altAfrika eben – oder nicht?

von Rainer Petto

Saarbrücken, 30. März 2012. Nach dem Berliner Hallervorden-Skandal und der dadurch entfachten Debatte, ob es rassistisch ist, die Rolle eines Schwarzen mit einem schwarz bemalten Weißen zu besetzen, war man gespannt: Wie würde das Saarländische Staatstheater mit dieser Problematik umgehen? Im Vorfeld war sogar die Frage gestellt worden, warum man überhaupt ein Stück mit dem Wort "Neger" im Titel aufführen wolle. Aber "Kampf des Negers und der Hunde" stammt aus dem Jahr 1982, als man das Wort noch unhinterfragt benutzte. Auch war sein Autor Bernard-Marie Koltès alles andere als ein Rassist.

Das Stück spielt auf einer französischen Baustelle irgendwo in Afrika, das Gelände ist quasi exterritorial, der Baustellenleiter Horn und der Ingenieur Cal sind es gewohnt, hier unbehelligt von den örtlichen Behörden zu schalten und zu walten. Cal hat einen schwarzen Arbeiter getötet – was soll's, sie werden das regeln.

Archaische Szenerie

Zwei neue Elemente brechen die gewohnte Situation auf, eine Frau und ein Schwarzer. Horn hat Léone in Paris aufgegabelt, und jetzt ist sie plötzlich da. Und gleichzeitig taucht Alboury auf, der Bruder des Getöteten, und fordert die Herausgabe der Leiche, die er bestatten will.

Rechts ein dunkles Baugerüst, auf dem Alboury sich bewegt, links die weiße Baubude mit weißen Plastikstühlen davor, in der Mitte schwarzer Boden mit Baugrube, ringsum Finsternis. Afrika eben. Oder doch nicht?

kampfdesnegers2 560 bettina stoess xLéone im Baucontainer © Bettina Stöß

Koltès hat eine archaische Szenerie entworfen, samt Antigone-Motiv. Alles im Text (viel gelobte Übersetzung aus dem Französischen: Simon Werle) ist mit Bedeutung aufgeladen, alles ist Metapher: die Baustelle ist das Leben, die unvollendete Brücke bedeutet gescheiterte Kommunikation, die Nacht steht für das bedrohlich Unverstandene, und die Firma ist der liebe Gott. Wenn man das ausspielt, kommt man ins Pathetische, Schwere, Schwülstige.

Würde ohne Exotik

Als sich Alboury, der "Neger", zuerst aus dem Dunkel des Baustellengerüsts löst, sieht man einen schlanken jungen Mann im Straßenanzug, der Stoff dunkel, ein schmaler schwarzer Bart umrahmt das bleiche Gesicht. Die Figur ist mit Benjamin Bieber aus dem "weißen" Ensemble besetzt. Ein zivilisierter junger Mann, anfangs freundlich, später verächtlich, auf jeden Fall aber unerbittlich in seiner stets wiederholten Forderung nach Herausgabe der Leiche. Dieser Alboury hat keine Biografie, keine Psychologie, er ist die Verkörperung des schlechthin Anderen. Obwohl er nur den Katalysator abgibt für die Reaktionen der Weißen, schafft Bieber es, der Figur mit seiner Haltung, seiner Stimme Würde ohne Exotik, Tiefe ohne Schwulst zu verleihen.

Mit Cal, dem Mörder, darf Pit-Jan Lößer beweisen, dass er mehr kann als eindimensionale Kraftmeier, Angeber, Proleten. Er zeigt einen starken Kerl mit einem inneren Knacks, der gewalttätig ist und infantil, dessen vorherrschendes Lebensgefühl die Angst ist, eine Angst, die in der fremden Umgebung ihre Nahrung findet, eine Angst, die sich durch den Gewehrlauf entlädt.

Sein Chef Horn ist ein alter Afrika-Routinier, der vor allem eins will: keine Konflikte; selbst sein geplantes großes Feuerwerk soll "ausgewogen" sein. Er versucht es mit Zureden, mit Whisky, mit Dollars, scheitert aber an Alboury, dessen Forderung nicht verhandelbar ist. Überrascht muss er feststellen, dass er "unser Afrika" nicht mehr versteht. Klaus Meininger verkörpert gut die Müdigkeit des Mannes, auch seinen kurz aufflammenden Zorn, sucht bei längeren Textpassagen aber Zuflucht in einem schleppenden Standardton.

Léone, das Stubenmädchen aus einem Pariser Hotel, trägt ein knallrotes Kleid, doch sie ist nicht gekommen, um die Männerwelt aufzumischen. Christiane Motter spielt sie, sehr einleuchtend, als verkrampfte junge Frau, stark esoterisch angehaucht, mit viel ungelebtem Leben im Gepäck und auf der Suche nach etwas, mit dem sie sich identifizieren kann. Hier entdeckt sie mit Inbrunst, dass Schwarz ihre Lieblingsfarbe ist.

Politische Anklage gegen Rassismus

Frankreich-Bezug ist saarländischen Kulturinstitutionen quasi amtlich verordnet. Bernard-Marie Koltès (1948-1989), in Frankreich geradezu zum Klassiker geworden, stammt aus Metz, nur 6o Kilometer entfernt von Saarbrücken. Erstaunlich, dass das Saarländische Staatstheater noch nie eines seiner Stücke gespielt hat. In Leyla-Claire Rabih wurde jetzt eine Regisseurin mit französisch-syrischen Wurzeln gefunden, die auch im deutschen Theater zu Hause ist.

Rabih hat sich, ohne dem Stück Gewalt anzutun, ganz klar für eine bestimmte Deutung entschieden. Sie inszeniert keine politische Anklage gegen Rassismus, Postkolonialismus, Kapitalismus, sondern eine psychologische Versuchsanordnung. Der "Kampf des Negers und der Hunde" wird nur mit Worten ausgetragen, fast zwei Stunden reden sie, ohne Pause.

Rabih gelingt das Kunststück, die Spannung bis zum Schluss zu halten. Koltès gilt als schwere Kost, Leyla-Claire Rabih hat sie ein bisschen leichter gemacht.

 

Kampf des Negers und der Hunde
von Bernard-Marie Koltès
Inszenierung: Leyla-Claire Rabih, Bühnenbild und Kostüme: Stefan Oppenländer, Sound-Design: Anouschka Trocker, Dramaturgie: Nicola Käppeler.
Mit: Klaus Meininger, Benjamin Bieber, Christiane Motter, Pit-Jan Lößer.

www.saarlaendisches-staatstheater.de

 

Kritikenrundschau

"Rabihs Inszenierung bleibt statisch, fragmentarisch – wie das Bühnenbild", so Barbara Grech auf SR 3 Saarlandwelle (31.3.2012). Bei den "holzschnittartigen Textfragmenten" von Koltès hätte es einer klaren, handlungsvorantreibenden Inszenierung bedarft. Und: "Auch die schauspielerische Leistung ist eher Kreisklasse." Dabei gehe auch die Idee nicht auf, "den Neger von einem Weißen spielen zu lassen, weil es ja eigentlich nicht um Rassismus gehen soll, sondern um die eigene Angst vor dem Fremden (...). Zu blass, zu konturlos ist diese Inszenierung."

Kommentare  
Kampf des Negers und der Hunde, Saarbrücken: großartig
großartige Ensembleleistung, eine erschütternde Inszenierung!
Kommentar schreiben