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Im Visier der Rufmörder

von Thomas Askan Vierich

Wien, 16. April 2011. Alles scheint zunächst schräg: Die Bühne fällt nach links ab, die Leuchtstoffröhre hängt schief darüber, sogar das Programmheft wurde trapezförmig zugeschnitten. Doch dann erweist sich die Inszenierung Dieter Giesings zunächst als enttäuschend lustlos. Die Schauspieler sprechen ihre Texte im Ausfallschritt. Das sieht sehr ungelenk aus. Oder liegt es einfach daran, dass sie sich auf der abfallenden Bühne Halt verschaffen müssen?

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Joachim Meyerhoff
© Reinhard Werner

Giesing macht es ihnen auch sonst schwer: Er gibt ihnen kaum Requisiten. Da stehen ein paar Stühle, hängen zwei Huthaken, dazu ein Schreibtisch und fünf gleiche Türen. Alles ist weiß, medizinisch, weil wir uns in einer Privatklinik befinden. Und weil uns hier vorgeführt werden soll, wie die Welt funktioniert: Überall Intrigen, Vorurteile, schmutzige Politik. Und nicht zu vergessen: Antisemitismus!

Der glücklichste Moment eines traurigen Lebens

Hrm. Man fühlt sich als Zuschauer unterfordert. Sind wir hier in eine lehrreiche Schulaufführung geraten? Es ist durchaus eindrucksvoll, wie sich Professor Bernhardi aus innerer Überzeugung und Selbstüberschätzung immer mehr zum Spielball der politischen Intrigen macht. Aber man hätte durchaus ein paar Zwischentöne vertragen.

Bernhardi, Chef einer Wiener Privatklinik um 1900, glaubt nur seinem ärztlichen Gewissen folgen zu müssen und verweigert einem katholischen Priester den Zugang zu einer Todkranken. Weil die fälschlicherweise glaubt, sie sei geheilt. Gleich wird ihr Verlobter kommen, um sie zurück ins Leben zu holen! Der Priester mit seiner letzten Ölung würde sie wüst aus dem vielleicht glücklichsten Moment ihres ansonsten eher traurigen Lebens reißen. Aus dieser Weigerung Bernhardis machen die Feinde des Professors den bewussten Affront eines Juden gegen den christlich-katholischen Glauben. Bernhardi wird vor Gericht gezerrt und zu zwei Monaten Zuchthaus verurteilt. Er wird zum Opfer einer antisemitischen Hetzjagd, verraten von seinen Mitarbeitern, verraten von seinem Jugendfreund, dem Kultusminister, der vorgibt, sich für ihn einsetzen zu wollen – und dann aus politischem Opportunismus doch die Seiten zu den Antisemiten wechselt.

Weiterdenken kann eingestellt werden

So weit die bekannte Geschichte dieses Stückes von Arthur Schnitzler, das er kurz vor dem Ersten Weltkrieg schrieb und zu Zeiten der noch bekannteren Dreyfuß-Affäre Ende des 19. Jahrhunderts ansiedelte. Die Empörung merkt man dem Stück an. Doch Schnitzler traf den Nerv. Sein Stück wurde von der österreichischen Zensur verboten und konnte nur in Berlin zur Uraufführung gelangen.

Auch 2011 sind die Parallelen zum Verfall der politischen Sitten im Österreich der Grassers und Strassers überdeutlich. Udo Samel als jüdischer Kollege Bernhardis prangert die Verlogenheit der Antisemiten und der ganzen Politik mit Schaum vor dem Mund an. Das Wiener Premierenpublikum ist begeistert. Sie hören, was sie hören wollen. Die Welt, insbesondere die Politik, ist schlecht und ist es schon immer gewesen. Super. Weiterdenken kann eingestellt werden. Antisemiten sind wir eh nicht, nie gewesen, sondern immer nur die anderen.

Ein Michael Kohlhaas in Weiß

Doch nach der Pause wird alles anders. Plötzlich ist Platz für Zwischentöne. Die Requisiten werden nicht zahlreicher, trotzdem agieren die Darsteller viel lebendiger. Besonders schön die Szene, als der Priester (Lucas Gregorowicz) den auch von ihm verleumdeten Bernhardi besucht und ihm gesteht, dass er vor Gericht einfach nicht den Mut hatte die Wahrheit zu sagen. Das trägt Gregorowicz fast unter Tränen vor. Roland Koch, der neben dem ministerialen Jugendfreund (Nicholas Ofczarek) den zweiten Hauptgegenspieler Bernhardis verkörpert, bleibt nicht beim Schwarz-Weiß stehen. Zumindest gab er den Anschein, dass er es ehrlich meinte und nicht nur auf den Job seines Vorgesetzten aus war.

