"Bitte berichten Sie, was hier geschieht!"

von Esther Slevogt

Budapest, im März 2013. Es war nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet am 15. März, dem Nationalfeiertag, an dem Ungarn seit der Jahrtausendwende der gescheiterten Revolution von 1848/49 gegen die habsburgische Fremdherrschaft gedenkt, mancherorts Panzer eingesetzt werden mussten, um die plötzlich auf das Land niedergegangenen Schneemassen zu bekämpfen. Panzer hatten bekanntlich 1956 einer anderen ungarischen Revolution den Garaus gemacht. Angesichts des zutiefst gespaltenen Landes drängten sich bei diesen Bildern auch Bürgerkriegsassoziationen auf, obwohl es vorerst nur das Schneechaos war, dem hier zu Leibe gerückt wurde.

Doch wie um noch den letzten Zweiflern zu bestätigen, dass kein böser Traum, sondern finsterste Wirklichkeit ist, was sich hier seit dem Wahlsieg der rechtsnationalen Fidesz-Partei im April 2010 inmitten Europas abspielt, wurden am Nationalfeiertag drei bekennende Rechtsradikale mit hohen nationale Auszeichnungen bedacht: János Petrás erhielt ein Verdienstkreuz – Petrás ist Sänger und Bassist der bekanntesten Band der ungarischen Rechtsrockszene Kárpátia, die auch Urheber des Marsches der rechtsextremen paramilitärischen "Ungarischen Garde" (Magyar Gárda) ist, welche sich mit Auftritten im Stil der ungarischen Nazis (Pfeilkreuzlern) und Hetzliedern gegen Minderheiten hervortut. Ein weiteres Verdienstkreuz ging an den rechten Archäologen Kornél Bakay, der sein Fach immer wieder zur Untermauerung kruder Geschichtsklitterung und für antisemitische Ausfälle missbraucht.

3 ungarischesnationaltheaterbudapest 560 juditpuska uKunst der Allegorie: im Park des Ungarischen Nationaltheaters in Budapest  © Judit Puska

Ein Staatspreis für einen Antisemiten

Die hochkarätigste Auszeichnung erhielt mit dem Mihály-Táncsics-Preisder Fernsehmoderator Ferenc Szaniszló. Szanisló ist berüchtigt für rassistische Hetze zur Primetime im regierungsnahen Sender Echo TV. Eine Moderation, in der er mit der phonetischen Nähe der ungarischen Bezeichnungen für Antisemitismus und "Anti-Müll" ein geschmackloses Wortspiel im Stil von Radio Ruanda betrieb ("Wir werden unsere Heimat vom Müll säubern") hatte ihm 2011 nach einer Anzeige durch Bürgerrecht-NGOs noch eine Geldstrafe von 500.000 Forint eingebracht. Nun also einen Staatspreis. Der Namensgeber des Preises, Mihály Tancsics (1799–1884), war ein ungarischer Politiker und Journalist, der aufgrund seiner radikal für ein freies Ungarn eintretenden Schriften 1846 von den Habsburgern inhaftiert und am 15. März 1848, also just am Tag des Ausbruchs der Revolution gegen die Habsburger, von ungarischen Revolutionären aus der Haft befreit wurde. Der Nationalfeiertag vom 15. März wird in Ungarn heute auch als "Tag der Pressefreiheit" begangen, deren Fundament von der Orbán-Regierung allerdings inzwischen massiv ausgehöhlt worden ist.

Nachdem nicht nur frühere Preisträger ihre Auszeichnungen zurückgaben, sondern selbst der zuständige Minister Zoltán Balog sich von dem durch eine Jury gekürten Preisträger distanziert und ihn zur Rückgabe des Preises aufgefordert hatte, trat Szanisló am vergangenen Mittwoch zurück: "Ich kann nicht zulassen, dass Ungarn mit diesen infamen Begründungen gewürgt wird", teilte er mit und sprach von einer Verleumdungskampagne gegen seine Person. Dabei sind seine antisemitischen Ausfälle via YouTube für alle zugänglich (auf Ungarisch freilich). "Sollen sie doch alle feiern. Zum Preis der Erpressung meiner Nation – des Würgens unserer Heimat – brauche ich den Preis nicht."

* * *

"Bitte berichten Sie in Ihren Ländern darüber, was hier geschieht!" hatte in der zweiten Märzwoche der Regisseur Márton Gulyás, Produktionsleiter des international renommierten freien Budapester Theaters Krétakör um Arpád Schilling, einer etwa hundertköpfigen Gruppe von internationalen Theaterleuten und Journalisten zugerufen, die sich auf Einladung des ungarischen Verbands der Theaterkritiker in Budapest eingefunden hatte. "Ungarn wird in eine Diktatur verwandelt, und die Welt schaut zu."

4 disgrace 560 hungarianshowcase uDie Zivilisation als Beute: Szenenfoto aus "Disgrace / Schande" von Kornél Mundruczó
© Hungarian Showcase

Es waren die Tage kurz vor dem Putsch der Orbán-Regierung gegen das ungarische Verfassungsgericht, der letzten demokratischen Kontrollinstanz des zunehmend totalitär regierten Landes. Vom 2.-9. März hatte der ungarische Kritikerverband einen "Hungarian Showcase" organisiert: eine Tour, die durch die auf Grund massiver Eingriffe der Regierung radikal im Umbruch begriffene Budapester Theaterlandschaft führte – wo sich allerdings die Szene trotz des großen politischen Drucks sehr selbstbewusst und widerständig zeigte. Und wo es noch einmal das Theater zu sehen gab, für das Ungarn in den letzten zehn Jahren auch international gerühmt worden ist.

