Versuchslabor der Machtpsychologie

von Jens Fischer

Lübeck, 26. Januar 2013. Macht macht mächtig ohnmächtig – gegenüber dem, was einen sonst noch so antreibt im Leben. Hat man sie erst einmal am Schlafittchen gepackt, will man sie auch festhalten und am besten noch Extraportion ergaunern. Dabei macht Macht mächtig mobil – fördert Manipulationstaktiken, Heuchelarien, Selbstinszenierungsshows. Um den Beifall der anderen buhlen. Politik halt. Wie gerade bei der Landtagswahl in Niedersachsen, der 2013 noch die in Bayern und Hessen folgen, im Mai ist Kommunalwahl in Schleswig-Holstein, im September Bundestagswahl. Für das Theater Lübeck Anlässe genug, "Träume, Visionen und das Gift der Politik" als Spielplanmotto auszurufen. Mit "Hamlet" ging's los, nun folgte Schillers "Maria Stuart".

Maskeraden der Macht

Katholische Sinnenlust und anglikanischer Puritanismus tragen den Kulturkampf zweier Religionen als Zickenkrieg am Männerhof aus – das wird als brandaktueller Politkrimi angekündigt. Zwei in Neid verstrickte Herrscherinnen zeigt der Schauspielchef Pit Holzwarth, die eine hat Macht, die andere will Macht. Dieses Streben bestimmt alle persönlichen Verhältnisse: ein Lehrstück über Politik ohne jede Moral.

maria stuar 560 thorstenwulff uIngrid Noemi Stein ist Maria Stuart ...  © Thorsten Wulff

Ganz in Weiß und geziert majestätisch betritt Maria die Bühne, lässig empört über ihre Inhaftierung. Mit hochmütiger Eleganz nutzt sie Gesten der Macht als Anker ihres Selbstbewusstseins. Aber immer wieder schlägt ihr Naturell durch: tanzt und hüpft mädchenkeck herum, macht görengarstig Aggressionsalarm, dann verdreht sie die Augen und reißt sie zaubergroß auf zur Männerverführung, ist das junge Mädchen, das mit einer Königin scheinbar nichts weiter zu tun hat, außer dass es sie spielt. Fremde Körper packt die Erotomanin auch gern mal genussvoll an – und gierig kosten ihre Lippen an anderen.

Auch die spröde Elisabeth gibt solchen Antrieben nach. Wenn aber Hofschranzen auftauchen, nehmen die Herrscherinnen harsch Haltung an, versuchen mitleidlos ihre innere Leere mit vorgetäuschter Stärke zu übertünchen. Am Ende, wenn Elisabeth mit aller Macht alle Macht gewonnen hat, verstrickt sich Maria in ein pathetisch-ironisch-groteskes Büßerinnenspiel mit Dornenkorne. Elisabeth bleibt von Gott und Liebe verlassen als einsame Regentin allein zurück, soll weiter funktionieren im Politräderwerk: Maskenbildnerinnen schlendern auf die Bühne und schminken ihr eine Totenmaske.

maria stuart 280h thorstenwulff u... Jan Byl ist Elisabeth (hinten) und Astrid Färber als Leicester © Thorsten WulffAm Bühnenrand stehen zudem Schminktische, an denen sich die Darsteller stets für die neuen Maskeraden der Macht zurechtmachen: Mit Verstellung arbeiten alle. Politik ist Schauspiel. Das inszeniert Holzwarth ganz im Sinne Schillers. Und in feiner Optik: schwarz gerahmtes Bühnenbild, mit gelbem Wüstensand grundiert, darauf eine weiße Spielschräge als Versuchslabor der Machtpsychologie. Dass sich Figuren des Maria-Netzwerkes durch weiße Textilien ausweisen, Elisabethaner schwarz auftragen, vereinfacht dem Publikum die Orientierung im Intrigengewirr.

Transsexuelles Durcheinander

Für Verwirrung sorgt hingegen die Besetzung. Zwei Frauen unterschiedlicher Neigung und Ausstrahlung rivalisieren um Männergunst und physische Vorherrschaft, ein schwesterliches Aufeinanderzu und Gegeneinanderlos, vereint gegen Klischees von Weiblichkeit. Elisabeth sagt, sie regiere "wie ein Mann", "zur Frau macht mich mein Herz". Sie weiß, als Regentin erwartet das Volk von ihr Nachsicht und Begnadigung Marias, sie aber unterschreibt das Todesurteil, möchte "entweibt" sein, "unbemannt" sterben.

