altSuhlen im Wort- und Aberwitz

von Rudolf Mast

Berlin, 10. Mai 2012. Halbzeit beim Theatertreffen und für das Publikum am ersten und wohl auch letzten Sommertag die erste und fast schon letzte Gelegenheit, sich nach und vor dem Besuch von eingeladenen Inszenierungen, die in ihrer auf unterschiedliche Wiese bemühten Ernsthaftigkeit allenfalls unfreiwillig komisch sind, nach Herzenslust zu amüsieren. Möglich macht das "Die (s)panische Fliege", eine Inszenierung der Berliner Volksbühne in der Regie von Herbert Fritsch.

Ein Heimspiel also, und wie immer bei dieser Inszenierung heißt das: ausverkauft. Das ist auch bei den Vorstellungen des Theatertreffens so, bei denen das Publikum wohl etwas anders zusammengesetzt ist als sonst: mehr gediegene Kleidung, mehr Sprachen auf der Freitreppe, mehr Taxen auf dem Vorplatz und mehr klingelnde Handys während der Aufführung. Und vielleicht ist auch der Schlussapplaus ein bisschen frenetischer geraten.

Wissen um (Un-)Möglichkeiten des Theaters

Für den Applaus gibt es gute Gründe, und dazu zählen ein Stück, das sich im Wort- und Aberwitz förmlich suhlt, Schauspieler mit dem Mut zu riskantem Körpereinsatz, aufgetürmte Frisuren, grelle Kostüme, ausladende Gestik, zackige Musik vom Band und ein Trampolin. Aus diesen Zutaten hat Fritsch eine Aufführung geformt, die an die Tradition jener Jahre anknüpft, in denen die Farce ihre Hochzeit hatte und es zum Bewusstsein auch des Publikums gehörte, dass Theater dringender als Inhalte und Überzeugungen Techniken wie Timing braucht.

spanische fliege 07 560 aurin hEnsemble im perfekt getimtem Rauschzustand: "Die (s)panische Fliege" © Thomas Aurin

So gesehen steckt in der Inszenierung mehr Wissen um Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Theaters als in vielen anderen auch des diesjährigen Theatertreffens, die vorgeben, dessen Grenzen gerade neu auszuloten. Der Haken daran ist jedoch, dass das für nahezu jede Inszenierung von Herbert Fritsch gilt, die er regelmäßig an vielen großen Häusern jeweils mit anderen Schauspielern, aber aus denselben Zutaten quer im Land erarbeitet, und da Fritsch im letzten Jahr sogar mit zwei Arbeiten vertreten war, stellt sich die Frage, warum er dieses Jahr schon wieder eingeladen ist.

Weil bei der "(S)panischen Fliege" die riesige Bühne der Volksbühne endlich mal wieder komplett bespielt wird? Das kann der Grund nicht sein. Damit man Sophie Rois den Theaterpreis Berlin verleihen kann? Dafür hätte es die Rolle der Emma Klinke nicht gebraucht. Die Frage nach dem Warum muss also ohne Antwort bleiben – und nur weil es bei vielen anderen Einladungen zum diesjährigen Theatertreffen nicht anders ist, wird diese Einladung wieder plausibel.

 

Hier geht's zur Nachtkritik der Premiere am 29. Juni 2011 an der Berliner Volksbühne. Weiter zur tt-Festival-Übersicht geht es hier.

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