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Die Rückseite der Form

von Sabine Leucht

München, 14. Januar 2012. Dieser Abend hat auf so offenkundige Weise eine Seele, dass er den Zuschauer schachmatt setzt, noch bevor er richtig begonnen hat. Denn da ist Pippo Delbono, der Autor, Schauspieler und Regisseur aus Ligurien, der "Erpressung" am Münchner Residenztheater inszeniert hat und uns aus dem Off erzählt, dass er erstmals in einer eigenen Inszenierung nicht mitspielen werde. Tut er aber doch. Delbono ist anwesend! Nicht nur, wenn sein Gesicht riesengroß auf einer Leinwand erscheint und wir erfahren, wie sehr der Umgang mit "dem Anderen" sein Leben erschüttert und bereichert hat. Zum Beispiel mit den Deutschen, die immer alles in Frage stellen ("auch die Schauspieler") oder mit dem taubstummen Bobò, der fünfzig Jahre seines Lebens in einer offenbar rückständigen Psychiatrie verbracht hat und für Delbono ein unverzichtbarer Bühnenpartner geworden ist.

Zauberwaffe Empathie
Dieser Bobò steht dann etwas später in einem weiteren Film in der Kulisse des Konzentrationslagers Dachau, und sein wunderbar ausdrucksvolles Gesicht lässt uns den Ärger darüber vergessen, dass wir uns wie so oft an diesem Abend den Rest selbst dazu denken müssen. Dagegen wäre prinzipiell nichts zu sagen – wenn man nicht den Eindruck hätte, Delbono, der sonst mit Obdachlosen arbeitet und im Lächeln eines Kindes mit Down-Syndrom den Sonnenaufgang sieht, mache es sich fahrlässig leicht, indem er uns sein gutes Herz und empathisches Wesen wie eine Zauberwaffe hinhält, um uns seiner Arbeit gegenüber milde zu stimmen.

Zwei nicht eben kurze Stunden lang tippt er Themen an und lässt Motive aufscheinen, ohne ihnen je auf den Grund zu gehen. Seine unpsychologische, am Tanztheater Pina Bauschs und an Techniken des traditionellen balinesischen, indischen und japanischen Theaters geschulte Arbeitsweise wirkt eher assoziativ als kalkuliert. Lediglich darin, wie er die oft beliebig wirkenden Szenen aneinander montiert, erkennt man den musikalisch geschulten Formwillen des versierten Bildertheater-Regisseurs. Anneliese Neudeckers betongraue Bühnenwände, die den anfangs rampennahen Guckkasten Stück für Stück zu einer tiefen Schleuse weiten, bieten ihm hierfür ein schön beleuchtetes Spielfeld.

Eine zeitlose Regung
Ein strenges Mädchen (Marie Seiser) doziert zu Beginn aus einem Buch über das schickliche Verhalten der Frau. Ein Junge verzweifelt still beim Flöte-Üben, und sein Lehrer verliert "Bitte nochmal!" rufend lautstark die Contenance. Hinter einer großbürgerlich jovialen Fassade entlädt sich aufgestauter Hass auf jede Form des Nicht-Genügens. Eine zeitlose Regung. Und dennoch wirkt die Art, wie sie hier szenisch definiert wird, eigenartig altbacken. Man sieht eher das saubere Jungmädelbund-Mädchen und den gestrengen Hauslehrer der 30er-Jahre als Menschen von heute. So wie es auch später mehr um deutsche Geschichte geht als um die angekündigte Auseinandersetzung mit dem Italien Berlusconis und dem Phänomen der Macht.

"Erpressung" taumelt hin und her, baut Pathos auf und traut ihm wieder nicht. Delbono lässt Schumanns "Im wunderschönen Monat Mai" erklingen und dann Arthur Klemt als ziemlich unlustigen Conferencier über die Gefühlsduseligkeit der anderen lachen. Es ist die Rückseite der Form, die wir uns geben sollen, die immer wieder aufscheint. Doch der aus der Haltung fallende (ent-presste) Mensch ist an diesem Abend alles andere als utopietauglich.

