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Im Herzen haust das Pathos

von Dirk Pilz

Weimar, 24. Februar 2011. Die Nachrichten an das All werden in ein eckiges Silberrohr hineingerufen. Die Discokugel dreht sich, aus dem Rohr strahlt warmes Licht. Dazu wird wimmernde Musik gegeben. Die Nachrichten lauten "Mama", "Bums" und "Unterhaltung". Es sind dies Auskünfte an das All, "damit man dort erfährt, was uns Menschen bewegt". "Mama" ist die Botschaft des Forschers Constantine Samuel Rafinesque, ein vielseitiger Mann des 19. Jahrhunderts, den es wirklich gegeben hat. "Bums" hat Ronald Pofalla mitzuteilen, ein Politiker, der tatsächlich existiert. Und "Unterhaltung" ist das, was der "Leiter des Fortgangs" (LdF) zu hinterlassen hat.

Gedankengehemmt ohne Regenüberwurf

Der LdF ist eine Figur, die in Szene III "mit einem roten Regenüberwurf begleitet" auftritt. Die Szene heißt "Eine Astronomie des Entsetzens". Dankenswerterweise verzichtet dieser Siebzigminutenabend darauf, den LdF (Xenia Noetzelmann) in einem roten Regenüberwurf auftreten zu lassen; er ist hier eine schlanke Dame mit Schnauzbart im blauen Kostüm. In die Realismusfalle tappt der Abend jedenfalls nicht. Dem Theatergott sei Dank. Rechts fläzt auf einem Hochhocker die Conférencieuse (Ulrike Knobloch), sie verkündet die Regieanweisungen, die von den Schauspielern nicht ausgeführt werden.

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© Stephan Walzl/ www.stephanwalzl.de

Dennoch ist dieser Abend keine Uraufführung, allenfalls eine Urlesung.

"Einige Nachrichten an das All" ist ein Stück Theater, das sich gegen ein Theater stemmt, das seine Aufgabe in der Umsetzung von Stücken sieht. Man kann dieses Drama nicht einfachhin auf die Bühne bringen, weil die Bühne mit ihm genötigt wird, gleichsam sich selbst neu zu erfinden. Das hat in Weimar nicht stattgefunden. Zu erleben waren Schauspieler, die brav und bieder Texte aufgesagt, Situationen, Figuren, Zustände angedeutet haben. Man sah, wie das Stückumseetzungstheater baden ging. Man sah also kleinmütiges, engherziges, fantasieloses, gedankengehemmtes Textverwursten.

Vermisste Dimensionen vier bis sechs

Die Regie, Annette Pullen, hat offenbar der Vorlage nicht getraut. Um gut die Hälfte wurde der Text zusammengestrichen, irritierenderweise mit Einwilligung des Autors, wie zu hören war. Gekürzt wurde beinahe alles, was dem Stück von Wolfram Lotz seine vierte, fünfte oder sechste Dimension verleiht. Die Fußnoten etwa: allesamt weg, komplett verguttenbergt.

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© Stephan Walzl/www.stephanwalzl.de

Viel geht damit verloren. "Das Laub wirbelt über die vergebliche Straße" ist, zum Beispiel, die Fußnote zu dem Satz "Sie wissen, Sie sind hier, um Ihr Anliegen vorzubringen!" Ohne Fußnote ist das ein banaler, blöder, langweiliger Satz. Und anders als bei Lotz wird mehrfach wiederholt: "Nur keine Leere aufkommen lassen!". Auch langweilig, weil aufdringlich zeitgeistkritisch und damit genau das, was Lotz' Stück nicht sein will: blöde, langweilige Zeitgeistkritik.

