Die Schizophrenie des Gegenwartsmenschen

von Esther Boldt

Frankfurt, 14. Dezember 2012. Sebastian hat seinen Stuhl besetzt. Er schlingt die langen Glieder um dessen Beine und Lehne, verschränkt sich im abgeschabten Sitzmöbel und steckt seine Nase ins Buch. Während seine Freundin Hannah durch die Wohnung flitzt und letzte Reisevorbereitungen trifft, referiert er über Sexorgien im Vatikan. In Kürze sollen ihre Wohnungstauschpartner eintreffen, weil Hannah zwei Monate in Zürich arbeiten wird, doch dann bricht Sebastian ein Last-Minute-Drama vom Zaun: Er will nicht nach Zürich umgesiedelt werden.

Mitten im schönsten Wortgefecht stehen die Hansens vor der Tür, der fachwortgegerbte Kontrollfreak Roman und seine scheue Weibchenfrau Magdalena, und das Unheil nimmt seinen Lauf. In seinem neuen Stück "Wir lieben und wissen nichts" hetzt Moritz Rinke zwei Mittelschichtspaare in bester Komödien-Manier à la Yasmina Reza und Edward Albee aufeinander. Intendant Oliver Reese hat es in den Kammerspielen des Schauspiels Frankfurt uraufgeführt, und die Paare gleich mit Schauspielerpaaren besetzt: Marc Oliver Schulze und seine Frau Claude De Demo spielen Sebastian und Hannah, Constanze Becker und ihr Mann Oliver Kraushaar spielen Magdalena und Roman Hansen. Eine Entscheidung, die sich als Coup entpuppt: Mit ungeheurer Nähe und unlauterem Witz, einem guten Gespür für Rhythmus- und Temperaturwechsel jammert und fleht, heuchelt, kreischt und kommandiert sich das Quartett durch Rinkes Text, erspielt sich aber auch feine Situationskomik mit Entsafter, Schlüsselbund, Klappstuhl und Konsorten.

Grundsatzdebatten zwischen Tür und Angel
Es ist grandios komisch, wie Marc Oliver Schulze sich ins Akademikersein einfaltet, sein Sebastian ist ein schreckhaftes Sensibelchen, das nervös auf Neues reagiert und sich zwischen Buchseiten am wohlsten fühlt. Eine Heimat findet der Kulturhistoriker in der Vergangenheit, allein, außer Vorworten hat der Autor von der traurigen Gestalt bisher wenig zuwege gebracht. Hannah hat einen lukrativen Job als Zen-Coach für Banker – sie bringt den angespannten Führungskräften bei, richtig zu atmen. Ihren lamentierend-protestierenden Freund betrachtet Claude De Demos Hannah so lange mit leiser Zärtlichkeit im Blick, bis sie selbst ihre Anspannung hinwegatmen muss und ihn schließlich anweist wie einen begriffsstutzigen Jungen. Eine Affäre hat ihre Beziehung angeschlagen, ein gemeinsames Kind soll den Bruch kitten.

wirlieben2 560 birgit hupfeld uProjektionsflächen ausprobieren: "Wir lieben und wissen nichts" © Birgit Hupfeld

Zwischen Tür und Angel werden Grundsatzdebatten geführt, die Wohnungsübergabe verzögert sich aus wechselnden Gründen, und wie in jeder Beziehungskomödie entspringen Drama und Komik dem Missverstand: Jeder fühlt sich unverstanden, keiner hört richtig zu, jeder weiß alles besser. Da ist der Fremde kurzfristig eine dankbare Projektionsfläche, und so trinken Sebastian und Magdalena, die bildschön verhuschte Tiertherapeutin auf High-Heels, sich gründlich einen an, während Roman und Hannah schon im Fahrstuhl Komplizenschaft geschlossen haben.

