Presseschau vom 14. Oktober 2011 – Süddeutsche Zeitung und die taz berichten über die Hintergründe der Ernennung zweier Rechtsextremer in die Leitung des Neuen Theater Budapest

Politisches Machtspiel

Politisches Machtspiel

14. Oktober 2011. Süddeutsche Zeitung und taz berichten über die Ernennung von György Dörner und Istvan Csurka als Leiter des Neuen Theaters Budapest, die einen radikalen Nationalismus in Ungarns Kulturleben offenbare. Beide Text werten die Neubesetzung als Ränkespiel, bei dem es um die Gunst der noch weiter rechts stehenden Jobbik Partei gehe.

Das "Uj Szinház" sei eigentlich ein kleines, nicht sonderlich bedeutendes Theater in einer Stadt, die sich knapp 30 Bühnen leiste. Die Kritiker der liberalen Tageszeitungen werden es künftig meiden und auch das liberal eingestellte Publikum werde einen weiten Bogen um das "Heimatfront-Theater" machen, zitiert Ralf Leonhard in der taz den Soziologieprofessor Pál Tamás. 

Noch schlimmer als die Wahl Dörner zum Intendanten (beide Text sagen, anders als in der Meldung vom 8. Oktober 2011, dass Dörner zum Intendanten gewählt wurde, Csurka zum Co-Intendanten) ist für Tamás die Bestellung des 77-jährigen István Csurka. "Es sei schwierig, in Ungarn niveauvolle Theatermacher zu finden, die nicht dem linksliberalen Spektrum angehören. Deswegen sei die von Fidesz auf anderen Gebieten mit großer Rasanz vorangetriebene politische Umfärbung in der Kultur so schwierig." Für Tamás ist die Ernennung von Dörner ein Zugeständnis an die erstarkende Jobbik, die in Umfragen bereits deutlich über den 14 Prozent liegt, die sie letztes Jahr bei den Wahlen bekam.

Das Fidesz-kritische Internet-Portal pusztaranger.hu mutmaße hingegen, dass Dörners Bestellung vielmehr eine Kampfansage von Premier Viktor Orbán an Jobbik sei. Orbán wolle die antisemitische MIEP wiederbeleben und einen Teil der rechtsextremen Wähler abwerben. Denn Dörner hat sich in mehreren Stellungnahmen zu MIEP und der Regierung von Viktor Orbán bekannt.

In der SZ schreibt Michael Frank, dass Schriftstellervereinigungen in Ungarn und außerhalb entsetzte Proteste verfasst haben. "Niemand will glauben, dass Hauptstadtbürgermeister Tarlos allein der Urheber dieser Ernennungen gewesen sei. Es heißt, vielmehr sei Weisung 'von ganz oben', also von Ministerpräsident Viktor Orbán selbst, ergangen. Man bedenke: Dem heute chauvinistischen, vormals mutigen Jungliberalen Orbán sitzt als markanteste Opposition im Parlament die faschistisch-chauvinistische Partei Jobbik gegenüber, also eine noch viel weiter draußen im rechtsextremistischen Terrain kämpfende Truppe." Auch um diese hartleibige Truppe zu befrieden, tremolieren Orbán und seine Leute besonders schrill auf dem nationalen und chauvinistischen Orchestrion.

Die "Heimatfront" rüste indessen im Rahmen des kulturellen Homogenisierungsprozesses auf ganz andere Weise auf: Immer mehr Schreiber, Rundfunk- und Theaterleute, Journalisten und Künstler müssten auf den Straßen Laub zusammenkehren und Wege pflegen. "Diese neu eingeführte Zwangsbeschäftigung für jene, die 'dem Staat zur Last fallen', trifft nun auch immer mehr Künstler und Kreative. Diese 'Zwangsarbeit' – so nennen das Budapests liberale Zeitungen – für jene, die auf öffentliche Unterstützung angewiesen sind, war ursprünglich aus rassistischen Gründen angeordnet worden: Sie richtet sich hauptsächlich gegen die vielerorts verhassten, durchwegs arbeitslosen Roma. Dass mehr und mehr gefeuerte Kulturmenschen dazustoßen, scheint Verantwortlichen und Teilen der Öffentlichkeit nur recht zu sein. Auch hier schließt sich ein Teufelskreis: Nach Einschätzung von Kennern der Szene treffen Entlassungen im Kulturbetrieb immer auch und zuerst - die Juden."

(sik)

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