Ob sich Fußnoten im Theater überhaupt spielen lassen, ist eine ungeklärte Frage. Wahrscheinlich nur, wenn man formal, räumlich und schauspielerisch experimentiert. Ein Theater jenseits der Stückumsetzerei verhindert jedoch schon die Enge des Foyer III am Nationaltheater zu Weimar. Alles wirkt geduckt, eng, eingekästelt. Eine inszenatorische, also bildnerische, gedanken- und gefühlserweiternde Struktur hat der Abend sowieso nur im Behauptungsmodus. Und das Publikum sitzt auf Sesseln, Sofas, verschiedenen Stühlen – als ginge es nur um Scherz, Satire und Ironie.

Verwandter von Jarry und Borges

Wolfram Lotz ist ein 1981 geborener, mit dem diesjährigen Kleist-Förderpreis beehrter Lyriker, Erzähler und Dramatiker, der in ferner Verwandtschaft zu Alfred Jarry und Jorge Luis Borges steht. Er liebt es, sich an den Rändern der Logik zu tummeln, jenseits des Wirklichkeitssinns, diesseits des bloß Spinnerten. "Der große Marsch", sein erstes, noch nicht aufgeführtes Stück, mit dem er letztes Jahr zum Stückemarkt des Theatertreffens geladen wurde, wo es den Publikums- und Werkauftragspreis gewann, ist auch schon so. Aus diesem Auftrag ist "Einige Nachrichten an das All" entstanden, und Pullen durfte die erste Lotz-Uraufführung der Theatergeschichte bewerkstelligen.

Man weiß viel von diesem Stück, wenn man das Motto kennt. Es lautet: "Wir befinden uns in einer Explosion, ihr Ficker." Am letzten Wort braucht man sich nicht zu stören, entscheidend ist der Präsens: Lotz schreibt Sätze, Szenen und Verse, die aus dem Inneren einer Explosion kommen. Es ist eine Explosion der Wirklichkeit in Fiktion. Immer wenn man glaubt, etwas in den sieben Szenen verstanden zu haben, schlägt der Text eine unvermutete Sinn- und Richtungsänderung ein. Die Effekte sind so komisch wie todtraurig.

Der Tod ist überhaupt Lotz' Dauerthema. Der Tod, das Vergehen, das Sein. Im Grunde ist er Philosoph. Und wie alle ernstzunehmenden Philosophen ist er größenwahnsinnig: Er will die Welt als Ganzes erfassen. Im Herzen dieses Stückes haust also das Pathos, kein verbrämtes, hochtönendes Pathos, sondern das Pathos jener Größenwahnsinnigen, die gegen den Lauf der Welt anrennen.

Damit weiß diese Inszenierung nichts anzufangen. Sie denkt handwerkerisch, in Szenen und psychologisierten Figuren, wo Lotz es mit Daseins- und Weltumstülpungsdimensionen zu schaffen hat. Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist heißt eine seiner prismatischen Figuren. Sie sitzt bei Simon Zagermann als Trauertropf auf einem Plastikstuhl. Herrje.

P.S.: Vor der Uraufführung ist es im Intendantenzimmer von Stephan Märki zu einer interessanten Lesung gekommen. Wolfram Lotz trug einige seiner "kleinen Erzählungen" vor. Es sind Kostbarkeiten einer Ein- oder Zweiwortprosa. Eine trägt den Titel "Wissenschaften". Hier ihre ungekürzte Fassung: "Die Indianer probierten, ob die Spanier unsterblich sind, indem sie einen von ihnen im Meer ersäuften."

Im kurzen Gespräch mit Märki und den Zuhörern stotterte Lotz übrigens. Er stotterte aber nicht, wenn er seine Texte vorlas. Bei Einar Schleef war das einst auch so.

