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Die Botschaft der Alupackung

von Katrin Ullmann

Hamburg, 17. Februar 2011. Das Essen ist noch warm. Als die Folie weggerissen wird, quillt heißer Dampf aus der Alupackung. Der Geruch von warmen Reis, von Hühnchen in Kokosmilch mit Zitronengras und Thai-Basilikum scheint durch den Raum zu wandern. Doch statt einschlägiger Asiaküche befinden sich fünf Asiaköche in der überdimensionalen Aluschachtel, die Kathrin Plötzy auf die Bühne des Hamburger Schauspielhauses gestellt hat. Es ist ein so eingängiges wie geniales Bühnenbild für "Der goldene Drache" von Roland Schimmelpfennig. 2009 wurde das Stück von ihm selbst in Wien uraufgeführt, die Inszenierung zum Berliner Theatertreffen eingeladen, im darauffolgenden Jahr zum Stück des Jahres gewählt und mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet.

Mit Wokpfanne und Rohrzange

Es ist ein Stück, das sich um das titelgebende asiatische Schnellrestaurant rankt, um dort köchelnde illegale Einwanderer, um einige tendenziell hoffnungslose Bewohner aus den übrigen Geschossen des Hauses, um den benachbarten, seelenlosen Lebensmittelhändler Hans, um eine Tierfabel zwischen einer emsigen Ameise und einer singenden Grille und um einen kariösen Zahn, der all diese Handlungsstränge - ja, wer hätte das gedacht? - verzahnt.

In Hamburg hat sich Klaus Schumacher des recht konstruiert wirkenden Stoffes angenommen und dank der Bühnenbildnerin Kathrin Plötzy rein optisch schon mal alles richtig gemacht. In dem silbern beschichteten Raum agieren fünf Darsteller - Sören Wunderlich, Irene Kugler, Katharina Schmidt, Hanns Jörg Krumpholz und Hermann Book - mit Wokpfanne, Rohrzange und Kostümversatzteilen (Heide Kastler). Schließlich spielen diese fünf Schauspieler nicht nur die gehetzten Asiaten aus der engen Küche, sondern auch alle anderen Figuren. Mit einem gestreiften Hemd spielen sie den "Mann mit dem gestreiften Hemd", mit einem roten Kleid "Die Frau in dem Kleid".

Fiktion von der Verwandlung in jemand anderen

Ein bisschen sehr eindeutig fungiert so manches Kostüm als Orientierungspunkt, ansonsten geht es munter durcheinander: alt spielt jung, Mann spielt Frau, Mensch spielt Tier. Natürlich sind alle Figuren entweder einsam, hoffnungslos oder ungewollt schwanger. Sind illegal im Land, haben Zahn-, Herz- oder Seelenschmerzen. Textlich werden die Szenen nur grob skizziert, hektisches Küchenchaos wechselt sich ab mit kleinen Erzähleinheiten über die eher minder interessanten Einzelschicksale.

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© Sebastian Hoppe

Mit durchweg guten Darstellern und angenehm wenigen Requisiten gelingt es Klaus Schumacher, daraus einen gelungenen Abend zu bauen. Recht trocken lässt er die Schauspieler agieren, mit gesunder Distanz, verhaltener Tragik und ausreichender Komik. Sören Wunderlich etwa tanzt sich als Grille mit Netzhemd und zarten Fühlern zitternd die Seele aus dem Leib, um den Winter in fieser Ameisenabhängigkeit zu überstehen. Irene Kugler spielt diese geißelnde Ameise, um sich kurz darauf als Lebensmittelhändler Hans mit dem "Mann im gestreiften Anzug" (Katharina Schmidt) das Hirn leer zu saufen. Ekelhaft überzeugend spielen die beiden Frauen die beiden volltrunkenen Männer. Sie sind dabei mittendrin im fiesen Klischee und doch - durch den Geschlechterrollentausch - auf gruseliger Distanz.

Zitronengras zwischen den Zähnen

Katharina Schmidt ist absolut großartig. Die mädchenhaft wirkende, junge Darstellerin entwickelt als "Mann im gestreiften Anzug" aus einer traurigen Grundstimmung - da von der "Frau in dem Kleid" (Hermann Book) betrogen - zunächst einen fast unmerklich aggressiven Unterton, der sich gegen Ende des Abends in animalischem Gebrüll und sexueller Gewaltanwendung entlädt. Dabei sei nicht vergessen, dass sie parallel dazu, in abrupt wechselnder Szenenfolge, den zarten "kleinen Chinesen" gibt, der aufgrund seines Zahnverlustes ausblutet, erbleicht und schließlich stirbt.