Daher trennt Holzwarth Königs- und Geschlechterrolle. Elisabeth wird von Jan Byl, die Maria von Ingrid Noemi Stein gespielt, auch der Leicester ist weiblich besetzt. Aber nur ein homo-, hetero-, transsexuelles Durcheinander ist die putzige Folge – wie in der Lübecker "Rocky Horror Show". Dieses und weitere überflüssige Regieeinfälle (Aufsetzen von Tiermasken, Beziehungssituation tanzen statt spielen, Stroboskoplichtgewitter ...) verweigern dem Klassiker das Genre Sprechoper. Auch wird die Wortpartitur mit Modernismen wie "alternativlos" und "Ich scheiß dich so mit Geld zu" albern aufgemotzt. Zudem unterspielt das Ensemble den Text vielfach. Es braust nicht, es pulst nicht – kühl glänzt eine kunstfertige Beweisführung, dass die ewig gängigen Techniken des Machtgewinns und -erhalts kriminell sind und Persönlichkeit zerstören.

Aber eine eindeutige Siegerin an diesem Abend haben. Wer nutzt seine Intelligenz rücksichtsloser, wer trägt die beste Maske, wer ist die größte Virtuosin des Scheins? Astrid Färbers Leicester! Als einzige Figur hat sie durchweg faszinierende Präsenz, macht Macht mächtig interessant.

 

Maria Stuart
Ein Trauerspiel von Friedrich Schiller
Inszenierung: Pit Holzwarth, Ausstattung: Werner Brenner, Musik: Achim Gieseler, Choreographie: Christine Stehno, Dramaturgie: Peter Helling.
Mit: Ingrid Noemi Stein, Jan Byl, Astrid Färber, Peter Grünig, Henning Sembritzki, Sven Simon, Will Workman, Philipp Romann
Aufführungsdauer: 3 Stunde, eine Pause

www.theaterluebeck.de

 

 

Die Kritikenrundschau hat der Leser Arkadij Zarthäuser angefertigt:

Michael Berger kommt in der Lübecker Nachrichten (29.1.2013) in seiner Premierenkritik, die mit
"Geschlechterkampf zwischen Frauen" überschrieben ist, zu dem Ergebnis: "In Schillers
'Maria Stuart' gibt es eine Siegerin: die Schauspielerin Ingrid Noemi Stein." Dieses Ergebnis wendet er gegen die erklärte Absicht des Regisseurs Pit Holzwarth, beiden Hauptfiguren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: "Das ist ihm nicht gelungen", schreibt Berger. Jan Byl seien von vornherein die schlechteren Karten zugeteilt, und Ingrid Noemi Steins Auftreten tut dann in ungefähr ein Übriges. Zu diesem Auftreten schreibt Berger: "Diese Königin von Schottland ist zwar eine Gefangene der englischen Königin Elisabeth, (...) aber ihr klar artikulierter Tonfall und ihr hochmütiges Auftreten signalisieren: Diese Frau fürchtet ihre Widersacherin nicht,
sie steht über den Dingen." Berger sieht zudem die Kernhandlung des Stückes zunehmend in den Hintergrund treten, schreibt aber auch von einem "begeisterten Premierenpublikum".