 

Erpressung (UA)
von Pippo Delbono
Regie: Pippo Delbono, Bühne: Anneliese Neudecker, Kostüme: Lili Wanner, Musik: Alexander Balanescu.
Mit Guntram Brattia, Gunther Eckes, Arthur Klemt, Robert Niemann, Dascha Poisel, Wolfram Rupperti, Marie Seiser, Jürgen Stössinger.

www.residenztheater.de

 

Kritikenrundschau

Auf die Programmheft-Anekdote, dass mal ein junger Mann zu Delbono gekommen sei und gesagt habe, er verstehe sein Theater erst, seit er im Koma lag, schreibt Jan Küveler in der Welt (20.1.2012): "Nun lag ich keine anderthalb Monate im Koma. Nur zwei Stunden, so lange dauert das Stück im Münchner Residenztheater nämlich." Keine fünf Miniten, bis sich der Regisseur über Lautsprecher zum ersten Mal einmischt. Dass Delbono später behauptet, seine HIV-Infektion durch buddhistische Meditation geheilt zu haben, sei gefährliche Propaganda. "Diese Art Impertinenz, das unbedingt Missionarische ist das Nervigste. Weil es, während es der verlogenen bürgerlichen Welt den Kampf ansagt, selbst der Gipfel der Verlogenheit ist." Fazit: "Das ist der Unterschied zwischen Schlingensief und Delbono: Der eine stülpte vermeintliche Wahrheiten wie Socken um und fand auf der Rückseite der einen stets die Vorderseite einer anderen. Der andere hat es sich gemütlich gemacht in einer pathetischen Pseudo-Spiritualität, die keine Socke ist, sondern bloß ein alter Hut."

Nicht weniger als "ein kleines Wunder", "großartig und einzigartig" ist dieser Abend für Egbert Tholl von der Süddeutschen Zeitung (16.1.2012) und "vielleicht das gelungenste Beispiel für die Zusammenarbeit eines Staatstheaters mit einem Regisseur aus dem Bereich der Performance", agierten die Ensemblemitglieder doch "wie eine eigene Compagnie, zusammengeschweißt in Improvisationen". Eingehend porträtiert Tholl die Arbeitsweise von Delbono, bei dem sich üblicherweise "eine Ansammlung menschlicher Wesen von allen Rändern der Gesellschaft (...)in poetischen und stets sozialkritischen Traumgebilden einer strengen Choreographie unterwerfen und dabei die eigenen Absonderlichkeiten thematisieren". In München speisten die Darsteller ihre eigenen Erfahrungen ein und lockerten die Texte durch "extatisches Getanze" und Musik z.B. von Nina Hagen auf, was "befreiend" wirke. Manchmal berühre diese "Übersteigerung durchaus die Grenze zum Kitsch", aber im Ganzen biete der Abend ein "Amalgam aus präzisen Körperbewegungen und vielgestaltigen Gefühlen, aus aufblitzender Erkenntnis und pathetischer Überrumpelung."

Nicht weniger begeistert ist Cornelie Ueding in der Sendung "Kultur heute" auf Deutschlandfunk (15.1.2012): "Ohne Handlung, ohne Pointen – und doch großes Theater." Man erlebe eine reiche Performance-Revue voller Anspielungen und literarischer Klischees. Aber "jedes dieser Klischees trägt bereits im Moment seines Erscheinens den Keim des Zerfalls in sich und mutiert nach wenigen Augenblicken in etwas Giftiges, Wahnsinniges." Es walte ein großer Perfektionismus. Die Akteure seien "wie eingesperrt in ihren Körper, müssen zwanghaft vorgegebenen Ritualen folgen – und lassen jede dieser Szenen zur Farce werden." Wobei sich die Energie des Abends auch in den Saal übertrage: "Es sind Delbonos unverbrauchte Bildfindungen, seine Musikalität und die zugleich beklemmende und auf merkwürdige Weise befreiende Körperchoreografie, in deren Sog jede der Figuren und auch das Publikum gerät."

