Pech mit dem Liebesglück

von Dennis Baranski

Mannheim, 15. November 2012. "Verdammt und zugenäht", nun hat Grete so lange studiert, und ausgerechnet jetzt will ihr kein origineller Fluch einfallen. Denn da steht er, neben ihrer gerade verursachten Himbeerjoghurt-Pfütze, ist augenscheinlich Akademiker und gleichsam überwältigt – um beide ist es in diesem Augenblick geschehen. Ja, eine Liebesgeschichte hat der viel gespielte und mit zahlreichen Preisen geadelte Autor Martin Heckmanns für das Mannheimer Nationaltheater geschrieben. Dagegen ist freilich nichts einzuwenden, doch dem Dramatiker, viel mehr seinem gelungenen Theatertext, sollte in der Quadratestadt Unheil widerfahren: Dominic Friedel brachte "Einer und eine" auf der Studiobühne des Werkhauses zur Uraufführung und gab damit sein Debüt als Hausregisseur.

Kraft eines Erzählers an der Seite

Zunächst – wenn auch nur kurz – lässt der Nachfolger von Cilli Drexel ein bisschen vom Papier spielen, wo geschrieben steht, dass die glückliche Zusammenkunft scheinbar gerade auf den falschen Moment fällt: Grete auffallend ungeschickt, Jakob unpassend gekleidet und beide im Ergebnis wortkarg. Forschend begegnen die Schauspieler Martin Aselmann und Sabine Fürst als verkrampfte Geisteswissenschaftler ihren unverhofft keimenden Gefühlen und vergessen über ihr Staunen beinahe das Handeln. Nur ein geschickter Kunstgriff des geübten Dramatikers verhilft ihnen zur Überwindung sorgsam gehegter Bindungsängste: Er stellt seinen Protagonisten je einen Erzähler zur Seite.

Thorsten Danner und Katharina Hauter finden als physisch präsente, innere Stimmen stellvertretend für das schüchterne Paar die geeigneten Worte. Im Text werden sie sich allmählich aus ihrer auktorialen Deckung hervor wagen und sogar zu handelnden Akteuren.

einer und eine 560 christiankleiner h"Einer und eine" © Christian Kleiner

Auf der Bühne geschieht das indes nicht. Regisseur Friedel ergeht sich frühzeitig und ohne erkennbares Konzept im munteren Umverteilen der Rollen, lässt streckenweise gar mehrere von einem einzigen Mimen aufsagen, keineswegs willens, die entstandene Konfusion je wieder aufzulösen. Geschweige denn, etwas Neues zu formen. Radikal bürstet er die Spielhaltung seiner Darsteller gegen Heckmanns sorgsam erdachte – vollends bühnentaugliche – Erzählsituation, bis von ihr nichts mehr übrig bleibt.

Spielchen im Paillettenkleid

Gelingen Aselmann und Fürst zu Beginn des Abends vereinzelt noch durchaus ernstzunehmende Bühnenmomente, tun auch sie es bald ihren Mitspielern gleich und ergeben sich kampflos der Übermacht schwerlich nachvollziehbarer Regieeinfälle. Als Versuch einer poetischen Umsetzung des Liebesaktes muss Fürst da eckig im rot glitzernden Paillettenkleid klassische Ballettposen durchexerzieren, derweil ein betont missmutiger Danner bedeutungsschwer irgendwo weit hinten im Dämmerlicht einen überdimensionierten Ölschinken-Ersatz von Karoline Bierners auch sonst recht einfallsloser Bühne reißt.

Ein so freigelegtes, hinter der sentimentalen Abbildung brandender Wellen bislang verborgenes Schlagwerk macht sich selbiger sogleich zu Nutzen, wild entschlossen, allen Kitsch erbarmungslos tot zu trommeln. Wenn die Leidenschaft in bundesdeutschen Schlafzimmern dergestalt daherkommt, kann sich der demographische Wandel getrost ein Partyhütchen aufsetzen und gemeinsam mit Altersarmut und Fachkräftemangel zum rauschenden Siegesfest laden.