Ohne Schimmelpfennigs dauerpräsenten Moraltenor ("jeder hängt mit jedem zusammen, die einen sind die Kunden der anderen"), wäre dieser Abend vermutlich viel freier, zynischer und ungleich härter geworden. So stört bei Schumachers Inszenierung leider immerzu die Moral von der Geschicht' - sie stört wie spelziges Zitronengras zwischen den Zähnen.

 

Der goldene Drache
von Roland Schimmelpfennig
Regie: Klaus Schumacher, Bühne: Kathrin Plötzy, Kostüme: Heide Kastler, Musik: Tobias Vethake.
Mit: Sören Wunderlich, Irene Kugler, Katharina Schmidt, Hanns Jörg Krumpholz, Hermann Book.

www.schauspielhaus.de

 

Mehr zu Roland Schimmelpfennigs mit dem Mülheimer Dramatikerpreis 2010 ausgezeichnetes Stück gibt es auf nachtkritik-stuecke2010.de. Wir besprachen die Uraufführung durch den Autor selbst im September 2009 am Wiener Burgtheater, die Schweizer Erstaufführung von Matthias Kaschig im November 2009 in Bern, als auch Maik Priebes Inszenierung im Juni 2010 in Kassel.


Kritikenrundschau

"Das Bühnenbild von Katrin Plötzky ist stark", findet Monika Nellissen in der Welt (19.2.2011). Wo aber Schimmelpfennig "das Elend in so verzaubernden Miniaturen in unser Bewusstsein" tupfe, "dass wir eigentlich staunend und dennoch gerührt zuschauen müssten", entzaubere Klaus Schumacher "diese Leichtigkeit, diese Poesie durch breit ausgespielten Realismus, der alle Magie zerstört." Das etwa Gerichte in Alufolien vom Schnürboden fallen, entfalte "Hektik, aber keine Stimmung".

"Brav servierten Theater-Hausmannskost", meint -itz im Hamburger Abendblatt (19.2.2011). "Klaus Schumacher hat das Theaterstück des Jahres 2010 im Schauspielhaus praktikabel verpackt und genussfertig angerichtet." Wo der Autor "in seinem distanziert erzählerischen Theater an die Zuschauerfantasie" appelliere, misstraue ihr Schumacher und neige dazu, "die Szenen illustrativ vorzukauen". Wenn die Schauspieler ihre Szenen nicht gerade chargenhaft ausspielten, gelängen ihnen "anrührende Momente".

Wer zuvor einmal "in den Genuss von Schimmelpfennigs Inszenierung gekommen war, ging mit hohen Erwartungen ins Schauspielhaus", schreibt lno in der Nordsee-Zeitung (19.2.2011). "Diese konnten nicht unbedingt erfüllt werden." Immerhin: "Besonders gelungen ist das Bühnenbild, eine überdimensionale, silberne Take-Away-Box. Im Inneren der glänzend ausgeleuchteten Aluminium-Schachtel ist ein Mikrokosmos angesiedelt, geprägt von Gier, Schmerz und zerplatzten Träumen."

Kommentare  
Der goldene Drache, HH: hochgejubeltes Stück
ich hab bisher sowieso nicht verstanden, wieso gerade dieses stück so unglaublich hochgejubelt wurde ..
Der goldene Drache, HH: V-Effekt und Distanz, aber wovon?
@ 1

Waren Sie das gestern, ganz früh nach dem Schlußapplaus, an der Garderobe: "Das Schlechteste, was ich je gesehen habe !" Darauf der junge Herr von der Garderobe "Ich hörte nur, daß es den Mülheimer Theaterpreis bekommen haben soll." ??