Gewalttätige Parabel, schockierend düsteres Panorama

Es waren Bilder einer moralisch korrumpierten, zerfallenden Gesellschaft, die verzweifelt nach Identität, Geschichte und Orientierung sucht, die fast alle Stücke gemeinsam hatten, die für den Showcase ausgesucht waren, fast alle in den letzten drei Jahren produziert. Bilder einer Gesellschaft, die sich in einer tiefen Identitätskrise befindet: und zwar mit höchst ungewissem Ausgang. So in Kornél Mundruczós (2012 in Koproduktion mit den Wiener Festwochen entstandener) Adaption von J.M. Coetzees berühmtem Roman "Schande", in dem das notwendige wie unausweichliche Ende der weißen Herrschaft in Südafrika mit einem atavistischen Fatalismus verknüpft, der Rückfall der (weiß-zivilisierten) Gesellschaft in die Barbarei als Ausweis historischer Gerechtigkeit beschrieben wird. Mundruczó hat den Stoff als ultragewalttätige Parabel auf ungarische Verhältnisse übersetzt, in denen der dünne demokratische Firnis der Jahre nach 1989 inzwischen rechtsnational aufgekratzt und die Gesellschaft deutlich radikalisiert und brutalisiert worden ist.

Darauf verweist auch die wachsende Pogromstimmung im Land gegen die ungarischen Sinti und Roma, die sich in den Jahren 2008 und 2009 schon einmal in brutalen Lynchmorden an Unschuldigen entlud. Diese Morde und die gleichgültige bis zustimmende Haltung der Öffentlichkeit diesen Taten gegenüber hat die Regisseurin Anna Lengyel zum Gegenstand ihrer dokumentarischen Theaterarbeit gemacht: "Word for Word", 2011 im Nationaltheater herausgekommen. Ein spröder und in seinen Befunden schockierender Abend, der auf der Basis von Textmaterial ein düsteres Gesellschaftspanorama entfaltet, das in unzähligen Interviews gesammelt oder aus offiziellen Medien-Statements gesampelt wurde.

Auch die antisemitischen Drohungen, die vor zehn Tagen gegen die Philosophin Agnes Heller und andere jüdische Professoren der Budapester Universität ausgesprochen wurden, lassen wenig Raum für Illusionen über den gegenwärtigen Zustand der ungarischen Gesellschaft, für den die im Kontext des Showcase gezeigten Arbeiten immer wieder drastische Bilder fanden. Manchem internationalen Festival-Gast war (wie auch schon der Wiener Kritik) besonders Mundruczós Inszenierung mit ihren Gewalt- und Vergewaltigungsexzessen zu brutal. Im Kontext der ungarischen Verhältnisse leuchtete ihre Schonungslosigkeit jedoch grundsätzlich ein.

7 zsoltnagy inpitbull 280h hungarianshowcase ujpgDubioser Prophet: Zsolt Nagy in "The Acts of the Pitbull" von Péter Kárpati © Hungarian Showcase Scheinheilige Erklärung des Ministeriums

Péter Kárpatis Inszenierung seines eigenen Stücks "The Acts of the Pitbull", 2011 für das Budapester Kunsthaus Trafó produziert, führt auch den privaten Raum als längst erodiert vor und spielt virtuos mit den totalitären Sehnsüchten, in die sich Menschen schnell flüchten. Ein merkwürdiger Mann, der ebenso gut Verbrecher wie Prophet sein könnte, klopft an fremde Wohnungstüren, erbittet Quartier und bringt in luzide geführten Dialogen in wenigen Minuten Familien- und Liebesbeziehungen sowie andere fragile Sozialkonstruktionen seiner Gastgeber zum Einsturz. Die Zuschauer sind inmitten der Szene platziert und können hautnah erleben, wie hier eine Figur mit minimalen Mitteln immer wieder sämtliche Gefüge aus den Angeln hebt. Auch die, die im Theater Szene und Publikum einander zuordnen. Denn immer wieder werden Zuschauer von Zsolt Nagy (der den merkwürdigen Fremden spielt und ursprünglich zum Ensemble von Arpád Schillings Krétakör-Theater gehört) aufgefordert, ihre Plätze zu wechseln.

Angesichts des fatalen Bildes, das die Arbeiten des Showcase von der ungarischen Gegenwart zeichneten, war es nicht verwunderlich, dass, kaum hatte das Festival begonnen, auf der Internetseite des ungarischen Kulturministeriums eine Erklärung erschien: Man sei "erfreut über das Interesse der internationalen Experten", müsse jedoch konstatieren, dass die Auswahl des Showcases mitnichten repräsentativ für das ungarische Theater sei. Daher würden die Experten gebeten, auf andere Informationsquellen zurückzugreifen. Selbstredend sei man beim Auftun dieser Quellen gerne behilflich. Selbstredend auch, dass sich der ungarische Kritikerverband zuvor vergeblich um Unterstützung des Festivals durch das Kulturministerium bemüht hatte. Eine nachtkritik.de-Anfrage, welche Theater denn vom ungarischen Kulturministerium als repräsentativ empfohlen würden, ist bis jetzt übrigens unbeantwortet geblieben.