"Wer diesen Abend analysierend begreifen will, wird scheitern (müssen). Wer ihn aber erleben und erfühlen will, wer bereit ist, sich vom Geschehen auf der Bühne berühren zu lassen, der wird das Residenztheater bereichert verlassen." So schreibt Michael Schleicher auf Merkur Online (15.1.2012), und er benennt weiter die Vorraussetzungen des Genusses: "Man muss sich fallen lassen (können) in den Strom der Texte, in die Magie der Bilder und Bewegungen." Dabei würden die einzelnen Text- und Performanceeinlagen immer wieder gebrochen, um „esoterischen Pathos zu vermeiden" finde „Delbono immer wieder komische Bilder". Auch Schleicher lobt die Präzision dieser Arbeit: „Bewegungen im Raum sind exakt und niemals zufällig, selbst wütendes Gestikulieren wird hier zum tänzerischen Akt."

Kommentare  
Erpressung, München: Warnhinweis
Wer gerne Erbrochenes auf der Bühne sieht oder philsophierende nackte Homosexuelle, sich gerne an Worten wie Scheiße und Wichsen erregt, der kommt hier ganz auf seine Kosten. Das mag man schön finden oder auch nicht. "Das Klappern der Mühle höre ich wohl, allein das Mehl kann ich nicht sehen" , meinte mein Sitznachbar. Damit ist praktisch alles gesagt. Was ich den (...Beteiligten) aber wirklich übel nehme: Musikgedröhnte nicht bis an, sondern deutlich über die Schmerzgrenze, das ist Körperverletzung am Publikum. Warnhinweis wäre angebracht: "Die Teilnahme an dieser Veranstaltung gefährdet Ihr Gehör".

Die Kritiken in den Medien werden schwärmen, für die nächsten male wirds noch genügend freie Plätze geben...
Erpressung, München: in die Volksmusikabteilung
"kitsch ist, wenn man die scheiße vergißt" (milos forman)

ergo war dieser abend ganz bestimmt kein kitsch und kein abtörnendes über-leben, sondern erzählte einfach von der realität..und da gehören homosexualität, sich-erbrechen und laute musik ganz klar dazu...wirkliches leben, künstlerisch aufbereitet...

wenn sie etwas anderes wollen., rate ich ihnen, in die volksmusikabteilung des nächsten kaufhauses zu gehen oder sich bollywood-filme anzusehen.. ich denke, reale kunst ist für ihr gemüt zuviel... oder wie wäre es mit röhrenden hirschen überm sofa... viel spaß...

