altDieses Bordell muss ein anderes werden

von Ute Grundmann

Eisleben, 10. März 2012. "Es sollte eine Komödie werden!", barmt die Gräfin am Ende, als der Graf tot ist und ihre Welt in Scherben liegt. Und diesen Fast-Schlusssatz hat sich auch Martina Bode sehr zum Motto ihrer Inszenierung genommen, mit der sie Peter Turrinis "Der tollste Tag" auf die Landesbühne Sachsen-Anhalt bringt.

Turrinis böses Stück von 1972 folgt weitgehend dem fünf Jahre vor der französischen Revolution geschriebenen "Ein toller Tag oder Figaros Hochzeit" von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (auf dem das Libretto zu Mozarts Oper basiert). Wobei Turrini Beaumarchais' Welt der Wortgefechte und Liebeshändel genüßlich zertrümmert. In Eisleben wird daraus ein deutlich betontes Lustspiel mit allerdings tödlichem Ausgang.

Derber Witz in Rokokokleidern

Ausstatter Sven Hansen zitiert die Zeit Beaumarchais': In einem Saal mit weiß ummantelten Möbeln hängt an der Rückwand ein galantes Gemälde einer schaukelnden Dame. Und auch die Figuren, die sich bald in diesem Raum tummeln werden, sind aufwendig historisch gekleidet: Reifröcke, helle Perücken, weiß geschminkte Gesichter. Nur die Sprache, Turrinis Sprache, scheint nicht so ganz zu diesen glänzenden Fassaden zu passen: Sie ist derb, deutlich, hält sich mit Andeutungen nicht lange auf.

dertollstetag 560 peerpalmowski u© Peer Palmowski

Und so ahnt auch Susanne (nett-energisch: Yvonne Döring) gleich in der ersten Szene, was das Zimmer bedeutet, dass die Herrschaften ihr und Figaro überlassen haben: Es liegt zwischen den Salons der Gräfin und des Grafen, der so leicht(er) Zugang zur Zofe hätte, wenn er Figaro mit einem Auftrag weit wegschickte. Das spricht Susanne schon aus, während Figaro noch ein Herz an die Wand pinselt und die Möbel rückt.

Es ist ein vielversprechender, doppelbödiger Auftakt, doch das ändert sich schon mit dem Auftritt der Marcelline, die hinter Figaro her ist: Ismael Volk gibt den Mann in Frauenkleidern, mit stets gerafftem Reifrock, so dass man auch bestimmt die Strumpfränder sieht. Ähnlich überdeutlich der Graf Almaviva (Leif Scheele), dem ein Majordomus voranmarschiert und dessen gesammelte Titel aufsagt.

Dieser Graf in leuchtendem Türkis ist betont lässig, betont komisch, wenn er wütend ist, lässt er einen Diener einen Stuhl umwerfen und er folgt nur seinem Motto "Dieses Bordell muss ein anderes werden". Dazu scheint die Gräfin (Annette Baldin) zu passen, mit überdimensionaler Perücke und rosa Riesen-Reifrock, in dem bei Erregung eine Lämpchengirlande blinkt.

Yogaübungen und stolpernde Diener

So geht Oberspielleiterin Martina Bode, die in dieser Spielzeit bereits Dario Fos "Bezahlt wird nicht" und "Die Überflüssigen" von Philip Löhle inszeniert hat, meist auf das Naheliegende, Offensichtliche. Der etwas hölzerne Cherubin (Clara Schoeller) wird erst unter einem Tuch, dann in einem Korb versteckt, der natürlich "wandert". Die Gräfin und Susanne machen Atem- und Yogaübungen bis zum Kopfstand mit angezogenen Beinen. Auch der Diener, der donnernd vor eine sich öffnende Tür knallt, wird nicht ausgelassen, sondern gleich noch wiederholt. Und wenn Susanne sich zum Schein mit de Grafen verabredet, hockt Figaro in der einen und der Intrigant Bazillus (Markus Achatz) in der anderen Truhe.

Das macht die knapp zweieinhalbstündige Inszenierung sehr vorhersehbar, aber leider selten wirklich komisch. Dabei hat sie mit Christopher Wartig einen flinken, gescheiten und spöttischen Figaro, der seine mangelnde Macht mit Spott und Wortwitz auszugleichen versucht. Doch damit kommt er bei diesem Grafen und seinen Helfern nicht weit: An dem perlen intelligente Wortspiele einfach ab und für Intrigen hat er seinen Diener Bazillus, der für jeden Einfall ein Goldstück fordert.

Doch aus solchen Wortgefechten zieht die Inszenierung zu selten Gewinn, auch die wunderbare Szene, in der der Richter und sein Adlatus Zettelkopf (Mandy Zuschke) das Urteil über Figaro im Wortsinne aushandeln und Zettelkopf dabei seine ganz eigenen Tarife hat, bleibt ein Einzelstück. Es sollte halt unbedingt eine tolle Komödie werden und das geht mit Vorsatz selten gut.


Der tollste Tag
von Peter Turrini
Regie: Martina Bode, Austattung: Sven Hansen, Dramaturgie: Ann-Kathrin Hanss.
Mit: Christopher Wartig, Yvonne Döring, Andreas Brockmeyer, Ismael Volk, Clara Schoeller, Timothy Nicolai, Leif Scheele, Markus Achatz, Annette Baldin, Christian Steinborn, Oliver Beck, Mandy Zuschke.

www.theater-eisleben.de


Kritikenrundschau

Für Andreas Hillger von der Mitteldeutschen Zeitung (19.3.2012) besticht an Turrinis Figaro-Variante "vor allem die teils komische, teils drastische Kunstsprache". In der Eislebener Inszenierung "bietet die von Sven Hansen in liebevoller Rokoko-Koketterie ausgestattete Szene Anlass für große Gefühle und groteske Überzeichnung, die von den Darstellern ausnahmslos als Talentproben begriffen und angenommen werden". Martina Bode führe ihre Akteure "mit leichter Hand und vielen hübschen Einfällen durch die Geschichte, Fragonards berühmtes Bild 'Die Schaukel' gibt am Horizont den galanten Schwung der Erzählweise vor". So fügt sich das Ganze zu einem "unbedingt sehenswerten Abend".

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