1 martongulyasvonkretakor 280 juditpuska uPublikumsgespräch während des Showcase, stehend: Márton Gulyás © Judit PuskaDer Verband der ungarischen Theaterkritiker hatte im Winter 2010 zu den ersten Stimmen gehört, die kurz vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch den ungarischen Präsidenten Viktor Orbán international auf die massiven Einschnitte in die Freiheit der Kunst und der Medien durch die rechtspopulistische Regierung aufmerksam zu machen versuchten. Und auf die Kampagne gegen den Direktor des Nationaltheaters Róbert Alföldi, dem Homosexualität und eine jüdische Abstammung zum Vorwurf gemacht wurde. Und dass sein Theater pornografisch, obszön und antiungarisch sei. Inzwischen sind die Tage der Intendanz Alföldi gezählt, mit Attila Vidnyánszky ist ein regierungsnaher Nachfolger ernannt.

Ungarische Jagdszenen

Aus der Zeit, als die Kampagne gegen den populären wie erfolgreichen Alföldi an Fahrt aufzunehmen begann, stammt seine Inszenierung von Martin Sperrs Drama "Jagdszenen aus Niederbayern". 1966 uraufgeführt, entwirft das Stück das Porträt einer verrohten deutschen Dorfgemeinschaft in den ersten Jahren nach 1945, die Sperr als eine Gesellschaft von orientierungslosen Verlierern zeichnet, die nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus auf der Suche nach neuen Werten zu Bestien werden. Im Zentrum steht mit Abram ein Mann, der nach einer Gefängnisstrafe in sein Dorf zurückkehrt, zu der er wegen des Vorwurfs der Homosexualität verurteilt worden war.

5 jagdszeneninniederbayern 560 hungarianshowcase u"Jagdszenen aus Niederbayern": András Stohl (Abram) und Kátya Tompos (Tonka)
© Hungarian Showcase
In seiner Studioinszenierung, die im April 2010 (fast parallel zum Wahlsieg von Orbáns Fidesz-Partei) herauskam und zu den Highlights des Showcase-Programms gehörte, gelingt es Alföldi auf frappierende Weise, das Stück zu einer Parabel auf das postsozialistische Ungarn in seiner gegenwärtige Identitätskrise zu machen. Staatsschauspieler agieren mit einiger Lust als depravierte, abgestumpfte Dorfbewohner; ein voluminöser Tätowierter, der auch als ungarischer Rechtsrocker locker seinen Mann bei Jobbik-Aufmärschen stehen könnte, hantiert mit Frikadellen auf einem Grill (die nachher dem Publikum zum Verzehr angeboten werden). Der Dorffleischer zerhackt mit ähnlich blutiger Inbrunst die realen Fleischblöcke wie Abram später die von ihm schwangere junge Tonka. Mit ihr hatte er versucht, eine Beziehung zu beginnen, um irgendwie der verordneten Norm entsprechend zu leben. Die Dorfbewohner aber hetzen die beiden aufeinander, bis es zur Katastrophe kommt. Bevor man den Aufführungsort, einen sonst als Malersaal genutzen Raum im 5. Stock, betritt, passiert man einen zum Kirchenschiff umfunktionierten Flur, wo das Ensemble sich in enge Kirchbänke drückt und den einpeitschenden Reden eines bigotten Priesters lauscht. Die Zuschauer werden dann in der Mitte des Theaterraums auf Säcken platziert. Die Aktion findet simultan in rund um sie herum gebauten Bildern statt.

Ein Theaterbau als kulturpolitische Drohung

Um den Affront zu begreifen, den eine Arbeit wie diese nicht nur formal für die rechtskonservative Kulturpolitik bedeutet, lohnt es sich, einen Blick auf den Bau des Nationaltheaters zu werfen, den man als gebaute kulturpolitische Vision begreifen (und fürchten) kann: ein gigantischer postmoderner Bau, der dem Betrachter mit jedem Bauelement nackten Repräsentationswillen entgegenschleudert (und dabei doch wirkt, als stamme er aus der Traumfabrik von Walt Disney). Als Vorplatz fungiert ein enormer stilisierter Schiffsbug, der Kurs auf Budapests historisches Stadtzentrum zu nehmen scheint, auf dessen beeindruckende repräsentativen Bauten mit ihren Skulpturen und städtebaulichen Visionen der Jahre um 1900 sich der üppige Zierrat des Nationaltheaterneubaus mehr als deutlich in Bezug zu setzen versucht. Eröffnet wurde das Haus im Jahr 2002 – als die Orbán-Partei schon einmal die Regierung stellte.

2 ungarischesnationaltheaterbudapest 560 nemzetishinhaz uDas ungarische Nationaltheater in Budapest
© Nemzeti Shinhaz
Gerahmt wird das Nationaltheater von einem allegorischen Landschaftspark, dessen Höhepunkt eine Rekonstruktion der geborstenen klassizistischen Fassade des 1965 für die Budapester U-Bahn gesprengten alten Nationaltheaters ist, die dekorativ in ein Wasserbecken drapiert liegt. Als Skulptur sitzt auf einem Eisenstuhl trauernd eine große Schauspielerin aus dem damaligen Ensemble und betrachtet das zerstörte Heiligtum. Klare Konnotation dieses allegorischen Bildes: Der Abriss des alten Theaters war ein (kommunistischer) Anschlag auf die ungarische Nationalkultur, die es nun also wieder aufzurichten gilt. Die Ironie des architektonischen Missverständnisses, als das einem dieser ambitionierte Bau mit all seinem Pathos entgegentritt, ist, dass er gut auch als Shopping-Mall in Las Vegas funktionieren würde.