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Auch Joachim Meyerhoff als Bernhardi entwickelt sich: Am Anfang musste man befürchten, dass er die Rolle des Michael Kohlhaas in Weiß zu lasch anlegte. Doch im vierten und fünften Akt entwickelt er mehr Temperament. Jetzt passt seine Lässigkeit zu Professor Bernhardi, der auf Rache und Revision verzichtet. Am Anfang ein Lächeln Bernhardis – und am Ende. So hat es Schnitzler gewollt, und so spielt es Meyerhoff.

Komödie voller Zwischentöne

Überhaupt muss man attestieren: Nach ungelenkem Beginn steigert sich das gesamte Team. Dazu trägt nicht wenig Branko Samarovski mit viel Wiener Schmäh als sozialdemokratischer Hofrat in Diensten des bis zum Schluss herrlich ambivalenten Nicholas Ofczarek bei. Ofczarek war auch der Einzige, der schon in der ersten Hälfte für Lebendigkeit auf der Bühne sorgte. Und so ist insgesamt festzustellen: Dieter Giesing ist es gelungen, seine Schauspieler auch in den kleinsten Nebenrollen zu Höchstleistungen zu animieren.

Giesing ist nicht bekannt für eitle Regieeinfälle. Eher für dezente, detaillierte Schauspielerführung. Das hat er an diesem Abend, zumindest in der zweiten Hälfte, eindrucksvoll bewiesen. Aus dem Lehrstück wurde doch noch eine Komödie voller Zwischentöne. Mit erschreckender Aktualität. So offen können antisemitische Vorurteile nicht mehr im politischen Tagesgeschäft instrumentalisiert werden. Aber die Mechanismen sind die gleichen geblieben. Auch heute könnte einem Professor Bernhardi Ähnliches widerfahren. Möglicherweise nicht mehr ausschließlich, weil er Jude ist. Doch Rufmord bleibt ein beliebtes Mittel der politischen Intrige.

 

Professor Bernhardi
von Arthur Schnitzler
Regie: Dieter Giesing, Mitarbeit: Johann Kresnik, Bühne: Karl-Ernst Herrmann, Kostüme: Fred Fenner, Musik: Jörg Gollasch, Licht: Friedrich Rom, Dramaturgie: Amely Joana Haag.
Mit: Joachim Meyerhoff, Roland Koch, Caroline Peters, Udo Samel, Oliver Masucci, Klaus Pohl, Martin Schwab, Marcus Kiepe, Sven Dolinski, Christoph Luser, Stefanie Dvorak, Nicholas Ofczarek, Branko Samarovski, Lucas Gregorowicz, Bernd Birkhahn, Robert Reinagl, Florentina Kubizek/Sophie Resch.

www.burgtheater.at


Mehr Nachweise für Arthur Schnitzlers Aktualität? In Magdeburg inszenierte Claudia Bauer im April 2011 Schnitzlers Reigen.

 

Kritikenrundschau

In Schnitzlers Komödie werde "die österreichische Neigung zum Antisemitismus derart wirkungsvoll aufgedeckt, dass man gar nicht so viel essen kann, wie man kotzen möchte", schreibt Norbert Mayer in der Presse (18.4.2011). "Hat das aber noch mit uns zu tun? Ja. Die subtile Inszenierung von Dieter Giesing (…) macht Professor Bernhardi zu unserem Zeitgenossen. Vorbildlich scharf werden die Wirkungsweisen von Ressentiments, die Beschränkungen der Politik und menschliche Schwächen herausgearbeitet." Giesings Kunst bestehe darin, "dass er alle Tempi beherrscht. Beinahe schleppend ist der Beginn, um sich dann zu dichtesten Szenen zu steigern." Mayers Sonderlob verdient sich Branko Samarovski, der den "zynischen und zugleich humanen Dr. Winkler mit nicht zu überbietender Raffinesse" gebe. Samarovski rage heraus, "in einer Aufführung, die von Charakterköpfen wimmelt".

