Presseschau von 31. Januar 2013 - Till Briegleb in der SZ wider die Ironie
Welt in Unterwäsche
31. Januar 2013. Anlässlich der Hamburger Premiere von Don Giovanni. Die letzte Party widmet sich Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung (31.1.2013) dem Mittel der Ironie.
Zwar könne Ironie im Prinzip eine herrlich entlarvende Methode gegen die Dummheit sein, so Briegleb in seiner Rezension von Antú Romero Nunes' Inszenierung. Allerdings diene Ironie auf der Bühne zunehmend nur noch dazu, "um sich selbst vom Stoff, den man spielt, zu distanzieren und möglichst jede Aussage oder inhaltliche Festlegung zu vermeiden". Je größer der Stoff, desto "schmalspuriger" und nervtötender gerate die Art der Distanzierung und der ironische Tonfall.
Letztendlich hänge auch der schleichende Bedeutungsverlust der darstellenden Künste mit dieser dauernden "Verdünnung mit Ironie" zusammen, im Falle von "Don Giovanni" führe sie gar zu einem "Paradebeispiel der totalen Stoffverflachung".
Heraus komme eine absichtslose Unterhaltung, die alles so lange ironisiert, bis nur noch Lächerliches übrig bleibt. Solches Theater sei "wie eine Welt, in der alle immer in Unterwäsche herumlaufen: Jede Handlung, egal welche Schwere sie eigentlich besitzt, wirkt plötzlich ordinär." Das erste Opfer dieser ziellosen Ironie sei ausgerechnet "jene Lebenshaltung, für die sie mal als Ausweis galt: der gute Humor".
(mw)
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Oder von Einfalt! Es gibt einflussreiche Menschen an deutschsprachigen Theatern, die behaupten, man könne Kunst nur noch aus der ironischen Distanz heraus machen..wie traurig das doch ist!! Wie klein..wie peinlich
angefaßt hat ! Inszenierungen, in denen sich ganz und gar coole Regisseure geradezu in Stefan-Raab-Manier über ihre Stoffe her-
machen, zielend auf den Ausruf im Feuilleton "Wie herrlich respektlos, welch Chuzpe !!", um dann in ihrer Werkbiographie zB. auch einen "Alttestamentarischen Stoff" nachweisen zu können, sind nicht selten und ja:MODE.
Andererseits hätte beispielsweise, um mein jüngstes Beispielsdatum zu nennen, die "Maria Stuart" in Lübeck, der man geradezu eine Angst anmerkt, bloß nicht komisch wirken zu dürfen, die dann leider zuweilen zum gegenteiligen Ergebnis führt, sehr gut einen Schuß "Ironie" verkraftet: gerade gegen die Gefahr des Setzkastens gesetzt, gegen eine andere Mode: zB. auf Klaus Nomis "Cold Song" zu setzen. Es wäre da schon schön ironisch gewesen, beispielsweise Elisabeth gegenüber Maria mit einem anderen Nomi-Song entgegentreten zu lassen: "Simple Man", um dann später, in ganz anderer Konstellation Davison wiederum mit diesem Song gegenüber seiner Königin, Elisabeth, antreten zu lassen. Er wäre in der Songwahl ganz Gefolgsmann und doch würde der Song in beiden Fällen etwas ganz grundlegend Anderes bedeuten. Es kann auch für den "Simple Man" Zuschauer eine ganz fröhliche Freizeitbeschäftigung werden, das Zuviel oder Zuwenig einer Inszenierung für sich selbst in seinem Folgeleben ein wenig auszugleichen..
"Es beruhte zwar alles auf Ausbeutung von irgendwem, und wenn es die Dienstboten waren, das drang aber gar nicht ins Bewußtsein. Denn in dem Moment, wo es ins Bewußtsein tritt, daß da etwas nicht in Ordnung ist, muß man sich dazu verhalten. Und da man sich nicht daraus lösen kann, wird man ironisch. Das macht sich dann über sich selbst lustig, über das Neue und das Alte. Ironie von Thomas Mann ist in diesem Sinn Flucht vor politischen Einsichten oder Schlußfolgerungen. Es ist das Gegenteil der tragischen Ironie des Sophokles. Diese ist eine Einsicht in die Abgründigkeit von Politik und Geschichte. Diese Einsicht in die Abgründigkeit der menschlichen Existenz ist in der Oper ein ganz starkes Element: Unter dem Gesang ist der Tod, ist die Leere, und nur daraus kommt der Glanz."
Und bei Nunes?: "Ich versuch' gerade, sexy auszusehen." Nichts ausser der Glanz der Oberfläche?