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Die Doppeldeutigkeit einer Torte

von Kai Krösche

Wien, 5. März 2011. Zugegeben, sie ist nicht neu, die Idee des zynischen TV-Formats, das den Tabubruch bis ans Äußerste führt und den Tod eines Menschen im Mittelpunkt einer quotengeilen Unterhaltungsshow an Millionen von Menschen an den Bildschirmen sendet – live und ungeschönt. Sie ist, und das mag zunächst erschrecken, nicht einmal besonders überzogen: Dies nicht aufgrund von Formaten wie "Big Brother", die vielleicht vor elf Jahren einst den Untergang des Abendlandes bedeuteten und heutzutage auf niedrigem Niveau langweilen. Auch nicht etwa wegen der – im Programmheft zum neuen Stück von Jan Lauwers und seiner Needcompany "Die Kunst der Unterhaltung" – herangeführten Anschläge des 11. Septembers 2001 und der damit verbundenen Berichterstattung, die aus einem Massenmord und seinen Folgen eine medialisierte Performance der widerwärtigsten Sorte machten: Schockierend, aber, so zynisch es klingt, als Inszenierung konsumierbar.

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©Anna Stoecher
Der Tod und das Wahrnehmungsgeflecht

Es ist vielmehr (nicht nur, aber vor allem) die Tatsache, dass das Fernsehen zunehmend seine mediale Hauptrolle zugunsten des neueren Mediums Internet abtreten muss. Dass dieses – neben der schier unermesslichen Menge an segenreichen Innovationen – bereits seine ganz eigenen, schattenseitigen Formate produziert hat, vom Reality-Gewaltporno hin zu exklusiven Mord- und Totschlag-Videoportalen oder diversen Imageboards, deren Benutzer dann und wann gemeinsam und hinter der voyeuristischen Maske der Anonymität der Unterhaltung wegen anderen Leuten das Leben zur Hölle machen.

Möchte man also die scheinbar unvereinbare Verflechtung von zur "Unterhaltung" medialisierter Realität untersuchen, so ist man vielleicht im Ungenierten und Ungeschönten des Internets besser aufgehoben als im zumindest restregulierten und daher in den meisten Fällen doch in der letzten Konsequenz harmlosen Fernsehen.

Unerwartete Verweigerung

Die Wahl des zynischen Fernsehformats, in diesem Fall "die einzige echte Selbstmordshow auf diesem Planeten", ist also, wenn auch sonst eher bekannt aus dem Bereich des Kinos, nicht mehr so prophetisch wie einst. Was es letztendlich umso spannender macht, dass "Die Kunst der Unterhaltung" trotzdem funktioniert – und uns, ganz ohne direkte Bezüge auf unser Hier und Jetzt, etwas über, nun ja, unser Hier und Jetzt erzählt.

Denn wenn auch alle nach bitterbösem Zynismus schreienden Zutaten (ein Live-Selbstmord im Fernsehen, der Missbrauch bewegender Musik – hier Pergolesis "Stabat Mater" – und eine bis auf die Spitze getriebene Henkersmahlzeit als Akt des Kannibalismus) wirken, als ergäben sie dasselbe alte Rezept, so ist wiederum die Inszenierung selbst eine Art von Verweigerung, die so naheliegend wie unerwartet ist – und damit, anstatt selbst in den Zynismus zu kippen, vielmehr solchen ausstellt: Als ultimative Konsequenz einer Gesellschaft, in der nurmehr das Spiel bleibt, weil selbst die Fundamente – und damit die Grenzen – aller Ordnung zwischen dem Realen und dem Inszenierten aufgehoben und damit verwischt wurden.

Michael König und die Verwischung von Realität und Inszenierung

Schon der Untertitel gibt hier einen ersten Hinweis – er lautet "Needcompany spielt den Tod von Michael König" - und meint damit den Burgschauspieler Michael König, der wiederum den Hauptcharakter, den alternden Schauspieler Saul J. Waner spielt. Bereits hier also: Die Verwischung von Realität und Inszenierung, zeitgleich ein kleiner, aber wichtiger Hinweis durch das Wort "spielt" – im Titel schon wird so das Spiel in den Mittelpunkt gestellt, wodurch die Mechanismen der Unterhaltung zeitgleich heraufbeschwört wie unterwandert als auch die Erwartungshaltungen des Betrachters torpediert werden.

