alt"Mann, das Leben ist doch kein Film!"

von Sophie Diesselhorst

Berlin, 9. März 2012. "Erinnern ist Arbeit", dieser Satz von Einar Schleef steht prominent im Programmheft. Naja, kann aber auch Spaß machen, scheint Antú Romero Nunes den großen Leidenden mit seiner Inszenierung von Fritz Katers Ostjugend-Erinnerungstriptychon "zeit zu lieben zeit zu sterben" aufmuntern zu wollen.

Wenn der Spaß zwei Stunden andauern soll, dann hilft ein grooviger Grundsound, der dafür sorgt, dass die Spannung nie bis zum Nullpunkt abfällt. Also thront gleich ab Beginn des Abends die Band mary & the redCat auf einer erhöhten Bühne hinter den an der Rampe sich scharenden schwarz-weiß gekleideten Schauspielern, die den Text des ersten Teils "eine jugend/chor" abwechselnd und gemeinsam sprechen.

Wir sind live!

Im diesem ersten Teil fetzt ein Ich-Erzähler noch einmal durch seine Frühjugend und hinterlässt einen Kondensstreifen of consciousness, dessen roter Faden die Frauen sind, mit denen er (nicht) gefickt hat. Vor neuen Bekanntschaften kann dieser Stürmer und Dränger sich nicht retten. Dementsprechend funky geht das Sprech-Musical voran, synkopisch unterbrochen von kurzen musikalischen Aufwallungen mit mary & the redCat und ihrer glasklar intonierenden Frontsängerin Lisa Marie Neumann, die das Signal verstärken: wir sind live und direkt dabei auf der rasenden Reise durch die Synapsen des namenlosen Frauenhelden, dem es völlig egal sein kann, in welchem Land er lebt, solange es weitergeht. Und das tut es.

zeitzulieben 560 bettinastoess u© Bettina Stöß

Nicht mehr ganz so mittendrin sind wir im zweiten Teil des Stücks, das eine Spätjugend in einen "alten film" verpackt; der elegische 17-jährige Protagonist Peter (Peter Jordan) weiß nicht so recht, was mit sich und der Welt und den Frauen anzufangen. Er dreht sich im Kreis, genauso wie die Bühne, auf deren Rand er in seiner blauen Trainingsjacke cool entlang schlenkert, stets eine imaginäre Zigarette rauchend. "Life is hard", diese Feststellung zieht sich durch bis zum Unhappy End; denn eine Aktivierung seines freien Willens wird ihm nicht gegönnt.

Abhanden gekommener Glaube

Bei Nunes ist das von Anfang an klar. Doch es bedeutet nicht, dass die Erinnerungs-Arbeit aufhört, Spaß zu machen. Ganz im Gegenteil, die Band spielt weiter und die Pointen sitzen. "Mann, das Leben ist doch kein Film", wird Peter einmal auf seine Schicksalsergebenheit gestoßen – und kontert, zum Publikum: "Weiß ich doch, sagte ich." Kein Konter hat er dagegen auf die Forderung der Elterngeneration parat: "Ihr müsst das wieder gutmachen was wir versaut haben, verstehst du". Was versaut? Wann? scheint er da zu denken, aber klar, siehe oben: Life is hard, das erklärt ja so einiges. Aber nichts genaues eben.

Noch harder wird Life im dritten Teil, der aus der verbitterten Erinnerung eines Namenlosen an eine Zeit besteht, als er noch an die Liebe glaubte. Und daran, wie dieser Glaube ihm abhanden kam. Da hört sogar die Musik auf zu spielen, nur Lisa Marie Neumann bleibt noch übrig und begleitet die Erzählung eines einzelnen (Robert Kuchenbuch) mit leisem, sich irgendwann verlierenden Gesang. "Es war ein Irrtum", sagt sie zu ihm, und damit endet die Erinnerung. Die im Übergang vom zweiten zum dritten Teil von allen gemeinsam bis zur Erschöpfung skandierte Mahnung "Halt dich an deiner Liebe fest" hilft hier nichts.

