Habemus Intendanus

29. April 2011. Neuer Intendant des Theaters Vorpommern Greifswald/Stralsund wird Dirk Löschner. Ein Jahr nach der fristlosen Kündigung von Anton Nekovar hat der Aufsichtsrat den gebürtigen Berliner zum neuen Chef des Drei-Sparten-Theaters berufen. Der 44-Jährige Löschner ist seit Sommer 2009 Intendant am Theater der Altmark in Stendal. Zuvor war er mehrere Jahre Verwaltungsdirektor im Landestheater Detmold. Wie der Aufsichtsrat des Theaters Vorpommern am Freitag mitteilte, wird Löschner seine Stelle zum 1. August 2012 antreten. Er sei aber bereits jetzt regelmäßig vor Ort.

Löschners Vorgänger Nekovar und der Verwaltungsdirektor Hans-Peter Ickrath waren im Mai 2010 überraschend von ihren Posten abberufen worden. Seitdem wurde nach einem neuen Intendanten gesucht, der die schwierige Situation des Theaters lösen muss: Zuletzt waren Ende März die Verhandlungen um einen neuen Haustarifvertrag ins Stocken gekommen, weil die Gewerkschaft ver.di erneute Kündigungen nicht hinnehmen wolle. Der aktuelle Haustarifvertrag, der die Theater-Mitarbeiter vor betriebsbedingten Kündigungen schützt, läuft in diesem Jahr aus. Gleichzeitig droht der Bühne im nächsten Jahr ein Defizit von rund 725 000 Euro.

(sik)

Mehr zu dem Thema:

30. März 2011: Theater Vorpommern: ver.di lehnt Verhandlungen für einen neuen Haustarifvertrag ab

8. Januar 2011: Intendant & Kaufmännischer Direktor gesucht, Kündigungen angedroht bei der Theater Vorpommern GmbH

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Kommentare  
Dirk Löschners Intendanz in Vorpommern: ein Bärendienst
In der Tat muss Herr Löschner eine "schwierige Situation" meistern. Er erweist mit seiner ersten Maßnahme der Region allerdings einen Bärendienst: Rausschmiss der engagiertesten Schauspielerinnen und Schauspieler. "Neuaufstellen eines Ensembles" nennt sich das im Jargon. Rechtlich natürlich alles in Ordnung, moralisch, sozial wie kulturpolitisch mehr als fragwürdig, denn es trifft ohne jede künstlerische oder finanzielle Notwendigkeit genau jene, die das kulturelle Leben der Städte Greifswald und Stralsund in den letzten Jahren entscheidend mit geprägt haben. Der designierte Intendant setzt gerade die Künstlerinnen und Künstler vor die Tür, die überall dort inszenierten, organisierten, spielten, lasen und moderierten, wo in der Region im wahrsten Sinne des Wortes Kunst und Kultur eine Stimme brauchten, die das zur Institution gewordene Tresenlesen etablierten, die Ausstellungseröffnungen zum zweifachen Erlebnis werden ließen, Netzwerker, deren Namen sich in den Programmen des "Nordischen Klanges", des "Polenmarktes", der "Insomnale" oder der "Koeppentage" finden. Welches "neue künstlerische Konzept" wäre mit dieser erstklassigen Riege nicht machbar gewesen, Herr Löschner?
Dirk Löschners Intendanz in Vorpommern: Vertrauensvorschuss leisten
Wenn es rechtlich in Ordnung ist, warum soll es dann nicht auch sozial und moralisch in Ordnung sein. Tarifverträge zeichnen auch die Gewerkschaften ab. Die werden sich doch Patzer beim Verhandeln nicht nachsagen lassen. Es ist offensichtlich niemandem gekündigt worden. Verträge wurden nicht verlängert. Das ist ein anderer Vorgang. Sicher bedeutet das für die Einzelnen Einschnitte. Aber die sind jedes Jahr zu kalkulieren in dem Beruf. Psychologisch ist Diaz aber zu verstehen. Man weiß, was man hat und weiß nicht, was kommt. Da hilft nur innerlich springen. Nicht den neuen Intendanten kaputt machen. Drei Jahre mit Vertrauensvorschuss wohlwollend begleiten und dann urteilen.
Dirk Löschners Intendanz in Vorpommern: Sorge
Wenn die Sonne der Kulturpolitik tief steht, dann werfen auch Zwerge lange Schatten. Nur so ist zu erklären, dass Jemand, der so durchschnittlich qualifiziert ist, Intendant von drei Theatern werden kann, und mit spannenderen Bewerbern nicht einmal gesprochen worden ist. Möglicherweise sind die Träger dieser Theater nicht an Zukunft interessiert, sondern am Ende von Theater in Vorpommern. Aber ich hoffe nicht, bin aber sehr besorgt...
Dirk Löschners Intendanz in Vorpommern: die Couragierten fliegen raus
@Anton: Vor allem wie sieht es um das Verantwortungsbewusstsein eines Menschen aus, der nach einem Jahr in seiner ersten Intendanz sich für ein größeres Haus bewirbt. Da ist Sorge tatsächlich angebracht. Ist ja nicht so, dass Stendal keine Kämpfer nötig hätte. Was die Schauspieler betrifft, nun, ja, tragisch ist es schon, wenn auch üblich. Diejenigen, die den Laden aufrecht gehalten haben in der unsäglichen "Nekovar"-Zeit, die für ihr Theater gekämpft haben, Zivilcourage gezeigt haben und den Wechsel mit zustande brachten, fliegen jetzt raus. Aber so ist nun mal das (Theater)-Leben.
Intendanz Theater Vorpommern: den Karren aus dem Dreck ziehen
Es geht ja nicht um Qualität, sondern um Quantität. Darum soll jemand kommen, der den Karren aus dem Dreck zieht. Als Verwaltungsdirektor in Detmold und späterer Intendant in Stendal, hat er bewiesen, das er mit Zahlen umgehen kann - die interne Stimmung in Stendal war alles andere als rosig - da müssen eben einige ins Gras beißen. Es geht nicht ums Gemeinwohl, sondern um den Eigennutzen. Das liegt doch auf der Hand. Und das muss den Kulturpolitikern in MV klar sein.
Intendanz Theater Vorpommern: was meinen Sie?
Nixe: Zivilcourage? Gab es Naziüberfälle, oder was meinen Sie?
Pietje: Schwachsinn, was Sie von sich geben.
Intendanz Theater Vorpommern: ausführen
Stör: Können Sie ihre Oberflächlichkeit ausführen? Kommt mir so vor, als wären Sie in einer leitenden Funktion der neuen Theaterriege.