Schon zu Beginn stolpern und stürzen die Darsteller in bis zum Slapstick überzogenen Nummern auf die Bühne, versauen sich somit jedweden glamourösen Auftritt – die Gespräche wirken müde, uninteressiert, als seien sie nicht einmal mehr die übliche Heuchelei wert: Überhaupt scheint diese ganze Show wie eine große Probe, die direkt in einer diffusen Hölle stattzufinden scheint, voll mit Leerlauf und allgemeinem Desinteresse.

Ausgeklügeltes Nebeneinander

Dass das nicht langweilig wird, liegt an der geschickt aufgebauten Spannung, die sich natürlich auf den einen großen Punkt konzentriert, den Selbstmord Saul J. Waners, nur um, wie auch alle anderen zunächst dem Schein nach dem Prinzip einer Unterhaltungsindustrie folgenden Elemente an diesem Abend, von der Reunion mit der großen Geliebten hin zum Spiel-im-Spiel, das plötzlich Ernst wird, um sich dann wieder doch als Spiel-im-Spiel-im-Spiel zu entpuppen, in der Ungreifbarkeit von Lauwers' Inszenierung des leisen Nebeneinanders (Tanz- und Videoelemente bestimmen ebenso das Stück wie Schauspiel), des bewusst gesetzten Nicht-Funktionierens und Unspektakulären zu zerfließen.

Natürlich ist das unbefriedigend. Gerade deshalb aber zwingt es zur Reflexion der eigenen Sensationsgier. Denn gerade dieses Nicht-Erfüllen der Erwartungen, diese Weigerung, leichtfertig konsumierbar zu sein, ist, was das Stück davor bewahrt, zu dem zu werden, was es kritisch hinterfragt. Wenn vor dem Hintergrund des zuvor Gesehenen diese Auflösung dann augenzwinkernd für einen kurzen Augenblick die unsichtbare vierte Wand niederreisst mittels einer bedrohlich in die Richtung Michael Königs getragenen Torte und den schelmischen Worten von Viviane De Muynck "Deshalb wollte ich immer Schauspielerin werden", dann gelingt Lauwers hier für einen kurzen Moment und mit ganz einfachen Mitteln eine wirklich spannende Reflexion über ein Ineinander von Inszenierung und Wirklichkeit.

Böser Witz, etwas zu harmlos

Wie es aber eben schon der Untertitel sagt: Es bleibt beim Spiel an diesem Abend. Zumal auch nicht der Tod Michael Königs, sondern eben doch nur eine klar als solche definierte, von Michael König verkörperte Rolle gespielt wird – so löst der anschließende, allzu begeisterte Applaus nach dem konventionell pointierten Black die ganze Verwirrung im Nu auf.

Hier hätte es dann vielleicht doch ein wenig mehr der notwendigen Bereitschaft gebraucht, den Betrachter vor den Kopf zu stoßen: So – und das ist wirklich schade, denn das Potential wäre dagewesen – bleibt der Abend bei allen bösen Witzen eine geringe Spur zu harmlos.

 

Die Kunst der Unterhaltung
Regie, Text, Bühne: Jan Lauwers, Kostüme: Lot Lemm, Musik: Jan Lauwers, Giovanni Battista Pergolesi, Maarten Seghers, Miles Davis, Dramaturgie: Elke Janssens.
Mit: Michael König, Grace Ellen Barkey, Viviane De Muynck, Misha Downey, Julien Faure, Yumiko Funaya, Benoît Gob, Sylvie Rohrer, Eléonore Valère.

www.needcompany.org
www.burgtheater.at

 

Alles über Jan Lauwers und die Needcompany auf nachtkritik.de im Lexikon.


Kritikenrundschau

Der Abend von Lauwers und der Needcompany stecke voller Witze, sei dabei in letzter Instanz aber selbst einer, befindet Margarete Affenzeller im Standard (7.3.2011). Zwar gäbe es manch perfekt geplanten "Witz-Totalschaden" und ein Moment führe die "Kamera als Insignie des postdramatischen Theaters" ad absurdum, "indem er die dazugehörigen Monitore lachhaft klein ausfallen lässt." Doch cui bono? Man habe "keine Mühe, die Antidramaturgien der Unterhaltung zu erkennen. Leider mit der Folge, dass es dabei auch weitgehend langweilig bleibt. Das Amalgam aus halbherzigen Fernsehballetteinlagen und durchaus nett ausfransenden Szenen hat nicht dazu gereicht, den Theatertod als möglichen Treppenwitz der Kunstgeschichte in Szene zu setzen (und um nichts weniger als eine gesamtkunstgeschichtliche Aussage geht es Jan Lauwers hier)."