 

6 robertalfoldi angels 560 hungarianshowcase u"Angels in America" mit Róbert Alföldi
© Hungarian Showcase
Standing Ovations für Róbert Alföldi

Dem 1968 geborenen Róbert Alföldi ist dennoch das Kunststück gelungen, in den vergangenen sechs Jahren diese bauliche Totgeburt in einem Niemandsland zu einem pulsierenden Ort des ungarischen Gegenwartstheaters zu machen. Zur Zeit steht er, allen geifernden Anfeindungen, ein jüdischer Homosexueller zu sein, zum Trotz, in der Hauptrolle von Tony Kushners Pulitzerpreis-gekröntem Stück "Angels in America" auf der Bühne, das (im September 2012 herausgekommen) ebenfalls im Programm des Festivals war.

Inszeniert hat das allegorische US-Gesellschaftspanorama aus der Reagan-Ära, in dessen Zentrum vom Leben und Sterben eines New Yorker jüdischen Homosexuellen kurz vor dem Ende des Kalten Krieges im Zeitalter der beginnenden AIDS-Epidemie erzählt wird, der den 1960er Jahren aus Rumänien in die USA gegangenen Regiestar Andrei Serban: ein übermütig-abgründiger Bilderbogen einer maroden und von den Geistern ihrer unverdauten Geschichte gejagten Gesellschaft. In einer der letzten Szenen beschwört Alföldi in einer suggestiven Verschmelzung der Bühnenfigur mit seiner realen Person (mit einem Kushner-Text aus dem Stück und im Totenhemd) die Vision einer Gesellschaft, in der jeder frei und ohne Angst leben kann. Am Ende feiert das Publikum mit anhaltenden standing ovations den Schauspieler und Nationaltheaterintendanten Róbert Alföldi und sein Ensemble als Symbol für eine offene ungarische Gesellschaft. Und zwar, wie man hört, bei jeder einzelnen Aufführung dieser Inszenierung, die bis zur letzten Vorstellung im Juni hoffnungslos ausverkauft ist.

8 ourclass 560 hungarianshowcase u"Our Class" von Tadeusz Słobodzianek
© Hungarian Showcase
Kollaboration und Demontage

Von den Geistern der unverarbeiteten Geschichte handelt auch das 2009 geschriebene preisgekrönte polnische Stück "Our Class" des Dramatikers Tadeusz Słobodzianek (*1955), das der Regisseur Gábor Máté an dem von ihm geleiteten Katona József Theater in Budapest inszeniert hat. "Our Class" beginnt 1925 und reicht bis in die Gegenwart. Erzählt wird anhand der Geschichte einer Schulklasse im polnischen Galizien kurz nach dem Ende der Habsburgerherrschaft, wie die Zeitverläufe durch die politisch instabile Zwischenkriegszeit mit all ihren Hoffnungen und Verirrungen schließlich im Nationalsozialismus aus den katholischen und jüdischen Kindern von einst erst Feinde macht und die einen am Ende zu den Mördern der anderen werden lässt. Słobodzianek schenkt keiner seiner Figuren etwas, nicht den Opfern (deren Überlebende er später mit ihrem Opferstatus hausieren gehen lässt) und erst recht nicht den Tätern. Sehr eindringlich gelingt es ihm, nicht nur die Brutalität zu zeigen, die die Ideologien des 20. Jahrhunderts in den Menschen freigesetzt haben, sondern auch, wie sich die Ereignisse im Zuge der Geschichtsschreibung unter den wechselnden ideologischen Anforderungen durch die Zeiten hindurch langsam ins Unkenntliche verändern.

Trotz der eher konventionellen Inszenierung dieses konzentrierten Kammerspiels aus dem Jahr 2011 durch Gábor Maté war "Our Class" ein Höhepunkt des Showcase. Das Stück erzählt auch die Geschichte des Schuldig-Werdens durch Kollaboration in einem besetzten Land und damit eben eine sehr ungarische Geschichte. Denn Ungarns Geschichte ist auch eine durch fast fünf Jahrhunderte reichende Geschichte wechselnder Fremdherrschaft und totalitärer Regime, die das Ungarn von heute so schwer zu einem Verhältnis zu sich selbst und einer Identität finden lässt. Daher möchte man diesem Land eigentlich wünschen, es könnte ein kritisch seine Gesellschaft und Geschichte befragendes Theater ertragen, statt es zu bekämpfen und zu ersticken.

9 belapinterundszabolcsthuroczy 560 hungarianshowcase uNationalhelden unter sich: Béla Pintér (als Sándor Petöfi) und Szabolcs Thuroczy (als Lajos Kossuth)  © Hungarian Showcase Dass die augenzwinkernde Schändung sakrosankter Nationalheiliger wie des Revolutionsdichters Sándor Petőfi (1823–1849) und Lajos Kossuth (1802-1894), des Freiheitshelden des 1848er-Kampfes gegen die Habsburger, nicht nur produktiv, sondern auch im höchsten Maße unterhaltsam ist, das führte ziemlich eindrucksvoll Béla Pintérs Farce "Kaiser TV" vor. Im Rahmen einer Habsburgischen (und irgendwann von Aufständischen besetzten) Fernsehshow wird ein fiktiver Märtyrer des Freiheitskampfes genüsslich als Lügner demontiert und nationales Pathos auf dem Weg der Komik gesundgeschrumpft. Hinter den Sottisen gegen die Habsburger Monarchie verbergen sich auch Anspielungen auf die EU, die aus Sicht von manch heutigem Ungarn inzwischen den Platz der K.u.K.-Monarchie als Bevormunderin der Völker eingenommen hat. Der Regisseur und Autor Béla Pintér tritt in seinem Stück auch als Schauspieler auf: als unnachahmlich verklemmter und schiefe Verse schmiedender Dichter Sándor Petőfi, der hier plötzlich nicht mehr die geniale identifikatorische Lichtgestalt ist, als die er durch die ungarische Geschichte geistert (wo er imaginärer Bannerträger auch der Revolution von 1956 war), sondern plötzlich wie der schwülstige Traum eines Kulturpolitikers der Fidesz-Fraktion auf der Bühne erscheint, deren bleischweren Nationalismus Pintér charmant dem verdienten Gelächter preisgibt.