Zwischen Romantik und Internetdating

Von des Autors leiser Komik ist hier längst nichts mehr übrig. Dabei wusste dieser doch, seine Liebesgeschichte ebenso behutsam wie humorvoll zwischen romantisch verklärten Idealen und schnellen Internetabenteuern zu verorten – buchstäblich vergebene Liebesmüh'. Stattdessen driften Stück und Inszenierung unaufhaltsam weiter diametral auseinander. Wer nicht bereits der verwirrenden Personalsituation erlegen ist, muss spätestens vor rüden Kürzungen kapitulieren. Ohne Rücksicht auf dramaturgische Verluste werden handlungstreibende Passagen ersatzlos gestrichen oder gelegentlich schlicht durch plumpen Blödsinn vom Kaliber "Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb" wenig gewinnbringend ersetzt.

So scheitert der Regisseur grandios an dem Versuch, individuellen Befindlichkeiten Allgemeingültigkeit abzutrotzen, und Heckmanns bleibt letztlich nur zu wünschen, ein anderes Theater möge seiner unterhaltsamen Bestandsaufnahme zwischenmenschlicher Empfindungen mit deutlich mehr Feingefühl begegnen. Zugegeben: ein schwacher Trost.

Einer und eine (UA)
von Martin Heckmanns
Regie: Dominic Friedel, Bühne und Kostüme: Karoline Bierner, Dramaturgie: Ingoh Brux, Licht: Robby Schumann, Ton: Erik Fillinger.
Mit: Martin Aselmann, Thorsten Danner, Sabine Fürst, Katharina Hauter.
Dauer: 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause

www.nationaltheater-mannheim.de

Kritikenschau

Ein Abend mit Licht und Schatten, so resümiert Volker Trauth auf Deutschlandradio Kultur (15.11.2012). Regisseur Dominic Friedel habe Heckmanns Stück "hinsichtlich der Textverteilung gravierend geändert": Jetzt erzählten vier Schauspieler die Geschichte einer komplizierten Partnersuche. "Die stärksten Momente hat die Inszenierung, wenn beide Paare zusammen auf der Bühne stehen, wenn die Aktionen des einen die des anderen steigern oder kontrastieren, wenn beispielsweise die rauschhafte Annäherung der Jüngeren von den Älteren kommentiert wird mit einem euphorischen Rocksong."

Martin Heckmanns hat aus Sicht von Peter Michalzik von der Frankfurter Rundschau (17.11.2012) "eine zerbrechliche Liebeskomödie geschrieben, ein flüchtiges Spiel über ein prekäres Gefühl", das er auch als "sprachsensible, skurril-alltägliche Versuchsanordnung auf nur scheinbar vertrautem Terrain" versteht. Uraufführungsregisseur Dominic Friedel habe das Stück zwar nicht komplett hingerichtet, es jedoch "systematisch eingeschläfert. Es schlummert sanft weg und löst sich sang- und klanglos auf in der dünnen Luft des Nicht-Gewesen-Seins". Trotz seiner Kürze erscheine der Abend endlos und auch das Bühnenbild empfindet dieser Kritiker als "dermaßen funktionslos, dass es wahrzunehmen schon einer Beleidigung gleichkommt."

Dominic Friedel macht aus Sicht von Martin Halter von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (17.11.2012) aus einem "luftig-leichten Lustspiel des akademischen Begehrens" abstraktes Gehampel und "Quark". Strafverschärfend kommen für een Kritiker "alberne Hinzuerfindungen" des Uraufführungsregisseurs hinzu. Wo der Dramatiker dem Liebespaar verdoppelnd ein Dämonenpaar an die Seite gestellt habe, verteile der Regisseur den Text nun beliebig auf vier Figuren.

"Ein bisschen dünn und arg blutleer mutet die Geschichte von der Liebesqual zweier Jungakademiker zwar schon beim Lesen des Textes an", schreibt Monika Frank in der Rhein-Neckar-Zeitung (17.11.2012). Das sei aber "weit ergiebiger als das, was bei der Uraufführung im NTM-Studio jetzt zu sehen war". Weil Friedel die Rollengrenzen auflöse, blieben die Charaktere "zu austauschbar in ihrer durchgängig ähnlichen Darstellung rührend komischer Lebens- und Liebensunbeholfenheit".

Eine "kluge, dramatisch ausgefeilte und sprachlich hochwertige Analyse des alltäglichen Bewegungskrieges an der Paarungsfront" sei Heckmanns Text, findet Martin Eich im Wiesbadener Tageblatt (17.11.2012). So vergeistigt die Figuren seien, so flach gerate die Inszenierung: "Zu sehen ist eine Stück-Hülse, der ganze Episoden fehlen. Als würde man ein Haus ohne tragende Wände errichten, werden zumindest fragwürdige Regieeinfälle aufeinandergetürmt, bis das ganze Konstrukt zusammenfällt." Intensität? Stille Tragik? "Ach was."