"Das Publikum, offenbar fest entschlossen, Lauwers zu lieben, lachte anfangs viel, verstummte dann mehr und mehr, lachte am Ende wieder – spendete aber eher kurzen Applaus." So zeichnet Barbara Petsch in Die Presse (7.03.2011) den Spannungsbogen dieses Abends nach. Lauwers breche die "Perfektion des Formats Show mit Pleiten, Pech und Pannen“ auf. Ihm sei "auch diesmal eine Menge und durchaus Welthältiges eingefallen. Aber in den eindreiviertel Stunden vergeht leider auch viel Zeit mit abgedroschenem Slapstick. Der Gipfel ist ein unappetitlicher Witz ohne Pointe über Hitler und den belgischen König Leopold, den Kongo-Schänder." Enspringer Michael König – "ein toller Schauspieler und ein Profi, der für diesen Einsatz nicht genug gepriesen werden kann" – wirke dabei leider "wie im falschen Film", sagt die Kritikerin über die Besetzungsmalaise. "Eine tiefe Kluft tut sich zwischen den körperbetonten Künstlern der Company und dem Sprechtheater-Spezialisten König auf. Ein federnder Repräsentant des leibhaftigen Bühnenwahnsinns wie Martin Wuttke hätte den Graben überspringen können, vielleicht auch ein monumentaler Blaubart wie Paulus Manker – und Otto Sander, der gleichfalls für die Rolle vorgesehen war, aber erkrankte, hätte wenigstens die nötige Dekadenz verbreitet."

Von offensichtlichen Botschaften à la "Für Geld tun die alles" oder "Alle Schauspieler lügen, sagt der Schauspieler" sei dieser Abend voll, berichtet Martin Lhotzky in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (7.3.2011). "Bewundern kann man zweifellos, wenn man das Dargebotene doch wohl zu recht für banal, beliebig und entbehrlich hält, die Darbietung an sich." Denn im Performativen greife ein "Kontrollwahn hart durch", um das Ergebnis dann "improvisiert und unbeabsichtigt" aussehen zu lassen. So sei die Show höchst irritierend und geeignet, "um von der hanebüchenen Handlung abzulenken, und für manche offenbar auch höchst unterhaltsam, wie das Gelächter rings im Saal andeutet. Chaos durch Präzision könnte der Wahlspruch des flämischen Impresarios Lauwers denn auch sein."

Jan Lauwers habe wieder einmal einen "seiner typischen Bastarde kreiert, ein Stück, das zwar im Theater gespielt wird, aber auch auf jeder Tanztheaterbühne reüssieren könnte und als Kunstperformance durchgehen würde", merkt Stephan Hilpold an (Frankfurter Rundschau, 8.3.2011). "Nur als pure Unterhaltung hätte es der Abend schwer. Dabei geht es in erster Linie genau darum: Sterben wird als Unterhaltung inszeniert." Den Abend als eine grundsätzliche Kritik an der Unterhaltungsindustrie zu interpretieren, "hieße ihn allerdings deutlich misszuverstehen". Er speise sich "zur Gänze aus den ausgestellten Kunstgriffen der Unterhaltung". Gleichzeitig sei aber auch ein Abgesang auf "die großen Themen des Lebens, die nacheinander alle angerissen werden – und sofort wieder verebben".

"An diesem Abend ist die Avantgarde von gestern vielleicht ihrer eigentlichen Bestimmung gefolgt, weg von der Destruktion ab in die Konfusion", befindet Helmut Schödel (Süddeutsche Zeitung, 8.3.2011). Es sei "nie ganz klar, ob man nicht doch nach Literalität sucht oder ob sie nur am Pranger steht". Die Texte wirkten "allesamt irgendwie halbgar, schrecklich medium". Zu derart "pseudomodernen Projekten" gehöre "der sogenannte Bruch. Dafür stehen an diesem Abend Slapstick-Szenen, auch in Slow Motion". Aber was zu groß behauptet werde, "ist nicht selten der Schnee von gestern". Mit dem Engagement der Needcompany wolle sich Burgtheater-Intendant Matthias Hartmann weltoffen und international geben. "Ich glaube aber", schreibt Schödel, "das habe ich schon vor 30 Jahren in Paris gesehen. Damals war es auch nicht besser, aber wenigstens neu."