Damit wäre also die Erinnerung leichthändig nach Kater durchdekliniert: drei Fälle, drei Stimmungen. Virtuos, also so, dass es nie nach Arbeit aussah, haben sich die allesamt tollen Schauspieler durch die Ebenen gerenkt, zwischen denen jeder Übergang gestimmt hat. Von allem, was mit Meta- anfängt, blieben sie verschont. Freundlich und ideenreich hat Nunes den Figuren zu ihrer jeweiligen Selbststilisierung verholfen und sie darin erstarren lassen.

 

zeit zu lieben zeit zu sterben
von Fritz Kater
Regie: Antú Romero Nunes, Bühne: Florian Lösche, Kostüme: Karoline Bierner/Thomas Maché, Musik: Johannes Hofmann und marie & the redCat, Dramaturgie: Carmen Wolfram.
Mit: Hilke Altefrohne, Julischka Eichel, Peter Jordan, Johann Jürgens, Matti Krause, Robert Kuchenbuch, Andreas Leupold, Aenne Schwarz, marie & the redCat: Lisa Marie Neumann, Sebastian Rotard, Johann Seifert, Wolfgang Morenz, Florian Donaubauer.

www.gorki.de

 
Kritikenrundschau

"Man bekommt wundersam mitreißend, lässig die Geschichte einer Jugend präsentiert, die in der DDR spielt und doch überall stattfinden könnte," schreibt Nicole Golombek in den Stuttgarter Nachrichten (24.12.2015). Der "mutige Regisseur Antú Romero Nunes" scheut aus ihrer Sicht kein Pathos. "Er zeigt Menschen, deren Sehnsucht nach Freiheit, nach Leben heftig und mitreißend ist".Der Kritikerin läuft es "heiß und kalt läuft es einem über den Rücken angesichts nassforscher Fummelgeschichten, die pubertär unverfroren oder, wie von dem jungen Ensemblemitglied Christian Czeremnych, betont ruppig erzählt werden". "Ein Abend, der bei aller Tragik stark macht und glücklich."

Das Stück nutzt die Folie der DDR aus Sicht von Adrienne Braun in der Stuttgarter Zeitung (24.12.2015) nur, "um ein Adoleszenzdrama zu erzählen, das sich vor allem auf die Kämpfe und Nöte vor und beim Koitus beschränken. Mag das System sie gängeln, die Politik ihre Zukunftspläne zunichte machen, diese jungen Leute beschäftigt doch nur eines: Sex." So schwanke das Stück ständig zwischen existenziellen Fragen und völliger Banalität.

"Pointiert und poetisch ist dieser kaum jemals wirklich szenische, fast immer erzählende Text - Antú Romero Nunes wandelt ihn um in eine Art gesprochenes Rock-Konzert", berichtet Michael Laages im Deutschlandradio Fazit (9.3.2012). "Wie schon in früheren Inszenierungen" drifte Nunes immer mal wieder ab in übermäßig verspielte Albernheiten; "dann ist der Abend nicht weit weg von einer Art Ost-Comic." Aber die fundamentale Grundidee funktioniere – "den alten deutschen Osten, mehr und mehr schrumpfend zum Thema im Geschichtsunterricht, zu betrachten mit dem fremden Blick der Generation von Lady Gaga."

Ein "epochales Ost-Stück" nennt Christine Wahl im Tagesspiegel (11.3.2012) "zeit zu lieben zeit zu sterben" von Fritz Kater, das in der Uraufführung auch noch "einer der legendärsten Petras-Abende überhaupt" wurde. Um diese "Hypothek" zu bewältigen, suche der junge Regisseur Nunes gar nicht die DDR-Geschichte, sondern vielmehr "das Universelle hinter dem Konkreten – und landet beim Popkonzert." Katers "Romantizismen", die sein Alter Ego Armin Petras "in aller Regel konsequent gegen den Sentimentalitätsstrich bürstet", würden bei Nunes nicht gekontert, er habe "wenig Scheu vor dieser Pathosspur". Den zweiten Teil absolviere er allerdings "mit einer durchgängigen Comic-Ästhetik". "So schnurrt der Abend virtuos, handwerklich perfekt und frei von übergeordneten Ebenen ab (...)."