 

Einige Nachrichten an das All (UA)
von Wolfram Lotz
Regie: Annette Pullen, Bühne und Kostüme: Iris Kraft, Dramaturgie: Hans-Peter Frings, Elisa Liepsch.
Mit: Ulrike Knobloch, Elke Wieditz, Martin Andreas Greif, Markus Fennert, Simon Zagermann, Xenia Noetzelmann.

www.nationaltheater-weimar.de

 

Kritikenrundschau

"Ein tragikomisch absurder Leckerbissen, ein Einstundendrama über Sinn und Sinnlosigkeit des Lebens und den Zweifel an allem," schreibt Frauke Adrians in der Thüringer Allgemeinen (26. Februar 2011). Annette Pullens gestraffte Spielfassung überzeugt die Kritikerin ebenso wie das Spiel der sechs Akteure. Lotz' Nachrichten an das All hätten wir alle schon vernommen, so Frauke Adrians, und zwar in der Medienkritik, auf dem Theater, in Büchern der Philosophen. "Aber so unterhaltsam wie in dieser Inszenierung klingen sie selten."

Weniger überzeugt klingt Hartmut Krug im der Sendung Kultur Heute beim Deutschlandfunk (25.2.2011), und zwar weder vom Stück selbst als auch von Annette Pullens "mächtig durchhängender" Inszenierung. Der Jungdramatiker habe zwar viel gelesen, entwickele aber kaum einen eigenen Ton. Während das Stück das Zusammenhanglose aller Erscheinung thematisiere, versuche die Regisseurin, dem Text als Medienparodie einen zeitkritischen Sinn zu geben. Doch auf der Bühne erkennt der Kritiker keine Figuren, sondern lediglich Textdemonstationen.