"Die Kunst der Unterhaltung" im Akademietheater lehre einiges darüber, was im Theater heute so falsch läuft, meint Uwe Mattheiss in der tageszeitung (10.3.2011). Gegeben werde "der Freitod eines Schauspielers, mit opulenter Henkersmahlzeit, Giftspritzen und Millionen von Zuschauern", doch das Lob der individuellen "Freiheit", "sich jenseits der 55 selbst vom Markt zu nehmen, ist dabei nicht allzu ernst gemeint". Worüber man nicht sprechen könne, darüber könne man Faxen machen: "Schließlich keimt die Ahnung auf von einem ganz großen Missverständnis. Jan Lauwers und sein Ensemble recyceln lustvoll den verschrotteten Hausrat überlebter Theatertraditionen und erzeugen einen Distinktionsgewinn, auf den die Hüter dieser Traditionen gerade scharf sind. Das institutionskritische Moment, das einmal am Beginn von Karrieren wie der von Lauwers stand, ist zwar von gestern, aber noch immer wirkungsvoll. Ohne die Reflexion darüber, dass sich das einmal gegen den eigenen Betrieb gerichtet hat, bleibt alles nur gekauft."

Kommentare  
Kunst der Unterhaltung, Wien: ein Lebensgefühl auseinander genommen
Nach der "Sad Face / Happy Face" - Trilogie braucht es etwas Zeit, sich auf den doch ganz anderen und neuen Ton der Needcompany einzustellen. Viel schwärzer, zynischer, unsentimentaler, zerrissener, zersplitterter ist das Stück - mit losen Enden, Leerläufen, zwischen Slapstick und Pathos schwankend. Und gerade deswegen - finde ich - so auf den Punkt, so gelungen. Hier wird nichts erzählt, alles angespielt, abgebrochen - Lebens- und Spielentwürfe gestaltet und im Sekundenbruchteil wieder verworfen. Das sagt in der Interaktion von Text, Musik, Spiel und Tanz mehr aus, liefert eine genauere Zustandsbeschreibung als Vieles, was man sonst zu sehen bekommt. Zumindest ich hatte das Gefühl, hier wird ein Lebensgefühl auseinandergenommen, das ich ganz gut kenne. Erstaunt hat mich dabei vor allem der Mut, so unterschiedliche Welten nicht nur inhaltlich zu vereinen, sonderna uch ästhetisch. Sylvie Roherer und MIchael König haben sich toll in die doch ganz anders arbeitende Needcompany eingefügt, Hut ab! Und als "allzu begeistert" habe ich den Applaus nicht empfunden. Erstens hat der Abend nach meinem Gefühl jede Begeisterung verdient, zweitens hatte ich das Gefühl, dass das Publikum sehr gespalten war zwischen Unverständnis und Vor-den-Kopf-gestoßen-Sein und Jubel. Zumindest habe ich die Reaktionen so empfunden, und das als dem Abend ganz angemessen empfunden ...
Kunst der Unterhaltung, Wien: stärker mit Wuttke?
ich schließe mich dem wiener an, dass sich die beiden burg-schauspieler toll in die arbeit der needcompany gefügt haben. daneben aber stelle ich mir die frage, ob die inszenierung nicht auch anders und "stärker" geworden wäre, wenn - wie ursprünglich beabsichtigt und angekündigt - martin wuttke den lebensmüden fernsehstar gespielt hätte. da hätte sich die frage nach "sein" und "spiel" nochmal anders gestellt, hätte die darsteller-biographie und das verwobensein von fernsehen und theater nochmal eine ganz andere rolle gespielt.