Intendanz Theater Vorpommern: fundiert
Stör: Kein Schwachsinn, sondern fundiertes Wissen.
Intendanz Theater Vorpommern: ein Beruf
Pietje: Schwachsinn ist Ihre Ansicht, künstlerische Neuausrichtungen haben mit Eigennutz zu tun. Intendant ist ein Beruf, der zwar feudalistische Züge trägt, aber er ist ein Beruf.
Intendanz Theater Vorpommern: Mut zum eigenen Urteil
Stör: Leider wird heutzutage der Begriff Zivilcourage nur noch im Zusammenhang mit Naziübergriffen und Schlägereien gebraucht. Doch er umfasst viel mehr, den Mut zum eigenen Urteil, das Auftreten des Einzelnen für Werte der Gemeinschaft von denen er selbst überzeugt ist, ohne Rücksicht auf sich selbst. Und dies geschah in Greifswald vor allem durch eine Handvoll Schauspieler. Ich erwähnte es, da so etwas an Theatern nicht unbedingt üblich ist und Schauspieler (berufsbedingt) eher zum Opportunismus neigen.
Intendanz Theater Vorpommern: eins und eins
Stör: Ich spreche aus Erfahrung. Natürlich verschließen Sie die Augen vor der Realität, da Sie offensichtlich ein Sympathisant sind. Aber sobald eine Intendanz oder ein Theater auf Selbstverwirklichung aus ist, ist es zum Scheitern verurteilt. Ich habe nur eins und eins zusammengezählt.
Intendant Theater Vorpommern: ohne Mut zum eigenen Urteil
Nixe: Ein Schauspieler ohne Mut zum eigenen Urteil hat auf keiner Bühne etwas zu suchen.
Intendanz Theater Vorpommern: ethisches und moralisches Versagen
Es ist die Frage gestellt worden, warum die Entlassung der Schauspieler unsozial und unmoralisch sein soll, wenn sie denn rechtlich unanfechtbar ist. Diese Frage geht ja davon aus, dass alle Gesetze dieses Landes moralisch einwandfrei und für das soziale Wohl der Menschen erlassen wurden und werden. Das ist so naiv, dass ich das gar nicht kommentieren möchte. Unmoralisch, unsozial ist es, wenn trotz der Anhörungen der Betroffenen, vor allem Familienväter- und Mütter vor die Tür gesetzt werden, die darüber hinaus als die aktivsten und engagiertesten für das Theater und die Kulturarbeit der Region gelten. Herr Löschner wußte leider genau, wen er rauswirft. Das ethische und moralische Versagen fängt aber schon dort an, wo für eine neue Intendanz Bauernopfer einkalkuliert werden, bei den Gesellschaftern, Aufsichtsräten und Geschäftsführern, die gegen einen Bürgerschaftsbeschluß (!), also gegen den formulierten Willen der Bürger, Personalentscheidungen hinter verschlossenen Türen aushandeln. Zehn Jahre verzichteten die Betroffenen auf Gehaltserhöhungen usw., kämpften für "ihr" Theater, um dann letztlich sogar vom Betriebsrat allein gelassen zu werden. Aber das liegt offensichtlich an einem Interessenskonflikt der Vorsitzenden, die lieber dafür sorgt, dass das Ballett nicht angetastet wird. Von "Künstlerischer Neuausrichtung" ist hier die Rede. Damit hat das Ganze nun wirklich nichts zu tun. Mit diesem Allgemeinplatz kann man, wie mit dem Begriff "Künstlerische Freiheit" alles und nichts begründen. Und- "Kaputtmachen" will ich niemenden. Damit haben andere begonnen, die bestehende kulturelle Netzwerke zerreißen für karrieristische Selbstverwirklichung, die dank überholter Gesetze Menschen zur Verhandlungsmasse machen können. Für mehr Infos: http://blog.17vier.de/category/kultur/
Intendanz Theater Vorpommern: keine Dankbarkeit erwarten
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze.

Was lernen wir daraus? Zugeständnisse gleich welcher Art kann man machen, aber man darf keine Dankbarkeit dafür erwarten. Sie müssen ihre Befriedigung / Rechtfertigung in sich finden. Wusste man aber eigentlich schon...
Intendanz Theater Vorpommern: üblicher Vorgang
ohhh mann ihr alle...das ist doch überall so...der neue kickt alles potentiell gefährliche illoyale raus und holt sich die Rückenstärker...um Qualität gehts doch da nicht...nur um Opportunität...die Guten, die "unbequemen" habens eh immer schwer...da oder dort...zurückgelassen oder gar nicht erst genommen...also!
Intendanz Theater Vorpommern: Dirk Löschners Konzept
Herr Löschner hat sich am vergangenen Dienstag den Fragen des Ausschusses für Kultur und Bildung gestellt und ein wenig von seinem Konzept blicken lassen: http://blog.17vier.de/2011/09/15/intendantenwechsel-wenn-die-angst-in-das-theater-zieht/
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