"Giesings im allerbesten Sinne 'werktreuer' Bernhardi-Inszenierung eignet etwas Untröstliches", meint Ronald Pohl im Standard (18.4.2011). "Äußerlich kühl, klar und jederzeit nachvollziehbar analytisch, reißt sie doch mit lapidarer Geste den Schleier weg vor dem Abgrund des Judenhasses". Meyerhoffs Bernhardi besitze "das Gemüt eines schlaksigen Boxers, der die Schläge seiner viel zu vielen Gegner im Nu auspendelt – mit grämlichem Mund und mit ermüdeter Seele." Meyerhoffs Darstellung werbe "keinen Augenblick lang um wohlfeile Zustimmung; sie enthält eher die Leidenselemente der Shylock-Erzählung. Die Verletztheit Bernhardis, die Ohnmachtsattacken eines psychisch Versehrten, sie gehören einer Sphäre an, in der die Scham das Gefühl, gegenüber den Hetzern recht zu behalten, bei weitem überwiegt. Meyerhoffs meisterlicher Bernhardi bildet das finstere, zutiefst beklemmende Zentrum einer klug gedachten Inszenierung."

"Staatskunstverschwendung! Kein Privattheater, keine Freie Gruppe könnte die hundert teuersten Sitze an jedem Spieltag abschrauben lassen für ein Konversations-Kammerspiel", erregt sich Hans Haider in der Wiener Zeitung (18.4.2011) über die Bühnenbild-Überbauung der vorderen Zuschauerreihen. Die "Angst der Burgherren vor dem Guckkasten" erklärt sich Haider damit, dass "Schnitzlers Relikt aus den politisch-kulturellen Grabenkämpfen des späten 19. Jahrhundert hinter einem vergoldeten Bühnenrahmen erst recht museal" wirke. Immerhin lasse sich auch hundert Jahre später "beschämende Aktualität aus diesem Tendenzstück herausklopfen". Und Giesings Herrenensemble imponiere "mit raumgreifenden Bewegungen (von Johann Kresnik trainiert) und exaktem Sprechen. Große, hinreißende Kaliber!" Jedoch "fehlen in ihrem Wortkonzert typisch wienerische Nuancen, in denen mitschwingt, was nicht ausgesprochen wird". Meyerhoff als Bernhardi illustriere "lehrbuchgerechten Moralismus", habe aber "im Schnitzler-Erinnerungsmuseum keine Vitrine erobert".

"Dass Dieter Giesings bis dahin eher staubtrockene Inszenierung am Ende nah am Wasser gebaut hat, ist durchaus signifikant für den dreistündigen Abend am Wiener Burgtheater", schreibt Christopher Schmidt (Süddeutsche Zeitung, 19.4.2011): Der menschenfreundliche Regisseur beuge sich über Schnitzlers "nicht als Zeitdiagnostiker oder Chirurg mit scharfem Skalpell, sondern als milder szenischer Allgemein- und Humanmediziner. Und leider auch als Narkosearzt, der streckenweise für gähnende Langeweile sorgt". Giesing mache sich "gewissermaßen den Standpunkt der Titelfigur zu eigen, die ihren Fall nicht als Politikum verstanden und also instrumentalisiert wissen will, dabei aber die Lage verkennt". Meyerhoff wirke in seiner Rolle "gebremst", "merkwürdig" fremdele er in ihr: "Die Figur scheint er sich nur flüchtig wie einen Arztkittel übergestreift zu haben, ein Professor Unrat der Besetzungs-Politik." Alles ende schließlich "ironisch-versöhnlich mit ein paar kathartischen Kullertränen (...). Man sollte Österreich an allen vier Ecken anzünden, heißt es einmal im Stück. Das vielleicht gerade nicht, aber die Luft, sie hätte schon brennen müssen bei diesem Stück."