Zugegeben: Ich wäre so früh wohl auch kaum bei "Ihnen und Ihrer "Begleitung" (sie war hundertpro derselben Auffassung !!)", ich tue jetzt einfach mal so, Sie seien das gewesen, zumal Unverständnis für das Stück bei weitem öfter aufzuschnappen war als
Positives zum Stück, wenn ich damit warm geworden wäre.
Gut, der Autor hat mitunter ja auch das Anliegen, daß "man" damit nicht einfach mal so warm werden soll, aber ich kann mich letztlich
gerade mit diesem Anliegen, wie es mir vorliegt, nicht anfreunden oder erwärmen.
Schimmelpfennig spricht von einer Komplexität der globalisierten Welt, der mit hergebrachten Theatermitteln seineserachtens nicht beizukommen ist (das Interview aus dem TheaterHeute-Jahrbuch 2010
mit Franz Wille bildet dann auch so ziemlich den Stückbegleitzettel, der mich auch eher kalt läßt ...): es klingt für mich ein wenig wie die Suggestion, eine Art Szondi-II-Programm
der Formfindung stünde hier -alternativlos- an; teilweise sieht es mir wie die ärgerliche Behauptung aus, wir hätten gestern dergleichen nichtkonventionellen Formlösungen/Formlösungsversuchen
beigewohnt: gerade das bezweifle ich, beides.
Erstens hat das selbe Haus (im übrigen mit den auch gestern starken
SchauspielerInnen Katharina Schmidt und Sören Wunderlich, auf jeden Fall Kandidaten für die Nachwuchsschauspieler-des-Jahres-
Kategorie, keine Frage) im Rangfoyer mit dem "Kassandra"-Abend
gerade eindrucksvoll bewiesen, wie Formfindungen der vergangenen Jahre hier auf genuine schauspielerische Mittel trafen und ein am
Einzelfall, der interessierte !, orientiertes Spiel, das Zutrauen zu sich entwickelte, gebar, und zweitens gehen mir die angeblichen formalen Innovationen durch Schimmelpfennig garnicht so recht auf:
die V-Effekt-affine Episierung "Pause", die sich schnell abnutzt(e), kann es wohl kaum sein: sie mag Distanz schaffen, nur:
wovon eigentlich ? Frage ich mich an diesem Abend immer mehr.
Will uns der Abend eine "Ideologie der Überformungen auf Zeit" andienen, beinahe kommt es mir so vor ?.
Es war auch keine "Nummernrevue": dafür war es zu zäh, und dafür wurden einzelne "Spielaufgaben für Schauspielfortgeschrittene" zu
hinreißend bewältigt dann und wann; ein Bild, das sich mir aufdrängte, war das von einer Eiskunstlauf-Kür, die dem roten Pfaden "künstlerischen Flusses" abreißen lassen mußte, da es galt, noch einen dreifachen Axel mehr zu bringen und einen einfacheren Sprung vierfach anzugehen, aber zumindestens resigniert halb, halb selbstironisch-selbstschützend den Gemeinsinn wachhaltend dafür, daß dem Darstellenden hier selbst etwas abgeht: Pause, jetzt ein dreifacher Axel, Pause: jetzt eine gewagte Schrittkombination, Pause: jetzt ein Rittberger.
Nein, kein Rittberger: es war ein Schimmelpfennig..
Der goldene Drache, HH: Relevanz eines bunten Bilderbogens
Mein Problem war noch zusätzlich ein ganz anderes: Die postmoderne Gleichschaltung aller "Schicksale" - wer leidet eigentlich mehr, die ungewollt Schwangere oder die asiatische Sexsklavin? oder doch der alte Mann, der nie wieder jung sein kann? - ist zwar zeitgeistopportun, aber genau darin verdächtig. So kann ich dem deutschen Mittelschichtspremierenpublikum nicht glauben, dass es neben ein wenig Empörung über die explizite Darstellung von Sexszenen hinaus (oha! drastisch!) auch eine Empörung über die gesellschaftlichen Zustände, die "Schicksale" wie die der illegalisierten Arbeitsmigranten allererst hervorbringt und systematisch verwaltet, verspürt.
Was wiederum vor allem Herrn Schimmelpfennig anzukreiden ist (s.o.)!
A propos Sexszenen: die vermeintliche Radikalität der "alle-weißen-Männer-wollen-dann-doch-aus-Frust-und-Unfähigkeit-am-liebsten-eine-kleine-Asiatin-vergewaltigen-" hebt sich eben gerade in dieser plakativen Eindimensionalität selbst auf.
Und das ist eben das Ärgerliche: Inhaltlich hatte dieser Abend für mich die Relevanz eines bunten Bilderbogens. Also keine. Das muss nicht schlimm sein, aber ist dann, wenn das Gegenteil im Vorfeld postuliert wird, doppelt ärgerlich.
Über formal Gelungenes (ja, das Bühnenbild; ja, die Schauspieler, ja doch, auch selten ein paar poetische, witzige Momente (winkende Familie im Zahn)) mag ich dann auch nicht noch als "Vorschlag zur Güte" oder beschwichtigend sprechen.
Ich habe mich auf der Ebene unterhalten gefühlt, die Arkadij Zarthäuser sehr treffend "Spielaufgaben für Schauspielfortgeschrittene" nennt. Immerhin - vielleicht ist vom Staatstheater äh Stadttheater einfach allzu häufig nicht mehr zu erwarten.
Der goldene Drache, HH: es gibt keinen schlechten Schimmelpfennig
es ist ein grandioses stueck. es gibt keinen schlechten schimmelpfennig, nur schlechtinszenierte. so einfach ist das.
Der goldene Drache, HH: kein bisschen Fallhöhe
herr zarthäuser,
ich muss sie enttäuschen: das war ich nicht. ich würde für einen schimmelpfennig-abend kein geld ausgeben,erst recht nicht für eine premiere.
eine inszenierung (die aus dem - was auch sonst - burgtheater) reicht mir da völlig. das stück gewinnt auch durch andere regiehandschriften nicht an tiefe und/oder belang.

