Katholizismus mit Kürbissen

von Leopold Lippert

Wien, 14. Februar 2013. Dass Religion und Theater noch nie allzu weit voneinander entfernt waren, ist bekannt. Und dass in Wien eh nur Leute vom Land leben, bei denen die katholische Erziehung und der Gebirgstaldialekt immer ein bisschen zu viel durchschimmern, weiß auch jeder. Und doch reichen diese Erkenntnisse den fünf Rabtaldirndln, ein Performerinnenkollektiv aus dem (fiktiven!) gleichnamigen steirischen Tal, um darauf ihren "Einkehrtag" im Brut Wien aufzubauen.

In dem theatralen In-Sich-Gehen "Schwarze Wolle" inszeniert Regisseur Ed. Hauswirth eine Suche nach den Ritualen, die man auch dann noch mit sich herumträgt, wenn der Katholizismus sich längst schon verflüchtigt hat. Ausgestattet mit schwarzen Wollhosen, die "wie das Katholische am Körper" haften, laden die Rabtaldirndln zu einer Auseinandersetzung mit der nur scheinbar zurückgelassenen Vergangenheit irgendwo im ländlichen Restösterreich, als es noch Postbusse gab und die Erstkommunion der schönste Tag im Leben war.

Mit Plastikpistolen auf Milchtüten

Stellen Sie sich also vor: Sie finden einen Brief im "Bostkastl", eine Einladung ins Rabtal samt Busfahrkarte. Sie wurden ausgewählt, weil sie "ins Profil passen", also leicht öko-angehauchter Bobo-Städter mit Kindheit im strenggläubigen Alpenland sind. Und so landen Sie an der Schenke der Rabtaldirndln (Barbara Carli, Rosi Degen, Bea Darmond, Gudrun Maier und Gerda Strobl), wo Sie zu allererst eine PowerPoint-Präsentation mit genauen Verhaltensanweisungen über sich ergehen lassen müssen: Richtige Rituale haben schließlich immer etwas Zwanghaftes, also jede Menge Regeln.

Es folgt ein vergnügliches Sammelsurium aus ironischer Alpenfolklore mit putzigem Hündchen mittendrin: Zum Einstieg arrangieren sich die Dirndln blind zu einem gordischen Körperknoten, um "das Kollektiv zu überprüfen"; danach schießen sie mit Plastikpistolen auf Milchtüten, singen Lieder an der Gitarre, schauen alte Erstkommunionsfotos an und küren den batteriebetriebenen Plüschhund, weiß mit rosa Kabel, zum besten Geschenk. Zwischendurch gibt es knifflige theologische Fragen zur intellektuellen Erbauung ("Kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn selber nicht heben kann?") sowie das "Endurance Pumpkin Holding", bei dem ein besonders schweres Exemplar des steirischen Landesheiligtums Kürbis möglichst lange über dem Kopf hochgehalten werden muss.

schwarzewolle1 560 florianrainer uVolkstheater für linksintellektuelle Großstadtbewohner © Florian Rainer

Esoterik-Feminismus plus Haudrauf-Nostalgie

Nach einem lustvollen Plädoyer für den weichen Männerschwanz und dem rituellen Mit-Speckschwarte-Einreiben kommt es schließlich zur reinigenden Austreibung, wobei unklar bleibt, wer oder was hier eigentlich ausgetrieben wird. Die Sequenz ist jedenfalls spektakulär: Eines der Dirndln steckt den Kopf unter Wasser, während die anderen einen Stabreim kreischen. Ganze fünf Wiederholungen hält die Performerin durch.

Die sechzigminütige Mischung aus Esoterik-Feminismus und Haudrauf-Nostalgie ist durchwegs komisch und konsequent belanglos. Mit schweißtreibendem Körpereinsatz erfinden die Rabtaldirndln mit "Schwarze Wolle" eine Art Volkstheater für linksintellektuelle Großstadtbewohner, die ihre ländliche Herkunft immer noch mit sich rumtragen. Dass eine narrative Entwicklung oder ein dramatischer Spannungsbogen in diesem Stadt-Land-Fluss-Spektakel ausbleiben, wird dabei in Kauf genommen. In der Logik der Rabtaldirndln lässt sich das ganze Leben ohnehin in den sogenannten "Zehner" verpacken, der es sogar auf den Programmzettel geschafft hat: "gsegn, gschärft, gsoffn, gschmust, gspiebn, gfickt, gfoppt, droschn, gschiedn, gstorbn". Manchmal kann es auch so einfach sein.

 

Schwarze Wolle – Exerzitien mit den Rabtaldirndln (UA)
Konzept: Die Rabtaldirndln, Ed. Hauswirth, Georg Klüver-Pfandtner, Regie: Ed. Hauswirth, Dramaturgie: Georg Klüver-Pfandtner, Video: Ulrich A. Reiterer, Musikalisches Arrangement: Andreas Semlitsch.
Mit: Barbara Carli, Rosi Degen, Bea Dermond, Gudrun Maier, Gerda Strobl.
Dauer: 1 Stunde

www.brut-wien.at
www.dierabtaldirndln.wordpress.com

 

Andere Nachtkritiken zu den Rabtaldirndln: Berge versetzen beim Münchner Transport-Festival (Juni 2011) und Aufplatzen beim Festival Impulse (Juli 2011).

 

Kritikenrundschau

"Wie soll man noch würdevoll geboren werden, altern und sterben?" Um solchen Fragen nachzugehen hätten die Rabtaldirndln einen "Einkehrtag" eingerichtet, schreibt Roman Gerold in Der Standard (16.2.2013). "Sie haben diese "Zurichtung" der katholischen Kirche entlehnt, die ihr wichtigster Anhaltspunkt für die Suche nach einer neuen Religion ist." Die fünf Grazerinnen bauten auf jene Schwarze Wolle, die gemäß einem verbreiteten Klischee jedem Steirer unablöslich am Körper klebt. "In schwarzen Strumpfhosen kratzen sie sich einen neuen Glauben zusammen." Der Abend sei ein Sammelsurium kluger Miniaturen. Fazit: "Diese Art der Kulturkritik ist nicht neu, aber auch immer noch nicht unzeitgemäß."

 

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