Martin Lhotzky schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (20.4.2011) über Schnitzlers Stück: "Garniert mit witzigen, nicht uneitlen Seitenhieben auf praktisch alle (…) schrieb Schnitzler eine durchaus langatmige Salonkomödie, die sich satirisch-sarkastisch mit dem primitiven Antisemitismus seiner Zeit auseinandersetzt." Eigentlich, so Lhotzky, sollte es "selbst in Wien" nicht mehr möglich sein, dass der "Professor Bernhardi" aufgeführt werde, als "lägen die gewaltigsten Probleme mit Antisemitismus im Berufsneid der nichtjüdischen akademischen Kollegen und bei bornierten Regierungsmitgliedern". Giesing, unterstützt von einem großartigen Ensemble, gelinge dies Kunststück aber doch. "Ein bisschen zu sarkastisch" lege Joachim Meyerhoff den Bernhardi an. Als Doktor Ebenwald, bleibe ihm Roland Koch nichts schuldig und setze "mit großer Verschlagenheit immer noch eins drauf". Nicholas Ofczarek gebe den Minister Flint mit unverbindlichem Lächeln, das "nur ganz selten entgleitet", Caroline Peters versuche als Dr. Cyprian Ruhe in die turbulenten Sitzungen zu bringen, und Udo Samel oder Martin Schwab dürften "hemmungslos outrieren". Knapp drei Stunden, "die man in dieser fröhlichen Ignoranz heute nicht mehr erwartet hätte".

Ganz anders Peter Kümmel in der Zeit (20.4.2011): Er entdeckt etwas, dass der Boden unter der Komödie klingt hohl, weshalb die Schauspieler auf Karl-Ernst Herrmanns Bretterbühne heftig poltern. Auch unter dieser Bühne ist der Boden hohl. Joachim Meyerhoff zeige die Figur des Bernhardi nicht von "milder Resignation" geprägt, sondern von "Erregbarkeit, ein gereiztes Genauigkeits-, Gerechtigkeits-, Wahrhaftigkeitsempfinden. Der Mann ist ein erhitztes System, welches durch Selbstberuhigungsmaßnahmen (begütigendes Lächeln, leise Summtöne) gekühlt werden muss." Die Wiener Inszenierung sei vor allem das "Schauspiel seiner Selbstzügelung". Modern sei auch seine Neugier: "Es ist die Neugier, mit der ein Jude aus dem Nach-Holocaust-Zeitalter auf einen Juden aus dem Vor-Holocaust blickt." Professor Bernhardi sei ein "Spiel unter Männern", und Giesings Kunst die "Darstellung von Männern in der Blüte ihrer Jahre – hoch fliegend und immer zu nah an der Sonne". Udo Samel und Martin Schwab, die halsstarrigen Alten bildeten den "moralischen Rest", der das System, das über Leichen gehen wird, noch aufhält. Nicholas Ofczarek spiele den Minister, der dieses System verkörpere: "Ein von seiner eigenen Machtfülle gerührter Bursche mit schwimmenden Augen schreitet herein, bubenhafte Peter-Alexander-Blicke in den Saal werfend, tänzelnd: meine Show, das alles." Es sei ein "feines System des gegenseitigen Verstehens und Verachtens" zwischen diesen beiden Männern. Meyerhoff und Ofczarek spielten es "famos": Wenn Bernhardi ihn durchschaue, steige in Flints Gesicht ein geschmeicheltes »Erraten«-Lächeln auf. "Einer wird leben, der andere wird sterben. Beide haben in diesem Moment die Zukunft erraten."