nummer 3 hat es schön auf den punkt gebracht.
mir geht die problemgleichschaltung auf den senkel. schimmelpfennigs stücken fehlt (bis auf einige wenige ausnahmen) einfach die nötige dramaturgie. da steckt kein bisschen fallhöhe drin, aber jedes stück will sich selbst immer wieder aufs neue als hochdramatisch verkaufen.(..). daran hab ich inzwischen einfach kein interesse mehr.
da ist jede mozart-oper konfliktgeladener.
Goldene Drache, Hamburg: phänomenologischer Zug
Lieber Herr Silbermark,
ich bin natürlich nicht enttäuscht: ich vermutete ja nicht wirklich, daß Sie es unfehlbar gewesen sein müssen - das vollzog sich mehr im Stile der "Substitution", aus dessem Geiste im Grunde genommen das Stück "Der Goldene Drache" ist.

Meine-Schimmelpfennig-Erfahrung umfaßt "Vorher/Nachher" und "Die Frau von früher" in Kiel, "Auf der Greifswalder Straße" am DT sowie
"Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes" am Thalia HH und jetzt "Der Goldene Drache" - hinzu kommt allerlei Leseerfahrung, da Schimmelpfennig-Dramen des häufigeren in der TH abgedruckt werden,
jüngst "Peggy Pickit": ich werde nach diesen sehr unterschiedlichen und durchaus bereichernden Erfahrungen heraus ganz sicher auch "Der Goldene Drache", der jetzt in Kiel ansteht und zwar als Studioproduktion !, nicht meiden, halte aber persönlich die beiden jüngsten Stücke Schimmelpfennigs letztlich auch für schwächer als so manches, was er zuvor "ablieferte".

Es sind dann schon jene Mechanismen in Wirkung, welche Sie und Herr Borowski hier herausstreichen und den Nachtkritiker zur Wiener Uraufführung zu dem Schlußsatz bewegten:

"Studieren wir das Mittagsangebot im Thai-China-Vietnam-Schnellrestaurant um die Ecke, und freuen uns, solange wir keinen fremden Zahn im Mund spüren - und alles bleibt wie früher."

Richtig, es geht Schimmelpfennig sichtlich um dergleichen desillusionierende Befunde, so sehr um "Desillusionierung", daß er
sich hier die phänomenologische Methode von "Auf der Greifswalder Straße" verbietet und mit dem Herstellungsdiskurs von Bühnengeschehen bricht, kreuzt; allerdings, und das Stück erinnert mich wirklich am meisten an "Auf der Greifswalder Straße", entleert sich zunehmend gerade der ansonsten so starke phänomenologische Zug Schimmelpfennigs zugunsten jener groben Klischeebilder, die ein Bestiarium von "UNS" zeigt: Die Schmutzigen, Häßlichen, Gemeinen, etwas Unbedarften.
Der Effekt ist der von Ihnen Beschriebene und im Satz des Nachtkritikers zum Ausdruck gebrachte (der im übrigen angesichts der Kasseler Aufführung noch konkretere und allemal lesenswerte
Striche erfährt seitens Herrn Mumots).

Daß die "Illegalen" hier nicht sogleich auf dem "Zauberberg" landen, ist das Eine, aber sie noch nicht einmal in der Greifswalder ankommen zu lassen, das scheint mir das Andere zu sein. Freimütig erläutert Herr Schimmelpfennig, daß das Riksteatern in Stockholm das Drachenstück abgewisen hat und dann lieber "Auf der Greifswalder Straße" gemacht hat: kann ich verstehen..
Der Goldene Drache, Hamburg: Super-Abend
Lieber Arkadij, Ihrem intentionalen Geschreibe setze ich jetzt einfach mal ein 'es war ein Super-Theaterabend gestern abend' entgegen: Geglückte Inszenierung! Gekonnte Darstellung! Bravo Schauspielhaus!
Der goldene Drache, HH: offene Denunziation
Lieber Lil-ja !

