwas zu schräg geraten scheint. Es ist die Welt der Kinder, die da verständnislos neben dem Chaos der Eltern stehen und dabei emotional überfordert sind. Das Nachspielen der üblichen Phrasen zum Schluss macht das deutlich.
Was danach passieren wird, ist erst der Rosenkrieg, der in Ibsens Nora ja so noch nicht angelegt ist. Man kennt vielleicht aus einigen epischen bzw. dramatischen Werken die Versuche zu beschrieben, wie denn der Werdegang der Nora nach dem Verlassen ihrer Familie aussehen könnte wie zum Beispiel in Peter Handkes „Die linkshändige Frau“ oder eben im Klassiker „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stützen der Gesellschaften“ von Elfriede Jelinek. All das interessiert Jorinde Dröse nicht. Und das ist für mich das eigentliche Problem der Inszenierung. Wer, und wenn auch nur aus der Erinnerung heraus, ein Stück in eine andere Zeit verlegt, sollte zumindest den Kontext zu dieser Zeit nicht vollends ausblenden. Gesellschaftliche Probleme und soziale Verwerfungen in Folge der Wirtschaftskrise dieser Jahre, werden nur in den Randfiguren, Kristine und Krogstad angeschnitten. Ihr Kampf, um alles in der Welt ein Stück vom Glück zu erhaschen, ist symptomatisch für diese Zeit.
Die Zeit der 70er Jahre in der Bundesrepublik war aber noch durch andere Kämpfe gekennzeichnet, deutscher Herbst, die Notstandsgesetze und nicht zuletzt die aufkommende Frauenbewegung mit ihrer Galionsfigur Alice Schwarzer, zum Beispiel mit „Frauen gegen den § 218“, „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“ etc. Nach der Radikalisierung der 68er befand sich die Gesellschaft aber bereits wieder auf dem Rückzug ins Private und das ist die eigentliche Parallele zu unserer Zeit, dieses wohl sozialdemokratische Element des Hineinrückens in die Mitte. Man muss das in Nora nicht unbedingt thematisieren, aber als Bezug zu den 70ern sollte es nicht ganz außer Acht gelassen werden. So ist Jorinde Döse zwar eine leichte und spielerisch überzeugende neue Sicht auf die Figuren in Ibsens Nora gelungen, aber letztendlich bleibt diese Inszenierung eben auch nur ein Stück entpolitisierte, normale Bürgerlichkeit.
Nora, Berlin: 70er-Jahre-Konkretion wäre kontraproduktiv
@ Stefan

Sie schreiben: "Wer,und wenn nur aus der Erinnerung heraus, ein Stück
in eine andere Zeit verlegt, sollte zumindestens den Kontext der Zeit
nicht völlig ausblenden".

Unter anderem: genau das weiß ich nicht so recht, ob dieses
Stück wirklich in die 70er verlegt worden ist.
Ich sehe gewissermaßen ein aus dem vorigen Jahrhundert "ererbtes
Stück" in einem -für meine Vorstellungswelt- Puppenhaus spielen, das, wie viele noch heute gebräuchliche Puppenhäuser, ebenso "ererbt" daherkommt: es ist garnicht ungewöhnlich, wenn heute noch in diesen 70er-Jahre-Räumen Kinder (meist Mädchen) ihre hiesigen und heutigen Spiele anlegen- unter Ausklammerung der (hoch)philosophischen und politischen Rahmenbedingungen, und für mich bleibt durch die Inszenierung diese "Kinderperspektive" zentral, und gerade, weil sie vor Schulklassen und Erwachsenen so konsequent durchgehalten wird, wirkt diese Perspektive herausfordernd: und so verstehe ich letztlich auch Ihre Striche zu den 70ern, daß Sie diese Herausforderung erreicht hat.
Ich denke, daß wird nicht nur Ihnen und mir so ergangen sein, diese Herausforderung zu verspüren, und ich sehe einen Clou dieser Inszenierung darin, gerade ohne viel Psychologie, rein über die Tatsache, daß wir über den Tatbestand des "Rückzugs ins Private" in den 7oern als durchaus geschichtliches Mahn- und Warnbild verfügen, zu agieren: das wird wie eine Trumpfkarte ausgespielt und transzendiert sowohl die Spieltradition der Nora als auch die
Zeit bis ins heute hinein: will sagen, daß jede Konkretion des 70er-Jahre-Umfeldes hier geradezu kontraproduktiv wirken müßte, da "man" sich darauf nur allzuschnell wie auf ein Historisches hin bezieht, wohnlich einrichtet damit wohlgar, ein Historisches, zu dem quasi informatives Quellen- und Dokumentarmaterial hinzugeliefert werden, mit dem ich wissend vor jedermann pranken kann, fühle ich mich durch eine diesbezügliche Frage unangenehm erinnert, aufgerufen, bedrängt.