Nunes gehe nicht nur mit der nötigen Unverschämtheit, sondern "mit mindestens ebenso viel Liebe (und mit einer traumhaften Theatermittelsicherheit)" an das "lebendige Material", schwärmt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (12.3.2012). "Das ist keine Verklärung von DDR-Geschichte, sondern eine Vorführung und Bedienung von Verklärungssehnsüchten." Mit furchtlosem, lustvollem Wenn-schon-denn-schon spiele das Ensemble. "Es ist ein Spiel vom Festhaltenwollen und Loslassenmüssen − und als solches für jeden tröstlich, der schon einmal im Leben etwas verpasst hat. Also: auf keinen Fall verpassen."

Fritz Katers Szenenreigen werde hier zum Bilderbogen aus Witzchen, stellt Vasco Boenisch in der Süddeutschen Zeitung (15.3.2012) fest. Und so erschöpfe sich die historische in ironischer Distanz. "Antú Romero Nunes, der talentierte, viel beschäftigte Regisseur, liefert eine Fingerübung ab. 'Wenn du müde bist - halt dich an deiner Liebe fest.' Ja, gemeint ist: deine eigene Liebe. Doch die Selbstverliebtheit ins eigene Handwerk führt hier dazu, dass man statt eines Standpunkts von Nunes nur das Spielbein sieht."

