Presseschau vom 5. August 2011 – Jürgen Berger in der Süddeutschen Zeitung über die Verbindung zwischen Stadttheatern und Festivals

Der Tropf Stadttheater

Der Tropf Stadttheater

5. August 2011. Eigentlich sind die Theater gerade in der Sommerpause, aber Festspiele gibt es dennoch reichlich und die speisen sich aus den deutschen Stadttheatern, so Jürgen Berger in einem Text in der Süddeutschen Zeitung. Dass die Premiere des achtstündigen Stemann-Faust bei den Salzburger Festspielen stattfand, sei auch so eine Sache "und wirft die Frage auf, wie diese Festspiele wohl dastünden, würde es das deutsche Stadttheatersystem nicht geben".

Berger sieht in seinem Kommentar eine sehr direkte Verbindung zwischen Stadttheatern und Festivals. Die Salzburger Festspiele "wären sehr viel ärmer dran, waren alle Schauspiel-Premieren der letzten Jahre doch Koproduktionen vor allem mit den großen Theatern in Hamburg, Berlin und München".

Ein weiteres Beispiel sind in seinem Text die Dresdener "Zwingerfestspiele", die demnächst von Dieter Wedel mit John von Düffels Stück "Die Mätresse des Königs" eröffnet werden. "In seinem eigentlichen Beruf ist John von Düffel Dramaturg am Deutschen Theater Berlin. Das ist deshalb erwähnenswert, weil sich damit der Kreis von den Festspielen hin zu den deutschen Stadttheatern schließt." Fazit der kurzen Stadttheater-Fürsprache: "Es ist wie im richtigen Leben: Alles hängt mit allem zusammen."