Konservative Kraft und Fliehkraft, zweimal gebündelt
Kurzfristig also wird geflirtet, was das Zeug hält, mittelfristig aber müssen die Katzen aus dem Sack: Sebastian ist zeugungsunfähig, doch Hannah weiß nichts davon. Und Magdalena hat die Kündigung ihres Mannes gelesen, allein, dieser ignoriert den wieder verklebten Brief hartnäckig. Oliver Kraushaars Roman spricht nicht viel, er knurrt eher, ein breitschultriges Alphamännchen, das grundsätzlich Bescheid weiß und stets über die neusten Technologien verfügt. Weit hat der Ingenieur sich von seiner Frau entfernt, doch einmal noch dürfen sie einen Tango aufs Parkett legen. Wachsweich hängt da Constanze Beckers Magdalena in den Armen ihres Mannes, sacht dirigiert dieser sie durch den Raum. So schwerfällig diese Liebe geworden zu sein scheint, einmal noch darf sie hoch sein und zart.

Jedes der Paare vereint eine konservative Kraft und eine Fliehkraft, die sich dem Markt entgegenschleudert und seinen Gesetzen vieles opfert. Sebastian und Magdalena verankern sich in alten Dingen und bekannten Ordnungen, während sich Hannah und Roman in die Zeitläufte geben. Diese Paarkonstellationen sind ein wenig wie die zwei Seelen, die in der Brust des Gegenwartsmenschen leben, sie verkörpern seine Schizophrenie: Wir sind fleißig, angepasst und ehrgeizig, zugleich haben wir genug der Selbst- und Gegenwartskritik verinnerlicht, um Fehler im Bild zu erspüren, uns nach Verlangsamung, Nachhaltigkeit und Freiheit von Schuld zu sehnen. Bis zum Schluss ergreift Moritz Rinke nicht Partei: Letztlich sind alle Figuren gleichermaßen fragil, stehen ihre jeweiligen Denk- und Lebenssysteme gleichermaßen zur Disposition. Dies ist der Abgrund, der unter der Komödie klafft – auch wenn Sebastian am Schluss wieder auf seinem Stuhl sitzen wird, als sei nichts geschehen.

 

Wir lieben und wissen nichts (UA)
von Moritz Rinke
Regie: Oliver Reese. Ausstattung: Anna Sörensen, Video: Jonas Alsleben, Licht: Frank Kraus, Dramaturgie: Claudia Lowin.
Mit: Claude De Demo, Marc Oliver Schulze, Oliver Kraushaar und Constanze Becker.
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause

www.schauspielfrankfurt.de



Kritikenrundschau

Eine "eine saftige, bitzelnde, klug und keck auf dem Zeitgeist heutiger Job- und Internet-Nomaden surfende Komödie" habe Rinke geschaffen, schreibt Christine Dössel von der Süddeutschen Zeitung (17.12.2012). Er biete die "Akademikerpaarkomödie in bewährter Vierer-Konstellation" in "einem so geistreich-witzigen Dialog-Pingpong, wie das wahrlich nicht jeder deutsche Autor hinkriegt, dabei das Boulevardeske so wenig scheuend wie das Grundbürgerliche." Leider werde der "geschmierte, routinierte Lacheffekt-Mechanismus" in Oliver Reeses Frankfurter Uraufführung "sehr kalkuliert" bedient. "Da wird so offenkundig und vordergründig auf jeden Witz geschielt und inszenatorisch darauf gezielt, dass der Abend statt die von Rinke erhoffte Tschechow-Melancholie eher etwas von einer Sitcom-Motorik erhält."

"Kein großer Wurf, aber doch mehr als nur ein Yasmina-Reza-Abklatsch", urteilt Hubert Spiegel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (17.12.2012) "Die Schauspieler werden es lieben, die Regisseure sich allerdings künftig mehr einfallen lassen müssen." Rinkes Stück sei "witzig, intelligent, unterhaltsam" und mische heutige Themen aus dem Internetzeitalter "mit den guten, alten Zutaten der Boulevardkomödie". Reese habe es "solide, aber ohne Esprit und Mut zum Risiko" inszeniert, "voll und ganz dem Witz und Timing der Dialoge vertrauend und mit vier Schauspielern, die nur zur Hälfte überzeugen können" (zur besseren Hälfte gehört für Spiegel Constanze Becker als Magdalena).