Kommentare  
zeit zu lieben, Berlin: Geht's auch 'ne Ebene tiefer?
tut mir leid, aber ich verstehe die kritik nicht.
war die jetzt gut oder schlecht?
vielleicht könnten die ach so intellektuellen kritiker ja vielleicht auch mal ne (meta-)ebene tiefer fabulieren, dass auch normal-sterbliche mitkommen!?
zeit zu lieben, Berlin: Arten der Erinnerung
Das frage ich mich allerdings auch. Es scheint Spaß gemacht zu haben, aber um nicht allzu wohlwollend zu klingen, gibt es nach hinten raus einen fast unmerklichen Klaps an die Regie, die hier mit Meta-was-weiß-ich bezeichnet, aber nicht näher erläutert wird. Sophie Disselhorst schreibt von einem Kondensstreifen of consciousness. Ist es aber nicht eher so, dass der Hauptfigur Peter (Peter Jordan) hier eigentlich gar nichts wirklich bewusst wird? Er reflektiert ja nicht über sich selbst, er bleibt Beobachter, das Leben zieht an ihm vorbei. Er sehnt sich nach Leben, Spaß und Sex und schreckt letztlich immer wieder vor großen Entscheidungen zurück. Das Schlimme passiert immer den anderen, er verhält sich nicht dazu. Kater/Petras entwirft hier eine exemplarische Figur der persönlichen Erinnerung, die nur selbst alles für eine kollektive hält. Indem alle Schauspieler die Texte verteilt ohne Rollenzuschreibung sprechen, sieht es dann auch so aus, als wenn es eine kollektive Erinnerung wäre. Im ersten Teil von Nunes Inszenierung entspricht das noch exakt der Uraufführung von Petras vor 10 Jahren, wenn man sich mal die Rockband wegdenkt. Peter ist ein passiver Antiheld, der seinem Schicksal dadurch aber trotzdem nicht entrinnen kann. Das er in der DDR lebt, könnte man, wenn man wollte, auch ausblenden. Es spielt für Peter zunächst eine eher untergeordnete Rolle.
Der Vergleich mit der Literatur des Bewusstseinsstroms bietet sich natürlich an, weil das Stück so ähnlich geschrieben ist, trifft es aber nicht. Es ist handelt sich ja um Vergangenes, kein unmittelbarer Bewusstseinsstrom. Es geht hier um die Art der Erinnerung, die für jeden anders ist. Das ist das phänomenale an Katers Stück, dass in seinen drei Teilen verschiedene Erinnerungsebenen untersucht werden. Im ersten Teil der schnelle unreflektierte Erzählstrom, dann kommen dem Protagonisten die anderen Personen, Schicksale schon näher und er fängt an über sich und sein Leben nachzudenken. Dann gibt es einen Cut und man erlebt einen Gescheiterten, der sich an eine unmögliche Liebe klammert. Inwieweit da jetzt ein Kritik an den unterschiedlichen Systemen vor und nach der Wende enthalten ist, muss man für sich selbst herausfinden. Kater/Petras ist hier das Kunststück gelungen, Erinnerung unmittelbar auf der Bühne erlebbar zu machen. Das ist es auch, was Petras immer wieder mit der Inszenierung von Romanen versucht. Wenn Nunes das Stück jetzt komplett wie einen Shortcut-Film über die Bühne jagt, geht da einiges verloren, was Sophie Diesselhorst mit Meta- bezeichnen würde. Ansonsten funktioniert es natürlich als Theaterstück ganz gut, wenn man diese Art von Genre-Mix am Theater mag.
Zum Vergleich kann man sich die Inszenierung von 2002 in einer DVD-Box mit 4 weiteren am Thalia Theater Hamburg kaufen. Viele der damaligen Darsteller waren gestern im Publikum, es war wie ein Klassentreffen nach 10 Jahren und Peter Jordan stand ja sogar wieder auf der Bühne. Nur wo war Fritzi Haberlandt? Die würde man gerne mal wieder in einer neuen Rolle am Theater sehen.
Zeit zu lieben, Berlin: Inhalt von Form übertrumpft
Nur bei genauem Hinhören kommen die intelligenten Botschaften des Stückes durch - der Inhalt wird stark durch die Form der Inszenierung übertrumpft. Ein Abend, der, zugegeben, durchaus Freude machen kann (nicht zuletzt durch die exzellten Akteure), aber doch viele Möglichkeiten offen lässt. Mehr dazu in meinem Blog "Wie leben wir und warum so" in www.capakaum.com
Zeit zu lieben, Berlin: intelligente Bastelarbeit
Wie erinnern wir und was und warum? Ist Erinnerung kollektiv oder individuell und wenn ja, was ist mehr wert, was ist wahrer? Fragen, die Katers Text stellt und die Romero Nunes zeigt und durchspielt, statt sie zu diskutieren. Individuelle Erinnerung durch das Kollektiv des Chors, Erinnerung an eine Jugend, die auch eine Jugend in der DDR ist, aber eben nicht nur, die Erinnerung als Film des eigenen Lebens, der fokussiert und weglässt, bei dem der Erinnernde selbst Regie führt und die Hauptrolle spielt: All das wirft Romero Nunes auf die Bühne, die auch Spielplatz ist. Schaut mal, was ihr daraus basteln könnt, scheint er seinem Ensemble zuzurufen. Herausgekommen ist ein ungemein unterhaltsamer wie intelligenter Abend, der leichtfüßig daher kommt und sich doch als äußert komplex entpuppt. Ein Abend über die Erinnerung, der diese auch gleich vorführt, in all ihrem diktatorischen Wahrheitsanspruch. Es ist ein ebenso unterhaltsamer wie intelligenter Abend geworden, gerade weil er nicht theoretisiert, sondern einfach zeigt, das Erinnern und seine Spielarten durchprobiert und damit greifbar macht.

Komplette Kritik: http://stagescreen.wordpress.com/
Zeit zu lieben, Berlin: Leichtigkeit und Tiefe
Wow ! Prospero ! Nicht übel ! Jemand , der leichtigkeit nicht gleich mit fehlender Tiefe in Verbindung bringt !
Fand ich nämlich auch . Dachte schon ich bin der einzige .
Gruß
Klaus
Zeit zu lieben, Berlin: ein Hoch auf den Dilettantismus
Vielleicht hätte es geholfen, wenn die Kritikerin vorher mal den Text von Fritz Kater gelesen hätte. Dann wüsste sie auch, worum es geht. Und wenn man sich tatsächlich fürs Theater interessieren würde, hätte man ja auch mal die DVD (Thalia Box) von Petras' eigener Inszenierung des Stücks anschauen können. Aber Vorbereitung auf so einen Abend könnte ja Arbeit sein und kein Spaß - dann doch lieber ein Hoch auf den Dilettantismus!
Zeit zu lieben, Berlin: Worum geht's denn?
Liebe Johanna,

worum geht's denn? Da bin ich auf Ihre Antwort gespannt.