Diese letztere Möglichkeit verweigert Frau Dröse gekonnt, schafft es aber dennoch, besagte Trumpfkarte auszuspielen (hier spielt das Lob des retardierenden Momentes von oben hinein), indem das Paar
Linde/Krogstad politischer und psychologischer exponiert wird als dasjenige Paar, das vor allem der "Kinderperspektive" verpflichtet bleibt (Krogstads Kind dagegen agiert wiederum, anders als die anderen Kinder, beobachtend, und betrifft uns darin wiederum anders als die anderen Kinder: dieses ist eigentlich "unsere" Identifikationsfigur, nur bezogen quasi auf ein anderes "Paar").

Freilich frage ich mich schon, ob das nicht ein sehr zweifelhaftes
Vergnügen ist, fernerhin der Mitschülerin "Krogstad" zu heißen;
es steht zu befürchten, daß das Mädel weg ist, wenn der solvente
Mann um die Ecke kommt, oder mit der Formel "Krogstad" jene Dressur anhebt, die in Folge der Nora eine Antipodin Frau Schwarzers, wieder sind wir bei ihr, Stefan, Esther Vilar beschrieb: "Krogstads" sind dafür die allerbesten Kandidaten, sind, nach Ihnen, Stefan, dann freilich selbst Schuld.

Frau Vilar hat, so schließt sich jetzt zunächst der Kreis, mit
ihrem "Helmer-Puppenhaus"-Stück bezeichnenderweise auch eines jener Nora-Nachfolgestücke abgeliefert (ich sah es vor etlichen Jahren, als ich selbst noch eheähnlich lebte, mit meiner damaligen Partnerin im "Polnischen Theater Kiel").
Nora, Berlin: Peter Kurth wirklich hummerrot
Tatsächlich, Peter Kurths Gesicht erreichte bei seinem Wutausbruch Hummerröte. Zunächst dachte ich, diese „Kongestion zu Kopfe“ (Thomas Mann) sei eine Übertreibung von Pilz.
Die eruptive Entladung Helmers nach dem Erhalt des Briefes war auch schon der Höhepunkt des Abends, eine kleine nachträgliche Versöhnung angesichts der Strapazierung des Ausharrungsvermögens.
Ohne Zweifel war Kurth, der ein Rockabilly-Outfit erhielt und trotz des Anzugs immer noch leicht schmierig wirkte, ein Faktor, der den Abend noch erträglich gestaltete. Und dabei hatte Frau Dröse hervorragende Schauspieler zur Hand, die aber nicht zu einer Einheit verschmolzen, sondern sich im Einzelkämpfertum ausagierten.
Sicherlich, das mickrige Bühnenbild ist eine Frage des Geldes und ein paar hundert Meter weiter werden den Zuschauern mitunter Broadway-Interieurs geliefert – trotzdem hätte man etwas mehr daraus machen können. Spätestens nach diesem Abend weiß ich Ostermeiers damalige Inszenierung erst richtig zu schätzen und muss sie beinahe als Jahrhundertwerk einstufen. Frau Altefrohne mühte sich zwar redlich, kam aber nie an die Qualitäten von Anne Tismer heran. Der auf der Höhe seiner Schaffenskraft angelangte Ostermeier vermochte immerhin das Maximum ihrer Kapazität aus ihr herauszuholen. Gunnar Teuber spielte den Krogstad – das hat Rakow in seinem Märkischen Blatt richtig erkannt – etwas zu sanftmütig, ganz im Gegensatz zu KB Schulze, der in der Schaubühne eine weitaus rigorosere Figur entblätterte.
Auflockernd hingegen war die Tanzszene, vor allem passte das klebrige Haarölpräparat von Kurth perfekt zu der mit der Musik einhergehenden Mode. Insgesamt einige gute Einzelszenen, aber nichts Ganzes. Während dieser Inszenierung habe ich an einiges gedacht, aber bestimmt nicht an die Sozialdemokraten und ihre Sicht der Dinge. Fürst Chlodwig zu Hohenlohe, ab 1894 Reichskanzler im Kaiserreich, sagte einmal nach dem Besuch eines Hauptmann-Stückes: „Das ist mir zu sozialdemokratisch“, und hatte damit, aus seinem erzkonservativen Verständnis heraus, sicherlich nicht Unrecht. Aber wo war das von Pilz entdeckte Weltbild der SPD bei Frau Dröse? Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, was immer man darunter verstehen mag, stand bestimmt nicht im Mittelpunkt, schwang bestenfalls als leiser Unterton kaum merklich mit.
Vielleicht lag es an der Höhenluft, der Stefan in seinem Rang ausgesetzt war. Ich jedenfalls saß im Parkett und habe nicht eine Sekunde an die Notstandsgesetze gedacht, die im Mai 1968 verabschiedet wurden. Nun, Stefan, ich möchte Ihnen Ihre Assoziationsketten nicht nehmen.
Nora, Berlin: nicht in dieses Puppenhaus gepasst
@ 9