In der Frankfurter Rundschau (17.12.2012) schreibt Peter Michalzik: "Die Dialoge, mit denen Rinke sein Paarstück entfaltet, sind gewitzt und geschmeidig. Die Themen, die er dabei durchspielt oder antippt, sitzen." Allerdings fehlten "Wendung, Zuspitzung oder Überraschung, Tiefe" für die "ohnehin schwammig konstruierte Liebes- und Versteckhandlung", die sich am Ende "im Nichts auflöst". Auch Reeses Umsetzung überzeugt den Kritiker nicht: "Beziehungsdramen brauchen Pointe und Psyche. Das Timing bei den Witzen macht die Komödie, die psychologische Feinzeichnung das Drama." Hier aber drängele sich Marc Oliver Schulze als Sebastian zu sehr in den Vordergrund und "schwadroniert, gestikuliert und forciert". Er "schleudert die Pointen nach vorne, dass das Publikum quietscht".

Jan Küveler erinnert sich in der Welt (18.12.2012) daran, dass Moritz Rinke auch Stürmer der deutschen Autorenfußballnationalmannschaft ist und bescheinigt seinem Stück entsprechend "emotional überschaubarer Fußballboulevard, aber darin locker Bundesliga" zu sein. Man müsse dem Stück, das in einer "souveränen Regie von Intendant Oliver Reese uraufgeführt wurde", auch nicht vorwerfen, dass seine Konstellation von Autoren wie Yasmina Reza oder Edward Albee bekannt sei. Vielleicht mache das Fußballspielen Rinke "so entspannt, was den dramatischen Originalitätszwang betrifft", vermutet Küveler. "Schließlich hat die ewig gleiche Ausgangssituation der Beliebtheit des Fußballs auch nicht merklich geschadet."

Hat Rinke nun die zeitgemäße Variation von "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" geliefert? fragt sich Ina Hartwig in der Zeit (19.12.2012). "Wir lieben und wissen nichts" lebe von einem Witz, der allzu oft den Kalauer schramme, es lebe auch von einer Art Dauerironie gegenüber unserem Internetjunkietum. So sehr das Schauspielerquartett in einzelnen Szenen brilliere, es haue als Ganzes nicht hin. "Und das liegt am ungelösten Verhältnis von Komik und Tragik." Angesichts der vielen angetippten Konfliktpotentiale – Versagen und Enttäuschung, unterdrückte Aggression und Verlassensangst, Eifersucht, fluide Arbeitsverhältnisse, Technikwahn und Erfolgsdruck – bleibe die Psyche der handelnden Personen zu wenig ausgelotet. "Halb gare Konflikte sind auf Dauer weder amüsant noch erschütternd."

Moritz Rinke schubse in seinem neuen Stück zwei Paare wie Labormäuse umher und schaue ihnen beim Vermehren ihrer Ängste und Sehnsüchte zu, schreibt Shirin Sojitrawalla in der taz (19.12.2012). Das Stück, "das nicht wahnsinnig tief, aber an den richtigen Stellen schürft", sei zeitdiagnostisch und paartherapeutisch "bedenkenswert". "Rinkes pointengespicktes Drama, das in Bälde landauf, landab gespielt werden wird, präsentiert uns exemplarisch verlorene Paare, die sich ausdauernd selbst erschöpfen: lachhaft traurige Existenzen auf der Suche nach dem Kennwort für ein gelingendes Leben." Oliver Reese inszeniere die Uraufführung des Paargestöbers als "beschwingte Boulevardkomödie mit wehmütig versponnenem Schlussakkord".