Mit freundlichen Grüßen, die Kritikerin (die das Stück vor Premierenbesuch gelesen hat).
Zeit zu lieben, Berlin: poetische Sprache
Liebe Frau Diesselhorst,
lieber ironischer Unterton,

(...) Ich habe den Abend gesehen, das Stück gelesen und kann davon nichts in ihrer Beschreibung wiederfinden. Kater schreibt in einer sehr eigenen und sehr poetischen Sprache (...)

(Sehr geehrte Gerda,
unser Gesprächsangebot auf dieser Seite ist nicht ironisch gemeint. Niemand auf nachtkritik.de behauptet von sich, Kunstwerke mit seiner Rezension abschließend zu würdigen. Neue Perspektiven auf Texte und Inszenierungen sind immer willkommen, oft bringen sie uns in unserem eigenen Nachdenken weiter.
Was nicht geht, sind persönliche, ins Denunziatorische lappende Angriffe auf die Schreibenden. Da gilt gleiches Recht für alle (Theaterschaffende, User, Kritiker). Deshalb sehen Sie mir bitte als diensthabendem Redakteur nach, wenn ich Ihre Anwürfe so weit zensiere bis der Teil dasteht, der sich mit Katers Stück, wie Sie es auffassen, beschäftigt.
Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow)
Zeit zu lieben, Berlin: Missverständnis
Ich verstehe die Aufregung nicht. Die Inszenierung ist bisher durchweg positiv von der Kritik aufgenommen worden und auch mit Recht. Der diensthabende Redakteur Christian Rakow befürchtete in der Märkischen Allgemeinen, dass Heerscharen von Kritikern den berührenden Abend pauschal unter Kitschverdacht stellen könnten. Auch das ist nicht geschehen. Wenn Sophie Diesselhorst in einem Nebensatz fehlende Metaebenen, wie übrigens auch Christine Wahl im Tagesspiegel, angemerkt, ist das ein durchaus berechtigter Einwand, der aber den Gesamteindruck nicht schmälert. Lediglich einen Satz in der Kritik von Sophie Diesselhorst verstehe ich auch nicht. Was ist mit: „Freundlich und ideenreich hat Nunes den Figuren zu ihrer jeweiligen Selbststilisierung verholfen und sie darin erstarren lassen.“ gemeint? Ist das nun positiv oder negativ? Ich finde den Satz paradox. Vielleicht liegt darin das Missverständnis begründet.
Zeit zu lieben, Berlin: ernst gemeinte Frage
Liebe Johanna, liebe Gerda,

zunächst mal fände ich es super, wenn wir auch hier im Netz wie zivilisierte Menschen miteinander reden/schreiben könnten, ohne uns zur Gesprächseröffnung Unterstellungen an den Kopf zu werfen.

Meine Frage an Sie, Johanna, möchte ich aufrecht erhalten. Denn ich finde es in der Tat interessant, Ihre Sichtweise zu erfahren – sowohl auf das Stück als auch und vielleicht vor allem auf den Abend, den Antú Romero Nunes daraus gemacht hat (denn der steht ja im Zentrum meiner Kritik).

Ich möchte nicht verhehlen, dass ich es schwierig fand, über diesen Abend zu schreiben. So überschäumend und in vielem wunderschön ich ihn fand. Aber es kamen mir eben dann auch Bedenken. Die ich versucht habe zu formulieren, mag sein, dass ich dafür nicht die richtigen Worte gefunden habe. Also: Meine Kritik dilettantisch zu finden, ist natürlich Ihre Sache – aber wäre es der Gesamtdiskussion nicht eben dienlicher, wenn Sie, statt mich zu beschimpfen, einfach selbst versuchten, Ihre Sicht der Dinge zu formulieren?

PS: Liebe Gerda, es liegt mir übrigens ganz fern, zu bestreiten, dass das Stück einen sehr eigenen und poetischen Sprachton hat! Es tut mir leid, dass meine Kritik Ihnen das suggeriert.

