Presseschau vom 8. Juli 2011 – Gerhard Stadelmaiers Saisonausblick in der FAZ
Platzhirsche, Bürgerchöre, Mangelware
Platzhirsche, Bürgerchöre, Mangelware
8. Juli 2011. Schon vor zwei Tagen war in der Frankfurter Allgemeinen (6.7.2011) Gerhard Stadelmaiers jährlicher, rundumschlagender Saisonausblick zu lesen. Stadelmaier zählt darin zu Beginn Projekte auf, bei denen die Theater Bürger oder ähnliche Menschen aus dem wirklichen Leben auf ihren Bühnen präsentieren wollen.
Sodann beobachtet er, dass es die Theater schon seit längerem nicht mehr zu Hause halte: "Sie drängen auf Plätze, Märkte und Straßen. Als könnten sie dort möglichst viel von dem abbekommen, was nicht durch Kunst, Phantasie und Kraft herzustellen ist, sondern ihnen unverstellt, direkt, schmerz- und phantasiefrei in den Schoß fällt." Auch für diese Richtung hat der Kritiker einige Beispiele aus der kommenden Spielzeit parat.
Nehme man "zum Platzhirsch- und zum Bürgerchor-Trend" hinzu, dass sich auch die Film- und Romanadaptionen ausweiteten – auch hier setzt es Exempel –, dann scheine nach Stadelmaier "die massenhafte Entdramatisierung der Theater endgültig dramaturgisch beschlossene Sache zu sein".
Schließlich konstatiert er: "Doch auch wo dramatische Restbestände neuer Stücke noch gepflegt werden, scheint frische Luft eher Mangelware. Und Monster-Dämonen an der Tagesordnung."
Dieser ganzen Litanei schickt Stadelmaier freilich ein Bekenntnis voraus: "Eigentlich gehört es zum Ur-Klang der ältesten Schein-und-Sein-Leier, dass auf der Bühne wirklich gezeigt wird, was in Wirklichkeit nicht ist: also dass Hamlet wirklich stirbt, aber nicht in Wirklichkeit. (…) Ein Theater, das solcher unabdingbaren Voraussetzung seiner darstellenden Kunst zuwiderhandelt, schafft sich ab. Indem es sich mit einer Wirklichkeit verwechselt, die es gar nicht sein kann, wenn es Gegenwirklichkeit überleben will. Etliche Bühnen arbeiten zurzeit an einer derartigen Selbstabschaffung."
(wb)
Postscriptum des Redakteurs
Der nachtkritik-Redakteur, der diese Schau erstellt hat, kann sich zweier Bemerkungen hierzu nicht entschlagen. Zum einen versteht er den Konditionalsatz "wenn es Gegenwirklichkeit überleben will" nicht. Welche Gegenwirklichkeit will das Theater überleben? Oder sollte es "als Gegenwirklichkeit" heißen? Erklärungsversuche sind willkommen.
Zum anderen gesteht der Redakteur dem FAZ-Kritiker natürlich alles Recht zu, ein bestimmtes Bild vom Theater zu pflegen, von einem Theater nämlich, das wirklich zeigt, was in Wirklichkeit nicht ist. Das ist eine Art des Theaters, die sicherlich die Allermeisten von uns lieben. Warum aber, fragt sich der Redakteur, beansprucht Stadelmaier eine Definitionsmacht, die alternativen Formen von Theater einfach abspricht, Theater zu sein? Und wieso soll die Voraussetzung, die Stadelmaier dem Theater vorgibt, "unabdingbar" sein? Unabdingbar für einen aufgeklärten Umgang mit ästhetischen Dingen sollte es doch eher sein, ein Sowohl-als-auch gelten zu lassen: Weil es das eine gibt und geben soll, muss das andere nicht falsch sein.
(Wolfgang Behrens)
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
mehr medienschauen
meldungen >
- 17. April 2024 Autor und Regisseur René Pollesch in Berlin beigesetzt
- 17. April 2024 London: Die Sieger der Olivier Awards 2024
- 17. April 2024 Dresden: Mäzen Bernhard von Loeffelholz verstorben
- 15. April 2024 Würzburg: Intendant Markus Trabusch geht
- 15. April 2024 Französischer Kulturorden für Elfriede Jelinek
- 13. April 2024 Braunschweig: LOT-Theater stellt Betrieb ein
- 13. April 2024 Theater Hagen: Neuer Intendant ernannt
- 12. April 2024 Landesbühnentage 2024 erstmals dezentral
neueste kommentare >
-
Zentralfriedhof, Wien Hach!