Kommentare  
Professor Bernhardi, Wien: klare Linie zu Bernhards Heldenplatz
Natürlich läßt sich das Bühnenbild von Karl-Enst Herrmann zu dieser sehr klaren und beredten Aufführung auch ganz anders deuten: es schafft eine unabweisbare Verbindung zu uns in den Zuschauerraum, also zu jenen, die gemeint sind und die auf diese Weise in die Argumentation der Figuren hineingezogen werden. Der Verzicht auf atmosphärisches Brimborium schärft den Gedankengang. Die Mechanismen werden glasklar. Und unversehens zeigt sich eine Linie von Schnitzlers PROFESSOR BERNHARDI zu Thomas Bernhards HELDENPLATZ
Professor Bernhardi, Wien: weit weg
Wenn dem Rezensenten die Geschichte, wie er vorgibt, bekannt ist, müsste ihm aufgefallen sein, dass Professor Pflugfelder, den Udo Samel spielt, kein Jude ist, sondern, wie Ebenwald im Text (wenn auch nicht an der Burg) ausdrücklich erwähnt, ein alter "Achtundvierziger" und Vater eines milde antisemitischen Sohnes (der in Wien ebenfalls gestrichen wurde). Allerdings ist Bernhardi auch zu keinem Zeitpunkt, weder bei Schnitzler, noch bei Giesing, ein Michael Kohlhaas. Bei beiden sagt er, dass er keine Frage beantworten wolle. Vielleicht überhört man das, wenn man "Professor Bernhardi" für ein Stück über Antisemitismus hält. Schon bei Schnitzler, nicht erst bei Giesing, ist es ein Stück über die Rolle von Ideologien und den Schaden, den jene anrichten, die sich, wie der Vertreter des Staats und wie der Vertreter der Kirche auf "höhere Werte" berufen. Wer dagegen immer nur das Richtige tun wolle, sagt uns der Pragmatiker am Ende, sein Viech - wie Bernhardi. Das ist sarkastisch, aber von der Judenproblematik, die in diesem Stück seit je als Beispiel, nicht als Thema funktionierte, führt es weit weg. Und zwar bereits bei Schnitzler, dessen Geschichte gerade so bekannt ist, dass sie der Kritiker nacherzählen muss.
Professor Bernhardi, Wien: interessante Fehlleistung
At second thaught: Warum hält Herr Vierich Pflugfelder für einen Juden? Weil der für Bernhardi Partei ergreift? Kann er sich keinen Liberalen denken, der für einen Juden eintritt, ohne selbst Jude zu sein? Er ist für Schnitzler ebenso eine Möglichkeit wie es die Juden sind, die in seinem Stück, aus unterschiedlichen Gründen, gegen Bernhardi votieren. Vierichs Fehlleistung erscheint mir fast so interessant wie das von ihm besprochene Drama.
Professor Bernhardi, Wien: ein gutes Stück
Nur ist Heldenplatz ein schlechtes Stück, Herr Beil, und Professor Berhardi ein gutes.
Professor Bernhardi, Wien: Meisterstück in Kontingenz
Immerhin kann man bei Professor Bernhardi noch sehen, wie sich Menschen einfach verhalten...ein Meisterstück in Kontingenz, wenn man so will. Bei Heldenplatz nun ja...Intellektuelle...etwas von der Ausschicht geblendet...die gar nicht sehen können, was gewesen sein wird...