Kommentare  
Nachrichten an das All, Weimar: Weltraumschrott
Lieber Dirk Pilz, wie recht sie doch haben, wie konnte man dieses brilliante ähäm Stück nur so ähäm verbiedern und versuchen zu spielen, wie darf man nur ... mein Gott immer diese Schauspieler und Spielleiter die versuchen etwas sinnlich fassbar oder erfahrbar zu machen, was in diesem brillianten Stück Literatur, behaupten wir einfach mal es wäre Dramatik, doch gar nicht vorkommt. Denn das alles und alles hat und macht ja gar keinen Sinn und ist, aufgepasst jetzt Weltliteratur, "weltraumschrott". Herrliche 66 Seiten uneitler Erklärung das Teeauswahl ach so komppliziert und traurig und, jaja, auch natürlich Theater ist, und dann noch dieses und jenes, herrlich, herrlich. Und natürlich liegt es an Regie und Spieler, wenn dem verunsicherten Betrachter für kurze Momente der Eindruck entgegenfällt, das nicht nur die beschriebene Welt des Textes, das Innere der Explosion oder nennen wir es doch einfach alles alles, ein bißchen oberflächlich scheint, nein sondern Text und die junge Sensation von Autor seinen möglicherweise selber ein wenig oberflächlich oder kurz der besagte Weltraumschrott. Böse, böse, nein nein. Gar nicht erst anfangen mit derart blasphemischen Gedanken. Lieber Dirk Pilz, ich wünsche mir von ihnen den Beitrag "Der Text als Wurst", Alternativtitel "Die Wurst als Text". Auf die Abschaffung des Theaters und der Theaterkritik. Auch erst gestern 18.53 erfunden. Holt endlich die Schauspieler von der Bühne und die Regie aus dem Theater, auf die UdK und Nachtkritik. Und wieder die Fußnoten kaum gespielt, schrecklich. Danke an Dirk Pilz und Wolfram Einar Lotz für die Erkenntnis, daß man aus Weltraumschrott kurze und lange Texte machen kann, lustig und traurig, das Bumms und Unterhaltung und der Tod und Worte existieren und sogar Bedeutungen haben können. Es hat sich gelohnt.
P.S.: Ich als Gottes Sohn bedanke mich bei Schauspielern und Regie, für den Versuch diesen Quatsch von neuerer Dramatik ernst zu nehmen und den Text um die Hälfte gekürzt zu haben. Danke für die gut gespielten unterhaltsamen 70 Minuten. Danke an Dirk Pilz für die Bestätigung das Theaterkritik nichts mit Theater zu tun haben. Virtuose Inhaltslosigkeit - Danke Herr Lotz, Herr Pilz.
P.S.: P.S.: Einar Schleef ist tot, bitte nicht auf sein Grab spucken.
Nachrichten an das All, Weimar: Widrsprüchliches
Immerhin kommt einer gut weg. Nicht zu übersehen. Den Lotz will nämlich eigentlich keiner am Theater haben, weil er viel zu gut für das Theater ist, und deshalb wollen ihn alle. Verdient hat ers nicht und hat ers dennoch.
Nachrichten an das All, Weimar: Unterhaltsam
Ich fand es einen sehr unterhaltsamen Abend. Danke.
Nachrichten an das All, Weimar: Enttäuschungsmetaphorik
Herr Pilz!
ich bin erstaunt wie voreingenommen sie über diesen abend schreiben. es ist doch nicht die aufgabe des kritikers, seine persönliche sicht in den vordergrund zu stellen. wenn sie sich danach sehnen herr pilz, dann müssen sie selbst produzieren. werden sie regiesseur, werden sie schauspieler!
ich bin von berlin nach weimar gefahren, da ich den großen marsch von lotz am stückemarkt gesehen hatte und sehr angetan war. auf die nachrichten aus dem all trifft dies nicht zu. und zwar weder im original noch in der gezeigten kurzform. die inszenierung hat nun versucht, diesen text in das theater zu zwingen, was ein weg ist, sich wolfram lotz und seinem "unmöglichen theater" zu nähern. er fordert ja diesen kampf mit seinen texten und der bauweise seiner stücke quasi heraus. gelungen ist dieser annäherungsversuch nur bedingt, da stimme ich ihnen ja zu, herr pilz. ABER: ihre art darüber zu berichten ist so persönlich betroffen im ton und so parteilich, daß man fast meinen könnte, es wäre ihr stück was an diesem abend zur urauführung kam. dem ist aber nicht. sie beschreiben lediglich etwas, das andere produziert haben. und dies tun sie, wie ich finde auf völlig respektlose weise und das, der grundsätzliche verlust des respekts vor den produzierenden, ist der tod des kritikers. wie sie sicher wissen. nichts gegen einen pointierten und gut geschriebenen verriss. herrlich! aber doch bitte nicht solch plumpe enttäuschungsmetaphorik. herr pilz! ein wort noch zu den schauspielern, sie waren einfach gut herr pilz. es waren einige sehr gute schauspieler auf dieser bühne zu sehen. und gerade "der trauertropf kleist". beachten sie doch bitte daß die arbeit des schauspielers seperat von der des regiesseurs zu betrachten ist. er agiert immer innerhalb einer inszenierung, er kann naturgemäß nicht aus dieser haut hinaus. lesen sie doch dazu bei alfred kerr nach. für die nächste kritik. und, herr pilz, nochmal die bitte, werden sie regisseur, werden sie schauspieler! ich freue mich auf ihre erfahrungsberichte.