-
Auswahl Radikal Jung "Fugue Four Response" aus Wien
-
Doktormutter Faust, Essen Erstaunlich gute Überschreibung
-
Medienschau Giesche Marginalisierte Positionen
-
Leser*innenkritik Ellbogen, Maxim Gorki Theater Berlin
-
Orden für Jelinek Ode an El Friede
-
Wasserschäden durch Brandschutz Rechnung
-
Medienschau Dt-Defizit Mitarbeiterrücken
-
ja nichts ist ok, Berlin Danke, Fabian!
-
Medienschau Hallervorden Stereotyp und einseitig
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau
ins Netz gestellt worden.
Ach, und wo ich schon bei "Netz" bin: Liegt es daran, daß Hansa-Rostock-Fans Frauen nicht verhindern (aber auch nicht sonderlich "fördern") etcpp. und/oder ist es ein deutlicher Wink dahingehend, daß die nk-Frauen sich nichts aus Fußball machen, daß es keinen ("gleichberechtigten") Redaktionsblog zur Frauen-WM gibt/gab ??
Jedenfalls hat die Frauenmannschaft aus Deutschland eklatante Schwächen bei hohen Bällen in den eigenen Strafraum (siehe Frankreichspiel), was einem japanischen Trainer nicht entgehen kann. Zudem der Überraschungseffekt: Wer rechnet schon mit japanischen Kopfball"monstern" ?? Eben, nur wer "Mila Superstar"
gesehen hat oder hin und wieder ins Theater geht! Für den Blog ist es also jetzt wohl zu spät irgendwie, die "Yagisawa"-Schwestern werden aus dem Stand 1,50 m Höheaufnahme bringen und Deutschland aus dem Turnier nicken. Ihr Trainer Inokuma
Herr Stadelmaier schreibt, dass die Theater das Publikum verachten, und zwar durch die Stückelung der Stücke in Kinolänge. Das Gegenteil ist der Fall: die Theater nehmen Rücksicht auf die Wünsche des Publikums, das nicht von überlangen Inszenierungen strapaziert werden möchte.
aber die klischeehaftigkeit ihrer beispiele bewegt sich auf dem niveau verknöcherter rentner, die stolz sagen: ich war schon seit dreißig jahren nicht mehr im theater, weil die da ja nur mist machen. ihr artikel ist wasser auf die mühlen der menschen, die wir fürs theater begeistern müssen. sie arbeiten aktiv am zuschauerschwund mit - und damit indirekt am theatersterben. wenn ihnen das egal ist - dann nehmen sie sich bitte jetzt einen stapel alte petersteinclauspeymannandreabrethinszenierungen auf dvd untern arm und begeben sie sich in den ruhestand. danke.
Jedenfalls schließen sich Verachtung und jemandes Rezeptionsfähigkeiten aus (auslastungspolitischer Motivik zum Beispiel heraus entwickelt) zum Maßstab der eigenen Arbeiten werden
zu lassen nicht zwangsläufig aus, ich denke, das liegt auf der Hand. Die Frage, reformuliert, könnte meineserachtens durchaus spannend sein, ob dieser "Rezeptionsopportunismus" nicht ernsthaft geeignet ist, auf lange Sicht alle "Nichtverzweiflungstheateransätze" im Keim zu ersticken, will auch sagen, ob Publikum nicht tatsächlich häufig unter einem Konzepttheater zu leiden hat, das es nach 10 Minuten unterfordert, bei häufig gleichzeitiger Überforderung qua Wortkanonaden , Schnitttechnik , überhaupt theatertechnischer Verspieltheit und angeblicher "Doppelbödigkeit" mittels einer an Perfidie grenzenden "Absicherung durch Zitat" ("Ja, wir spielen auf den Anime-Film X an, sonst verstehen Sie unseren "Julius Cäsar" halt kaum ..."); nur, zB. nachtkritik de. berichtet annährend täglich von Abenden so ziemlich jedes "Theatergenres", und keines dieser liefert nur Ausschuß, und keines bietet den einen Königsweg: das entspricht auch meiner Erfahrung in Parkett und Loge auf das Genaueste, auch ein Pressespiegel zu Theaterabenden im Land würde sehr leicht ein ähnliches Bild sich abzeichnen lassen.
Jede Art von subventioniertem Theater (und nicht nur dieses) hat doch mit einem generellen Theater-Relevanzproblem zu kämpfen; solange bestimmte Kritiker sich für das von ihnen "bevorzugte Theater" ins Zeug legen, ist es in meinen Augen noch besser, als würden immer und überall nur Generalfassungen akzeptiert (und bei Schließungsandrohungen öffentlich ausgerufen) oder als wenn dieser jeweilige Kampf ganz und gar wegfiele.