 

Kommentare  
Wie lieben und wissen nichts, FFM: wieder und wieder das gleiche
Warum stört eigentlich niemanden mehr, dass wieder und wieder das gleiche Stück "geschrieben" wird: Zwei Akademikerpaare treffen sich zum Abendessen, nach und nach tun sich Abgründe auf. Reza, Theresia Walser, Schimmelpfennig (Peggy Pickitt), Loher (Am schwarzen See), um nur ein paar aufzuzählen, und jetzt auch noch (...) Rinke. Gähn! Warum das offenbar niemanden stört: Weil alle sich vom ewig Gleichen gut unterhalten fühlen, solange es nur einigermaßen lauwarm serviert wird. Guten Appetit, liebes Gegenwartstheater, und gute Nacht!
Wir lieben und wissen nichts, FFM: Prinzip der Serie
@1: Gut beobachtet. Aber ich find das jetzt kein Skandalon.
Feydeau, Tschechow, Botho Strauß, René Pollesch haben ja auch immer wieder das gleiche Stück neu geschrieben. Das Prinzip der Serie basiert halt darauf, eine gesellschaftliche Konstellation immer wieder neu auszuloten und dadurch zu vertiefen. Man versucht halt, sich selbst und seine Lebenswelt zu verstehen und zu bewältigen.
Womit soll sich das Gegenwartstheater auch auseinandersetzen, wo das Fernsehen alle Themen auffrisst?
Mich nervt ein bißchen diese Endzeit-Melancholie des "Wir können nix tun. Wir sind im System gefangen."
"Wenn es Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden." (Voltaire) Das gilt auch für den Gott der Freiheit. Sonst kann man den Sargdeckel gleich von innen zu machen.

P.S.: Brecht hat den Voltaire-Satz in einer seiner Kalender-Geschichten sehr "ent-faltet".
Wir lieben und wissen nichts, FFM: Treffen sich zwei Abgründe
Ich fände ja mal ein Stück interessant, in dem sich zwei Abgründe treffen, und nach und nach kommen aus ihnen Akakdemikerpaare hervor. Das wäre dann so eine Empor-zum-Licht-Dramaturgie, endlich mal was Positives.
Wir lieben und wissen nichts, FFM: angestrengtes Gefiedel
hat diese aufführung in der Komödie gegenüber oder in den Kammerspielen stattgefunden, dass ist mir beim zuschauen nicht klar geworden. obwohl sie in der Komödie wahrscheinlich bessere übergänge gahabt hätten als vorhang 3minuten zu, angestrengtes gefiedel und danach ein kaum veränderter raum.
Wir lieben und wissen nichts, FFM: die Kritikerin antwortet
Lieber Stefan, lieber Guttenberg, liebe Nummer 3,