Jelinek? Sozialdemokratie??

Naja, das war eigentlich mein Grund, den Teil der Pilz-Kritik, welche in der Kritikenschau nicht explizit gemacht wurde, noch einmal gesondert herauszustellen, zumal Herr Pilz da eine regelrechte Mode ausmachen will (und ich würde schon gerne wissen, an welche Exemplare dieser Mode er dabei zunächst so denkt), "alte Stoffe" zu "sozialdemokratisieren".

Ich finde zwar, daß es zu jener (von mir weiterhin als solche gesehenen) "Trumpfkarte" gehört, mit dem 70er-Jahre-Interieur, der Kleidung, der Videowand mit Wohnblöcken des sogenannten "Sozialen Wohnungsbaus" die "bürgerliche" Flucht ins Private zu markieren, sehe allerdings (auch) nicht, daß es hier darüber
hinaus zu jelinekschen Zügen oder einer dezidierten sozialdemokratischen Aussage kommen würde, daß hier eine besonders politische Inszenierung überhaupt vorliegt -was sie nun auch nicht sein muß, zumal der Stoff, ich deutete es bereits ein wenig an, häufig genug vom "Wahrheit-/Lüge-Problem, das Ibsens Werke durchzieht, gerade abgehend und das Emanzipationsthema einseitig würdigend, inszeniert worden ist in der Vergangenheit, so daß der konsequente psychologische Zugriff Ostermeiers seinerzeit (und bis auf den heutigen Tag) freilich befreiend und erneuernd wirkte- die Betonung liegt, warum auch nicht?, mehr auf der Wirkungsebene, will sagen: wie die "Ökonomisierung der Gefühle"
sich auswirkt - das stellt für meine Begriffe auch Pilz in den Mittelpunkt, wenn er letztlich von der "Hölle" am Ende seines/seiner Artikel spricht.

Ich bleibe deswegen bei der "Kinderperspektive", welche diese Inszenierung herausarbeitet, und ich muß zudem Stefan beipflichten, daß auch ich mich in diesen Stil erst einmal einsehen mußte -den Schülern, die zwar recht still saßen, ging es wohl spürbar ähnlich, so kam es des öfteren zu Textpassagenwiederholungen (zwecks Verarbeitung) aus den beiden SchülerInnenreihen direkt hinter mir-: das von Ihnen, lieber Flohbär, besagte Einzelkämpfertum sehe ich insofern nicht, den auffällig sehr milde gehaltenen Krogstad dagegen sehr wohl (zumal ich den Krogstad des Kai Bartholomäus Schulze auch kenne und schätze; nun ist Herr Schulze allerdings auch ein ausgesprochener
Lieblingsschauspieler von mir im Schaubühnen-Ensemble, wenngleich er in so mancher Kritik wegkommt, als hätte man ihn in seiner Schulzeit auch schon immer "Krogstad" genannt, den er jetzt folgerichtig geradezu gibt ...): auch, wenn es Sie (und andere) an dieser Stelle "nerven" mag, so ziemlich alles auf diese (oder zu hier hin) "Kinderperspektive" zulaufen zu lassen, aber das andere Paar, das Krogstad und Linde dann bilden, wird, wie häufig "andere Paare" durch "Trennungskinder", idealisiert: Frau Linde tritt konzentriert und entschieden auf, Krogstad sanft, verständnisvoll- sie bilden durchaus (auch vom Spiel auf der Bühne her) den Gegenpol zu Helmer/Nora - Dr. Rank "funktioniert" eher wie ein Scharnier, was teilweise durch seine Eifersucht auf Frau Linde eingeholt wird.