Soweit ist ja Herr Höbel kürzlich garnicht weg gewesen im SPIEGEL von der Stadelmaiervorschau hier: beide liefern eine höchst begrenzte Auswahl von Sachen, die selbst bei vielen Begeisterten des "Außenspielorttheaters", beschränke ich mich auf dieses, weil dies zur Zeit am meisten hergenommen wird, umstritten gesehen wurden- "Verzweiflungstheater" ist mir lieber als reines "Quotentheater" einerseits, und "Verzweiflungstheater" gibt es sowohl postdramatisch als auch nicht-postdramatisch. Nimmt man das gerade jetzt besonders augenfällige Beispiel Freiburg, so verwundert es dann doch, wenn Kritiker auf den "Grünen-Abend" abheben, weniger auf das Bambi, das fürs Leben lernt seit Jahren schon, oder auf "Haslach, Deine Heimat". Nun, wenn Stadelmaier schreibt, und andere schreiben vernünftig dazu "Antworten" und "ihre Sichten", so wird eher über Theater diskutiert werden und dieses "wählbar" werden, als wenn wir wieder nur alle dahergehen, auf die Schwäche des Gegenüber abheben, sofort polemisch werden oder gar fordern: Schweig stille !
Ist die Diskussionskultur über das Theater denn schon anders als selbst "verzweifelt" ??
Ich habe da meine Zweifel..
Zugegebener Maßen war das von mir auch eher ein zynischer Rundumschlag. Kritik an den Verzweifelungstaten der um fragwürdige Relevanz ringenden Theaterzunft muss sein, aber hier saugt sich einer kräftig was aus den Fingern, damit überhaupt etwas auf dem Papier steht. Stadelmaier unkt weil er das immer tut. Er schert das gesamte Theaterspektrum über seinen Kamm, da bleibt nicht viel Gutes bei hängen. Es gibt wohl nichts, auf was sich einer wie Stadelmaier noch freuen könnte. Warum er überhaupt noch ins Theater geht, ist mir schleierhaft. Sein Artikel vom letzten Jahr zu den episch verseuchten Theatern hatte weit mehr Substanz als das hier und war wenigsten noch halbwegs lesbar. Darauf konnte man entsprechend reagieren, aber hierfür jetzt zur Strafe 10 mal hintereinander „Die Spanische Fliege“ angeschnallt in Reihe eins und wenn er nicht lacht, kitzelt ihn Herbert Fritsch mit dem Ringblock an den Füßen.
Nein, Stefan: Kein anderes Universum !
Nachtkritik de. hat Stadelmaiers Artikel nun einmal zum Thema gemacht, schlichtweg hier , heute, jetzt: "Planet nachtkritik de.".
Sie mögen doch Laucke: nun gut, dasselbe "Provinztheater im Westen", das sich an "Keinohrhasen" versucht, macht auch nen neuen Laucke- : "Laucke ante portam nigram" sozusagen: "Provinz" hat da einen ganz anderen Sound. Aber das nur so nebenbei: Sie waren ja auch Zeuge von "Axolotl Roadkill" in Hamburg, und jeder kann es in Ihrem Blog (und nicht nur dort) nachlesen, daß das sogar eine positive Überraschung war. Nun gut, auch ich rechne nicht damit, daß Ähnliches mit "Keinohrhasen" auch Vollzug haben wird. Aber, da wird es für mich interessant: Warum eigentlich nicht ? Möglicherweise teilen wir hier im voraus schon eine Sicht qua bloßer Spielplannennung, die im übrigen garnicht weit von derjenigen weg liegt, die Herr Stadelmaier veranschlagt: Will sagen, daß "wir" irgendwie durchaus mit einem "Desaster" rechnen, welches uns hier als Stilblüte in einer Stilblütenlese durch Herrn Stadelmaier hier-jetzt-heute, durch nachtkritik de. für aufgreifenswürdig befunden, voraussichzuentwerfen scheint. Was aber, wenn sich Herr Fritsch (oder ein Epigone - wer macht die Sache in Trier, kennen Sie den ??) der "Keinohrhasen" annähme:
Kämen wir da vielleicht ohne auch nicht allzuinnovative Spiralblocktaten oder "Spiralblockaden" aus ? Und sind "Pension Schöller", "Die Spanische Fliege" sogleich die Stoffe, die noch gehen, ganz anders als "Keinohrhasen" ?? Nun gut, ich gestehe, ich kann mir zu "Keinohrhasen" kein Urteil erlauben, aber "Pension Schöller" und "Die spanische Fliege"- also auch das beispielsweise nur in "therapeutischen Dosen" empfehlen ... .