Nachrichten an das All, Weimar: Unterschied beachten!
Werter Louis,
vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Ich werde ihn beherzigen, allerdings plane ich derzeit nicht, Regisseur oder Schauspieler zu werden.
Erlauben Sie mir zwei kleine Randbemerkungen.
So verschieden sind unsere Ansichten offenbar nicht: Sie halten "Einige Nachrichten an das All" für nicht so gelungen, ich halte es für einen lesens- und inszenierenswerten Text; Sie haben unabhängig von der Inszenierung eine Meinung zu diesem Text, ich ebenso. Insofern: voreingenommen.
Erlauben Sie mir zudem noch diesen kurzen Hinweis: ich sehe nicht recht, wodurch ich bestritten haben sollte, dass die Schauspieler innerhalb einer Inszenierung agieren. Ich schrieb, die Regie habe offenbar dem Text nicht getraut; ich schrieb nicht, die Schauspieler haben nicht dem Text getraut. Ich bitte, diesen Unterschied zu beachten. Ansonsten meine ich nach wie vor, dass ein Urteil wie "einfach gut" in jedem Kontext streitbar ist.
Mit herzlichen Grüßen!
Ihr
Nachrichten an das All, Weimar: lasst die doch mal machen!
Kann ja verstehen, dass sich die Großkritiker nach dem großen „Bumms“ sehnen, nach einem Theater, das sich endlich mal neu erfindet, das größenwahnsinnig aus dem Inneren einer Explosion geschossen kommt. Und dass sie das gewöhnliche Stückumsetzungstheater anödet. Vielleicht ist eine Theater- und Kritikerszene aber auch hypertrophiert und dem Theater gegenüber lieblos zu nennen, wenn sie so auf Inszenierung und auf Schauspieler eindrischt, die in einem kleinen Rahmen mit offensichtlich sehr begrenzten Mitteln ein Stück auf seine Spielbarkeit überprüft haben. Ein Stück von einem Autor, dessen Texte literarisch, formal und gedanklich hoch spannend, aber eben – wenn ich richtig informiert bin - noch nie zuvor auf dem Theater ausprobiert worden sind. Dann ist das also ein allererster Versuch, dann lasst die doch mal machen. Mir persönlich hat es eigentlich ganz gut gefallen, wie der ins Totale gehende Gestus des Textes herunter gebrochen wurde in ein klägliches Patchwork-Ambiente, vorgetragen von einer erbärmlichen Schar von zwischen den Zeiten versprengten Verlierergestalten. Das erschien mir als ein immerhin möglicher Umgang mit der Vorlage. Offenbar hat man versucht, der literarische Gedankenwerkstatt des Wolfram Lotz die Form einer Proben- und Bühnenwerkstatt zu geben, einer heruntergekommen Weltanschauungsrevue mit ziemlich trostlosen Entertainerfiguren. Gerade dass zum Beispiel der innerlich maßlos exaltierte, himmelstürmende Dichter Kleist seinen das Ausweglose der menschlichen Existenz benennenden Weltschmerz als peinliche Wurst auf einem Campingstuhl hockend absondert, mochte ich. Aber ich freue mich schon auf Inszenierungen dieses Textes, die alles ganz anders machen. Es könnte jedoch auch sein, dass Theater und Regisseure den Autor meiden, weil dann eine Kritik droht, die mit ihren maßlos überzogenen Erwartungen jedes Experimentieren und Ausprobieren bombardiert. Und: was heißt eigentlich: „ als ginge es nur um Scherz, Satire und Ironie“? Vielleicht ist die tiefere (und auch deprimierend traurige) Bedeutung von allem (auch im Sinne von Lotz), dass es nur darum geht: um Scherz, Satire und Ironie.
Nachrichten an das All, Weimar: Irritierende Kürzung? Na, wenn Sie wüssten
Irritierend, dass der Autor sein Einverständnis gab, dass um die Hälfte gestrichen wurde? Vor zwei Stunden habe ich mit einem Autor telefoniert, der mir sein Leid klagte, dass ein Abend nicht stattfindet, wenn er nicht zu einem geänderten Schluss, Textumstellungen und sogar von Regisseur und Schauspielern neu geschriebenen Texten seine Zustimmung gibt. Da man als Autor immer gleich in den Verdacht der Anmahnung absoluter Werktreue gerät, wenn man interveniert, was will man machen? Er verbietet wahrscheinlich. Und gilt dann ab da als schwierig, vermutlich, was in dem Kontext nicht immer nur ein Vorteil ist. Momentan kann ihm das egal sein, zwei weitere Theater wollen das Stück spielen.
Nachrichten an das All, Weimar: Zeit für einen kurzen Wink
@ 7