zwischen wuttke und könig hat ja paulus manker für diese rolle geprobt, auch das hätte nochmal eine andere dimension gehabt - aber es ging nicht gut und kam zum bruch ... das ist auch interessant: dass in der inszenierung lauter eitle und selbstbezügliche figuren nebeneinanderher agieren und aneinander vorbei reden - dass das aber nur gespielt ist, die produktionsweise der needcompany im gegenteil gerade aus miteinander, respekt und gemeinsamkeit besteht - und jemand wie paulus manker da eben nicht reinpasst. was ist spiel, was ernst?
Kunst der Unterhaltung, Wien: hinter dem Rücken des Burgtheaters
Der Paulus Manker hätte da sogar wunderbar hinein gepasst, er hat ja auch bereits zwei öffentliche Proben mit Publikum in Brüssel bestritten und alles war eitle Wonne. Als dann aber die Need Company hinter dem Rücken des Burgtheaters plötzlich beschloss, die Burgschauspieler bei Auslandsgastspielen nicht dabei haben zu wollen, war's mit "Miteinander, Respekt & Gemeinsamkeit" vorbei und aus "The Art of Entertainment" wurde "The Art of Disappointment".
Kunst der Unterhaltung: Zusammenarbeit unterschiedlicher Schauspielstile
Ja, das sind natürlich spannende Überlegungen. Angeblich war ja auch Otto Sanders im Gespräch - und wenn ich die Needcompany richtig einschätze, wäre es jedes Mal ein anderer (nicht unbedingt besserer) Abend geworden. Michael König bringt die Melancholie und Zerbrechlichkeit dieses Mannes aber sehr gut rüber, finde ich. Dass die Zusammenarbeit so unterschiedlicher Schauspielstile nicht einfach werden würde, war klar - dass es bei König und Roher aber so gut klappt, hat mich dann doch überrascht! Vor allem weil ich Angst hatte, dass der sehr entspannte Spielstil der Needcpmpany "kompromittiert" werden würde, was nun ja nicht der Fall war, eher im Gegenteil ...
Kunst der Unterhaltung, Wien: Wer geht auf Tour?
Vielleicht könnte ja jemand von Burgtheater / Needcompany antworten: Sind die Burgschauspieler bei der Tour dabei oder nicht, und wenn nein, wer aus der Needcompany übernimmt ihre Rollen? (Wäre nämlich spannend, dann den Vergleich zu sehen!) Aber wie dem auch sei, Lauwers hat Manker in einem Interview ja hochgelobt, dann aber gemeint: "Er hat sich sehr seltsam benommen und wollte das Stück plötzlich nicht mehr auf Deutsch spielen." Und jeder, der etwas über Manker weiß, kann sich vorstellen, was das heißt! Persönlich bin ich froh, statt ihm jetzt Michael König zu sehen, den ich um einiges mehr schätze - aber das ist ja Geschmackssache ...
Kunst der Unterhaltung, Wien: Hauptdarsteller ist das Fernsehformat
Also persönlich halte ich die Diskussion rund um die Darstellung der "Hauptrolle" durch entweder Wuttke, Manker, König oder einem Mitglied der Company für völlig nebensächlich. Der Hauptdarsteller ist meinem Veständnis nach das Fernsehformat. Das Angeilen mit wirklichen oder nachgestellten Problemen, das beim Publikum die Sensationsgier, das Entsetzen und die beglückende Distanz befriedigen kann. Aus den realen Vorgängen solcher Shows ist wohl das Casting und die Austauschbarkeit der "Hauptdarsteller" übernommen.