 

Offenlegung: Die Nachtkritikerin war auf Einladung des Goethe-Instituts in Budapest, das die Kosten für Flug und Übernachtung getragen hat.

 

Hungarian Showcase

www.hungarianshowcase.com

 

Alles, was es auf nachtkritik.de zum ungarischen Theater gibt, ist im Lexikon zusammengefasst.

 

Infos zur Lage in Ungarn in deutscher Sprache:

Pester Lloyd
Hungarian Voice
Pusztaranger

Theater
Nationaltheater
Katona József Theater
Kunsthaus Trafo
Krétakör
Béla Pintér und Company

 

Kommentare  
Theaterbrief Ungarn: Generalisierung
Da haben sie wohl zu Recht das Kreuz über Ungarn gemacht, liebe Esther Slevogt, und ich war einigermaßen erschüttert nach der Lektüre. Sie zeichnen ein Bild, dass keine Zweifel mehr zu lassen will. Und doch frage ich mich: Was ist diese ungarische Identitätskrise? Aus welchen Anteilen besteht sie?

Wohin gehen die Zuschauer, die jetzt Alföldi bejubeln, demnächst? Kann man sie wirklich komplett verdrängen?

Ich möchte ihnen keine ethnozentrische Sicht unterstellen, und doch fehlen mir Innenansichten. Ihr Artikel beschreibt zwei Pole und entscheidet sich für einen, indem er generalisiert.

Bleibt es bei dieser Darstellung, kann man nur auf die nächste Wahl hoffen.

Ursache dieses Artikels ist eine Anrufung, der sie nachkommen. Aber liegt in dieser Anrufung nicht schon das Ergebnis vor?

Bändigen wir nicht eigene Ängste in dieser Sichtweise?

Ich glaube, dass eine Selbstermächtigung im heutigen Europa nicht mehr so einfach funktioniert. Zumindest hoffe ich darauf. Was Herrn V. den kommenden Intendanten des Nationaltheater´s am meisten schaden kann, ist ganz sicher eine sehr ausdifferenzierte Kritik an seiner Arbeit.
Theaterbrief Ungarn: danke für die Generalisierung
„Die Objektivität? Das ist fünf Minuten für Hitler und fünf Minuten für die Juden.“ (Jean-Luc Godard) Ich danke Esther Slevogt für ihre Sichtweise und ihre Generalisierung. Die anderen fünf Minuten übernimmt Herr Baucks. Wer sonst.
Theaterbrief Ungarn: über Jahrhunderte gewachsene Haltung
@ Rothschild

Die "Juden" gibt es nicht, denn ich bin einer von ihnen. Und sie standen auch nicht Hitler gegenüber, sondern einer über Jahrhunderte gewachsenen Haltung, die wechselweise viele Völker einnehmen können, und eben auch die Ungarn.
Theaterbrief Ungarn: naive Hoffnung
Schon wieder dieser Herr Baucks, Hilfe. Ich versteh einfach nicht, welches Problem er hat. (…) Mit der Demokratie? Die Hoffnung von der er spricht ist naiv, das steht ja in dem Text hier.
Theaterbrief Ungarn: Link
http://www.welt.de/regionales/duesseldorf/article114747378/Duisburgs-Wutbuerger-fordern-Umsiedlung-von-Rumaenen.html
Theaterbrief Ungarn: Demokratie bringt Geld, Diktatur Themen
Ich will der Darstellung von Frau Slevogt unbedingt zustimmen. Ich habe ebenfalls an diesem Showcase teilgenommen, aufgrund auch der Freundschaften mit Ungarischen Kollegen, die ich vergangenes Jahr auf einem Festival schließen durfte.
Der Gegenpol hat im übrigen sofort reagiert: gleich im Anschluss an das Theaterfestival äußerte sich das The Advisory Board on Theater to the Hungarian Minister in charge of culture, The board of directors of the Association of the Country Theatres und die Hungarian Theatre Association in frappierender Gleichzeitigkeit, dass THIS showcase keineswegs das Ungarische Theater repräsentiere. Interessant ist ebenfalls, dass der Nachfolger Aföldi, Vidnyánszky, im Vorstand (ich glaube sogar) zweier dieser Verbände ist (die übrigens auch die Jury mitbestückten, die ihn zum Nachfolger Aföldi wählten). Es ist bizarr, dass Theaterschaffende von der Auswahl dieses Showcase einen "damage to the Hungarian theater life and another blow to the international reputation of Hungary" befürchten - von einem Festival, dessen Qualität von allen Anwesenden als außerordentlich hoch eingeschätzt wurde. Die Vielzahl der Stücke, von denen Frau Slevogt einige vorstellte, ist von einer Qualität gewesen, dass jede Theaterlandschaft sich davon im Gegenteil geehrt fühlen darf, solche Bühnenleistungen zu erbringen.
Dass Herr V. unisono mit dem Advisory Board der Regierung mithin Produktionen seines Vorgängers hinterher tritt, ist bestenfalls als geschmacklos zu bezeichnen.
Dieser Showcase wurde ohne jedwede staatliche Finanzierung gestemmt und blieb damit von den "beratenden Gremien" unkontrolliert. Geld zu nehmen ist vom Staat in Ungarn übrigens gerade gefährlich - wenn ich nicht irre, ist im Verfassungsänderungspaket inklusive: Studenten, die staatliche Hilfe erhalten haben, sollen diese sofort zurückzahlen, wenn sie nach dem Abschluss nicht für eine Mindestdauer in Ungarn arbeiten. Was eine Art "weißer" Ausreisehinderung darstellt.
Ein vielzitiertes Wort unter den ungarischen Kollegen und Freunden war: "Democray gives money, dictatorship themes." Die Widerständigkeit der Kollegen, für die Frau Slevogt gute und differerenzierte Worte fand, ist bewundernswert. Bei einigen schleicht sich aber schon eine Traurigkeit ein, die sich hoffentlich nicht in Resignation verwandelt.
Theaterbrief Ungarn: Standhaft im Strom
Lieber Herr Baucks, wissen Sie was mir an ihren Kommentaren gefällt? Sie bemühen sich um Differenzierung und Objektivität. Und Sie sind standhaft im Strom, der Ihnen beständig entgegenkommt. Weiter so.
Theaterbrief Ungarn: Link
http://www.n-tv.de/politik/Gericht-lehnt-Platztausch-ab-article10369316.html
Theaterbrief Ungarn: Link
http://www.rp-online.de/politik/deutschland/ungarn-oeffnet-den-eisernen-vorhang-1.2299391
Theaterbrief Ungarn: was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Lieber Herr Baucks,
mir ist nicht klar, was Sie mit Ihren netten Links bezwecken. Das sich die Deutschen gefälligst an der eigenen Nase ziehen sollen und dem Ungarn wegen der geöffneten Grenze bis in alle Ewigkeiten dankbar sein müssen? Was hat das eine mit dem anderen zu tun. Es behauptet doch keiner, dass deutsche Ermittlungsbehörden alles richtig machen. Und was die Berichterstattung über den NSU-Prozess betrifft, müssen natürlich alle Journalisten, wo auch immer sie herkommen, uneingeschränkt an Informationen kommen können. Anders wäre eine kritische Beurteilung, übrigens auch in Ungarn, gar nicht möglich. Seien wir also froh, dass Frau Slevogt noch aus Ungarn berichten kann.
Theaterbrief Ungarn: Paradox
@3:
"Die "Juden" gibt es nicht, denn ich bin einer von ihnen. Und sie standen auch nicht Hitler gegenüber, sondern einer über Jahrhunderte gewachsenen Haltung"

