Presseschau vom 26. Juni 2011 – Claus Peymann klagt in der Berliner Morgenpost über die Diktatur des Nichtkönnens

Aussortiert wie Leichen

Aussortiert wie Leichen

26. Juni 2011. "Ich glaube, ich bin gescheitert", bekennt Claus Peymann in einem Interview mit der Berliner Morgenpost. Denn eigentlich sei er 1999 nach Berlin gekommen, um den hier ansässigen Barbaren Nachhilfeunterricht in Sachen Theaterliebe zu geben. Umsonst! Stattdessen führe der Jugendwahn mittlerweile dazu, "dass die Alten einfach aussortiert werden wie Leichen. Dadurch hat sich eine Diktatur des Nichtkönnens verbreitet."

An der Spitze dieser Nichtskönner, so Peymann weiter, "stand der leider viel zu früh verstorbene Christoph Schlingensief. Ein sehr spezieller, charismatischer Mensch, aber kein Theater-Regisseur. Er hat sich bei uns beworben und ich habe ihm gesagt: Wenn Sie als Entertainer auftreten, sind Sie willkommen, aber nicht als Regisseur. Schlingensief stand in einer Reihe mit Harald Schmidt oder Thomas Gottschalk."

Zumindest ein Lichtblick wird dann doch zu Protokoll gegeben: "dass Karin Henkel, eine langjährige Regieassistentin von mir, jetzt so reüssiert. Oder die Bühnenbildnerin Katrin Brack. Leute, die aus dem Peymann-Stall kommen. Die sind begabt. Und Begabung setzt sich durch. Wir haben Frauen nicht bewusst verhindert." Nicht bewusst!

"Wir leben momentan in dieser geschichtslosen Zeit – das betrifft die jungen Regisseure ebenso wie Angela Merkel", lesen wir außerdem. "Niemand blickt zurück – oder weit nach vorn. Vielleicht bin ich ein Anachronist, aber ich habe diesen Traum, dass dem Theater erziehende, weltverbessernde Züge anhaften – frei nach Lessing und Schiller. Wir können einen Beitrag zur Erziehung des Menschengeschlechts leisten."

(sle)

 

Mehr zu Claus Peymann und seiner Theater-Arbeit im nachtkritik-Lexikon.

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