Professor Bernhardi, Wien: Denn jetzt fängt die Geschichte erst an
Antwort zu Kommentar 4.: Ja, ja, Werter Zeitzeuge, das hat auch am 4. November 1988 der damalige Feuilleton-Chef des STANDARD behauptet, daß HELDENPLATZ ein schlechtes Stück sei - und dabei gleichzeitig das Publikum ganz unverblümt agitiert, die HELDENPLATZ-Premiere zu verhindern. Immerhin hat der beispiellose Erfolg von Stück und Aufführung gezeigt, daß HELDENPLATZ ein notwendiges Stück ist. Wie sagt doch Schnitzlers
Hofrat Dr.Winkler: "Denn jetzt fängt die Geschichte erst an - und sie kann lang dauern." Ein wahrer Zeitzeuge! Gruß! H.B.
Professor Bernhardi, Wien: das war eine Geschichte
Ja, das war eine Geschichte...ansonsten, immer schön weiterschimpfen...
Professor Bernhardi, Wien: nicht Standard, sondern Presse
nein, lieber Herr Beil, da tun Sie dem Standard arg unrecht. Haider war natürlich bei der Presse!
Professor Bernhardi, Wieni: nicht Presse, sondern Standard
Doch, lieber Professor Langenbucher, es war der damalige Feuilleton-Chef des STANDARD, der zum "Sturm auf den Heldenplatz" aufgerufen hat - besagter Peter Sichrovsky wurde übrigens später Parlamentarier von Jörg Haiders Gnaden. Allerdings spielte der Dr. Hans Haider (damals DIE PRESSE ) auch eine Rolle in der Kampagne gegen Thomas Bernhard, hat er doch 4 Jahre zuvor ein wochenlanges gerichtliches Verbot von Thomas Bernhards Roman HOLZFÄLLEN initiiert.Gruß! H.B.
Professor Bernhardi, Wien: langeweiliger Heldenplatz
"Heldenplatz" war unlängst wieder im Theater in der Josefstadt zu sehen. Gähnend, wahrlich, langweilig, in jeder Beziehung. Das Stück wurde ja auch kaum nachgespielt. Ich habe nichts gegen Vergangenheitsbewältigung, aber Hern Peymanns Bemühen, den "Heldenplatz" neben einem zeitpolitischen auch zu einem künstlerischen Meilenstein zu machen, das misslingt gründlich.
Professor Bernhardi, Wien: Argumente sind von Vorteil
Ich versuche, den zeitzeugen zu verstehen: Ein "gähnender" "Heldenplatz" im Theater in der Josefstadt, den Peymann nicht inszeniert hat, soll beweisen, dass Peymanns Bemühen misslungen ist? Und wenn alle Stücke, die selten nachgespielt wurden, verdammt werden müssten, käme eine stattliche Liste zusammen. Man kann über Bernhard und Bernhardi streiten, aber wären ein paar Argumente nicht von Vorteil?
Professor Bernhardi, Wien: eine enge Theaterverwandtschaft
@10/Zeitzeuge:
Dass der Josefstädter Professor Schuster einen charmanten Zeitgenossen repräsentierte, eher depressiv verstimmt, seelisch vereinsamt, in einem wienerischen Plauderton, nahm - und da gebe ich Ihnen recht - der Figur das manische Entsetzen der Uraufführung.