Auf eine produktivere Fortführung der Diskussion - mit freundlichen Grüßen, Sophie D.
Zeit zu lieben, Berlin: Theater ist Arbeit, Theater ist Kunst
Lieber diensthabender Redakteur,
dann sehen sie mir bitte den denunziatorischen Unterton nach, die Frage der Rezensentin nach dem "Worum gehts denn" konnte ich leider nicht anders als ironisch, aus einer angegriffenen Haltung heraus verstehen.
Meine Empörung wächst daraus, dass man einem sehr seriösen und sich an existentiellen Fragen abarbeitenden Theaterabend, der nach Erzählhaltungen, nach Sprache, nach Identität, nach Gesellschaft und letzlich dem "großen Ganzen" greift, auf eine so lapidare Art abhandelt.
Theater ist Arbeit und Theater ist Kunst und egal, wieviel man einem Abend abgewinnt oder nicht, man sollte sich dem angemessen nähern. " Noch harder wird life" sehe ich nicht als adäquate Beschreibung oder Annährung an einen Text, einen jungen Regisseur und sein Ensemble.
Und das Gesprächsangebot dieser Seite verstehe ich auch als eines, über das " Über-das-Theater-sprechen" ins Gespräch zu kommen. Und wenn ich das auf eine Ihnen zu angriffige Weise das geäußert habe, sehen Sie mir das bitte nach und bitte erlauben Sie mir dennoch, eine empfundene Eitelkeit einer Rezension als solche zu benennen. Dankeschön.
Zeit zu lieben, Berlin: nicht gebührend zum Ausdruck gebracht
liebe sophie diesselhorst,
es freut mich sehr, dass Sie den abend in vielem überschäumend und wunderschön fanden. (das fand ich nämlich durchweg auch. hatte das glück ,noch karten für die zweite vorstellung zu bekommen. selten hat mich ein stück so beglückt).
leider finde ich, dass Sie das in ihrer Kritik nicht gebührend zum ausdruck bringen.
stattdessen suggerieren sätze, wie der von stefan zitierte oder folgender:"Wenn der Spaß zwei Stunden andauern soll, dann hilft ein grooviger Grundsound, der dafür sorgt, dass die Spannung nie bis zum Nullpunkt abfällt." einen ironischen oder zynischen ansatz.
das finde ich schade.
Zeit zu lieben, Berlin: lesenswert
ich schlage vor, diesmal auch die Besprechung in der "Märkischen Allgemeinen" zu resümieren, sie ist nämlich lesenswert: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ziel/60299/DE.
Überhaupt: Potsdam gehört doch zu Groß-Berlin! Warum also nicht diese Zeitung grundsätzlich als Berliner Blatt behandeln?
Zeit zu lieben, Berlin: das kann auch meine kleine Schwester
Sehr geehrte Frau Diesselhorst,

worum es geht - gerade das hätte ich ja gern aus Ihrer Kritik erfahren. Ich habe den Abend von Nunes nicht gesehen, ich kann Ihnen da nicht helfen. Aber ich kenne das Stück und die Inszenierung von Fritz Kater. Und ich weiß, dass es im Text um ein bisschen mehr geht als um "drei Fälle, drei Stimmungen", wie Sie es lapidar zusammenfassen. Das Stück handelt von Sehnsüchten, scheiternden Aufbrüchen, von gesellschaftlichem Stillstand, versuchter Liebe, von jungen Menschen und ihren Leidenschaften, es ist ein poetisches, schmerzendes Genarationenstück. Und das einzige Wort, das Sie dafür finden können, heißt "Ostjugend-Erinnerungstriptychon". Mit diesem zusammengesetzten Bürokratenwort kann doch niemand etwas anfangen.

Es ärgert mich schlichtweg, wie unwissend und oberflächlich Sie hier über den Text und die Inszenierung hinweg wischen. Das bin ich vom sonst recht hohen Niveau der Nachtkritik-Schreiber (vor allem in der Hauptstadtberichterstattung) nicht gewohnt.