Für einen kurzen Wink der Marke "Schade, daß so vieles so anders ist wie im "Originaltext von x"" auf nachtkritik de. (mitsamt einer Darstellung der Verlustahnung qua Streichung)" dürfte es selten zu spät sein: ein weiteres Argument für die Anonymität in diesem Forum im übrigen.
Einige Nachrichten an das All, Weimar: bestenfalls eindimensional
Leider gab es diesen Text bereits vor langer Zeit: Es handelt sich erstens um "Warten auf Godot" und zweitens um "Die Hamlettmaschine" - also überhaupt nichts Neues - insofern fragt man sich, warum der Autor für sowas Preise bekommt - vielleicht ganz Guttenberg - was soll man auf der Bühne daraus machen? Hier würde ich eher mal an der Leipziger Schreiberschule, die solchen Retortenschriftsteller produziert zweifeln, dieser Text ist bestenfalls eindimensional ...
Nachrichten an das All, Weimar: Zeugnis von Erwartung
Ich muß hier mal Herrn Pilz ein wenig meiner Unterstützung aussprechen: Ich habe schon lange nicht mehr eine so spannende, im besten Sinne engagierte und leidenschaftliche Kritik gelesen, zumal ich glaube, bestens nachvollziehen zu können, was hier bei dieser Inszenierung das Problem war. Ich habe beim letztjährigen Theatertreffen bereits die Lesung von Wolfram Lotz' Stück "Der große Marsch" verfolgen können und ein paar andere seiner Texte, auf die man hier und dort im Internet stößt, gelesen und habe den Eindruck, daß hier tatsächlich dem Stück Unrecht getan wurde, zumal Annette Pullen beim letztjährigen Theatertreffen auch nicht gerade besonders auffiel mit ihrer allenfalls mittelmäßigen Stockmann-Inszenierung.