Allerdings - und da kann man natürlich beginnen die künstlerische Wertbeständigkeit von Heldenplatz zu hinterfragen - haben die täglichen Neuigkeiten über Korruption, Amtsmissbrauch, Veruntreuungen und Betrug begangen von Politiker und Wirtschaftsbossen sowie über sexuelle Verfehlungen der angeblich Moral hütenden Kirchenmänner Grenzen überschritten, die damals noch unvorstellbar waren.

Der 1. Akt ausschließlich und der 3. Akt großteils von Heldenplatz leuchtet allerdings eine geängstigte, traumatisierte
Familie in einer feindlichen Umgebung aus, die sicher in ihrer Prägnanz und Genauigkeit eine unveränderliche künstlerische Wertbeständigkeit haben werden. Und so habe ich Hermann Beils Beitrag verstanden mit "Professor Bernhardi" eine enge Themenverwandtschaft aufweisen. (Der letzte Burg-Bernhardi vor Meyerhoff war übrigens ein charmanter, depressiv verstimmter Bernhardi, kein überzeugter Angeekelter).

Und zum Schluß: Ich habe Claus Peymann mehrfach sagen gehört, dass er glaubt, das Bernhards Künstlerdramen langfristig überleben werden nicht aber Heldenplatz.
Professor Bernhardi, Wien: Heldenplatz wird nachgespielt
Unser ZEITZEUGE meint, Thomas Bernhards HELDENPLATZ würde kaum nachgespielt. Interessant ist immerhin die Tatsache, daß ein Theaterstück, über das der Autor sebst sagte, er könne sich nicht vorstellen, daß es außerhalb Österreichs gespielt werden würde, tatsächlich gerade im nichtdeutschsprachigen Ausland nachspielt wird, zumindest weiß ich von Inszenierungen in Paris (2x), London,Amsterdam,Barcelona,Belgrad, Zagreb,Riga,Prag(2x),Buenos Aires und Porto Allegre in Brasilien. Da in diesen Städten und Ländern der unmittelbare Wien- und Österreich-Bezug gewiß keine Rolle spielt, wird es wohl die theatralische Qualität des Stücks sein, die zu einer Aufführung verleitet hat. Könnte doch sein. Oder?
Professor Bernhardi, Wien: Konnektivität
@Hermann Beil
Interessantes Netz, was Sie hier aufzeichnen. Versuchen Sie es doch mal mit einer Tiefensuche...und immer nach der Konnektivität schauen...dann passiert nichts...
Professor Bernhardi, Wien: das Verständnis der Zusammenhänge
Zu Kommentar Nr.14
Wenn Sie mit Konnektivität Zusammenhang/Zusammenhänge oder Verbindung meinen - so ist das für mich auch Tiefensuche...ohne Verständnis der Zusammenhänge bleibe ich ahnungslos...
Professor Bernhardi, Wien: schade, dass Zadek das Stück nicht mochte
Interessant, dass es bei den Reaktionen kaum um die "Bernhardi"-Produktion an der Burg geht, sondern um Bernhards "Heldenplatz".
Um selbst etwas zum Stück zu sagen: Mir tut es sehr leid, dass Zadek das Stück nicht gemocht und daher auch nicht inszeniert hat. Seltsam, dass Zadek so absolut keinen Nerv für Mitteleuropa und dessen jüdische Welt besaß.
Und ob man Tabori jemals für eine "Bernhardi"-Inszenierung in Betracht zog, weiß ich nicht. Er hat ja eigentlich gar keinen Schnitzler inszeniert. Zufall oder Absicht? Weiß Beil dazu mehr?
Professor Bernhardi, Wien: warum nicht Boris Becker?
Tja, falscher Visconti, und warum inszeniert Boris Becker nicht den "Talisman"? Er hat doch rote Haare!
Professor Bernhardi, Wien: was Tabori interessierte
Nein, Beil weiß nicht mehr dazu, SIGNOR VISCONTI; er kann nur vermuten: George Tabori hat als Autor viele Theaterstücke selbst zu dieser Thematik geschrieben und diese seine Stücke auch inszeniert. In seinen Stücken stellte er auch aktuelle antisemitische Stimmungen und Ausbrüche dar, wenn ich z.B.an sein Stück DIE BALLADE VOM WIENER SCHNITZEL denke.
Auffällig ist, daß Tabori nie Tschechow, Ibsen oder Strindberg inszeniert hat (Zadek sehr wohl!), vielleicht wäre ihm Schnitzlers Welt auch zu nah gewesen, er hat sie erlebt und schien mir immer aus dieser Welt herkommend. Aber sein Blick ging nie in die Vergangenheit, es interessierte ihn die Gleichzeitigkeit. Eine seiner letzten und schönsten Inszenierungen ist die geradezu Entdeckung von Lessings Lustspiel DIE JUDEN, seit Jahren noch immer im Spielplan des BE. In diesem Lustspiel, so Lessings Untertitel, verwandelt ein einziges Wort alles, das Wort JUDE. Wie im PROFESSOR BERNHARDI!
Professor Bernhardi, Wien: richtungsweisende Auseinandersetzung
@16
Zadek hat in Wien 1988 den "Kaufmann von Venedig" so inszeniert, dass eine Aufarbeitung mit den heutigen (1988) vorhandenen Vorurteilen und Klischees stattfand. Es war damals in Wien rund um den damaligen Bundespräsidenten das Machtgefüge der "Ostküste" und des "Jewish World Congress" stark in die Diskussion gekommen, was zu verstecktem Antisemitismus wie dann wieder zum Bernhard'schen "Heldenplatz" beschrieben, führte.

Die Aufführung wurde allgemein bewundert, war auch - wenn ich mich recht erinnere in Berlin - und gilt als richtungsweisende Auseinandersetzung mit jüdischer Indentität. Also ganz unreflektiert hat Zadek das Thema sichtlich nicht gelassen auch wenn er Shakespeare als "Helfer" benutzt hat.