Kommentare  
Presseschau Verbindung Stadttheater-Festivals: andere Karussell Richtung
Ich habe jetzt den Text nicht komplett lesen können, aber dreht Berger hier nicht das Karussell in die falsche Richtung? Hängen sich denn nicht gerade auch die Stadttheater gerne an die üppig finanzierten Festspiele, um teure Produktionen durch zu bekommen? Oder irre ich mich da?
Presseschau Verbindung Stadttheater Festivals: Vorteil beide Seiten
@Stefan. Ich würde sagen, es ist für beide Seiten von Vorteil. Allein könnten es sich beide nicht leisten.
Presseschau Verbindung Stadttheater-Festivals: Linkhinweis gesamter Text
Und hier noch der gesamte Text: http://www.sueddeutsche.de/kultur/festspiele-im-sommer-macht-mal-ein-bisschen-voran-1.1128275
Presseschau Verbindung Stadttheater-Festivals: Sommer-Platscher
Ich würde sagen, Herr Berger sollte es wirklich besser wissen. Große Produktionenen, mit längeren Probenzeiten und zusammenengagierten Ensembles, können innerhalb des normalen Stadttheaterbetriebs überhaupt nicht mehr finanziert werden. Also sucht man sich die Hilfe der Festivals. Dabei voran ging in jüngerer Zeit etwa Frank Castorf mit den großen Dostojewski-Produktionen, die er von Wien ko-finanzieren ließ. Und viel früher schon machte es Claus Peymann so, der in Salzburg seinen Thomas Bernhard inszenierte, bezahlt von den Festspielen, und dann nach Bochum oder Wien ins Repertoire nahm. Kurzum - der heutige Artikel in der Süddeutschen ist, abgesehen von seiner Öffentlichmachung des bisher außerhalb Sachsens glücklicherweise übersehenen Zwinger-Spektakels von Herrn Wedel, ein echter Sommerlochplatscher.
Presseschau Verbindung Stadttheater-Festivals: was wir nie übers Sexleben alter Monarchen wissen wollten
Ja, Festspiele im Sommerloch könnte der Artikel auch heißen. Das ostdeutsche Städte zur Tourismusankurbelung gerne ihre historischen Stadtprominenten wieder rauskramen, ist ja seit Kresniks Pückler-Revue in Cottbus nichts Neues mehr. Und bitte schlüpfrig muss es sein. August der Starke mit Gräfin Cosel in Dresden, da fehlt jetzt tatsächlich in Berlin nur noch die Oper zum Alten Fritz. Herr Düffel, was wissen wir noch nicht über das Sexleben unseres musikliebenden preußischen Monarchen? Ich warte auf die ultimative Katte-Arie und Dieter Wedel baut dazu das "Zeithainer Lustlager" auf dem Schlossplatz wieder auf. Wir brauchen gar kein teures Stadtschloss in Berlin, das kriegt Wedel mit ein paar Pappkulissen viel besser hin.
Presseschau Verbindung Stadttheater-Festivals: Heldentenöre entwickeln sich im Stadttheater
@Fritz Herkenrath:
natürlich hat herr berger recht - wo sollte sich denn z.b. der weltklasse-heldentenor für die bayreuther festspiele entwickeln, wenn es keine kleinen und mittleren opernhäuser mehr gäbe? dort wird er im idealfall bei sorgsamer entwicklung der stimme über jahre an diese aufgabe herangeführt.
Presseschau Verbindung Stadttheater-Festivals: Kapitalgeber zahlt Facharbeit
Liebe Raumfliege,
natürlich haben Sie recht und Berger befinet sich im Sommerloch-Unrecht. Beachten Sie doch bitte, er spricht nicht von der Ausbildungsfunktion der deutschen, österreichischen und deutsch-schweizerischen Stadtttheater, sondern von einem unspezifischen Irgendwie. es klingt danach als spreche er von Geld und Facharbeitern. Das Geld aber haben die Festivals nicht die Stadttheater. Die Facharbeit liefern die Stadttheater, in der Tat, aber bezahlbar wird diese Facharbeit im notwendigen Ausmaß erst durch die Kapitalgeber: die Festivals. Auch in der deutschen Industrie bilden die Mittelständler das Gros der Fachkräfte aus, das große Geld mit ihnen aber verdient die Großindustrie. Ein bisschen schief ist der Vergleich, aber in die Richtung geht es.
Presseschau Verbindung Stadttheater-Festivals: Hamburgs Thalia-Intendant erläutert
Bergers Darstellung ist in der Tat nicht ganz richtig. Das Hamburger Thalia-Theater, das den Faust produziert hat (und nicht, wie Berger irrtümlich schreibt das Berliner Deutsche Theater), hätte diese Aufführung niemals ohne die Salzburger Festspiele realisieren können. Das vergißt Berger. Gleichzeitig hat er natürlich Recht: Festspiele können sich Eigenproduktionen (von Ausnahmen abgesehen) kaum je leisten. Ergo: Hier tun sich jeweils zwei Starke zusammen, um etwas zu ermöglichen, was jeder einzeln so nicht könnte - Quersubventionierung von beiden Seiten also im Sinne der Kunst. Das Thalia bekommt in diesem Fall eine Aufführung, die es ohne Salzburg nicht gäbe, und verliert eine Premiere im Heimathafen. Und die Salzburger Festspiele bekommen dank Thalia eine Premiere samt medialer Aufmerksamkeit, die sie sonst nicht hätten.
So in etwa ist das Geschäftsmodell. Deswegen aber hängen noch nicht irgendwelche "Zwingerfestspiele" mit all dem zusammen, auch wenn Chaostheoriemäßig vielleicht alles mit allem zusammenhängt.

Joachim Lux, Intendant Thalia Theater Hamburg
Presseschau Verbindung Stadttheater-Festivals: gute Chancen
@geschätzer Intendant
Gute Chancen dagegen dürfte Nicolas Stemanns Inszenierung von "Faust I & II" haben, die am Thalia Theater Hamburg erarbeitet wurde, schreibt Berger in der SZ.
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