Wenn ich so manchen Lacher in der öffentlichen Probe richtig gedeutet habe, wurde da sichtlich über "Zitate" aus gewissen solcher Reality-Shows gelacht und weniger über die gerade gezeigte Situation.
Kunst der Unterhaltung, Wien: Banalität
Abgesehen von den Besetzungsquerelen erwies sich das ganze Stück leider als sehr seichte pseudophilosophische Banalität.
Kunst der Unterhaltung, Wien: wirkungsvolle Schwärze
Spanned - Sie haben das offenbar ganz anders empfunden als ich. Ich fand das Fernsehformat völlig nebensächlich - und habe "Die Kunst der Unterhaltung" eher als Metapher für ein Lebensgefühl gesehen (so hochgegriffen das klingt), in dem Reales und Fiktion verschwimmt, bei dem auch höchste Gefühle nur Zitate sind, Zitate von hundertmal gelebtem Leben. In dem alles schon da war und nun wiederholt wird, ausgestellt, wiedergegeben. Insofern war für mich die Sterbeszene bezeichnend. Michael König spricht seine - pathetischen - letzten Worte und kurz bevor er stirbt macht er das ganze als Zitat kenntlich. Woraufhin Grace Ellen Barkey meint: Gott, wie originell sind wir? Auf Reality-Shows konnte ich mich als Zuseher schon nicht beziehen, weil ich keinen Fernseher besitze. Dass der Abend trotzdem funktioniert, spricht - finde ich - durchaus für Lauwers. Das Fernsehformat interessiert mich nur am Rande - aber den Zynismus und die Schwärze des Textes hat dennoch auf mich gewirkt.
Kunst der Unterhaltung, Wien: Philosophenkaisers neue Kleider
Da tragen wieder einmal Alle auf der Bühne "Des Kaisers neue Kleider".Philosophische Nacktheit die bejubelt wird.
Kunst der Unterhaltung: der doppelte Boden
Ach - genau über dieses Herumphilosophieren lacht doch Lauwers mit seinen Schauspielerinnen und Schauspielern im Text. Wenn Sie den doppelten Boden nicht sehen, lasten Sie es doch nicht dem Abend an!
Kunst der Unterhaltung, Wien: doppelt, aber dünn
Habe den doppelten Boden schon verstanden, nur ist dieser halt sehr, sehr dünn.
Kunst der Unterhaltung, Wien: Abseits des Tiefsinns
Da sind die Voraussetzungen fürs Zusehen offenbar verrutscht: Der Needcompany ging es doch nie um den deutschsprachigen Tiefsinn, sondern darum, im Zusammanspiel von Tanz, Schauspiel, Bühne und Aufführungssituation etwas entstehen zu lassen, das über eine texliche Auseinandersetzung hinausgeht und auch abseits von Tiefsinn oder dünnen Brettern zu rezipieren ist. Wenn sie da nicht mitwollen: In Ordnung - aber gleich "des Kaisers neue Kleider" zu unterstellen ...
Die Kunst der Unterhaltung, Wien: Hauch der 70er-Avantgarde
Eine zutiefst enttäuschende Veranstaltung. Nicht zu vergleichen mit den Produktionen der Needcompany, die bisher in Wien zu sehen waren. Ich weiss nicht, was da schief gegangen ist, aber hier weht einem der flaue Hauch einer 70er Jahre Avantgarde an, oberflächlich, pseudo-philosophisch, flach. Da passte nichts zusammen. Die penetrante Deutlichkeit der (schlechten) deutschen Übersetzung stösst einen erst mit dem Kopf auf die drastischen Mängel des Stückes. Stückes? Jan Lauwers ist ein Künstler, ein Autor ist er nicht. Wer hat das bestellt? Wer hat das verantwortet? Wer hat das durchgehen lassen? Die Veranstaltung schadet doch den neu fürs Burgtheater gewonnenen "Artists in Residence" mehr, als es irgendjemandem nützt. Hypertroph, wie hier unvereinbare Konzepte aufeinander los gelassen werden. Sollte es einem nicht zu denken gegeben haben, wenn Wuttke, Sander, Manker aussteigen bzw. gar nicht erst antreten? Und das Theater heute war halbleer!
Die Kunst der Unterhaltung, Wien: wie Sex ohne Liebe
"Des Kaisers neue Kleider" wäre noch die milde Variante. Ich tippe eher auf "Ach wie gut, dass niemand weiss, dass ich gar nicht Lauwers heiss" oder "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lehren". Gelungen, wahrlich! Zum Fürchten ist das allemal. Publikum ratlos, Tänzer im falschen Film, Schauspieler fehl am Platze. Hier kommt zusammen, was nicht zusammen gehört. Wirkt wie Sex ohne Liebe. Kaltschnäuzig. Aber wer zockt da wen ab? Wer ist Hure, wer ist Freier? Der Burgtheaterdirektor als Lude? Und die Eintrittspreise sind zu hoch für ein Tanztheater, der billige Balkon daher überfüllt - unten im Parkett gähnende Leere...
Die Kunst der Unterhaltung, Wien: ganz gut gefüllt
Ich habe den Abend ganz anders gesehen, aber das soll ja vorkommen. Von "halbleer" oder "gähnende Leere" zu sprechen, zeigt aber nur, dass offenbar nicht sein kann, was in den Augen von Ihnen nicht sein darf. Zumindest in der gestrigen Vorstellung war das Parkett ganz gut gefüllt. Nicht ausverkauft - aber über die Zuseherzahl von ein paar Hundert (im relativ kleinen Akademietheater) würden andere Theater Luftsprünge machen...
Die Kunst der Unterhaltung, Wien: Preise sind zu hoch
"Ganz gut gefüllt" heisst im Akademietheater "halbleer". Das Haus hat sonst eine Auslastung von 98%. Ich meinte auch nur, dass die regulären Preise für eine solche Veranstaltung, zu der vorwiegend Interessenten aus dem Tanzbereich kommen, einfach zu hoch sind. 51 Euro sind da einfach zu viel.. Und hier die Verfügbarkeit von heute: https://www.culturall.com/ticket/ibur/spweb20/saalplan.mc?vorst_num=28780&haus_kz=A&id=28780
Die Kunst der Unterhaltung, Wien: Auslastungsfragen
@16 Kleine Richtigstellung
Hartmann steigerte nicht nur die traditionell hohe Auslastung im Akademietheater von 85,07 Prozent in Bachlers letzter Saison 2008/09 auf 88,9 Prozent sondern auch... (entnommen einem Artikel aus dem STANARD im Juni 2010). Also ist die Auslastung generell um 10% weniger als von Ihnen angenommen.