Vielleicht kann uns auch da Hermann Beil ein wenig mehr erzählen.
Professor Bernhardi, Wien: müßiger Vorwurf
Immer wieder hat Peter Zadek KAUFMANN VON VENEDIG inszeniert, in Ulm mit Norbert Kappen, in Bochum mit Hans Mahnke und in Wien mit Gert Voss. Obendrein hat Zadek Sobols GHETTO und Marlows JUDE VON MALTA inszeniert. Es ist also müßig, ihm vorzuwerfen, so, wie es Signor Visconti tut, Zadek habe sich nicht für die "jüdische Welt" interessiert, er, der Jude, der vor seinen Mörder rechtzeitig hat noch fliehen können. Gewiß ging es Zadek damals, 1988, nicht um Waldheim, dieser Shakespeare war ihm ein Lebensthema und die sehr unterschiedlichen Besetzungen waren für ihn auch seine Methode, über das Stück nachzudenken.
Professor Bernhardi, Wien: aus Mitteleuropa?
Ich finde es schade, dass Herr Beil als Dramaturg offenbar so schlecht lesen kann! Luchino Visconti hat sich doch ausdrücklich auf Schnitzler und dessen Bernhardi bezogen und geschrieben: "Seltsam, dass Zadek so absolut keinen Nerv für Mitteleuropa und dessen jüdische Welt besaß." Und jetzt kommt Herr Beil und verdreht das zu "Zadek habe sich nicht für die "jüdische Welt" interessiert", um dann Shakespeare, Marlowe und Sobol zu erwähnen. Bitte welcher dieser drei Autoren stammt aus Mitteleuropa, noch dazu dem Schnitzlers?
Professor Bernhardi, Wien: Der Einzelfall rules
Tja, echter Rothschild, Boris Becker kümmert sich um rote Rosen und ist dem Rasen treu geblieben, sogar dem Sport auf dem Rasen.
Immer wieder hinreißend: Ihre Zusammenstellungen und Umdieecke- argumentationen- siehe "Salzburgthread": Hat da ganz andere Redner
gegeben ! Wohl wahr, aber was solls ? Weil es schon andere Redner gegeben hat, bloß nicht zu sehr ganz andere Redner ??
Übergenug zudem: der meisten Reden.
In Zeiten, wo eine Doktorarbeit mit dem Thema "Welches ist der wichtigste Schlag beim Tennis ?", bleiben wir bei Boris, als eine empirische (!) Untersuchung zugelassen wird, übergenug: der meisten Reden.
Der Einzelfall "rules" !!
Professor Bernhardi, Wien: was wahr ist, ist wahr
Lieber Dolgorukij, vulgo Langhand, noch einmal, im Klartext: Wenn man meint, Juden müssten sich besonders für Stücke interessieren, in denen Juden vorkommen, dann ist das so absurd, wie wenn man meint, ein Rothaariger müssen ein Stück inszenieren, in dem der Protagonist rothaarig ist. Klingt platt, wenn man es so formuliert, finden Sie nicht? Aber wenn Ironie als ganz böse Umdieckeargumentation verabscheut wird, werde ich sie mir künftig verkneifen - jedenfalls in diesem Forum.
Professor Bernhardi, Wien: Rückgabe
Den Vorwurf des anonymen Autors oder der anonymen Autorin von Kommentar Nr.21 möchte ich an besagten Autor/Autorun zurückgeben! Mit freundlichen Gruß!
Professor Bernhardi, Wien: genau lesen
Ohne kleinlich zu sein, aber ich muss Kommentar 21 Recht geben. Visconti schrieb, ich kopier das mal rein: "Um selbst etwas zum Stück (also Bernhardi) zu sagen: Mir tut es sehr leid, dass Zadek das Stück nicht gemocht und daher auch nicht inszeniert hat. Seltsam, dass Zadek so absolut keinen Nerv für Mitteleuropa und dessen jüdische Welt besaß." - Und in keiner Einteilung gehört England - Beil erwähnt ja Shakespeare und Marlowe - zu Mitteleuropa. Also: Wollte Herr Beil hier bewusst missverstehen oder sieht er wirklich nicht, wie er hier Aussagen verdreht? Um dann anderen das Schlecht-Lesen ohne Argumentation zurückzuwerfen ...? Es wäre ja eine Kleinigkeit, aber Zadek vorzuwerfen, sich nicht für die "jüdische Welt" interessiert zu haben, wäre wirklich etwas seltsam. Nur: Das ist nirgendwo geschehen. Und wenn ein Dramaturg doch eines können sollte, dann genau lesen.
Professor Bernhardi, Wien: Danke für den Schnitzel-Tipp
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Hatte einen interessanten Ostermontag-Nachmittag mit dem Programm von DIE BALLADE VOM WIENER SCHNITZEL. So schaurig natürlich die Illustrierte Ausgabe des Welt-Neuigkeits-Blattes auch ist, hatte ich doch auch meinen Spaß ..mit den wirtschaftlichen, arischen Fräuleins (die weiblichen Schnitzlerischen Hochrotzpointners)auf der Suche nach Partnern. Herzlichen Dank für den Tipp, er passt ganz exzellent zu Professor Bernhardi.
Professor Bernhardi, Wien: Rollentausch Ofczarek-Meyerhoff wäre die Lösung
Nach den vielen hochphilosophischen Beiträgen ein Wort einfach zur Aufführung. War gestern zum zweitenmal und muß feststellen, Meyerhoff ist leider eine eklatante Fehlbesetzung. Ohne jedes Charisma, ohne jeden verbindlichen (wienerischen) Charme, den ein Klinikchef haben muß und auch sicher hatte. Nur der übliche etwas brutale knarrende Meyerhoff-Sound ist leider für diese Rolle zuwenig. Ein Rollentausch Ofczarek-Meyerhoff wäre glaube ich eine tolle Lösung.
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