Klar, Herr Stadelmaier läßt notwendigerweise viel mehr als zwei Drittel der Spielpläne unter den Tisch fallen, manche sind zudem (siehe Volksbühne) ja auch noch wie geheime Verschlußsachen
und zäumt hier ein Pferd von hinten auf, so nach dem Motto: Wovor die Bühnen hierzulande nicht mehr zurückschrecken als Symptom !
Aber das ist eine auch anderenorts und auch heutzutage noch recht gängige Journalistenpraxis - nicht alles aus dieser muß von gehobenem Wert und selbst immer besonders innovativ sein, wäre ja auch zu schön, wenn nur die Theater dieses Problem hätten !
Als ich Stadelmaiers Text las, mußte ich sogar einmal kurzfristig bei mir denken: "Der schreibt ja im besten nachtkritik-Redaktionsblog-Stil, vielleicht ein Stadelmaier, der rollenspielerisch vorgeht, im Selbstversuch !"
Naja, die "Mila-Folgen": die färben da ab, und in der Realität sieht es dann häufig anders aus: Von wegen Kopfballaus für Deutschland durch Japan. Aber andererseits: immerhin ein Aus.
Freilich ein Aus wie es heute möglich ist, ist eine gar sehr zweifelhafte Sache, aber immerhin ein Aus, immerhin eine Art Besitz. Doch ich schweife ab: Ich selbst bin sehr gespannt in der nächsten Spielzeit auf Düsseldorf und Herrn Holms Start dort. Wer das neue Arbeitsbuch "Heart in the City" aufschlägt, der kann diese Spielzeitvorschau sogleich sich selbst zu Gemüte führen.
Mit Fritsch hatten Sie in der vergangenen Spielzeit ja einen Riecher - möglicherweise werden Sie ihn hier erneut beweisen können..
Die Polemik ist ein Teil des Kritikergeschäfts. Und Professor Stadelmaier hat es schwer, wenn Theater sich mit Wirklichkeit verwechseln und ihre Programme mit reißerischen, bizarren oder bloß unterhaltenden Gegenwartsthemen aufplustern. Hart sind die Zeiten für feinnervige, empfindsame, den Zug ins Große erhoffende Gemüter, die mit ansehen müssen, wie Intendanten ihren Legitimationsdruck durch den Rückgriff auf Tagesaktualitäten zu bewältigen suchen, um den Anachronismusverdacht zu entschärfen. Wer Wachstum statt Stagnation möchte, sollte auch mehr verlangen. Und so drückt sich in Stadelmaiers Worten eine tiefe Liebe zum Theater aus – eine Liebe, die diese ehrwürdige, mitunter tragische Erscheinung eine eherne Haltung einnehmen lässt. Wir haben hier einen ins Edle hochgetriebenen Geist, der Strohfeuer als solche brandmarkt und nach dem Solitär sucht, auch wenn er nur das kurze Aufleuchten eines Blitzes ist.
das haben Sie sehr schön beschrieben, dem ist nichts hinzu zu fügen.
Lieber Trainer Hongo,
Arbeitsbücher sind mir zu theoretisch, ich sehe mir lieber die praktischen Ergebnisse in der neuen Spielzeit an. Und Sie sehen selbst, dass zuviel gut abgeschottetes Training und Strategiegetüftel auch nicht immer zum Erfolg führen. Das wird nicht nur die Damenriege des deutschen Fußballs mit oder ohne „Neid“ eingestehen müssen. Grau ist alle Theorie. / Geht es besser ohne sie?
Man wird sich schon den einen oder anderen Gedanken an den Theatern im stillen Kämmerlein gemacht haben. Was verspricht man sich von einer Inszenierung des Films „Keinohrhasen“, hofft man auf den Publikumserfolg und damit auch auf Zuschauer für andere Produktionen wie Dirk Lauckes neues Stück? Die Frage stellt sich eher, warum Laucke und Löhle z.B. plötzlich wieder in der „Provinz“ oder warum setzt man am DT in Berlin weiter auf Schimmelpfennig und holt sich die neueste Trendautorin aus der Provinz dazu? Das sollte sich Stadelmaier vielleicht eher fragen, als den Niedergang und die Selbstabschaffung des Theaters zu verkünden. Aber mit einem hat er leider Recht.
Die Theater betreiben ein regelrechtes Hase-und-Igel-Spiel, wobei sie ihre Position verkennen und sich für den Igel halten aber doch immer nur dem neuesten Trend hinterher hecheln. Zu viele Igel sind dann irgendwann des Hasen Tod. Und dabei möchte Stegemann doch eher Hund sein und sich mit der starken Meute über den flinken Hasen Mammon hermachen. Oder vergleiche ich da jetzt Volleyball mit Baseball, wo es doch eigentlich um Fußball geht? Lieber gestrenger Trainer Hongo, verraten Sie Herrn Stegemann doch bitte Ihr Erfolgsrezept, wo Sie nun schon durch die Lektüre aller Streitschriften bestens im Bilde sind.