Jedenfalls gefällt mir die Kritik außerordentlich gut, der persönliche Ärger (bzw. die Enttäuschung) über eine schlechte Inszenierung ist doch ein Zeichen dafür, daß hier noch wirklich nachgedacht und etwas vom Theater erwartet, gewollt wird - und nicht lediglich phrasendreschend nach Schema F abgeklopft und dann abgeurteilt wird. Das finde ich um ein Vielfaches spannender als irgendwelche eitlen Kapriolen eines manchen sprachverliebten Feuilletonisten. Ergo: Weiter so!

Last but not least: Nicht alles, was sich mit der Absurdität und Ausweglosigkeit des menschlichen Daseins beschäftigt, ist automatisch ein Beckett-Abklatsch; ich finde es gerade schön, daß sich hier ein junger Autor so leidenschaftlich an den ganz großen, ganz schweren Themen versucht und zwar mit der so seltenen Bereitschaft, notgedrungen zu scheitern (wobei hier Scheitern als ungemein produktiver Prozeß verstanden wird). Aber das braucht natürlich auch einen Regisseur, der dieselbe, selten Bereitschaft besitzt.

Nachrichten an das All, Weimar: Ratlos voreinander
Das Ganze ist doch ein Missverständnis. Die Regisseurin will irgendwie Theater machen, der Autor will genau kein Theater machen. Ratlos stehen sie voreinander. Der Rest ist nur eine Stadttheaterträne wert.
Nachrichten an das All, Weimar: über die Grenzen des Theaters hinaus
Das wiederum sehe ich als ein Mißverständnis an: Der Autor möchte vielleicht kein "Theater" machen, aber nicht in dem Sinne, als er eigentlich eh nur fürs Papier schreibt, sondern in jenem, daß er das gewöhnliche (und, mal Hand aufs Herz, tatsächlich meist recht öde) Larifari-Schauspiel, das man so oft auf deutschsprachigen Bühnen zu sehen bekommt, überkommen will, indem er es nicht nur an seine Grenzen, sondern sogar über jene hinaus treiben will. Daß da natürlich eine Regisseurin fehl am Platz ist, die lieber eben dieses durchschnittliche, mal bessere, mal schlechtere, aber doch eben nur "Theater" bleibende Theater machen will, ist dann nicht nur eine Stadttheaterträne, sondern eigentlich einen wütenden Ausbruch wert, da frage ich: Was soll das? Vielleicht bedarf es auch in "schwierigen" Zeiten (damit meine ich wenig Geld!) des Muts, einen solchen Stoff weg von der kleinen Nachwuchspräsentations-Bühne auf die große Bühne zu bringen, oder halt gleich in einen alternativen Spielort, der auch neue Möglichkeiten mit sich bringt.
Einige Nachrichten an das All, Weimar: dahintreibender Weltraumschrott
"Nur "Theater"" - ach, die Kunst des Freudschen Mißverständnisses. Trotz der Nobelpreis verdächtigen Texte von Herrn Lotz - schon die Phrase "Nur "Theater"" sagt alles über die, meinetwegen selbst unbemerkte, grundlegende Verachtung, Arroganz und Unkenntnis gegenüber dem ach so biederen Schauspiel-Sprech-Theater aus, lieber Ernst. Herr Lotz mag (nicht meiner Meinung nach) interessante Texte schreiben. Aber er schreibt keine Theaterstücke, seine Pappkammeraden von Figuren interessieren ihn einen Scheiß, alles austauschbar, intellektuelle Situationsspielchen, eitel und bedingt lustig, nichts ist fassbar oder erkennbar, außer uns allen als dahintreibender Weltraumschrott und alles ist alles und alles ist so und so, allgemeinplätze wo man auch hinfällt. Um das zu erkennen, muß ich nur in die U-bahn steigen. Der große Entwurf an dieser ganzen Schose ist die Arroganz zu behaupten, das wäre jetzt so wahnwitzig neu und brilliant, der große Entwurf sind die 50 Großkritiker in der Premiere und sein Preis beim Stückemarkt, also Marketing. Ansonsten ist es eine große ummalte Leere, weil man ja nicht mehr glauben oder versuchen muß, das Menschen etwas Ernsthaftes über Menschen zu erzählen haben. "Wer an Stücke nicht mehr glaubt, muß sich selbst eins schreiben." Der Satz stammt von Andrea Breth. Ich finde, der Satz stimmt. Nur Schade, was oft dabei rauskommt. Sehr oft, sehr Schade, aber eigentlich nie "nur Theater", meistens nur schlecht gelogen. Und keine größere Bühne der Welt macht diesen Text zu einem Stück, aber es will ja auch kein Stück, kein Theater sein. Glückwunsch dazu, geschafft.
Einige Nachrichten aus dem All, Weimar: enge Sichtweise
@ Herr je persönlich
Sie scheinen ja durch das Stück fast persönlich verletzt zu sein - das Stück beginnt mich zu interessieren, werde es lesen und mir wenn möglich auch die Inszenierung anschauen.