Allerdings glaube auch ich, dass Preise von €51,-- für eine Aufführung, die von vielen Besuchern als Experiment und Work in Progress empfunden wird zu hoch sind. Als Tanztheater hätte ich die Produktion allerdings nicht eingestuft.
Die Kunst der Unterhaltung, Wien: Auslastung spricht nicht gegen Aufführung
Ja, über die Preise kann man streiten - klar, der Balkon ist ausverkauft bis auf den letzten Platz und auch die Stephplätze sind voll, aber in den teuren Kategorien gibt es noch Karten. Nur: Das ist bei vielen anderen Vorstellungen auch so - die wenigsten Aufführungen verkaufen sich von vorne nach hinten. Und: Selbst wenn die Needcompany zu 50 % ausgelastet ist - das spricht nicht per se gegen die Aufführung und nicht per se gegen das Burgtheater. Bei Vorstellungen wie "Zwischenfälle" und "Einfach kompliziert", die restlos ausverkauft sind, darf doch auch ein Stück dabei sein, dass pro Abend halt "nur" 300 Zuschauer anzieht, statt 450 ...
Die Kunst der Unterhaltung, Wien: genauestens durchinszeniert
Sie haben Recht. Allerdings: "Work in progress" ist bei einer derart präzise choreographierten und getakteten Inszenierung schon ordentlich daneben. Produktionen der Needcompany sehen zwar immer improvisiert aus, sind aber meist genauestens durchinszeniert. Das macht ja auch den Spaß aus ...
Kunst der Unterhaltung, Wien: seltsames "work in progress"
@19
So genau durchinszeniert, dass immer wieder Hauptdarsteller ausgetauscht werden? Jeder hat halt andere Vorstellungen unter "Work in Progress" und "getakteter Inszenierung". Ich kann mir nicht vorstellen, dass tatsächliche Tanztheaterfreaks von dieser von Ihnen gesehenen Choregrafie sehr beeindruckt sind....
Kunst der Unterhaltung, Wien: dünne Philosophie
Ein "work in progress" war das ganz sicher nicht, eher ein "work in comppromise". Ich weiss nicht, was das soll... So beeindruckt war ich zuletzt von "Deer House" - aber das hier? Ein schrecklich schlechtes Stück. Wenn es schon kein "Tanztheater" genannt werden soll (s.o.), was dann?. Dünne Philosophie, schlechte Kalauer und artists in residence, die nicht Deutsch können. Warum lässt man die sich (und die Zuschauer) mit der Sprache quälen und durch diesen grottenschlechten Text radebrechen? Warum reden die nicht Englisch oder Französisch, haben sie doch bisher auch immer gemacht - und man hat alles verstanden, oder nicht? Es fehlt die Musik, es fehlt der Gesang, es fehlt die Zusammengehörigkeit der Truppe, die so beeindruckend ist. Die Hauptrolle ist ein grantelnder, energieloser Burgmime, die sonst so tolle Silvia Rohrer ist verschwendet. @ 20: Weiss man, warum soviele Darsteller auf dem "Weg in den Progress" verloren gegangen sind?
Kunst der Unterhaltung, Wien: hat getroffen
Ich glaube, das Grundübel ist der Vergleich mit "Deer House" - vielleicht auch ein Problem mit dem Konzept "Artist in Residence" - jetzt erwarten alle ein Sequel zur "Sad Face / Happy Face"-Trilogie, das Lauwers natürlich bewusst nicht liefert. Natürlich fehlt die Musik und der Gesang - die dienten in der Trilogie ja auch noch dazu, einen Gegenpol zu all dem beschriebenen Grauen zu liefern, einen Ort der Zusammengehörigkeit, des Gemeinsam-Singens. Und das fällt nun bewusst weg - hier werden die Darsteller vereinzelt, allein gelassen - aber doch nicht aus Unvermögen!

Und ja, die Hauptrolle spielt ein "grantelnder, energieloser Burgmine" - aber doch nicht, weil König nichts anderes spielen kann, sondern weil hier ein Lebensprinzip gezeigt wird, das in die absolute Lethargie führt - Gedächtnisverlust, das nur noch das Wiederkäuen längst abgelebten Lebens erlaubt. Nicht umsonst sind viele vön Königs Äußerungen bloß Zitate - von Hemingway bis Lorka.