Jetzt müssen Sie mir aber auch noch auf die Sprünge helfen, Sie kennen sich anscheinend besser in meinem Blog aus als ich selbst. Einen Riecher was Fritsch betrifft, brauchte ich nicht zu haben, „Die (s)panische Fliege“ war ja im Mai schon längst beschlossene Sache und so gut wie fertig. Ich konstatierte lediglich, dass er nun an die großen Häuser geht, mit der Hoffnung dabei nichts an seiner Frische einzubüßen. Das Prinzip Fritsch ist nicht beliebig wiederholbar und lachen nicht das Allheilmittel, sondern auch nur die Möglichkeit einer Insel, um mal mit dem auch schon öfter auf die Bretter gezerrten Houellebecq zu sprechen.
In der Barockoper wurden einst einige wenige festgelegte Affekte dargestellt. Dann kamen Komponisten wie Mozart, die einer differenzierteren Gefühlsskala Einzug in die Oper gewährten. Hätte sich damals jemand auf den Standpunkt gestellt, die Mozart-Opern würden den Wirklichkeitsbezug von Oper auf den Kopf stellen und würden an der Selbstabschaffung der Oper mitwerkeln, dann hätte dieser Jemand nicht nur Wesentliches verpasst, er hätte sich auch schlicht und einfach geirrt. Stadelmaier irrt auf ähnliche Weise, wenn auch vielleicht aus Liebe. Er hält es für ein Sakrileg, dass das Theater seine Formen und seinen Gegenwartsbezug überprüft. Das ist aber kein Sakrileg, sondern eine Grundvoraussetzung, um Theater vor der Erstarrung zu bewahren. Dass eine solche Überprüfung und der vor sich hin produzierende Betrieb auch viel Klärschlamm produzieren, ist unbenommen. Aber war das jemals anders?
In der Serie sind Baseball-Fußball-Volleyball eng miteinander verlinkt, insofern läuft Ihr Igel-Hase-Bild bei mir offene Türen ein, zumal es unzweifelhaft etwas für sich hat. Herrlich in diesem Zusammenhang Ihre Formulierung "Auf die Sprünge helfen": Nun gut,
bei dem "Riecher für Fritsch" ging es mir nicht um die "Spanische Fliege", sondern in Anlehnung an das Thema "Spielplanvorschauen"
um Ihre damalige, in einem Thread ziemlich überraschend und unangebunden gestellte Frage danach, wo Fritsch denn inszenieren würde. Dies bezog sich auf den Zeitraum, aus dem Fritschens "Nora" (Oberhausen) und "Biberpelz" (Schwerin) stammen, um schließlich zum Theatertreffen geladen zu werden. Daher, ich bitte dies mir nachzusehen, unterstellte ich Ihnen diesen Riecher, weil Sie sich zu einem Zeitpunkt dezidiert so ziemlich nur nach Fritsch erkundigten (Sie wußten von Schwerin und erfuhren prompt von Oberhausen seinerzeit), als von diesen Nominierungen und auch von der "Spanischen Fliege" noch keine Rede war.
Ich kenne mich ganz sicher nicht besser in Ihrem Blog aus als Sie,
erwähnte diesen aber weniger hinsichtlich Fritschens als bezüglich
der "Axolotl Roadkill"-Kritik Ihrerseits. Auf nachtkritik de. ist dies dokumentiert in einem Eintrag vom 12.12.2010, den Sie unter (3)
im Thread zur Thalia-Aufführung von "Axolotl Roadkill" leisteten,
ich zitiere: "Nachdem auf Nachtkritik heiß diskutiert wurde, ob und wie man das Buch auf die Bühne bringen sollte, hat Bastian Kraft nun alle Kritiker verblüfft." Nun, im Zusammenhang mit "Keinohrhasen" jetzt auf diese Verblüffung hinzuweisen, um zugleich auf die Merkwürdigkeit zu kommen, daß ich im "Keinohrhasenfalle" nicht mit einer solchen rechne und gerade dies mir Fragen aufwirft, erschien mir, weit fernab grauer Theorie,
außerordentlich plausibel. Ich begrenzte es nicht auf Ihren Blog,
deutete in der Klammer weitere Fundstellen an (eine davon ist Falk Schreibers "Bandschublade", in der "Axolotl Roadkill" ebenfalls besprochen wird; im Thread findet sich Herrn Schreibers Eintrag unter (2)- insofern ist auch dies zusätzlich auf nachtkritik de.
dokumentiert). Die Genese von der "Plagiatsdiskussion" über die Diskussion um die Thalia-Dramatisierung bishin zu dem Kritikstrang
ist durchaus nicht unspannend, nicht nur weil einer Ihrer Thread-
einträge qua "Helmi" bühnenwirksam wurde und für Ihre Nähe zur Theaterpraxis sprechen dürfte. Immerhin schrieben Sie am 8.3.2010
noch zum Thalia-Inszenierungsvorhaben: "Jetzt wird es nur ein Abklatsch vom Abklatsch und kann nur durch eine radikale Bearbeitung a la Rene Pollesch gerettet werden. ... Sie sehen,
eine wirklich ernsthafte Behandlung des Themas ist eigentlich kaum möglich. Dessen sollte sich das Thalia Theater bewußt sein."