Heckmanns habe eine "romantische Komödie" geschaffen, "in der er mit sanftem Humor und der gewohnten sprachlichen Virtuosität weltfremde Geisteswissenschaftler karikiert", schreibt Marius Nobach in der Süddeutschen Zeitung (22.11.2012). Leider aber habe Regisseur Dominic Friedel beschlossen, "an Heckmanns" Erfolgsformel herumzupfuschen". So würde die Erzählerebene aus dem Stück gestrichen. Da die Akteure "außerdem auch noch einen permanenten Rollenwechsel vollführen, entsteht eine unnötige Konfusion, die dem Abend viel von der möglichen Wirkung raubt." Friedel arbeite stärker heraus, dass "die Bindungsangst auch etwas Niederdrückendes hat", drossele damit aber zugleich die Komik der Vorlage.

Kommentare  
Einer und eine, Mannheim: der Autor muss es ausbaden
Was heißt hier "grandios"? Der Regisseur scheitert und sahnt ab mit voller Gage, und der Autor muss das Desaster - auch und insbesondere finanziell - ausbaden, weil kein Mensch so eine Inszenierung sehen will. Oder wird Heckmanns letzendlich so oder so genau so viel wie der Regisseur verdienen? Hier brauchen wir eine Debatte.
Einer und eine, Mannheim: bitte keine Regietheaterdebatte
Nein, bitte keine Regietheater-Debatte!
Lieber eine über gutes und schlechtes Theater.
Einer und eine, Mannheim: was treibt Heckmanns?
Nein, wir brauchen eine Debatte über von Minderwertigkeitskomplexen geplagte männliche Internet-Dater bzw. unsensible Den-Marsch-Trommler und weibliche Joghurtesser. Anders gefragt: Was treibt Heckmanns eigentlich, sich gerade diesem Thema zu widmen? Viel Aussage ist da nicht, oder täusche ich mich?
Einer und eine, Mannheim: Heckmanns sollte selber inszenieren
heckmanns texte haben etwas so vollendetes, dass bei geringsten veränderungen ein stück nur schlechter werden kann. es bedarf eines regisseurs, der es schafft, dank selbstbewußtsein, sich in den hintergrund zu stellen und dem text einen raum zu schaffen. einen rahmen. dass heckmanns selber nicht inszeniert, ist das problem. rene pollesch weiß warum. und hätte heckmanns mehr vertrauen in sich selbst, gebe es wunderbares theater. das publikum, das die texte leider nicht kennt, hat gar keine möglichkeit zu erfahren, was alles in einem einzigen satz von heckmanns steckt. und so schreibt "einer" und es wird nicht sichtbar. vielen dank an dominic.
Einer und eine, Mannheim: das überwachende Auge
... und zu der ganzen Unzulänglichkeit der Regie auch noch 4 minderbegabte bis schlecht wirkende Schauspieler, wobei Fürst und Aselmann sich noch redlich mühen, während Torsten Danner außer gelerntem Text nichts zu versenden hat, noch peinlicher sein Gesang mit Gitarrengeklimper. Jedenfalls hat keiner der 4 versucht sich gegen die Regie zu wehren, um etwas wirklich menschlich nachvollziehbar dagegenzusetzen.
Es macht schon Angst, zu wissen, dass dieser junge Regisseur weitere Stücke inszenieren wird. Weitere gute Stücke oder Textvorlagen, die dann dem Scheiterhaufen zum Opfer fallen. Armes Mannheim! Und wo bleibt eigentlich das überwachende Auge der Schauspielleitung, oder vertraut man jedem Anfänger blind?
Einer und eine, Mannheim: was die FAZ meint
Kommt die FAZ in der Presseschau nicht mehr vor? Sie sieht es auf jeden Fall ähnlich: Der Regisseur "macht aus dem luftig-leichten Lust-Spiel akademischen Begehrens Quark." Merke: leichte Lust-Spiele haben bei deutschen Kraft-Genie-Regisseuren keine Überlebenschance.