übrigens: es war ein wirklich faszinierender abend..und er hätte nach meinem geschmack sogar noch viel lauter, dreckiger und deutlicher sein dürfen...
Erpressung, München: dachte an Pina Bausch
Wahrscheinlich stehe ich wieder alleine auf weiter Flur und ahne, dass ich ob meiner Kritik wieder als Banause beschimpft werde. Sei es, wie es sei. Es gab sehr schöne Szenen an diesem Abend. In den schönsten Momenten dachte ich wirklich an Pina Bausch: Der Anfang, wenn sich die Bühne immer weiter, immer bedrohlicher öffnet, die Geburtstagsfeier mit der schön grotesken Chorszene, der Offizierstanz. Doch blieben diese für mich vereinzelt. Mir blieb unklar, welche Geschichte mir erzählt werden sollte. Gab es eine? Welches Thema der Regisseur hatte. War das Thema wirklich “Erpressung”? Sattbekannte Klischees wurden strapaziert: der zwanghaft ordnungsbesessene deutsche Offizier, der gefühlvolle Italiener (“scusi, scusi”), die unterrückte Frau. Ich dachte: “Selbsterfahrungstheater aus den 70er Jahren des vorigen Jahrtausends.” All die assoziative Gefühligkeit auf der Bühne weckte in mir zwei Gefühle: Mitgefühl mit den Schauspielern und Langweile, die mich schließlich einschlummern ließ. Der Abend insgesamt ist für mich eine “Erpressung”: bei so viel authentischen tiefen Gefühle darf der Gutmensch doch keine Kritik verlauten lassen. So traute ich mich nicht zum “Abschluss-Buh“.
Erpressung, München: vergebliches Angeln
"Ich lebe in einem korrupten, verwundeten Land, in abgrundtiefe Rohheit herabgesunken. Seit langer Zeit erstarrt dieses Land in der immer gleichen theatralischen Darstellung, bestehend aus stillschweigend hingenommenen Lügen, Machtmissbräuchen und Erpressungen."
So lautet das Motto, das das Residenztheater diesem Stück voranstellte.
Gibt es eine bessere Ausgangslage, um hierauf mit Literatur, Theater, Tanz und Musik darauf Antworten zu finden?
Aber was wurde dem Publikum an diesem Abend geboten? Sehr gute Schauspieler, allen voran Marie Seiser, gute Bühne, gute Kostüme – Residenztheater halt.
Aber inhaltlich? Was waren die Antworten auf unsere zunehmend postdemokratische Zeit? Tanzende Soldaten? Nackte? Eine Reihe unzusammenhängender Einzelszenen? Ein Tänzchen, das an Pina Bausch erinnern soll?
Inhaltlich war es auf das Eingangsmotto bezogen ein Totalausfall, leider. Geboten wurde Burlesque, (ein Wort, das vom italienischen burla=Schabernack oder burra=Lappalie kommen soll): Schabernack mit dem Publikum, Lappalien als Inhalt.
Seignore Delbono: "Invan si pesca se l'amo non ha l'esca."
Die Kommentare 1. und 3. treffen es schon recht gut.
Erpressung, München: Erwiderung
Es ist schon bemerkenswert, was als "Retourkutsche" kommt (Volksmusikabteilung, röhrender Hirsch) wenn man es wagt, "reale Kunst" zu kritisieren oder auch nur vom eigenen Erleben zu schreiben.
Wo soll man da noch anfangen?
Lärm gehört dazu, ich bin trotzdem davon abgekommen, mich neben Presslufthämmer zu stellen; allerdings wechsle ich in der S-Bahn zunehmend den Platz, wenn Rentnergangs oder auch Jugendliche (bei denen verzeihlich) den Ortswechsel von der Privatsphäre in den öffentlichen Raum nicht realisiert haben...
Verdauung? Scheisse? Klar, gehört zu meinem Leben. Habe früher auch immer in mein Wohnzimmer geschissen, lange Zeit habe ich nicht verstanden, warum auf meine Einladungen auch die besten Freunde nur noch ausweichend reagiert haben.
"Der Kaiser ist nackt"..." das gilt leider für so manches Stück diesseits und jenseits der Maximilanstrasse.
Theatergänger: trau Dich zum "Abschluss-Buh"!
Erpressung, München: Anregung
Vom eitlen Vernichtungsrundumschlag bis zur seriösen Kritik ist alles gesagt. Ich halte es mit Egbert Tholl von der Süddeutschen Zeitung, dessen Besprechung mich zum Besuch angeregt hat. Er trifft es.
Anregung: Die Aufführung kostenpflichtig ins Netz stellen.
Erpressung, München: passendes Publikum her