Auch Sabine Spatzek kommt in der Kieler Nachrichten (28.1.2013) letztlich zu einem abschlägigen Urteil des Abends. In ihrer Premierenkritik, die mit "Experiment Geschlechtertausch" übertitelt ist und mehr dem Bild von der Laboratoriumssituation nachspürt, schreibt sie als Fazit: "Interessantes Experiment- leider gescheitert." Vor allem strauchele die Inszenierung an inhaltlichen Ungereimtheiten, die sich aus dem Geschlechtertausch ergeben. Daß Leicester Elisabeths Eitelkeit als Frau anstachele, damit sie Maria trifft und den 'Sieg der Schönheit' über ihre Konkurrentin davonträgt, entbehre hier "jeder Logik". Auch "Elisabeths Dilemma, die Erwartungen an sie als Frau und Herrscherin nicht zugleich erfüllen zu können, ist mit einer androgyn angelegten Figur die Grundlage genommen." Auch hatte Frau Spatzek Mühe, der einen oder anderen Szene noch mit Ernst entgegenzutreten: "Als Zuschauer allerdings darf man sich fragen, warum man etwa einen Pas de Deux der Königinnen in Unterkleidern, der wie eine Parodie auf Mary Wigman aussieht, ernst nehmen soll." So sah sie letztlich ein "zwiespältiges Ergebnis", das dennoch durch das Premierenpublikum mit lautstarker Zustimmung aufgenommen worden sei.

Kritikerin und Kritiker loben beide ausdrücklich Philipp Romann für die "Todes-Befehl-Übernahmeszene" gen Ende des Stückes.


 

Kommentare  
Maria Stuart, Lübeck: im Setzkasten
Ja, muß leider dem Nachtkritiker hier größtenteils zustimmen: am Ende bleibt vielleicht nicht viel mehr, als sich selbst der "Verwertungslogik" politischer Systeme, die hier notwendig in Richtung "Deformation des Menschen/Menschlichen" gedeutet wird
(siehe Stückbeilage) und doch wohl kritisch aufgezeigt werden soll, zu unterwerfen, um eine "Siegerin", einen "Sieger" auszurufen. Ich muß allerdings sagen, daß Frau Färber (Leicester) in Henning Sembritzki einen beherzt aufspielenden Burleigh zum Widerpart hatte, der mindestens auf Augenhöhe agierte. Ansonsten gerät die Inszenierung mit zunehmender Dauer zäh; es ist leider in Lübeck häufiger zu beobachten, wie eine Regie ganz offenbar so verliebt in ihre Einfälle ist, daß es zugeht wie im Setzkasten. Solange die Figuren noch "gesetzt" werden, ist das nicht reizlos, aber dann findet keine spürbare Entwicklung mehr statt; gerade diese aber ist bei "Maria Stuart" so gespenstisch. Wie ungleich lebendiger und bewegender geriet das Dariush Yazdkhasti in der vergangenen Kieler Spielzeit ! Was für ein Unterschied gerade bei der Mortimer-Figur: Felix Zimmer brillierte geradezu, Will Workman war nicht mehr als ne Knallcharge dagegen (und kann doch viel mehr).
Gerade das "Transsexuelle" wird so kühl behandelt und so willkürlich, auch das ist ja ein "Lübecker Thema" und wurde sowohl bei "Yerma" als auch bei "Alles über meine Mutter" viel wirkungsvoller aufgegriffen als im Zuge der Aufbietung eines an Nosferatu gemahnenden "Zwillingspärchens" (England als Transsilvanien der In- und Notzucht ? Was heißt das, daß die gewählte Konstellation mehr "erotisieren" soll ?? Ist nicht gerade das ein fatales Bestätigen dumpfer Vorurteile ???), daß nur Verwirrung darüber bleibt. Nachtkritik hätte besser die "Winterreisen"-Premiere von vor acht Tagen besprochen: ein fein gearbeiteter Abend an den Kammerspielen !
Nein, kein Vorwurf, ein Einwurf nur; wer auf die Häufigkeit der Besprechung von Werken abhebt, wird letztlich feststellen, daß "Winterreise" mit am häufigsten besprochen wurde auf nachtkritik de. Lübeck ist nur schon auch eine Theaterreise wert; es geht nicht immer wie im Setzkasten zu, wenn aber, dann gehörig und mit dem Holzhammer der Bedeutungsschwangerheit wie gestern : ein plakativer, für mein Gefühl etwas schmieriger Expressionismus. Daß dann aber der Abend nicht vollends ins Ärgerliche kippt, liegt letztlich dann doch wohl an der Qualität dessen, was von der Sprechoper übrig geblieben ist, und gesprochen wurde zumeist wirklich auf eindrucksvollem Niveau..
Maria Stuart, Lübeck: hat nichts mit Travestie zu tun
War ich in einem anderen Stück?
Lübeck – Samstag abend 19:30 – Maria Stuart.
Ich sah ein gut durchdachtes Konzept, eine großartigen Regie und ein starkes Schauspielensemble aus dem Ingrid Noemi Stein und Jan Byl hervorstachen . Der Geschlechtertausch rückt das Stück feingezeichnet in ein Jetzt, das alle Rollenklischees auf den Kopf stellt. In der Inszenierung geht es um mehr als um weibliche und männliche Zuschreibungen. Es geht um die Erfindung eines neuen Wesens, das durch die Macht kreiert wird. Mit Travestie hat das nichts zu tun. Zur Erinnerung – der Premierenapplaus war frenetisch.
Maria Stuart, Lübeck: einfallsreiche Regiearbeit
Als ältere Theaterbesucherin habe ich schon einige Maria Stuart Aufführungen gesehen,aber noch nie eine so interessante Umsetzung.Pit Holzwarths Idee des Geschlechtertausches bei der Rolle Elisabeths und Leicesters erwies sich als ungemein interessanter Regieeinfall. Nicht zwei rivalisierende Frauen stehen hier im Vordergrund,sondern die unmenschliche Ausübung von Macht und Intrigen.
Meine Tochter, die sich mit Schillers Maria Stuart vor einigen Jahren im Leistungskurs Deutsch beschäftigt hat,sagte, sie habe das Stück erst jetzt richtig verstanden.
Kurz: Eine einfallsreiche Regiearbeit, tolle Schauspieler,ein beeindruckendes Bühnenbild sowie stimmige Musik und Soundeffekte.
Das Premierenpublikum zeigte seine Begeisterung mit stürmischem Applaus.
Helga Peters
Maria Stuart, Lübeck: aus der Retorte
@ 2