(Liebe FAZ,
wir hatten heute Probleme mit dem Zugang zu Ihrem
e paper. Spätestens Montag, wenn der FAZ-support wieder im Amt (das wochenende beginnt in Frankfurt am Freitag um 17 Uhr und dauert bis Montag um 8 Uhr) ist, arbeiten wir das nach.
jnm)
Einer und eine, Mannheim: Beleg für Kehlmanns Thesen
Ein schönes Beispiel für die Kehlmann-Debatte. Der junge Regisseur hat seine Ausbildung ausschließlich als Assistent am Gorki-Theater erfahren und dort wahrscheinlich kaum Inszenierungen erlebt, die den Text unbearbeitet gelassen haben und denkt insofern, dass Regie wesentlich darin besteht, Texte gegen den Strich zu lesen. Er kennt es nicht anders und kann es nicht anders. Und genau darum geht es Kehlmann doch: dass diese Art der bequemen Witzelei inzwischen Konsens ist und andere Formen des möglicherweise unspektakulären, feinen und präzisen Literatur-Theaters zunehmend an den Rand drängt. Es geht um die Pluralität der Formen. Und welcher junge Regisseur fällt einem ein, der sich nicht mit Krawall-Witzen oder Radikal-Lesarten einen Namen gemacht hätte?
Einer und eine, Mannheim: Krawallschachteln
Liebe Frau Venzke,
die bedeutenderen Regisseure der Theatergeschichte waren in ihrer Jugend immer Krawallschachteln und Revoluzzer und wurden erst später zu Klassikern. Nur die Mittelguten und darunter haben gleich mit dem Alterswerk angefangen.
Einer eund eine, Mannheim: neben der Spur
es ist ja kein krawall zu sehen, sondern eine folge von eher leisen regieeinfällen, die oft am stück vorbeizielen. eigentlich macht man sowas nicht bei einer uraufführung, sondern versucht erstmal, die möglichkeiten des stückes sichtbar werden zu lassen. dass die inszenierung so neben der spur läuft, und dafür können die vier akteure auf der bühne nichts, hat möglicherweise etwas damit zu tun, dass dem regisseur das stück nicht lag. da muss man nicht gleich eine riesige prinzipiendebatte draus machen. die konstellation war nicht richtig gewählt, von wem auch immer. soll vorkommen. das stück ist stark genug, es auszuhalten. seine entdeckung steht für mich noch aus.
Einer und eine, Mannheim: Internetgeneration
@Veronika
Pluralität der Formen? Die gibt es. Dazu braucht man bloß ins Theater zu gehen, alternativ helfen auch die Kritiken von nk oder die Spielpläne der Theater. Eine Studio-Inszenierung (Studio! Nur zur Sicherheit: Das meint Studio! Kleine Bühne.) bestätigt also DK? Tja, dann sei es so. Bequeme Witzelei? Da macht man es sich vielleicht zu einfach? Ein Regiekonzept zu entwerfen ist sicher nicht einfach. Misslingen kann das bei jeder Regie. Seine Ausbildung sollten Sie lieber noch einmal nachlesen. Ich glaube auch nicht, dass er "insofern" denkt und es nicht anders kennt. Diese verrückte Internet-Generation aber auch - man weiss nicht, wie sie es macht! - kennt Peymann, Stadelmaier und die Welt.
Einer und eine, Mannheim: feiert sich selbst
warum geht es nicht mehr darum das publikum zu unterhalten. der dramaturg ist doch lange genug dabei, er müßte es doch besser wissen. der autor hätte sicherlich ebenfalls ein mitspracherecht, falls es ihm wichtig wäre.

es geht schon lange nicht mehr um die zuschauer. die theaterwelt feiert sich selbst. stempelt das publikum als unreif ab für deartige kreativen einfälle und verspottet es damit. schade. lust auf theater macht es nicht. und nur darum müßte es gehen.
Einer und eine, Mannheim: Danksagung
Danke Paul
Einer und eine, MA: keine böse Absicht
@Paul

Ein Jungregisseur scheitert, wenn man der Kritik glauben darf, und es spricht nichts dagegen, dies zu tun, so einhellig wie diese ist. Hier wird niemand gefeiert.

Unterhalten. Dagegen spricht nichts, wenn das aber das alleinige Kriterium ist, schließen Sie viele Künstlerinnen und Künstler (und deren Ideen), und dazu zähle ich z.B. Regisseurinnen und Regisseure, einfach aus.