Ich habe nach dem Lesen Ihrer Kritik leider keine Ahnung, was Nunes mit seiner Inszenierung zeigen wollte. Hier mal einige Fragen, die ich gern von Ihrem Text beantwortet bekommen hätte:
- Was interessiert den Regisseur am Stoff? (Der Text gewann übrigens 2003 den Mülheimer Dramatikerpreis, aber auch darüber kein Wort von Ihnen)
- Wie gelingt es ihm, die in der DDR verwurzelte Geschichte für uns interessant zu machen? Oder gelingt ihm gerade das nicht? Was haben die Figuren mit uns zu tun?
- Ist sein Zugang genauso spannend, oder vielleicht sogar noch spannender als der des Autors, der ja die Uraufführung inszenierte (die übrigens zum Theatertreffen eingeladen wurde, aber auch darüber: kein Wort in ihrer Kritik)

Ich habe nun lange darüber nachgedacht, aber ich verstehe noch immer nicht, was Sie mit dem Satz „Freundlich und ideenreich hat Nunes den Figuren zu ihrer jeweiligen Selbststilisierung verholfen und sie darin erstarren lassen“ sagen möchten. Und die Zitate, die meine Vorredner ausgewählt haben, zeugen auch nicht unbedingt von großen Gedankengängen: "grooviger Grundsound", "Spannung nie bis zum Nullpunkt abfällt", "noch harder wird life"... Entschuldigen Sie - aber das klingt so assoziativ, so beliebig, als hätten Sie das erstbeste aufgeschrieben, was Ihnen durch die Rübe gerauscht ist.