@ Stefan

Als 70er-Jahre-Realismus macht das eh nicht viel Sinn, da es mir dann mehr als unglaubhaft schiene, daß der Posten, bevor man so ein Bankdirektor geworden ist, so "übelst" dekoriert gewesen sein muß, daß es nur für eine Sozialbauwohnung mit kargester Einrichtung gereicht hat, nur so nebenbei.

@ allgemein:

Ja, Frau Dröse spielt, denke ich, bewußt eine Nebenvariante (in der Schachsprache) des Stoffes: dies gelingt.
Der Vergleich zur kraftvollen Nora Herrn Ostermeiers fällt mir einigermaßen schwer, da diese völlig anders akzentuiert ist: die Nora Frau Tismers hätte schlichtweg in dieses Puppenhaus nicht gepaßt, und die Nora Frau Altefrohnes nicht in Pappelbaums Prachtwohnung - beide Noras waren für mich in ihren Inszenierungen stark..
Nora, Berlin: keine Flirts mit den Sozialdemokraten
Wissen Sie, Zarthäuser, auf interpretatorische Flirts mit den Sozialdemokraten möchte ich mich nicht einlassen. Den Helmers geht es, wie mir scheint, nicht um sozial verantwortliches Verhalten, sondern um ihr rein privates Glück. Frau Dröse mag vielleicht Interesse an der Wahrheit ihrer Figuren haben, die Figuren selber aber nicht. Die Wahrhaftigkeit ist nun nicht gerade ein typisches Phänomen der Sozialdemokraten, das erst später unter Mühen von anderen Parteien entdeckt wurde. Nach dem Amtsantritt des Kabinetts Brandt ist die Bundespolitik in eine besonders korruptionsintensive Phase eingetreten...
Und wie sich das verhält mit dem modisch gewordenen Sozialdemokratisieren von älteren Stoffen – da müssen Sie bei Gelegenheit Herrn Pilz fragen, ich bin auf diesem Gebiet womöglich etwas zu inkompetent.
Ach ja, und die Jelinek... Frau Dröse hat aus dem Stück ein Geldstück gemacht, wurde behauptet – ein Geldstück, in dem es um die Ökonomisierung der Gefühle geht, war es aber schon immer. Auch in Ostermeiers Inszenierung wurde die Frage nach dem Geld aufgeworfen. Der damalige Gattenmord wäre ohne die Finanzverstrickungen gar nicht passiert.
Bei dem Vokabular, den Kombinatstapeten und dem kümmerlichen Mobiliar habe ich nicht gerade an die 70er-Jahre gedacht, schon gar nicht an den Deutschen Herbst und ähnliche Dinge. Aber Sie sehen, Zarthäuser, solch ein Stück gibt Anlass zum Nachdenken.
Wahrscheinlich hockten wir in der gleichen Aufführung, aber Sie laufen schließlich nicht mit einem Namensschild herum.
Nora, MGT Berlin: eine erfreuliche Menge
Richtig, ich laufe nicht mit nem Namensschild um den Hals rum, "enttarnt" wurde ich heute trotzdem (wie Sie vielleicht gelesen
haben). Sprechen Sie hin und wieder mit männlichen "Heten" um die 40,
wenn Sie im Theater sind, irgendwann stoßen Sie vermutlich auf Stefan, der ebenfalls offenbar in der selben Vorstellung saß wie wir, Prospero oder mich -käme das Gespräch auf nachtkritik würde ich jedenfalls schon erwähnen, daß ich hier hin und wieder selbst zwei, drei Striche zu einer Inszenierung hinterlasse- bzw. einen der immernoch zahlreich hier durch Berlin ziehenden Theaterfreunde im besagten Alter: ich sah die gute Woche, die ich jetzt hier bin,
eine erfreuliche Menge solcher.

Genau, solch ein Stück gibt allerhand Anlaß zum Nachdenken: wir können das die Tage sehr gut verfolgen, wie kontrovers die neue Premiere im Deutschen Schauspielhaus Hamburg diskutiert wird, zu der die Menschen aus Frankfurt oder Berlin gepilgert sind (wie es ua. aussieht). Ihrer Einschätzung der "Lulu" , die ich am Freitag
sah, kann ich durchaus beipflichten (ich war in diesem Sinne positiv überrascht !) , bin mir nur nicht ganz sicher, ob der Lösch-Thread, es gab gerade kürzlich einen aktuellen, "gesendeten" Beitrag, jetzt wieder "moderat geöffnet" werden soll (Frage an die Regie), denn so richtig "ausdiskutiert", was immer das sei, war der Abend (trotz der vielen Einträge) im Grunde nicht ! lg von der Oranienburger Straße !!
Nora, Berlin: es geht um das Kontroverse
Korrektur eines sachlichen Fehlers:

Aus Frankfurt und Berlin wurde die Premiere des "Don Carlos" im Thalia
angesteuert, wenn wir uns hier auf nachtkritik de.-Stränge und das in ihnen zum Ausdruck Gebrachte beziehen; die Einschätzungen dazu sind schon kontrovers, währenddessen die deutlichere Kontroverse sich zum neuen "Lear" im Deutschen Schauspielhaus abzeichnet: um diese mitunter kontroversen Haltungen zu Theaterabenden geht es immer wieder, und, ich greife das "Lächeln" aus einem anderen Thread gerne auf, es ist nicht immer zum Lächeln in einen Tag hinein, was "man" so liest, zB. wenn Sie ein (nach Eigeneinschätzung) "männlich tendenzierter weiblicher Mann" sein sollten und, ohne weitere Aufschlüsselung, wozu das geschrieben wird, lesen müssen, Sie bedienten sich einer "weiblichen Schreibe",
offenbar teilen Absender und Empfänger an dieser Stelle immerhin einen (mindestens wohl minimal angekränkelten) weiblich-männlich-Diskurs in etwa (weder "weibliche Schreibe" noch "männlich tendenzierter weiblicher Mann" sind unbedingt alltäglich zu vernehmende Wendungen, abgesehen davon, ob sich zu diesen "Begriffen" auch etwas denken ließe ...), aber, warum eigentlich nicht lächeln und mit Wonnen ins naßkalte Wetter des heutigen Berlins ?
Werde nicht sogleich über Gott lächeln !. (siehe Weininger)

Bleibt meine obige Frage an die Redaktion, ob der "Lulu-Thread" jetzt wieder für moderaten Gebrauch geöffnet wurde oder der letzte Eintrag, § 169, nur versehentlich durchgerutscht ist (ich erspare den LeserInnen auch weitere Enthüllungen, auch wenn der Aussteigerin aus dem "Tip" seinerzeit sehr leicht auf die Spur zu kommen wäre ...).
Nora, Berlin: irritierende Sprünge
So sehr mich die vorgeschriebenen Einsichten und Assoziationen beeindrucken, so wenig haben sich mir diese im Stück erschlossen. Die Bühne war blass und leer - ein Puppenhaus für mich nicht zu erkennen. Ständig wurde geraucht - was weder zu Puppen gehört noch sonst den Inhalt beförderte. Vor allem aber waren die Sprünge der Charaktere irritierend: Nora vom konsum- und aufstiegsgierigen Girlie ganz plötzlich zur selbstbestimmten Entscheiderin. Und Thorvald innerhalb von nur fünf Minuten vom liebenswürdigen Nachtschwärmer zum Alleszerstörer - und wieder zurück.

Ja: die Schauspieler sind gut, es gab ein paar gelungene komische und mit den allein gelassenen Kindern eine emotionale Schlussszene. Nur bleibt das Miteinander der Figuren künstlich ohne Anknüpfung an reale Beziehungen und Bedürfnisse - wie sie etwa im Programmheft thematisiert werden. Ein eine Spannung haltendes Gesamtkonzept hat sich mir schlicht nicht erschlossen.
Nora, Berlin: Zeuge, Richter, Schiedsrichter
@ 14

Wenn sich meine Eltern gestritten haben, dann gab es da allerdings auch sehr irritierende Sprünge; nicht zuletzt diente man mir allerlei Rollen an: Zeuge, Richter/Schiedsrichter, Vertrauter auf Augenhöhe der Erwachsenen - im nächsten Moment war ich halt wieder
Kind: irritiert durchaus: möglicherweise habe ich mir dann ne Kaugummizigarette gezogen, statt das Puppenhaus meiner (hier zu imaginierenden Schwester) abzufackeln..
Nora, Berlin: auf hohem Niveau gespielt, aber kalt
Die Schauspieler waren technisch und handwerklich auf hohem Niveau. Der Text spannend und gut herausgearbeitet. Was mir am diesem Abend gefehlt hat: Man(n) konnte nicht in die Herzen der Darsteller sehn, kaltes nicht miteinander Spielen. Die Frage ist, war dies Regiekonzept (aufzeigen des nicht miteinander redens inerhalb des Stückes) oder liegt das am Einzelspiel der Darsteller.
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