Niemand weiss, was nicht funktioniert hat. Der Dramaturg ist nicht der Regisseur. In einem solchen Projekt zu stecken, vielleicht hat man die Ideen sogar gemeinsam entwickelt, kann einen blind machen. Böse Absicht, dem Publikum eins auszuwischen, kann ich darin nicht sehen. Autorinnen und Autoren begleiten die Proben eher selten, würde ich meinen.
Einer und eine, MA: Trauer um den Text
wenn menschen, die ausschließlich theater machen kein gespür mehr dafür haben was gefällt, muss man es hinterfragen dürfen egal wie blind sie durch die gemeinsamen ideen geworden sind. es ist bei mir die trauer um den text und um die vielen, die folgen werden.

es kann doch nicht sein, dass man einen langweiligen abend loben sollte, nur um die arbeit anderer künstler wie z.B. regisseure anzuerkennen.

das video zeigt eindeutig, dass autor und regisseur viele treffen absolviert haben.
http://www.rnf.de/video-portal/sendung/videos/show/buehnenlichter-einer-und-eine.html?no_cache=1&cHash=c26c3e759b4a2184b4d641c25991c08e

böse absicht untestelle ich nicht. es ist die verwunderung und wut darüber, dass es niemand gemerkt hat.
Einer und eine, MA: Einfluss des Kommentar-Theaters
Ich finde es ein gutes Beispiel, wie stark der Einfluss des Kommentar-Theaters inzwischen geworden ist, wenn der Text eines etablierten Autors einem Jungregisseur gegeben wird, der damit machen darf, was er will.
Einer und eine, Mannheim: Qualität
@ 14 und 15

Gefallen sollte vielleicht nicht das Kriterium sein, um Kunst zu diskutieren. Ich erinnere nur an die Ablehnung des Naturalismus als Rinnsteinkunst. Heute längst etabliert. Es sollte immer um die Qualität gehen. Das scheint mir vergessen zu gehen und die Debatte in eine falsche Richtung zu lenken.

Laut Kritik gibt es bei der Regie Mängel. Die können offen benannt werden. Niemand braucht einen schwachen Abend zu loben. Aber zu sagen, typisch modernes Regie-Theater, Unsinn, das alles, würde von einem nicht ganz leicht nachvollziehbaren Kunstverständnis zeugen. Alle Kunst kann scheitern, egal, ob sog. Regie-Theater oder nicht. Und alle Kunst kann gelingen, ob Regie-Theater oder nicht.

Warum einen Text nicht einem Jungregisseur von über 30 Jahren zur UA geben, der auch noch Hausregisseur am Haus ist und über einige Regie-Erfahrung verfügt? Wie gesagt, er scheint mit seinen Ideen "gescheitert" zu sein. Er wird im besten Fall daraus lernen. Wer sagt denn, dass eine Inszenierung näher am Text nicht auch hätte scheitern können. Das wird in der Regietheater-Debatte gerne vergessen. Und wenn es kein etablierter zeitgenössischer Autor gewesen wäre, hätte er eben einen Klassiker inszeniert. Das wäre dann auch nicht recht gewesen. Selbst wenn es Treffen gegeben hat, wird der Autor nicht den Text nachkontrollieren.

Scheitern gehört zur Kunst dazu. Daraus Aussagen über den Zustand der Kunst allgemein abzuleiten, scheint mir wenig stichhaltig. Sicher bin ich auch, dass es am NTM eine Reihe von eher traditionell zu nennenden Inszenierungen gibt. Warum also das Experiment nicht daneben dulden?
Einer und eine, Mannheim: Trauer um den Text
@Paul