Und die "schlechten Kalauer" habe ich als besonders traurig empfunden: Eine Menschenriege auf der Bühne - "sechs Menschen auf einer Insel" - die nichts anderes mehr können, als jedes angesprochene Thema verblödeln, die nichts mehr ernst nehmen, auch nichts mehr Ernst nehmen dürfen, sonst wäre es vielleicht Kitsch - dann lieber noch einen schlechten Kalauer!

Je mehr ich die Kommentare hier lese, desto mehr habe ich den Eindruck, das Stück hat mit voller Genauigkeit getroffen: Es ist - für mich - das absolute Gegenteil zur "Sad Face / Happy Face"-Trilogie: Sicher nicht mitreißend oder erbauend wie etwa "Isabella's Room" - dafür kalt und zynisch, eine Lethargie ausstellend(Wojciech Kuczok hat gerade ein Buch veröffentlicht, das sehr gut zum abend passt, finde ich), ohne ein Gegenbild zu erlauben.

Die konsequente Durchführung wird Lauwers nun - so habe ich den Eindruck - vorgeworfen; dabei wäre der Abend schrecklich misslungen, wären die Kalauer nicht "schlecht", die Philosophie nicht "dünn"; dann wäre er wirklich das, was er zu kritisieren vorgibt: Billiges Entertainment. So aber quält er wirklich stellenweise - aber er quält immerhin in die Auseinandersetzung mit dieser "Lethargie des Herzens", wenn man sich darauf einlässt. Freunde (Und begeisterte Fans, wie etwa bei "Deer House"), macht er sich damit keine, aber das ist Lauwers vermutlich auch egal ...
Kunst der Unterhaltung, Wien: man sollte mit Stemann vergleichen
@ 22

Klingt aus meiner Entfernung zum Geschehen jedenfalls schlüssig, was Sie über das Verblödeln und Kalauern schreiben: soetwas geht mitunter wie mit Geisterfeder geschrieben (das Minister-Lena-Thema:
"Written by a stranger" mal ganz außen vor, also in eine Klammer
verpackt) und setzt sich wie Elektrosmok, dorthin, wo es oszilliert
zwischen Musik- und Musiktheaterkritik beispielsweise.
Ich schreibe das, weil ich gestern selbst so kalauern mußte (der Grund: ein Zapfenstreich, der auf mich wie eine gespenstische Verlängerung des Karnevals wirkte) , einen Text schrieb, der "Auf ewig Funkenflug" hieß und nunmehr qua Eingabefehler wie "smoke on the water" in die ewigen Jagdgründe Nachtkritiks eingegangen ist (das ist zu verschmerzen, so ein Text schreibt sich, wie sonst nur Pferde kotzen, und am nächsten Tag, selbst wenn man könnte, erschiene es halt schon albern, eine Musikkritik zum "Großen Zapfenstreich zur Verabschiedung unseres Ministers Buddenbrook zu schreiben, der immer so gaudt to us gewest is", unter dem Namen der aus dem Spätnachmittagsprogramm verdrängten künftigen (?) Olga Fechner (Marienhof)).
Warum ich das schreibe ?
Weil gewiß Anderes geschrieben, gesagt, auf die Bühne gestemmt werden sollte wohl einerseits, andererseits weil ich aus eigener Erfahrung heraus weiß, wie schwer es ist, zwischen Thomas und Christian Buddenbrook auf ernsthafte Weise zu etwas zu kommen, zumal es da "dritte Wege" geben mag, und weil ich mich, um einer
wirklichen Verwunderung Ausdruck zu verleihen, an dieser Stelle eher darüber wundere, daß der Abend mit den Vorgängerabenden durch Lauwers verglichen wird und nicht zB. mit dem aktuellen Stemann,
dessen letzten Liedern, am DT.
Lese ich die Kritiken zu beiden Abenden beschleicht mich der Verdacht, aus einem Vergleich dieser Abende ließe sich mehr gewinnen, und selbst wenn man mir dann vorrechnete, wie das so garnichts miteinander zu schaffen hat, so erschiene mir auch das als eine interessante (vermutlich lehrreiche) Klärung.
Kunst der Unterhaltung, Wien: Schwächen sind keine Stärken
Das ist doch albern: die Schwächen eines Stücken als seine Stärken verkaufen - nur weil der Abend nicht funktioniert! "Des Kaisers neue Kleider" - wie oben sehr richtig bemerkt wird. Wer's nicht mitkriegt, gehört "nicht dazu", wer sich nicht gelangweilt hat, hat's eben nicht verstanden. Nö, nö. So einfach geht das nicht. "Figuren auf sich selbst zurückgeworfen" - wenn ich das schon höre...! Das Ding ist einfach misslungen.
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