Frenetisch ? Lübeck- Samstag abend gegen 22 : 30 Uhr- Maria Stuart ??
Also, im Parkett mag das anders rübergekommen sein, aber im zweiten Rang kann allerhöchstens von einem freundlichen Applaus die Rede sein, gut, es gab zwei, drei
"Bravo"-Rufe, aber das Gesamtbild war eher ernüchternd.
Und daß die Macht hier viel zu kreieren hatte, kann ich für meine Sicht auf die Dinge nicht bestätigen: das Zwillingswesen kam schon aus der Retorte, von Beginn an, und welch Fingerzeig: Katholisch, Evangelisch, egal, Macht mendelt das schon so nosferatu-like hin wie Herr Holzwarth sich das so vorgestellt hat, basta; danach bewegen sich die Figuren eher im Korsett dieser Vorstellung als zwangsläufig, der Tragödie gemäß, an den deformierenden Fäden der Macht, die ja auch fraglich gemacht werden könnten oder in der Schwebe gehalten: schließlich gibt es landläufig auch eine starke Strömung, daß Macht sexy macht, daß die Mächtige, der Mächtige heute einen Vorsprung genießt, der Sie oder Ihn länger schön und gesund sein läßt und die privilegierten Kinder- und Kindeskinder gleich mit; die Regie schafft es nicht annährend, diesem hiesigen und heutigen Befund Rechnung zu tragen, noch etwas von der Notwendigkeit jener "Retorte" aufzuzeigen, die man sich vorgestellt hat: nein, nicht mal das. Stattdessen Rehe und Bären , und wir sollen dabei an "Kommunion" denken, stattdessen der chargierende Mortimer und eine Ingrid Noemi Stein, ein paar Arien in Überlautstärke für den Bildungsbürger, der ein wenig seinem Privileg genußvoll ? nachspüren darf, eine Ingrid Noemi Stein, die wirkt, als wolle sie aus der Ferne Constanze Becker im Medea-Stile Konkurrenz machen, ein Jan Byl, der durch das Rollenkorsett von Beginn an eher Mitleid erweckt. Die Kieler Maria Stuart war da ohne jegliche Kreation eines ach so neuen Wesens bei weitem spannungs- und emotionsgeladener..
Maria Stuart, Lübeck: Macht deformiert
Lieber Arkadij, da waren wir mal gemeinsam in einer Vorstellung...
Wir haben ähnliches gesehen, aber nicht gleiches.
Mich hat die Entscheidung Elisabeth mit einem Mann zu besetzen durchaus überzeugt, denn dadurch ist etwas seltenes gelungen: Die beiden Hauptfiguren wurden so gleichwertig, wie es das Stück wohl auch intendiert. Dem üblichen "Fehler" vieler Regisseure, sich für die Haltung einer der beiden zu entscheiden, ist Holzwarth so entgangen. Keine der beiden wurde zum Vorbild für was auch immer, beide waren gleich fehlerhaft. Also, das findet meine Zustimmung, auch wenn die Inszenierung durch das gleichberechtigte Nebeneinander von Elisabeth und Maria im Ungefähren bleibt, und es eben keinen klaren Identifikationspunkt für die Zuschauer gibt. Am Ende steht wohl die Essenz: Macht deformiert. Vielleicht ist das zu wenig.
Trotzdem eine beachtenswerte Inszenierung. Allerdings mit ganz großen Abstrichen, wegen des schlimmen chargierenden Spiels eigentlich aller anderen ... gerade mit der hervorgehobenen Astrid Färber hatte ich so meine argen Probleme ... wie erholsam dagegen das durchlässige und selbstverständliche Spiel von Jan Byl. Aber hier wird es wohl geschmäcklerisch.

