Presseschau vom 14. Juli 2011 – Nicolas Stemann spricht im Interview mit der FR über seine neunstündige "Faust"-Inszenierung

Mit dem Knie denken

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Mit dem Knie denken

14. Juli 2011. In zwei Wochen wird Nicolas Stemanns neunstündige Faust-Inszenierung in Salzburg Premiere haben, aber von Druck oder Aufregung keine Spur im Interview mit Peter Michalzik in der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung (14.7.2011). Er und die Schauspieler beschäftigen sich jetzt seit einem Jahr mit dem Stück. "Es gab zwei Arbeitsphasen à zwei Monate. Das ist nicht sehr viel bei zwei Stücken. Dass sich das über einen so langen Zeitraum erstreckt, kommt meiner Art zu arbeiten aber sehr entgegen", so Stemann.

Neun Stunden bis nachts um zwei - "soll man sitzen bleiben?", fragt Michalzik. Das wisse Stemann noch nicht, verrät aber, dass er erst dachte, dass Goethe in "Faust II" wie Elfriede geschrieben habe. "Wenn man sich damit beschäftigt, merkt man, dass es doch nicht so ist. Es ist nicht egal, wer was sagt, wie die Situation des Sprechenden ist. Das soll doch immer was bei Goethe. Das braucht, gerade 'Faust II', die Inszenierung." Aber das Stück vermittele sich auch nicht, wenn man es einfach spricht, so wie bei Peter Stein, "das tut so, als wäre es eine ganz werktreue Inszenierung, dabei hält er sich letztlich das Stück vom Leib."

Als ich das erste Mal Jelinek machte, so Stemann, hatte ich den Eindruck, "da muss man so viel denken, das ist ja furchtbar. Aber irgendwann habe ich beschlossen: Ich denke jetzt mit dem Knie. Und da ließ sich das verstehen. Es geht darum, dass Denken ein sinnlicher Prozess wird".

Ziel sei es, auch beim "Faust", das Thema eines Stücks in theatrale Energie zu übersetzen. "Meine Vision ist immer mehr, dass man nicht Gedanken auf die Bühne stellt, sondern dass man einen Zustand schafft, in dem das Medium Theater selbst denkt. Dass wir es in der Inszenierung schaffen, ein Auditorium in eine Schwingung zu bringen, in der Gedanken stattfinden. Die Schwingung, die dann entsteht, das ist theatrale Energie."

Stemann sagt, er steuere das nicht bis ins letzte. "Mich interessiert, dass die Schauspieler es anders machen, als ich es denke. Das macht Theater bei allem Altmodischen doch zu einer sehr modernen Kunstform. Es ist ein Medium, das Widersprüche aushält. Es trifft ein ewiger, aber papierner Text auf die lebendige Gegenwart der Schauspieler." Wenn man die Geduld habe, das zu ertragen, erfahre man Sachen, die man vorher nicht wusste.

(sik)

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