Lieber Herr Baucks,
wie kann etwas, das es nicht gibt, etwas, das es gibt, gegenüberstehen?
Theaterbrief Ungarn: aktuelles Thema
Lieber ganz hitzig das hier alles diskutiert als gar nicht. Das Thema Rechte Kunst versus Linke Kunst ist ein zu aktuelles und uns in den kommenden Jahren beschäftigendes Thema.
Theaterbrief Ungarn: Abwehrreflex
herr baucks, ich denke ja einerseits, dass sie mit recht auf rassistische strukturen in deutschland hinweisen. es ist jedoch andererseits meiner ansicht nach nicht hinnehmbar, wie sehr sie mit dem vergleichenden einsatz der von ihnen geposteten zeitungsmeldungen zwangsläufig die zustände in ungarn massiv verharmlosen. sie scheinen noch nicht wirklich gesehen zu haben, wie weit die faschisten dort bereits gekommen sind. sie fordern innenansichten? gehen sie in ungarn auf die strasse, demonstrieren sie für demokratie, lassen sie sich von rechtsradikalen schlägertrups halb tot schlagen, die von der regierung geschickt werden. der Antiziganismus führt in ungarn nicht dazu, das "wutbürger" aus einem wohnviertel wegziehen, sondern er führt zu lynchmorden. in ungarn ist der rechtsstaat faktisch ausgehebelt.
Der von ihnen gepostete NSU artikel dagegen beweisst lediglich, dass das gericht in der akkreditierung formal völlig korrekt und von der politik absolut unbestechlich vorgegangen ist. das ändert natürlich nichts daran, das der deutsche verfassungsschutz ein verein ist, der die neonazi szene unterstützt und schützt. ich frage mich letztendlich, warum sie nicht auch mal etwas mehr zeit aufwenden möchten, sich über die verhältnisse in ungarn wirklich umfassend zu informieren, sie scheinen ja von den berichten hier in der nachtkritik immer recht überrascht zu sein. ihr grundsätzlicher, mir völlig generalsiert erscheinender reflex, kritik an den nationalistischen regiemes in ungarn und russland abzuwehren, droht gerade in diesem fall zunehmend inhaltsleer zu werden und zum selbstzweck zu verkommen.
Theaterbrief Ungarn: relativieren
sie haben völlig recht, nur vergessen dass die vergleichende Methode wie sie von Baucks verwendet wird sehr gern auch von altnazis in der BRD angewendet wurde. Es geht dabei immer um ein relativieren um zu entschulden
Theaterbrief Ungarn: nationalistische Karte
@13.