Und ich möchte noch eine Korrektur anbringen. Die "paar Arien in Überlautstärke für den Bildungsbürger" haben mich sehr erfreut, denn als ich die Musik erkannte, dachte ich: Das kann dem "Bildungsbürger" aber jetzt nicht gefallen. Es war nämlich Klaus Nomis durchaus verstörende Interpretation von Purcells "Cold Song" ... Und im Parkett wars noch nicht mal laut.
Maria Stuart, Leipzig: Elisabeths androgyner Mythos
Also, das finde ich aber jetzt schon geradezu inflationär. In jeder zweiten Inszenierung zurzeit bibbert sich irgendjemand durch Purcells "Cold Genius". Auch wenn es Klaus Nomi persönlich ist. Und außerdem, dieses sogenannte transsexuelle Durcheinander ist in der Virginia-Woolf-Verfilmung von "Orlando" schon Anfang der 1990er diskutiert worden. In den Rollen: Tilda Swinton als Orlando und Quentin Crisp als Elisabeth I. Nur, was hat das alles mit Schillers Drama um Intrigen und Macht zu tun? Es wird ein neues Wesen der Macht kreiert? Königin Elisabeth hat sich selbst als einen unnahbaren, durchaus bewusst androgynen Mythos kreiert. Aber auch da ist bekannt warum. Vielleicht sollte man das mal thematisieren, anstatt sie gleich ganz als Mann oder Transsexuellen zu sehen, auch wenn das nur eine Regieinterpretation ist.
Maria Stuart, Lübeck: verfehlte Intention
@ 5

Habe mich zwar sehr über Ihre differente Sicht des Abends gefreut,
sehe aber gerade das von Ihnen erwähnte gleichberechtigte Nebeneinander nicht. Ich sehe es eher so wie Michael Berger in der heutigen LN-Kritik, daß gerade dieses von der Regie intendierte Gerechtwerden gegenüber beiden Seiten verfehlt wird. Ganz ähnlich wertet Sabine Spatzek in der KN vom 28.1. den Abend. Der Applaus jedoch wird durchaus stärker gewürdigt als ich es im "kühleren" Rang empfunden habe. Der Regisseur kam ja auch nicht auf die Bühne als er gerufen wurde, nicht sogleich jedenfalls, ich bin ziemlich schnell aus dem Haus wegen des Zuges nach Kiel. Ich hoffe, es war nicht der letzte quasi gemeinsame Abend ! lg aus Kiel
post scriptum: Ich hoffe, nk verlinkt noch die KN - und die LN-
Kritik, die den Blick auf weitere Gesichtspunkte werfen..
Maria Stuart, Lübeck: Funeral of Queen Mary
Zusatz:
Fehlte fast nur noch "Funeral of Queen Mary" (ebenfalls Purcell und bekannt aus "Clockwork Orange"), dirigiert von Burleigh, seinen "ewigen" Dirigentenstab nutzend, mal nicht als Stechwerkzeug oder Schlagstock.
Maria Stuart, Lübeck: Blick in die Presse
Zum erwähnten "Pressespiegel":