Nun, ganz offenbar hat dann das Thalia seine "Hausaufgaben" gemacht
und sich nicht zu sehr eingeigelt, und Sie sind zudem nach Hamburg gefahren. Manchmal sticht einem ja aus den Spielzeitvorschauen etwas ins Auge, was "man" dann sogleich auf seinen Reiseplan setzt-
soetwas wollte ich mit meinem Düsseldorf-Beispiel andeuten, auch einfach die Info aussenden, daß die Spielzeitvorschauen jetzt geballt aufkommen in allerlei Publikationen (manchmal ist es ja auch interessant, an welcher Stelle und wie aufgemacht so eine Anzeige daherkommt ...), zumal es mir in den vergangenen beiden Spielzeiten tatsächlich so gegangen ist und ich liebend gern von anderen Postern hörte, was Ihnen so ins Auge fällt sogleich, ebenfalls fernab grauer Theorie im übrigen.
Wenn Herr Keim in der "Deutschen Bühne" etwas zu Stückemärkten und Schreibschulen schreibt, dann ist das meineserachtens sehr nah dran an dem, was "Flohbär" weiter oben andeutet bzw. beschreibt.
Stichworte "Stücke mit dem Willen zur Größe - auch zur Bühnen-
größe", "Einbeziehung der Ausrichtung auf die Große Bühne schon
in den diversen Ausbildungsgängen zum Schauspiel" (Mut zur Größe setzt wohl auch ein wenig die praktische Erfahrung mit großen Bühnenräumen voraus), "Eigenbrötler". Auf eine schöne neue Spielzeit ! Ihr Hongo
PS: Ich habe versucht, diesem Kommentar so viel Substanz zu geben wie Stadelmaier seinem Artikel. Ich denke, es ist mir gelungen.
"Und so drückt sich in Stadelmaiers Worten eine tiefe Liebe zum Theater aus – eine Liebe, die diese ehrwürdige, mitunter tragische Erscheinung eine eherne Haltung einnehmen lässt. Wir haben hier einen ins Edle hochgetriebenen Geist, der Strohfeuer als solche brandmarkt und nach dem Solitär sucht, auch wenn er nur das kurze Aufleuchten eines Blitzes ist."
Schön, danke. Stadelmaier liebt "sein" Theater und verzweifelt am Soziologentheater, eine emotionale Beziehung, keine intellektuelle. Wie schön. Ich wünsche ihm, dass er nicht - wie leider heute ich - Zeit vergeudet mit solchen redundanten und ausschliesslich selbstreferentiellen Debatten wie dieser hier und dadurch möglicherweise die Zeit gewinnt, sich "Keinohrhasen" anzusehen - weil WENN das ein emotional berührender Abend werden sollte mit guten schauspielerischen Leistungen, dann wäre Stadelmaier mal wieder eine seiner - meist - brillant geschriebenen Lobreden möglich.
Und, wenn das am Rande noch einmal erwähnt werden darf: aus den - gut geschriebenen! - Verissen von Stadelmaier spricht immer noch mehr Liebe zum Theater als aus mehreren MegaByte Kommentaren auf nachtkritik.de
So, und jetzt gehe ich eine FAZ kaufen.