Freut mich, daß es Ihnen gefallen hat - in HH gibt es immerhin einiges, das gefallen kann, kurzum:
Sah gestern abend die Kieler Premiere des "Goldenen Drachen"- da ziehe ich die Inszenierung in Hamburg allerdings auch vor, wenngleich das natürlich nicht leicht zu vergleichen ist, denn in Kiel wird das Stück im Studioformat gegeben, und ich muß es leider sagen: kippt dort annährend vollkommen ins ungewollt Zynische.
Also, wäre ich jetzt ein sogenannter Illegaler in dieser Vorstellung gewesen oder ein Angehöriger zB. einer vermißten Schwester, auf der Suche nach ihr: in Kiel hätte ich mich verhöhnt gefühlt.
Die ausgelassenste Fröhlichkeit seitens bekannter Gesichter der Kieler Theaterfamilie bei der Nennung des "Barbiefuckers", Lachen auch an Stellen, wo es heißt: "Die macht alles für ein bißchen Essen." Freude offenbar bei der Nennung bzw. Andeutung der "Praktiken", zumeist routiniertes und selbstgefälliges Agieren der
fünf Akteure, wenn man den unterforderten Herrn Hammetsberger einmal wieder ausdrücklich ausklammert- der setzt stets Akzente:
am ärgerlichsten, wie sich vor allem die weiblichen Akteure über ihre Rollen beugen: aus der Ausstellung der fragwürdigen Personage
(siehe oben) wird offene Denunziation und Auslieferung dieser Figuren, nein: In Kiel gibt man hier "We are family" und sonst
kaum etwas. Wirkte das Stück auf mich eh schon eher wie eine Flucht in formale Lösungen und gleichsam als Kapitulation vor der
vorgeblichen Komplexität "des" Themas, so wirkt es jetzt wie eine Art Impfung, wie eine Immunisierung vor dem Thema: die vier deutschen Mundarten, die dann aus dem Zahnloch gesprochen wurden, hatten insofern dahingehend sogar noch einen verstärkenden, fast möchte ich sagen "entlarvenden" Effekt: von postmoderner "Gleichmacherei" sprachen diesbezüglich hier schon andere: genau in diese Richtung kippt die Kieler Inszenierung..
Der goldene Drache, HH: Gericht 57
Zusatz zum Kieler "Drachen"

Der Regisseur (Herr Hüni) lasse in seiner Inszenierung, die weder scheitere noch triumphiere (was immer der Kritiker sich dabei denkt), "heiteren Theatersport als feines Ertüchtigungsprogramm" betreiben.
Christoph Munk, der zuständige KN-Kritiker, sieht in der Inszenierung
allerlei spielerische (!) Ressourcen unausgeschöpft, konstatiert den verhaltenen Applaus.
Ja, der war wirklich verhaltener als es die Kritikerin des "Fördeflüsterers" vernommen hat: in diesem Falle ging der sich dann doch noch steigernde Beifall spürbar aufs Haus. Das waren zwar keine regelrechten Claqueure, aber ein gewisser "Bruch" im Applausverhalten ist nicht wegzuleugnen meineserachtens.
Interessant ist für mich an dieser Stelle allerdings, daß auch diese Inszenierung (vor allem in der KN-Kritik) wieder vom Gesichtswinkel der "Spielaufgaben" aufgefaßt wurde (was ich mittlerweile für verräterisch halte).
Wie Herr Hemetsberger allerdings sich in das obere Stockwerk des Gerüstes (Hauses) schwang, ich weiß immernoch kaum, wie der das so fix hinbekommen konnte, war vom Gesichtspunkt des Theatersports gesehen
olympiareif - er allein hätte das Niveau der Hamburger "Lösungen"
durchaus erreichen können (und "man" wird gewiß noch von ihm hören und lesen).
Jetzt habe ich im übrigen mir gestern noch den Besuch des "wirklichen Goldenen Drachens" -ein Chinarestaurant am Bootshafen, direkt beim Schwedenkai: also, fast das Erste, was die Leute vom Riksteatern in Kiel zu Gesicht bekommen, wenn sie mit der Stena-Line von Göteborg nach Deutschland kommen ...- gegönnt, Gericht 57.
Ich müßte zu sehr ausholen, aber irgendwie stimmte mich dieser Besuch versöhnlicher gegenüber Schimmelpfennigs Stück, und da eine Schüler-AG demnächst im Bürgerhaus Kronshagen "Die Arabische Nacht" zeigen wird, gibt es wohl demnächst ein Wiedersehen mit "ihm"..
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