a) LN

Michael Berger kommt in der Lübecker Nachrichten vom Dienstag, den 29.1.2013, in seiner Premierenkritik, die mit
"Geschlechterkampf zwischen Frauen" überschrieben ist, zu dem Ergebnis: "In Schillers
"Maria Stuart" am Theater Lübeck gibt es eine Siegerin: die Schauspielerin Ingrid Noemi Stein." Dieses Ergebnis wendet er gegen die erklärte Absicht des Regisseurs Pit Holzwarth, beiden Hauptfiguren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: "Das ist ihm nicht gelungen", schreibt Berger. Jan Byl seien von vornherein die schlechteren Karten zugeteilt, und Ingrid Noemi Steins Auftreten tut dann in ungefähr ein Übriges
(Berger schreibt zwar nicht "An die Wand spielen", aber gerade die entscheidende Dialogszene könnte auch einen solchen Befund meineserachtens tragen, AZ). Zu diesem Auftreten schreibt Berger: "Diese Königin von Schottland ist zwar eine Gefangene der englischen Königin Elisabeth, sie gilt als Mörderin, aber ihr klar artikulierter Tonfall (siehe meine Constanze Becker-Anmutung, AZ) und ihr hochmütiges Auftreten signalisieren: Diese Frau fürchtet ihre Widersacherin nicht, sie steht über den Dingen." (Durchgehend !, AZ) Berger sieht zudem die Kernhandlung des Stückes zunehmend in den Hintergrund treten, schreibt aber auch von einem "begeisterten Premierenpublikum".

b) KN

Auch Sabine Spatzek kommt in der Kieler Nachrichten vom Montag, den 28.1.2013,
letztlich zu einem abschlägigen Urteil des Abends. In ihrer Premierenkritik, die mit
"Experiment Geschlechtertausch" übertitelt ist und mehr dem Bild von der Laboratoriumssituation nachspürt, schreibt sie als Fazit: "Interessantes Experiment - leider gescheitert." Vor allem strauchele die Inszenierung an inhaltlichen Ungereimtheiten, die sich aus dem Geschlechtertausch ergeben. Spatzek: "Daß beispielsweise Leicester Elisabeths Eitelkeit als Frau anstachelt, damit sie Maria trifft und den "Sieg der Schönheit" über ihre Konkurrentin davonträgt, entbehrt hier jeder Logik. Auch Elisabeths Dilemma, die Erwartungen an sie als Frau und Herrscherin nicht zugleich erfüllen zu können, ist mit einer androgyn angelegten Figur die Grundlage genommen." Auch hatte Frau Spatzek (mir ging es ähnlich, AZ) Mühe, der einen oder anderen Szene noch mit Ernst entgegenzutreten: "Als Zuschauer allerdings darf man sich fragen, warum man etwa einen Pas de Deux der Königinnen in Unterkleidern, der wie eine Parodie auf Mary Wigman aussieht, ernst nehmen soll."
So sah sie (wie ich, AZ) letztlich ein "zwiespältiges Ergebnis" im Großen Haus, das dennoch durch das Premierenpublikum mit lautstarker Zustimmung aufgenommen worden sei.

Kritikerin und Kritiker loben beide ausdrücklich Philipp Romann für die "Todes-Befehl-Übernahmeszene" gen Ende des Stückes.

c) Premierenkurzmeldung in der shz durch "lub"

In einer Kurzmeldung zur Premiere (28.1.2013) in der shz wird die Inszenierung dagegen ausdrücklich gelobt. Der Kritiker sah einen "Psychothriller in 5 Akten", im Geschlechtertauschspiel einen "Kunstgriff, der gelingt- ein gelungenes Stück".

(Lieber AZ,
wir haben die Premierenkurzmeldung der shz.de nicht in die Kritikenrundschau aufgenommen, weil es sich um eine dpa-Meldung handelt. dpa schickt aber keine Theaterkritiker (so viel Standesbewusstsein muss sein), weshalb wir die Agentur in der Regel nicht mit abbilden in der Kritikenrundschau.
Das zur Erklärung.
Abendgruß
nm)
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