Präscriptum: Da möchte "man" doch zu gerne einmal im Leben die Rolle
des Kritikers namens Stadelmaier spielen, bester Prospero, um Ihnen persönlich zu gratulieren: "Sie sind wahrlich nicht nur gleichgezogen
bei Ihrem Versuch, Sie haben das Anfahrtsduell an der Ampel haushoch
gewonnen ! Das nächste Mal komme ich mit einem Fahrrad daher, das Leben, nun, es ist kein Fahrrad, ich werde mich aber vielleicht trotzdem auf den Versuch eines "Anfahrtduells" verstehen. Nehmen Sie meine Antwort also wie sie einzig gemeint ist: Mir wurde -trotz aller "Substanzlosigkeit" meines Artikels, die ich garnicht zu verbergen suche- qua nachtkritik de. und einige Poster mehr (sogar gutgesinnte und aufrichtige, teilweise mitfühlende) einige Aufmerksamkeit entgegengebracht. Ihr Versuch, sich gerade an einem Artikel von mir zu messen, ist zumindestens mit einer ähnlichen Aufmerksamkeit meinerseits zu beantworten. Gehen Sie bitte weiterhin ins Theater ! Ich las gerade, daß man mich in meiner Redaktion nur noch belächelt, quasi nur noch duldet. Begehen Sie also nicht voreilig den Fehler, einem Kritiker zu folgen, den Sie zu verachten scheinen letztlich und von dem man zwar in seiner Redaktion keinen Bissen mehr annehmen mag, dessen Macht aber schier so ungebrochen ist, daß Theater kurz vor der Schließung sind, wenn er sich etwas Polemisches leistet.. Mit freundlichen Grüßen, Ihr G. Stadelmaier"
Lieber Prospero !
Ich würde Ihnen gerne Ähnliches geschrieben haben, aber es will mir nicht recht gelingen..
gern und völlig verdient nehme ich Ihren Spott entgegen, habe ich mich doch schuldig gemacht, dazu beizutragen, dem 357. Aufguss der Stadelmaierschen Genaralabrechnung mit allem und jedem eine Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen, die er keinesfalls verdient und sich trotzdem immer wieder erkämpft.
Ich habe immernoch die Hoffnung, daß es zu allerlei Aufgüssen, zB. im nächsten Sommer dem 358., nicht zwangsläufig kommen muß, daß eine Diskussion hier vor
Ort vielleicht einmal so läuft, daß es Herrn Heinse zB. leid tut, so pauschal hier anderen Personen Glaube, Liebe, Hoffnung abzusprechen, hier in Sachen Theater. Ihm möchte "man" als Trainer gerne eine "Präteritio"-Trainingsstunde zukommen
lassen: "Kennen Sie die Faustformel bei der Einschätzung von Theaterglaubeliebehoffnung bei Leuten, welche anderen diese absprechen ? Ich glaube, Sie können sich denken, wie die geht, also lasse ich es lieber, sie hier zum Besten zu geben, sonst wird es hier tatsächlich noch zu selbstreferentiell...", so ginge eine Lektion dieser Art in etwa.
Es stimmt schon ,Prospero, ich stehe auf diese Art von Vermengung (wie olympe sie nicht zu unrecht beklagte für meine Ohren) und Generalabrechnungsdebatte
auch nicht, allerdings gibt es auch andere Theater-Fraktionen, die rein strukturell ganz ähnlich vorgehen wie Stadelmaier, und wenn Stagnation im Theater kritisiert wird, warum nicht auch gegenüber dem Journalismus ??
Warum nachtkritik de. jetzt Stadelmaiers Artikel diskutieren läßt und nicht etwa Höbels Spiegel-Polemik gegen das "Theater draußen", ist nicht leicht nachzuvoll-
ziehen, und auch daß LeserInnen und Leser nicht entschiedener damit beginnen, dem stadelmaierschen Jahresplan eine eigene Kollektion sachlicherer Artung entgegenzustellen, muß nicht sogleich verständlich erscheinen.
Diese Spielzeitvorausblicke können in ihrem Wert freilich darüberhinaus zudem grundsätzlich in Frage gestellt werden, aber dann täten sich viele wohl schwer damit, nach Herzenslust gegen Wagnislosigkeit, Mediokrität, Auslastungsfetisch etcpp. bei jeweils von ihnen ausgesuchten Theaterhäusern sich ganz ähnlich zu verhalten, wie man es zB. Herrn Stadelmaier noch gemeint hatte vorrechnen zu müssen..
Heisst: Bei Stadelmaier spürt man besagte Liebe dem Text an, sein Stil transportiert sie. DAS spreche ich vielen Kommentaren auf nachtkritik.de ab, deren Stil transportiert Neid, Eitelkeit, gekränkten Narzissmus.
So, und jetzt gehe ich noch eine FAZ kaufen.
