altGeld oder Liebe, Darlehen oder Darling?

von Andreas Wicke

Kassel, 21. Januar 2012. Was haben eine Liebesbeziehung und der Finanzmarkt gemeinsam? Richtig, beide geraten in Krisen, beide sehnen sich nach Stabilität, aber mehr noch: Wenn sich Menschen über eine Börse kennenlernen, das erste Rendezvous auf einer Bank geplant ist und man sich anschließend in einer Bar trifft, lassen sich Parallelen zur Sprache der Wirtschaft nicht leugnen, zumal man schnell merkt, ob der Angebetete ein falscher Fuffziger ist oder wirklich eine persönliche Note hat.

Money makes the world go wrong

In Katja Hensels Stück "Im Sprung der toten Katze" – dem zweiten Auftragswerk für das Staatstheater Kassel nach "Ins Weite schrumpfen" (2009/10) – stehen die eigentlichen Hauptdarsteller der Finanzkrise auf der Bühne: Goldie, die griechische Zwei-Euro-Münze, und Richie, der 50-Euro-Schein, außerdem Mark aus der monetären Ahnengalerie, aber auch der Kapitalmarkt selbst und zwei frisch verliebte 20-Euro-Scheine spielen in entsprechender Verkleidung mit.

Das klingt nach einer hübschen Idee für einen Kindergeburtstag, ein überzeugender Theaterabend wird daraus nicht, denn Wortwitze – "Mark, du läufst rum wie Falschgeld" – und Kalauer – "ich piss dir ins Wasserzeichen" – tragen nicht über 90 Minuten. Dass die Finanzkrise mittlerweile in unserem Privatleben angekommen ist, dass sie ähnlich unberechenbar ist wie eine Partnerschaft oder dass Beziehungen aus reiner Berechnung eingegangen werden, sind mögliche Botschaften dieses Stückes, das sich jedoch über weite Strecken in plauderigen Belanglosigkeiten verliert.

Interessante Momente blitzen durch, wenn das Bargeld im Zeitalter des Buchgeldes seine Sinnlosigkeit beklagt, dennoch bleibt der Eindruck trotz einiger pointierter Sprachbilder fahl, dem Stück fehlt die zündende Idee.

Sprechblasen und Schattenbilder

Die Inszenierung von Nicole Oder, Preisträgerin des "radikal jung"-Festivals für junge Regie am Volkstheater München 2011, übernimmt die comicartige Überzeichnung des Textes und lässt die Figuren in lustigen Geldscheinkostümen und mit grob skizzierten Plastikperücken agieren, während das Bühnenbild zart und unwirklich bleibt. Sprechblasen unterstreichen den Text, gezeichnete Schattenbilder werden als Kulissen an die Wand geworfen, dabei kann die Parkbank schon mal von der Silhouette des Frankfurter Bankenviertels überlagert werden, Bank bleibt Bank.

Wenn zwei verliebte Geldscheine jedoch auf einer Bank sitzen, die nur als Schatten existiert, bekommt der Ruf nach Stabilität eine symbolische Grundierung, und Rembrandts Radierung "Adam und Eva" als billiger Druck verweist auf das verlorene Paradies ebenso wie auf die sinnlose Vervielfältigung und die verzweifelte Suche nach echten Werten.

Mark und die Sehnsucht nach Udo

Christina Weiser als Allegorie des Kapitalmarktes tritt im eleganten Ganovenkostüm früher Spielfilme auf und lässt sich auch durch Analyse und Psychotherapie aus dem Off nicht mehr retten. Eva Maria Sommersberg und Franz Josef Strohmeier als verliebte Geldscheine geben die Zirkulation auf, hocken nur noch auf der Bank und besuchen die toten Verwandten auf dem Friedhof. Die komischste Wirkung erzielen Alina Rank als griechische Euro-Schönheit mit deutlich sinkendem Kurs, Thomas Sprekelsen als scheinheilig-konservativer Kapitalismuskritiker in zeitlosem Fünfzig-Euro-Braun und Peter Elter als Mark, dessen beste Jahre mit der Vertreibung der gleichnamigen Währung vergangen sind. Nach ihr sehnt er sich – mit Jeansblouson und weißer Karotte – ebenso zurück wie nach einer Welt der Discokugeln, Keyboards und Udo-Jürgens-Schlager.

Auch 'ne tote Katze dotzt nochmal

Wenn man schließlich doch einigermaßen unterhalten aus dem Kasseler Theater im Fridericianum (tif) geht, ist das wohl eher den wohlwollenden Ideen der Regie und dem darstellerischen Engagement des Ensembles als dem Text selbst zu verdanken, denn Dialoge wie der folgende machen es auch ambitionierten Schauspielern nicht leicht:

Goldie:  Lass mich los! Du bist mir zu inflationär geworden.
Mark:    Das musst du gerade sagen.
Goldie:  Ja, muss ich. Ich will nach Hause.
            In meinem Land trägt man uns liebevoll im Mund spazieren.
Mark:    Das ist ein paar tausend Jahre her!
Goldie:  Alles kommt wieder nur die Wurst hat zwei.

"Even a dead cat will bounce if it is dropped from high enough", lautet eine englische Redewendung und in der Wirtschaft bezeichnet der "Dead-Cat-Bounce" die kurze Erholung eines gefallenen Wertpapierkurses ohne Aussicht auf langfristigen Erfolg. Der Zynismus des englischen Sprichworts hat Katja Hensels Stück den Titel gegeben, es bleibt zu befürchten, dass er auch sein Schicksal prophezeit.

 

Im Sprung der toten Katze (UA)
von Katja Hensel
Regie: Nicole Oder, Bühne und Kostüme: Wiebke Meier, Comics: Bente Theuvsen, Dramaturgie: Elisabeth Tropper.
Mit: Alina Rank, Eva Maria Sommersberg, Christina Weiser, Peter Elter, Thomas Sprekelsen, Franz Josef Strohmeier

www.staatstheater-kassel.de

 

Kritikenrundschau

Katja Hensel habe "ein witziges Stück über den Finanzmarkt geschrieben", meint Bettina Fraschke in der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine Zeitung (23.1.2012). Nicole Oder greife "die schräge Grundkonstellation auf und zeigt die Figuren in einer abstrakten Comicwelt." Allerdings dauere "es zu lang, bis das Stück seine Mitte findet. Viele Textstellen behalten auch in der Bühnenfassung zu sehr den Charakter einer sprachlichen Assoziationsübung zum Thema Geld." Das Stück könnte "viel irrwitziger auf die Spitze getrieben werden, wenn manch kalauernder Wortwechsel gekürzt (...) und klarer eine Essenz herausarbeitet würde." Immerhin "ermöglichen es Autorin und Regisseurin durchaus zu begreifen, wie ähnlich die Geldmechanismen denjenigen unseres menschlichen Lebens sind."

Kurzweilig schneide Katja Hensel "drei Handlungsfäden (...) ineinander", sagt Stefan Keim auf Deutschlandradio Kultur (21.1.2012), und daraus würde ein "kabarettistischer, oft wortwitziger Abend, dem aber auf halber Strecke die Luft ausgeht, weil manche Gags sich allzu inflationär wiederholen." Dem hätte die Regie entgegenwirken können, "indem sie die Geldscheine so ernst nimmt als wären sie Figuren in einem Film der Pixar-Studios. Nicole Oder treibt hingegen mit Plastikperücken die Scheine und Münzen noch mehr in die Karikatur."

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