man sitzt als Kritikerin bei Komödien etwas in der Tinte: Wenn man mitlacht, wird man der Harmlosigkeit verdächtig, wenn man nicht mitlacht, mindestens der Humorlosigkeit. Natürlich sind Ihre Einwände berechtigt, natürlich mangelt es dem Gegenwartstheater - bis auf wenige Ausnahmen - an einer Überschreitung der beständigen Feststellung (und damit natürlich auch Fixierung) des Status Quo. Aber wenn ein gutsitzender Abend herauskommt, meine Güte! Den hat man selten genug.
Wir lieben und wissen nichts, FFM: Muss ein Abend gut sitzen?
Genau das ist doch das Problem: Solange es gut sitzt, ist es angeblich OK. Aus Sicht des Kritikers ist das auch irgendwie verständlich, man soll die eigene Sicht auf Theater nicht zu sehr in den Vordergrund stellen, und bei "funktionierenden" Abenden sagt man dann: Gut, egal, flach, aber es sitzt. Das könnte ja OK sein, aber wenn man ehrlich ist, neigt die Kritik dazu, "gut sitzende" Abende dann durchzuwinken, und "schlecht sitzende" Abende, wie zum Beispiel "mein faust" in Leipzig, nicht. Und da entsteht nämlich ein Missverhältnis: ein Abend wie "mein faust" oder andere sind so viel mutiger, riskanter, sie gelingen deshalb öfter nicht so recht, und diese Abende bezahlen dann für die Haltung der Kritik. Auch das wäre OK, aber es hat einen gewissen Effekt auf die deutsche Theaterlandschaft, den ich nicht groß beschreiben muss: Er liegt auf der Hand: Mut wird noch riskanter, Sicherheit noch lukrativer für die Theater. Da muss sich die Kritik an die eigene Nase fassen. Sie hat da Verantwortung. Ist es wirklich ein Wesentliches Kriterium, ob ein Abend "gut sitzt"? Ist das überhaupt eine künstlerische Qualität?
Wir lieben und wissen nichts, FFM: ein schlechtes Gefühl
Mag ein lustiger Abend sein. Wenn ich das lese, habe ich trotzdem ein schlechtes Gefühl. Das Frankfurter Schauspiel ist eine der reichsten, höchst subventionierten Staatsbühnen. Zahlt Gagen und Gehälter, mit denen können die Privattheater niemals konkurrieren. Genau die brauchen aber solche Boulevard-Stücke (und das entsprechende Publikum) zum Überleben. Muss man denen auch noch mit einer solchen Produktion das Wasser abgraben?
Wir lieben und wissen nichts, FFM: erstmal lesen!
Mensch, lest doch erst mal das Stück bevor ihr urteilt! Das ist so wahnsinnig undifferenziert und Rinkes Stücke entziehen sich euren Grobrastern!
Wir lieben und wissen nichts, FFM: Richtung einer Suche
reese schreibt in seinem grußwort für den spielplan seines hauses von einem theater "als unbeirrbare suche". in welche richtung sich dieses suchen bewegt, zeigt der hier besprochene rinke abend.
Wir lieben und wissen nichts, FFM: Bühne für alle
Ja, es stimmt - als Besucher der Vorstellung "Wir lieben und wissen nichts" im Schauspiel Frankfurt erlebt man unterm Strich einen äußerst unterhaltsamen Theaterabend. Mainstream im positivsten Sinne! Die Beziehungen der beiden Ehepaare, die im Zentrum der Handlung stehen, haben hingegen beide den gemeinsamen "Hauptstrom" verloren. Die groteske Komik einer sich stetig zuspitzenden Tragödie überschreitet dabei nur sehr vorsichtig die Grenzen der Realität. Etwas Anderes wird dem Stoff auch nicht gerecht. Die Zuschauer bekommen für knapp zwei Stunden Einblick in ein fremdes Wohnzimmer, dass tatsächlich so ähnlich im realen Hier und Jetzt existieren könnte. Das Konzept, das offensichtlich dahinter steckt, könnte man böswillig mit diversen Reality-Soaps in Verbindung bringen. Das wäre aber eine Beleidigung für die hervorragend besetzen Anti-Helden und den äußerst stimmigen Plot. Hier werden keine Freaks und ihre plakativ oberflächlichen Schwächen karikiert, sondern der bürgerliche Mittelstand. Menschen, an denen Loriot ebenfalls seine Freude gehabt hätte. Wer sich also davor fürchtet, den Zuschauerraum mit weniger intellektuellen Gästen zu teilen, die dort mit Sicherheit ganz oft herzlich lachen, weil die Protagonisten uns unerbittlich den Spiegel vorhalten; wer geschockt, überrascht oder empört das Theater verlassen möchte, sollte sich von Rinkes neuem Stück fernhalten. Für diejenigen, die die pubertäre Abneigung gegen gefälligen Stoff überwunden haben, ist die Produktion hingegen ein Fest! Hier erfüllt das Stadttheater seinen Auftrag: Eine Bühne für Alle!
Wir lieben und wissen nichts, FFM: Klischeeschleudern
@Klaus
Wenn dieses Rinke-Stück völlig anders ist als alle anderen davor, dann soll ich schweigen und mich grämen! Ansonsten nicht. Ich habe die Stücke letztlich als sich mal schnell, mal langsamer drehende Klischeeschleudern gelesen.
Wir lieben und wissen nichts, FFM: Mainstream im positivsten Sinne
Ja, es stimmt - als Besucher der Vorstellung "Wir lieben und wissen nichts" im Schauspiel Frankfurt, erlebt man unterm Strich einen äußerst unterhaltsamen Theaterabend. Mainstream im positivsten Sinne! Die Beziehungen der beiden Ehepaare, die im Zentrum der Handlung stehen, haben hingegen beide den gemeinsamen "Hauptstrom" verloren. Die groteske Komik einer sich stetig zuspitzenden Tragödie überschreitet dabei nur sehr vorsichtig die Grenzen der Realität. Etwas Anderes wird dem Stoff auch nicht gerecht. Die Zuschauer bekommen für knapp zwei Stunden Einblick in ein fremdes Wohnzimmer, dass tatsächlich so ähnlich im realen Hier und Jetzt existieren könnte. Das Konzept, das offensichtlich dahinter steckt, könnte man böswillig mit diversen Reality-Soaps in Verbindung bringen. Das wäre aber eine Beleidigung für die hervorragend besetzen Anti-Helden und den äußerst stimmigen Plot. Hier werden keine Freaks und ihre plakativ oberflächlichen Schwächen karikiert, sondern der bürgerliche Mittelstand. Menschen, an denen Loriot ebenfalls seine Freude gehabt hätte. Wer sich also davor fürchtet, den Zuschauerraum mit weniger intellektuellen Gästen zu teilen, welche dort mit Sicherheit ganz oft herzlich lachen, weil die Protagonisten uns unerbittlich den Spiegel vorhalten; wer geschockt, überrascht oder empört das Theater verlassen möchte, sollte sich von Rinkes neuem Stück fern halten. Für diejenigen, die die pubertäre Abneigung gegen gefälligen Stoff überwunden haben, ist die Produktion hingegen ein Fest! Hier erfüllt das Stadttheater seinen Auftrag: Eine Bühne für Alle!
Wir lieben und wissen nichts, FFM: Nachfrage
frage an die Redaktion: was war an meinem Beitrag von gestern Abend so besonders, dass er nicht gepostet wurde?