Die Finte, die Sie anwenden, Herr Heinse, heißt unter einigen Trainern "Subsumptions-
strategie". Nun, Sie suggerieren jedenfalls, daß "man" beliebig auf nachtkritik de. in den Kommentarspalten herumblättern könne und nicht annährend auch nur auf Liebe zum Theater kommen würde. Mag sein, Ihre beiden Einträge in diesem Thread beginnen es Ihnen jetzt ein wenig im Ansatz zu ändern. Aber, ganz ehrlich: Ich verfolgte hier schon so manchen Thread, der kontrovers und sehr ernsthaft zuging,
und trotzdem kam dann immer noch jemand daher, ganz ähnlich wie Sie zu subsummieren in der Form "Sieht denn hier keiner ... ?". Oftmals wiederholt so eine Posterin oder so ein Poster sogar Aussagen, die zuvor schon gemacht wurden, nicht selten nur unbeholfener, um nicht "schlechter" zu sagen, völlig ignorant gegenüber Voreinträgen. Nun, das kann zuweilen einen recht rat- und hoffnungslos werden
lassen, denn nachtkritik de.-Stränge bieten wunderbare Trainingsflächen, sich im Gespräch über das Theater zu üben und mit anderen Theaterfreundinnen und Theaterfreunden auszutauschen. Umso konkreter der Einzelfallgegenstand eines Threads ist desto mehr Hoffnung in der Regel, Einträge zu lesen, die einem helfen, eine Sache noch einmal unter anderen "Vorzeichen" wiederaufzugreifen. Dieser Thread bestätigt immerhin eine alte Vermutung meinerseits: Daß ganz offenbar die Printmedien sogar ökonomisch von nachtkritik de,-Strängen und Pressespiegeln
profitieren können, immerhin: ein ganz schöner FAZ-Absatz gerade.
Was jetzt diverse Artikel konkret angeht, so fällt auf, daß Dresden immer wieder für seine Bürgerbühne hergenommen wird, was mir ein wenig darauf zu deuten scheint, daß Dresden gute Chancen hat, bei der TheaterHeute-Umfrage vorne zu liegen (wie ich es schon für diese Spielzeit sehr früh vermutete ...); ich kenne das aus eigener Anschauung und muß Dresden für die vergangenen beiden Spielzeiten eher loben,
zumal es eben in Dresden -siehe "Don Carlos" oder "Das Käthchen von Heilbronn"-
nicht nur die "Bürgerbühnenaktivitäten" gibt -die aber, da auch Heckmanns hier schon gewirkt hat, durchaus interessante Ergebnisse gezeitigt haben !-.
Zum Jahrbuch und Jahresausblick von TheaterHeute ist es jetzt ja auch nicht mehr weit hin. Mein Trainingslager also wird es sein, Karte und Gebiet schlicht auf meine persönlichen Landvermessungen in Sachen Theaterland zu befragen, vielleicht finden sich ja noch ein paar Abende von Eigenbrötlern, Spinnern und/oder Träumern, welche die Suche nach dem Meisterwerk noch nicht aufgegeben haben
(siehe Stefan Keim im Schwerpunkt der aktuellen "Die Deutsche Bühne"). Alles Gute für die kommende Spielzeit !! Ihr Hongo
Stadttheaters, und das ist wohl eher ein Fortschritt gegenüber "Stadelmaierpolemiken" bzw. "Stadelmaierverständnisbe-
kundungen"; zur Bewegung in Richtung "Dies und das sticht mir für die nächste Spielzeit ins Auge" ist es leider nicht gekommen, ja:
leider !! Denn in solchen Notiznahmen liegt allemal die Chance, an konkreten Beispielen erfahren zu lernen, was es ua. mit jenen Debatten auf sich hat, die gerade gefahren werden, in solchen Notiznahmen hebt die Chance an, mit dem Theater zu leben und lebendig miteinander an allerlei Stoffen zu weben. Ansonsten versickert spätestens nach dem Artikel "Stadttheater der Zukunft, Teil V" alles, vermute ich hier einmal. "Sag, was Dich bewegt !"-
das scheint mir fast die halbe Miete zu sein, gerade das "Vorformpodium Internet" bietet dahingehend alle erdenklichen Möglichkeiten. Herr Stadelmaier kämpft, angekränkelt, für "sein" Theater. Aber: Fährt er noch (oder ist er dies jemals) nach Rendsburg oder Schleswig zum Schleswig-Holsteinischen-Landestheater ?? Immerhin, eine Spielplanvorschau, eine mit einem Funken "Theaterliebe", müßte meineserachtens beinahe notwendig darüber stolpern: Zwei Premieren am 10.9., Dirk Lauckes "Der kalte Kuß vom warmen Bier" (Rendsburg) und Felicia Zellers "Kaspar Häuser Meer" (Schleswig), Nachspiele (!) "jüngerer Dramatik" zum
Spielzeitauftakt - also, das klingt beherzt, und ich werde mir das, wenn ich auch nicht beide Stücke gleichzeitig besuchen kann, das sicherlich wahrnehmen. Es lebe der einzelne Theaterabend bzw. der ganze "Theatertag" !! Denn ua. ohne konkrete Bezugnahme laugt die Theatersystemkritik, die gewiß notwendig ist, mit Sicherheit aus. Wie also mag das Landestheater auf Laucke und Zeller gekommen sein ? Hat jemand eine Antwort ?