Ich möchte auf Nachtkritik gern von gut vorbereiteten, klar formulierenden, sich ernsthaft mit Text und Inszenierung beschäftigenden Theaterexperten informiert werden. Sonst kann mir - pardon - auch gleich meine kleine Schwester berichten.
Zeit zu lieben, Berlin: Was nachtkritik schuldig ist
jawoll johanna, all das schuldet ihnen nachtkritik! schuldet es ihnen! weil sie zahlen ja dafür auch ihr sauer verdientes geld! - ach so, nein, stimmt ja, tun sie ja gar nicht.
Vielleicht sollten sie tatsächlich stattdessen mit ihrer kleinen schwester reden, das kostet auch nichts, (...)
Zeit zu lieben, Berlin: Angriffe sind daneben
Wow, was für eine Diskussion! Worum geht es hier eigentlich? Johanna, was hätten Ihnen diese Zusatzinformationen (Mülheim, tt) denn bitte gebracht? Es geht doch bei NK nicht darum ein Essay mit möglichst viel Hintergrundwissen zu verfassen. Die Autoren schreiben direkt nach dem sie in der Aufführung waren und ich bin mir sicher, dass sie in diese gut vorbereitet gehen. Kennen Sie das nicht, dass sich manche Dinge erst mit Abstand zur Inszenierung setzen? Und man dann auch einiges anders sieht? Fr. Diesselhorst schreibt ja, dass sie es schwierig fand den Abend zu beschreiben. Das ist doch völlig normal, wie können Sie wegen dieses einen Textes darauf schließen, dass hier eine nicht gut vorbereitete und eine an Text und Inszenierung uninteressierte Kritikerin am Werk war? Ich finde es gut eine Disksussion anzustoßen und auch noch mal nachfassen (die Kritiker antworten hier ja auch) und so die Kritik zu ergänzen, aber diese persönlichen Angriffe finde ich echt daneben!
Zeit zu lieben, Berlin: Kritik, weil ich es schätze
Mit dieser Argumentation verbieten Sie natürlich jedes kritische Wort, das sich an Nachtkritik richtet. Gerade WEIL ich dieses Portal sehr schätze, finde ich es schade, wenn es unter sein Niveau fällt.
Zeit zu lieben, Berlin: Kritik stellt eigenes Ego heraus
ich würde es sehr begrüßen, wenn die Kritik- insgesamt in Deutschland- sich wieder darauf besinnt, das wesentliche herauszustellen-im sinne von: die Inszenierung (das Bühnenbild. die Schauspieler, die Regie) hat mir (nicht) gefallen, weil...
und nicht versucht, das eigene Ego zu streicheln durch vermeintlich hochintellektuelle rhetorisch-hochtrabende, vom eigentlichen kern-dem Theaterstück jedoch wegdriftende Texte.
Zeit zu lieben, Berlin: Interesse an Referenzen
Lieber Gregor C., bitte geben Sie uns doch die Referenzen an, die Sie befähigen zu definieren, was die Aufgabe von Theaterkritik ist. Vielen Dank!
Zeit zu lieben, Berlin: Definitionen liegen mir fern
@prospero:
mich befähigt dazu gar nichts,und es liegt mir auch fern definitionen abzugeben,ich würde mir nur einfach wünschen, dass kritiken mir begründet lust machen (oder auch nicht) mir theaterstücke (filme, bücher etc) anzugucken;
so wie zb. die rezensionen in Ihrem blog- der gefällt mir sehr gut.
Zeit zu lieben, Berlin: diese Kritik trifft Essenz besser
Lieber Gregor C., bitte verzeihen Sie meine Schnoddrigkeit, aber Sie klangen so, als wollten Sie Frau Diesselhorst erklären, wie sie ihren Job machen sollte. Sie haben natürlich Recht, nur ist das (wie ich aus meiner Erfahrung als Hobby-Rezensent durchaus weiß) nicht immer einfach, gibt es nur selten schwarz oder weiß. Ich entnehme der Rezension hier, dass Frau Diesselhorst durch aus Freude hatte, aber dass es da einiges gab, was ihr sauer aufstieß oder zumindest Fragezeichen hinterließ. Und das lässt sich auch nicht immer fassen. Ob der Text Lust oder Unlust produziert, lasse ich dahin gestellt, dass er zumindest Interesse an dem Abend auslöst, wage ich jedoch zu behaupten. Ich finde übrigens, dass er die Essenz der Inszenierung besser trifft als bspw. Frau Wahl im Tagesspiegel. Unterschiedliche Meinungen sind in Ordnung, pauschale Aburteilungen und Unterstellungen zu einem angeblich niedrigen Niveau (ohne das belegen zu können), wie sie Johanna hier vornimmt, empfinde ich als unangemessen und wenig zielführend.
Zeit zu lieben, Berlin: Wo der Kern ist, keiner weiß es
@ Gregor C.
Wenn es denn so einfach wäre ... Ich glaube, jeder Kritiker hat letztlich diesen Anspruch, ein begründetes Urteil abzugeben. Aber schon Ihre Formulierung "Die Inszenierung hat MIR gefallen …" zeigt doch, dass das Ego in jedem Fall mit hineinkommt. Alles andere wäre ja auch unehrlich, denn sonst kommen wir zu scharfrichterlichen und blöden Aussagen wie: "Die Regie ist schlecht, weil der Posa die falschen Hosen trägt."
Eine Kritik will, soll und muss immer vielerlei: Sie will lesbar sein, sie soll einen Theaterabend würdigen, möglichst gerecht natürlich, sie muss aber dazu auch Kontexte aufrufen, um bestimmte ästhetische Vorgänge verständlich zu machen. Da kommt es dann schon mal zu "vermeintlich hochintellektuellen, rhetorisch-hochtrabenden" Gedankengängen, bei denen aber nicht gesagt ist, dass sie vom Kern der Inszenierung wegdriften. Denn das ist es ja gerade, was man immer versucht: zum Kern vorzudringen. Aber wo der Kern ist, das weiß ja im Grunde niemand. Wenn das schon feststünde, könnte man sich die Kritik sparen. Kritik ist das subjektive Umkreisen eines Kernes, dessen Ort sich während des Umkreisens überhaupt erst herstellt. Aber das ist nun schon wieder so ein vermeintlich hochintellektueller Satz …
Zeit zu lieben, Berlin: nichts verstanden
ehem... eeh... ehrlich gesagt, eine Freundin, die doch dabei war, sagte zu mir, wie schön es zu sehen war, wie manche Probleme so allgemein sind... die Geschichte wiederholt sich, blablabla... ich dachte: ich gehe sofort in Internet und gucke WORUM es ging/geht in diesem Theaterstück und Inzienierung... und dann entdeckte ich mit google diese Kritik.
GRAUENHAFT -meine Erfahrung damit, über die Kritik werde ich mich nicht äussern- ich habe GAR nicht mitgekriegt worum es geht.
Ich denke jetzt, es ist wie die Autorin später sagte: sie wusste nicht richtig, was sie sagen sollte.
Ausländerin bin ich schon, aber ich gleube liegt nicht daran, dass ich NICHTS verstanden habe.
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