(Sehr geehrter Stephan, ich kann hier keinen unveröffentlichten Beitrag zu diesem Thread finden. Wahrscheinlich gab's ein technisches Problem. Mögen Sie Ihren Kommentar noch einmal schicken? Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
Wir lieben und wissen nichts, FFM: Verantwortung von Kritik
@ 6.
Ja, es gibt eine Verantwortung der Kritik, und die Verteidigung und auch Vermittlung sperrigerer Inszenierungen fallen unbedingt in diesen Bereich. Allerdings kann es m.E. in der Kritik (oder allgemein im Schreiben über Theater) nicht in erster Linie darum gehen, Kulturpolitik zu betreiben, sonst wird die singuläre künstlerische Arbeit zum Nebenschauplatz des kulturpolitischen Pokerns. Nichts ist langweiliger und freier von Überraschung als das. Nebenbei gesagt ist es definitiv eine künstlerische Qualität, wenn ein Autor in der Lage ist, vielschichtige, tragikomische Figuren zu entwickeln. Wenn's einfächer wäre, sähe man diese nicht so selten im Theater.
Wir lieben und wissen nichts, Ffm: an die Redaktion
Liebe Redaktion - oK ich gebe auf und wünsche schöne Weihnachten - das ist ja schlimmer als in der Gemeindeverwaltung ...

(Lieber stephan,
es tut uns leid, aber hier gibt es einfach keine Kommentare von Ihnen, die wir nicht veröffentlicht haben, außer denen, die sich über die Nichtveröffentlichung beklagen. Aber meinen Sie nicht vielleicht Kommentar Nr. 6????
Falls nicht: Schicken Sie uns Ihren Kommentar als mail an redaktion@nachtkritik.de dann wissen wir wenigstens, wovon Sie sprechen.
Gruß
jnm)
Wir lieben und wissen nichts: gekonnter Mainstream
Ja, es ist gefällig, nichts Neues unter der Sonne, vielleich das ein oder andere Regie-Mätzchen zu viel etc. ppp....dennoch: eine Aufführung aus einem Guß, witzig, melancholisch und mit überschäumender Spielfreude der Hauptdarsteller. Gekonnter Mainstream und unbedingt sehenswert.
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