Ich habe mich sehr auf Martin Kusej gefreut, da mit ihm endlich die konservative, provinzielle Münchner Theaterlandschaft aufgemischt wird. Eines dieser dazu bestens geeigneten Projekte ist Pippo Delbonos "Erpressung". Umso überraschter war ich, dass ich im Foyer überwiegend die Generation 60+ antraf - bitte nicht falsch verstehen: aber ich hatte einfach mit mehr jungen Leuten bei so einer Inszenierung gerechnet. Nun denn, leider bewahrheiteten sich meine Befürchtungen: als der "Showmaster" der uns durch die Reise durch Italien führen sollte, auftrat, war das Publikum in seinem Element. Begeistertes Klatschen, Gaudi, die Zurufe waren kaum mehr zu bändigen, als er anbot, man solle ihm Namen nennen, auf die der dann (mit Hilfe von Theater-Kotze) "kotzt". Ein weiteres Beispiel: als ein als pummeliger Junge kostümierter Schauspieler versuchte, Fussball zu spielen und dann ein Herr dazutrat und ein Schild mit der Aufschrift "Ich liebe Kinder" entrollte, konnten sich zwei Zuschauerinnen zu meiner Linken vor Lachen über diese Situation kaum zurückhalten, bis ihnen nach ein paar Augenblicken dann doch das Lachen im Halse stecken blieb, als sie verstanden, dass es sich dabei um einen Kinderschänder handelt. Ein paar Szenen später treten Romeo und Julia als homosexuelles Männerpaar auf. Beide Schauspieler sind splitterfasernackt: passenderweise spielt der stark behaarte Gunther Eckes den Romeo und der unbehaarte Guntram Brattia die Julia (bzw. den Julian). Kommentar der Dame zu meiner Rechten zu Ihrem Mann: "Der hat ja noch mehr Haare am Rücken als Du." - Ich höre jetzt lieber mit meinen Besipielen auf, obwohl ich die Reihe problemlos noch fortsetzten könnte. Hier trifft ein Publikum auf eine hervorragende Inszenierung, die es jedoch gar nicht versteht. Das Publikum hat alles, was auf der Bühne dargestellt wurde 1:1 umgesetzt, ohne zu interpretieren, zu transferieren oder den tieferen Sinn hinter manchem zu entdecken. Und die Zuschauer, die sich zum Nachdenken anregen lassen wollten, hatten fast keine Chance dazu, weil permanent über das, was vordergründig auf der Bühne geschah, gelacht oder gelästert wurde. Liebe Münchner, jetzt habt ihr endlich richtiges anspruchsvolles Theater. Jetzt braucht ihr nur noch das passende Publikum!
Erpressung, München: ein Scherz?
zu linus fischer,
ich hoffe das war sarkasmus...scherz??
Erpressung, München: auf den Kopf
Sehr guter Beitrag von Linus Fischer! Trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Nur dem letzten Satz kann ich als Kammerspielefan natürlich
nicht zustimmen. (Smile!)
Erpressung, München: Publikum hat nicht verstanden
Ich finde den Kommentar von Linus Fischer ebenfalls sehr passend. Noch ein Beispiel: Bei der Frage "Sind Sie deutsch?" (Brattia) steht ein Zuschauer auf und geht. Ein anderer ruft "war bestimmt Chinese!- Oder vielleicht auch Japaner.".
Leider hat weder dieser Zuschauer, noch das lachende Publikum verstanden, was hier eigentlich gezeigt wurde. Schade!
Erpressung, München: Selbstentlarvung des Publikums
Ich muss aber sagen, dass die Inszenierung in einem anderen Theater nie so gewirkt hätte.
Das ist die reinste Selbstentlarvung des Publikums, großartiger Abend.
Erpressung, München: über Grundproblematik nachdenken
Das tolle in unserem Land ist ja, dass niemand gezwungen wird ins Theater zu gehen. Genau so wenig wird man gezwungen, im Theater zu bleiben, wenn man erstmal drinnen sitzt Deshalb finde ich es nicht schlimm, wenn man geht. In der Vorstellung, die ich besucht habe, sind auch viele Leute vor dem Ende gegangen. Viel schlimmer finde ich es, wenn man aber bereits nach 10 Minuten beschließt nur deshalb da zu bleiben, um am Ende das oben bereits gefeierte „Abschluss-Buh“ zum Besten geben zu können. Ich verstehe nicht, wieso diese Menschen überhaupt zu einer solchen Veranstaltung gehen, die ihnen ihr eigenes Elend so anschaulich macht, dass sie beinahe zwangsläufig während der 2 Stunden die absolute Hölle durchleben müssen – wobei ich sagen muss, dass das als Außenstehender schon unterhaltsam, wenn auch etwas nervig ist (Zwischenrufe „Eine Zumutung“, „Dann hört doch auf“, …). Andererseits ein großartiger Zwischenruf auf die Frage, auf was der Moderator denn abkotzen solle: „Auf organisierte Busreisen.“ Jeder der noch einmal hingeht, sollte beim Rausgehen darauf achten, wer in die vor dem Theater stehenden Busse steigt, … Genau die Klientel, die eine szenische und anekdotische Darstellung (soviel zu der obigen Frage nach einer „Geschichte“) der eigenen Niedrigkeit des Geistes nicht verträgt und alle anderen daran teilhaben lassen möchte.
Dass man nicht mit jeder einzelnen Szene einverstanden und um Gottes Willen auch nicht jede Anspielung verstanden haben muss (ich behaupte, dass das bei einem einmaligen, unkommentierten Besuch des Stückes gar nicht möglich ist), sollte aber noch nicht daran hindern, einmal über die dargestellte Grundproblematik nachzudenken. Wer die Auseinandersetzung aber scheut, ist bei Delbono von vornherein falsch. zur einfachen, abendlichen Berieselung bräuchte man den Bus gar nicht erst besteigen. Dafür würde das heimische Wohnzimmer mit den schützenden Gardinen schon reichen.
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