das video zeigt eindeutig, dass der autor auf die kritik und die vorschlaege des regisseurs eingegangen ist. ob sich der autor in der inszenierung einbringen durfte, werden du und ich vermutlich nie erfahren. das macht die trauer um den text noch schmerzhafter.
Einer und eine, Mannheim: Paul an Paula
@Paula
doch paula. wir wissen es, denn du warst dabei.
Einer und eine, Mannheim: enttäuschte Familie
Es sollte ein Theterabend für meine Familie werden, die das Studio enttäuscht verließ. In der Zusammenfassung ist nun festzuhalten, dass niemand Einfluß auf eine Inszenierung hat, außer dem Regisseur. Wollen wir wirklich so ein Theater?
Einer und eine, Mannheim: starke Aussage gewünscht
Ich habe das Stück zwar weder gesehen noch gelesen, aber ein Stück über Liebe, Vergänglichkeit und Cyber-Sex ist mir zu wenig. Ich finde, ein Stück muss eine starke Aussage haben und sich zu dringenden aktuellen Themen wie Griechenland und Finanzwesen verhalten.
Einer und eine, Mannheim: Schönheit, nicht Cybersex
@ Inga, 20.: Ich stimme dir zu, auch wenn du (wieder) meinen Namen verwendest. Aber nicht nur. Wenn das Theater sich nur noch mit aktuellen Themen (Griechenland, Finanzkrise) beschäftigt, dann verliert es in meiner Wahrnehmung den Sinn für die historische Gewordenheit unserer angeblich so alternativlosen Gegenwart. Das heisst: Poesie und Sinnlichkeit muss auch mal sein - Schönheit. Nicht Cybersex.
Einer und eine, Mannheim: Poesie und Sinnlichkeit
ich bin auch fuer poesie und sinnlichkeit. aber vor allem fuer die ueberwindung der hersschenden aufgabenverteilung in der theaterwelt.
Einer und eine, Mannheim: nicht mal für Cybersex
at inga 20: ich finde es ganz ganz wichtig zu erfahren, dass sie weder stück noch inszenierung kennen, die sie hier kommentieren. ich finds übrigens auch ein unding, dass der autor sich nicht einmal für cybersex interessiert in seinem stück. er scheint sich für gar nichts zu interessieren, was sie interessiert, weder griechenland noch finanzkrise noch cybersex. ja wofür denn dann eigentlich? das ist einfach nicht okay!
Einer und eine, Mannheim: fast unmöglich
die sprengung der aufgabenverteilung erscheint außenstehenden fast unmöglich. können die beteiligen tatsächlich nichts tun? ein paar rebellen würd eich mir wünschen. denn für einen schönen text oder für ein tolles stück sollte man einstehen.
Einer und eine, Mannheim: komplett überflüssig
@ 2. reihe links: Stimmt, denn Cybersex ist etwas anderes als Internetdating. Beides finde ich im Übrigen komplett überflüssig. Was für bindungsunfähige und/oder überanspruchsvolle Akademiker. Oder Autoren.

Wikipedia zum "Cybersex": Mit dem seit den 1990ern existierenden Begriff Cybersex (CS) werden verschiedene Formen der virtuellen Erotik, sexueller Interaktion und Pornographie bezeichnet, die mit Hilfe eines Computers oder über das Internet ausgelebt werden. Das Spektrum reicht von der reinen Betrachtung und/oder Masturbation beim Konsumieren pornographischer Bilder in sexuell anzüglichen Chats oder den Austausch erotischer E-Mails innerhalb von Fernbeziehungen bis hin zur sexuellen Stimulation mit Hilfe von Datenhelmen oder -handschuhen.