Allerdings habe ich in Ihrem Fall die Befürchtung, dass Sie sich nur so aufregen, weil Sie möglicherweise einer etwas engen Sichtweise auf das Theater zuneigen: Jedenfalls kann ich in Ihren Kommentaren als Theaterentwurf nur das Wort "Figur" und "ernsthaft" als Beschreibungen herauslesen. Das ist natürlich zu wenig, und ich gehe auch davon aus, dass Sie da noch eine etwas dezidiertere Meinung haben: Schreiben Sie doch, was für Sie Theater sein sollte und was dieses Stück von Herrn Lotz also nicht ist! Dann könnte man Ihre Aufregung vielleicht besser verstehen!
Einige Nachrichten an das All, Weimar: nicht verletzt, sondern traurig
Verletzt bin ich nicht, aufgeregt auch nich, nur erstaunt, erstaunt über die Verletzung der Großkritiker, die einen noch nie in der Theaterpraxis gespielten (darf man dies Wort noch benutzen?)Text in eine Hemisphäre der Genialität heben und eine Inszenierung vernichten, die in ihrer Oberflächlichkeit dem Text eben durchaus gerecht wird, und Schauspieler verurteilen, die diesen Quatsch aufsagen müssen. "Das hat Herr Lotz nicht verdient!" Die Preisvergeber- und Feuilletonfraktion ist verletzt, aber warum? Sie verteidigt einen Autor, aber warum? Weil sie sich selbst verteidigen muss, denn es können sich ja nicht alle geirrt haben. Einar Schleef, Heiner Müller, W. Lotz!!! Vorsicht - Fußballphrase - DIE WAHRHEIT LIEGT AUF DEM PLATZ. Ich bin überhaupt nicht verletzt, ich bin traurig, und unter uns, ich finde Herrn Glucks Texte noch viel schlimmer, noch son Preisträger. Der Text von Herrn Lotz ist eine große Frage was bleibt, mit immer der gleichen Antwort, die er immer wieder selber gibt, nicht viel außer Weltraumschrott. Aber Theater, wie ich es mir vorstelle, also nur Theater, bringt mich dazu, die Fragen zu stellen. Sie stellt sich nicht über die Welt, Menschen, Figuren, sondern zeigt mir vielleicht einen Teil dieser, und lässt mich urteilen. Trotz aller Postmoderne, das schaffen Schleef und Müller, Dea Loher, Shakespeare, Beckett, Moliere, Sophokles, Tschechow und Tenessee Williams, aber Herr Lotz eben nicht, und das macht mich traurig.
Nachrichten an das All, Weimar: Oder ist Wolfram Lotz in Wirklichkeit Shakespeare?
Ich habe kürzlich das Gerücht gehört, bei dem Autor "Wolfgang Lotz" handele es sich um eine andere Person, als die, die bisher aufgetreten ist bei Interviews oder Ähnlichem. Vielleicht ist das wirklich nur ein Gerücht. Ich habe allerdings auch nicht verstanden, ob die auftretende Person jetzt Wolfgang Lotz ist, und eine andere Person die Stücke schreibt, oder ob (so habe ich es eher verstanden), die auftretende Person nicht Wolfgang Lotz ist, Wolfgang Lotz aber sehr wohl die Stücke schreibt. Weiß da jemand was dazu?
Nachrichten ans All, Weimar: das wäre wunnebar
in jedem falle wäre das in beiden varianten ziemlich grossartig, wenn es stimmen sollte.
Nachrichten aus dem All, Weimar: Prokrastination
Beim Lesen der Kritik bekommt man leicht den Eindruck, der Text sei eine lose Zusammenstellung von Zwitschereien, Kommentaren und Newstickernews...was halt so bei der täglichen Prokrastination (Arbeitsaufschub) am Arbeitsplatz verzapft wird. Aber einer muss ja dafür einstehen...in diesem Fall Herr Lotz...so ist das wohl in der Lotterie in Babylon...
Nachrichten an das All, Weimar: Wenn Lotz nicht Lotz ist und nicht Shakespeare, wer denn?
Habe das auch kürzlich gehört, habe es aber für Quatsch gehalten und halte es immer noch für Quatsch!
Wer sollte er sonst sein und weshalb? Das macht alles gar keinen Sinn und ist mir eigentlich auch völlig egal.
Nachrichten an das All, Weimar: unverfrorener Vergleich
Hinweis aus der argentinischen Niederlassung...

Liebe deutsche Theaterkritik, es ist eigentlich schon sehr unverfroren einen deutschen "Jungautor" mit Jorge Luis Borges zu vergleichen. Kommen Sie doch bitte mal runter aus dem All oder machen einfach mal Urlaub in Feuerland. Die frische Luft hier unten wird Ihnen gut tun. Schöne Grüße
Wolfram Lotz: Frage
Gibt es keine Kritik zu Wolfram Lotz' DER GROSSE MARSCH auf den Ruhrfestspielen?



(Lieber rudi, wir werden erst von der Saarbrücker Premiere am 26. Mai 2011 berichten. Viele Grüsse von der Redaktion)
Nachrichten an das All, Weimar: von wem stammt die Musik?
Die Musik, welche in diesem Stück verwendet vorkam, wurde diese eigens für das Stück komponiert? Wissen sie vielleicht, von wem diese Stücke stammen bzw. wer diese Duette sang?
Lg.
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