Leiden an Düsseldorf

von Andreas Wilink

Düsseldorf, 29. November 2012. Völlig überraschend kommt diese Amtsaufgabe. Zumindest einen Moment lang. Dass Staffan Valdemar Holm die Gesundheit – sein Ausgebrannt-Sein – als Ursache für das Ende seiner kurzen Düsseldorfer Intendanz angibt, ist ehrlich und ehrenwert und spiegelt das, was man an dem 1958 geborenen Schweden als so angenehm empfindet: dass er offen, sympathisch und unprätentiös ist. Aber diese persönliche Stärke korrespondiert nicht mit dem, was am Gründgens-Platz und im Central am Hauptbahnhof über die Bühne geht. 

So lässt sich der sinnige Titel einer Gesprächsreihe, die programmatisch von ihm initiiert wurde: "Gebrochen Deutsch", als Friktion deuten. Holm wurde nicht warm mit Düsseldorf, Umgang und Miteinander befremdeten ihn. Etwa in den unschönen Querelen mit Oberbürgermeister und Kulturdezernent über Kürzungen im Etat, die er so nicht akzeptieren wollte.

Holm trat an mit dem Konzept – und dem Auftrag seitens der Landeshauptstadt und des Landes NRW – das Theater zu internationalisieren. Das war bereits das erste große Hindernis auf dem Weg zu einem Erfolg, denn regional war damit kein Alleinstellungsmerkmal gewonnen. Das Schauspielhaus in Bochum mit seinem Motto "Boropa" und Köln mit Karin Beiers Theater von Katie Mitchell bis Signa hatten ähnliche Positionen – früher – besetzt. Und anders als diese beiden traditionellen Theaterstädte tut sich Düsseldorf seit jeher schwer mit Neuerungen und ästhetisch radikalen Positionen, die Holm freilich dann gar nicht oder doch nur höchst fragwürdig zur Ansicht brachte. Nicht umsonst gilt die Stadt unter Theaterleuten als extrem schwierig. Einen Intendanten der ersten Liga für das finanziell immer noch sehr gut aufgestellte Düsseldorfer Haus zu finden, ist ein Kunststück. Dass Holms mit dem Terrain besser vertraute Dramaturgie ihn offenbar nicht auf die Gefahren und Untiefen einer Düsseldorfer Intendanz aufmerksam machte, muss sie sich als Vorwurf gefallen lassen.

Zieht man eine Bilanz der insgesamt nur 15 Monate währenden Holm-Spielzeiten, fällt diese nahezu komplett negativ aus. Angefangen bei seinen eigenen Regie-Arbeiten. Mochte sein Hamlet zum – durch Baumaßnahmen verzögerten – Auftakt diskussionswürdig sein, sein Richard III. war nicht souverän geführt, ohne rhythmisches Gefühl, mit einem trostlosen Hauptdarsteller und nie frei und verrückt genug für die avisierte offene Form. Inwiefern seine grundlegend anderen Vorstellungen von Theater mit deutschem Regietheater kollidierten, wäre noch genauer zu betrachten.

Desweiteren hakte es beim Ensemble, das sich in kaum einer Position mit Köln, Hamburg, München, Berlin messen lassen kann. Die feste Bindung an die Hausregisseure Nurkan Erpulat, Falk Richter, Nora Schlocker hat nicht die erhofften Markierungen gesetzt. Selbst die Erwartungen, die in Andrea Breth gesetzt worden waren, als sie Isaak Babels Marija inszenierte, erfüllten sich nur halb und halb. Breths glänzende Aufführungen laufen in Wien.

Und um auf das Projekt Internationalisierung zurückzukommen, das scheiterte exemplarisch mit dem Russen Andrej Mogutschi und dessen Vision von Kafkas Prozess, die sich in opulenten Bühnenbildern und hydraulischem Hochkultur-Tingeltangel erschöpfte.

Als Interimschef wird der Geschäftsführer der Schauspielhauses, Manfred Weber, fungieren. Die für Anfang März 2013 angekündigte "Peer Gynt"-Inszenierung von Holm soll stattfinden.

 

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