Und zum Begriff "Internetdating": Der existiert in Wikipedia leider noch nicht. Was also ist "Internetdating"? Ich verstehe darunter, dass jemand über Internetportale zur Partnersuche eine/n Partner/in sucht, ob nun kurzfristig oder langfristig. Das kann natürlich in die Hose gehen, weil man nie weiss, wer hinter der Internetdatenmaske eigentlich wirklich steckt.
Einer und eine, Mannheim: Überwindung der Welt
Und ich bin für die Überwindung der Welt durch das herrschenden Theater.
Einer und eine, Mannheim: gleich selbst machen
Meiner Meinung nach ist Martin Heckmann absolut überschätzt. Wenn man ihn nicht inszenieren kann, sondern nur nachgehen darf, sollte er Hörspiele schreiben. Da kann er dann die Regie auch gleich selbst machen. Meist gespielt ist übrigens keine Auszeichnung - es sei denn man hat, wie Heiner Müller, einen Rudi Strahl abgelöst. Das hätte ich übrigens gern mal gesehen, wie Heiner Müller so einen Rudi Strahl inszeniert. Welchem Funktionär hätte das wohl gefallen..
Einer und eine, Mannheim: bitte erklären
@Paula
Könnten Sie erklären, was Sie mit der Überwindung der bestehenden Aufgabenteilung meinen? Das würde mich interessieren.
Einer und eine, Mannheim: quo vadis, Grieche?
at inga 25: das haben sie ja ganz ganz toll bei wikipedia gefunden. aber selbst so ein existenzielles thema wie internetdating und was dabei alles in die hose gehen kann scheint den autor null zu interessieren. noch nicht einmal die regie. es ist eine schande. man stelle sich stattdessen folgendes stück vor: grieche (thema griechenland) entdeckt beim heimlichen lesen im tagebuch seiner neuen freundin, die er im chat kennengelernt hat (thema internetdating und cybersex), dass sie mal ein berühmter anlageberater war, der mit dem geld seiner kunden (thema finanzkrise und historisches gewordensein) ein neues leben begonnen hat. titelvorschlag: quo vadis, grieche? - erst so wird deutlich, welche chance in mannheim vertan wurde...
Einer und eine, Mannheim: drunter leiden
@ AB Ist doch klar. Die Aufgabenteilung heißt hier dass der Regisseur das Sagen hat und bekommt seine garantierte Gage, selbst wenn er Scheiss baut, und der Autor muss darunter - und vor allem finanziell - leiden. weil er/sie meist von der Kasseneinnahmen abhängig ist. siehe Kommentar 1.
Einer und eine, Mannheim: Glück gehabt
wenn der text / das stück von martin heckmanns "werkgetreu" aufgeführt worden wäre , wäre all die hier verteilte Kritik auf ihn gefallen. so hat er noch mal glück gehabt.
Einer und eine, Mannheim: keine Garantie
@30 War es aber nicht ein Auftragswerk für das Theater? Dann dürfte doch schon einmal Geld geflossen sein. Zeitgenössische Dramatik ist vielleicht auch nicht das große Zugpferd, von einigen Namen wie Y. Reza abgesehen. Ob man damit reich wird, ob so oder so inszeniert? Zumal in einer kleineren Spielstätte. Folgeinszenierungen sind ja möglich. Ich weiss nicht, wie gut er als Hausregisseur bezahlt ist, fürstlich wird es nicht sein. Wie soll es sonst funktionieren, der Autor entscheidet bei der Regie mit? Namhafte Autorinnen und Autoren können möglicherweise bei der Auswahl der Regisseurin bzw. des Regisseurs mitreden. Aber das garantiert noch keine gelungenen Inszenierungen. Das könnte auch Haus und Tor für Mauscheleien öffnen. Dann kauft man UA und Regieteam bis Fotograf zusammen.
Einer und eine, Mannheim: Arbeitsformen?
@AB 28

mit der ueberwindung der bestehenden aufgabenverteilung im theater meine ich nicht das honorarsystem im theaterbetrieb (@Jens 30: martin heckmanns geht sicherlich hier nicht leer aus). es geht mir darum, bei der entstehung von texten und inszenierungen (aber auch danach) allen beteiligten (autor, regisseur, schauspieler, publikum, kritiker, beobachter…) die moeglichkeit zu geben, sich einzubringen. vorallem wenn sie dabei etwas machen, was nicht vorgesehen ist. das koennte die theaterwelt doch erlauben, wenn sich die beteiligten das trauen. soweit ich weiss, sind solche arbeitsformen im theater selten moeglich.

wie sind text und inszenierung in mannheim entstanden? durften die beteiligten alles versuchen? das video von @Paul 14 gibt gute hinweise. vielleicht nur show? das ergebnis klingt enttaeuschend. ich war noch nicht da.
Einer und eine, Mannheim: vom 100sten zum 107ten
@ zweite reihe links, 29.: Kennen Sie David Lindemanns "Getränk Hoffnung"? Thematisch geht ihr Stückvorschlag in eine ähnliche Richtung. Mich erinnert "Einer und eine" übrigens an einen ehemaligen WG-Mitbewohner mit enormen Minderwertigkeitskomlexen, u.a. aufgrund seiner geringen Körpergröße. Und der hatte wirklich NULL Seele, was man auch daran erkennen konnte, wie er Schlagzeug spielte. Seine Ex-Freundin beschuldigte ihn übrigens, dass er sich nicht fallenlassen könne, woraufhin er zu einem Therapeuten ging...
Einer und Eine, Mannheim: Null Seele?
"Und der hatte wirklich NULL Seele" ! Wie jetzt: Hat man nun Seele oder zeigt sie sich im Spiegel des anderen Ichs ? Sind hier wieder zwei Ingas am Werk, und/oder wirft die eine Inga als Ich nur nicht die Seele des armen "Kleinwüchsigen" des Nachbarthreads zurück, so daß diese sich zeigen könnte ??
Einer und eine, MA: mehr Beteiligung erforderlich
@Paula

Danke. Spannender Ansatz. Interessant wäre auch zu erfahren, warum der Regisseur bzw. die Regisseurin etwas so und so macht/gemacht hat. Ich kenne in diesem Fall das Programmheft nicht, möglich, dass da etwas steht. Jeglicher Austausch würde aber wahrscheinlich zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Theatern fordern.
Einer und eine, Mannheim: vom Ende her betrachtet
@ Arkadij Zarthäuser: "des armen 'Kleinwüchsigen'"? Ja, ich habe gespürt, dass da enorme Minderwertigkeitskomplexe waren, und das wohl u.a. auch aufgrund seiner Körpergröße, in Verbindung mit einer seelischen Labilität. Aus welchen Gründen heraus diese entstanden ist, weiss ich nicht. Ich will das hier auch weniger bewerten, als vielmehr beschreiben, wie ich es wahrgenommen habe.

Mit NULL Seele meinte ich folgendes, eher vom Ende her Betrachtetes: Wenn ich spüre, dass ein Mensch gleichsam nach Liebe giert, ich das aber nicht erfüllen kann, weil es auch aus ihm heraus kommen muss und/oder weil es manchmal eben einfach nicht so "funkt" zwischen Menschen, worüber dieser Mensch dann möglicherweise sauer und aggressiv werden könnte, dafür kann ich nichts. Aber warum eigentlich diese Diskussion? Kennen Sie denn meinen ehemaligen WG-Mitbewohner?
Einer und eine, Mannheim: Gedankenaustausch-Niveau
höchstes niveau, dieser gedankenaustausch hier.
Einer und eine, Mannheim: Seelenheil und Schlagzeugspiel
@ Inga

Ja, strapazieren wir die Mannheimer nicht weiter, mir fielen halt nur diese fast koinzidierenden "Seelen-Stellungnahmen" Ihrerseits auf, mehr war da nicht. Ich weiß nicht,ob ich Ihren WG-Mitbewohner einmal irgendwo kennengelernt habe, kenne aber genügend Leute, deren "Seelenheil" bzw. deren "Seelenvorhandenheit" ich besser nicht vom Status ihres Schlagzeugspieles abhängig sehen will..
Einer und eine, Mannheim: Gedankenaustausch auf ebay versteigern
warum versteigert nachtkritik diesen gedankenaustausch nicht gleich auf ebay?
Einer und eine, Mannheim: erneuter Namensklau
@ Arkadij Zarthäuser: Nein? Ich meine schon, erkennen zu können, ob jemand nur auf sein Schlagzeug eindrischt oder nicht auch leisere Töne kann, was man dann wohl "Talent" nennt. Manch einer meint ja auch, den männlichen Helden spielen zu müssen und schadet einer am Ende damit nur.

Nr. 40. ist wieder nicht von mir.
Einer und eine, MA: Zärtliches
ach inga, laß dich drücken.
Einer und eine, MA: Identitätsproblem
@41: Nr. 40. ist wieder nicht von mir": doch
Einer und eine, MA: Motive bei Heckmanns
die an befindlichkeiten orientierte theaterszene weiss sehr wohl um die wirkung auch negativer presse auf förderung untalentierter regisseure. unsere dozentin wiederholte stets die auswirkung des persönlich erlebten anhand heckmanns stücke - sofern nicht politisch angehaucht. familie: in vater, mutter, geisterbahn und ? in einer und eine. soviel zu @ ingas motivsuche.
Einer und eine, MA: amüsanter als das Stück
Die Presse wird in diesem Zusammenhang oft verkannt. Die anfängliche Auseinandersetzung zwischen Inga und zweite Reihe fällt amüsanter aus als das Stück.

Ohne Eintrittsgeld.
Einer und eine, MA: für die Bühne
@Björn 45.

wir muessen es nur noch auf einer buehne inszenieren.
Einer und eine, MA: absurd
@ 43.: Warum doch? Ich bin nicht Sie. Lustig, wie schnell es absurd werden kann.
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