Abgesehen von Ihrer Einschätzung der Entscheidung des Münchner Gerichts ("formal völlig korrekt" ist in diesem Zusammenhang alles andere als positiv) geben ich Ihnen völlig recht. Es ist wichtig zu erkennen, dass es in Europa derzeit starke anti-demokratische Tendenzen gibt und das z. T. mitten in der EU. Ein Beispiel, dass bislang viel zu kurz kommt, ist die derzeitige Entwicklung in Ungarn, wo ein (postkommunistischer) Regierungschef gerade dabei ist, den rechtsstaat auszuhebeln, Minderheiten zu entrechten und dabei ganz wie Ungarn auf die nationalistische Karte setzt.
Theaterbrief Ungarn: irreversible Prozesse
@ Stefan

Vielen Dank, lieber Stefan, was den Artikel Frau Slevogts angeht, ist meine Formulierung im Nachbarthread auch unglücklich geraten und eher schwer verständlich (meine Schluderei). Ich will da auch garnicht lange drauf herumreiten, aber den Abschnitt über den "Theaterbau als kulturpolitische Drohung" hätte Frau Slevogt
in dem Artikel, den auch ich natürlich sehr wohl begrüße, sich gut und gerne sparen dürfen; ich sehe da mehr Parallelen zu, ich nenne das durchaus so, Ressentiments, die ich schon verschiedentlich bei Frau Slevogt herausgelesen habe (wenn Bildungs-Bürgertum, 1900 und Theaterbauten bei ihr in die Stadttheaterdebatte gezogen werden; es gab da vor längerer Zeit eine Diskussion mit Flohbär und kürzlich erst
mit Herrn Wieck, Herr Merck übernahm). Warum lädt Frau Slevogt die Fassade im Brunnen so sehr mit "national" und "kommunistisch" auf; würde in Berlin nur ein Teil der Fassade in dergleichen "Brunnen" statt des Stadtschlosses realisiert, dann wäre das eher ein Segen, und keiner müßte sogleich an untergegangene Reiche denken,
sondern möglicherweise an einen Prozeß voller irreversibler geschichtlicher Brüche bei der "Einheit Deutschlands". Ein Schiff auf hoher See ! Vielleicht auch schwankende Verhältnisse, eine eigene Welt des Meeres "Theater", aber bei Frau Slevogt geradezu Fidesz/Jobbik-Auftragsarbeit. Ist es so eine Auftragsarbeit ? Ich weiß das nicht recht, kann einer der Fachleute hier sicher sagen. Oder ist es wie mit Brüning und der Autobahn: Brünings Baby, Hitlers Spatenstich ?! Und bleibt dann nicht wirklich, gewiß nicht im selben Maße wie bei Gründgens, auch die Frage, warum man in so einem "mißverständlichen" Bau und bei der Regierung dort überhauptnoch Theater macht. Ganz ähnliche Fragen machte ich (unbeantwortet, aber auch nicht downgevoted, noch nicht) im Nachbarthread auf, denn die Frage zum Buch des Monats bezüglich der jüngsten Geschichte in Ungarn hat Herr Steckel aufgemacht, meineserachtens (zB. wegen Szabo) mißversändlich und ungewohnt wenig konkret. Und das ärgert mich zunehmend, daß von "hitziger" Debatte gesprochen wird und im Grunde an der allerkürzesten Leine nur Statements abgesondert und kaum etwas ein wenig ausdifferenziert gedanklich umschifft wird, selbst auf die Gefahr hin, die eine oder andere "Denküberraschung" zu erleben.
Herr Baucks sendet "Links" und grüßt in etwa "Leute, macht was draus". Herr wolfgang k findet das furchtbar widerständig und lobt das als "Schwimmen gegen den Strom", dabei werden die weniger schludrigen, manchmal auch interessanten Beiträge des Herrn Baucks durchaus honoriert (Plusvotings), selbst schweigt er sich dann natürlich wieder aus etcpp. , was wahrscheinlich besser ist, wenn schon die Aussage zu Herrn Baucks so nicht stimmt. In Zeiten des Internets mag es durchaus eine Fidesz-/Jobbikstrategie sein, eben nicht das repräsentative und "aufwertende" Gespräch mit "uns" zu suchen, sondern genüßlich dabei zuzusehen, wie wir uns in Widersprüche verwickeln und an Andere Maßstäbe anlegen, die man nicht gleichsam bereit ist zB. an Herrn Afföldi anzulegen. Ich stehe nicht sonderlich auf die Vergleiche des Herrn Baucks, aber nicht weil es Vergleiche wären, sondern weil sie so stereotyp 1:1 zu vergleichen vorgeben. Im Grunde sollten wir vielleicht eher unsere Verkehrstoten vergleichen mit den Opfern der Gewalt in Ungarn und wir kämen der Sache, die mich dabei herumtreibt, entschieden näher. Es gibt in diesem zweifelhaften Theaterbau das von Frau Slevogt beschriebene Treffen der Theaterkunst, und da ist die zu Gründgens "analoge" Frage völlig aus der Luft gegriffen. Gewiß, die Schieflage mag dann ähnlich ausfallen wie bei dem 1:1 des Herrn Baucks, aber man hätte sie dann herausgearbeitet und kann dann mit seinen Ergebnissen weiterarbeiten. Und da hier in der Regel auch Leute zu den Threads stoßen, die "ihren Teil" an Ansatz und Gedankenarbeit über Selbst-, Welt- und Fremdverhältnisse aller Art (ob das je reicht, lieber Stefan, ich weiß es ehrlich gesagt nicht, das Eigene genügt mir leider nur sehr selten) durchaus mitbringen, ist dieses ganze Gepöker und fast schon Gepoker hier überhaupt so ärgerlich ! Was Sie zum Film schreiben, ist sicher richtig, und es stimmt auch verstärkt für das Theater, aber ob man das eher als eine Art "letztes" Aufbäumen sieht oder als ziemlich kalten Vorgang von Zweckrationalität und wieso "oder ??", das steht für mich noch auf einem anderen Zettel.
Theaterbrief Ungarn: irreversible Prozesse II
Fortsetzung:

Szabo ! Natürlich wollte ich nicht nach der Sichtung zweier Artikel irgendwie das Kreuz über ihn brechen, was mir im übrigen eh fern liegt (wer meine Beiträge zu Gründgens-Diskussionen kennt, weiß wovon ich rede, von "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da" auf youtube zum Beispiel), und natürlich haben Sie ganz Recht mit Putin und und und. Was Sie über den Film und internationale Theaterkooperationen schreiben, ist ebenso richtig wie bedenkenswert und könnte mitunter auch Schule machen, aber leider zweifle ich persönlich ein wenig daran (wenngleich so mancher Ihrer Cottbus-Artikel zu mehr Zuversicht einlädt, ermutigt); ich empfinde nicht nur Ihnen gegenüber meinen Ton von gestern mittlerweile auch überzogen, allerdings ziehe ich mir dergleichen "Threadstile" zum Teil ein wenig über und prüfe bei mir und für mich, wie mich das kleidet, ob mich das "projektiver" stimmt, ob ich mich wohl dabei in meiner Haut fühle. Definitiv nicht mehr wohl ist mir als "Arkadij Zarthäuser", und so werde ich diesen heute, zu Gründonnerstag, zu den Akten legen, wo schon Verratsthema und dieser Tag so gründlich zusammenfallen, und mich in den kommenden Monaten hier nur noch lesend "tummeln", um dann in der nächsten Spielzeit ua. mit eigener Seite mich zurückzumelden. Sehen Sie mir diesen gestrigen "aggressiven Stil", der nicht zu mir paßt, bitte nach; ich führe ihn keineswegs auf
meine "Karpatia"-Hörerlebnisse auf youtube zurück (auf die ich mich einmal eingelassen habe). Diese "Karpatia"-Songs auf youtube werden zT. sehr häufig frequentiert und mit vielen Plusvotes gegen wenige Minusvotes "gehandelt". Mitunter sind das wirklich erschreckende Bildsequenzen, die einzelne Songs begleiten, mitunter aber liegt auch "Glokalisierung" in der Luft: und auch hier ist die Ablehnung, zumal ich kein Ungarisch verstehe, nicht stante pede zu haben..

Viele Grüße aus dem ebenfalls winterlichen Kiel (obschon schon das Austernfischerbrutpaar meines Kieler Vorortes eingeflogen ist) und Frohe Feste,
Ihr Arkadij Zarthäuser
Theaterbrief Ungarn: von einer Peripherie in die nächste
http://www.theaterderzeit.de/blog/meldungen/tdz-pressemitteilungen/aufruf_„intellektuelle_europas_greift_ein!“_strich_„ungarn_wird_in_eine_diktatur_verwandelt,_und_die_welt_schaut_zu.“_márton_guylás/

In erster Linie bin ich ganz einfach traurig und niedergeschlagen, wegen jener Entwicklung in Ungarn. Darüberhinaus hatte ich viel zu arbeiten. Deshalb äußerste ich mich nicht. Auch finde ich es schwer etwas zu sagen.

Denn es ist schwer herauszufinden, in wie weit sich an der Perepherie der europäischen Union Geisteshaltungen offenbaren, die vergleichbar auch in den sogenannten Kernländern gedacht werden, sich dort nur weitaus moderater verarbeitet öffentlich äußern.

Ich fand es für mich noch einmal bemerkenswert, dass dort, wo die Wunde des Eisernen Vorhangs aufgerissen wurde nun diese rechte Narbe wachsen soll.

Schwierig finde ich es, die Lage eines Landes aus dem Blickwinkel des Theaters zu beurteilen, denn Ungarn wird ganz sicher nicht nur durch die Theater vertreten, die Frau Slevogt hier nennt. Ungeliebte Arbeiten gerecht zu beschreiben würde jedoch auch mir schwer, sehr schwer fallen.

Ebenso finde ich es problematisch ein "Volk" nur nach seiner Regierung zu beurteilen. Obschon sie natürlich vom Volk gewählt wurde.

Gibt es eine Ebene in Ungarn, fern von Politik und Theater über die man positiv berichten könnte? Diese Frage bewegte mich in den letzten Tagen.

Betrachte ich nur die Politik und wie sie sich in den letzten Wochen realisierte, müsste ich kapitulieren, aber nicht wegen des Intendantenwechsels am Nationaltheater.

Noch suche ich auch nach einer gesamteuropäischen Sicht. Es ist nicht schwer momentan die eigene deutsche Kultur für ausgewogener zu erachten gegenüber jener in Ungarn.

Was ich spüre und ahne, ist, dass wir die Länder am Rande von Europa überfordern. Ganz besonders fiel mir dabei auf, dass Länder wie Bulgarien, Rumänien und Ungarn schon mal Randgebiete einer anderen Union waren, und nun diese Situation historisch nochmals erleben, indem sie zur Peripherie der europäischen Union wurden.

Ein Freund, dessen Gespräch ich in den letzten Tagen suchte, sagte: Die haben halt schon wieder die Arschkarte gezogen.

Eine einfache und schlichte Antwort, aber irgendwie auch schlagend.

Nun hoffe ich ein wenig auf die nächste Ausgabe der "Theater der Zeit". Bei dem Wort "Druckwelle" wird mir jedoch ganz anders.

Europa scheint an mehreren Stellen zugleich auseinanderbrechen zu wollen. Wie man die Ungarn moralisch und kulturell in diesem Moment in die europäische Mitte hineinziehen könnte, ist mir zu diesem Zeitpunkt unklar. Ob es aus eigenen Kräften zu einer Protestwelle fähig wäre,...ich würde es mir wünschen.
Theaterbrief Ungarn: Nachtrag zur Architektur
Lieber Arkadij Zarthäuser,

zur Erläuterung meiner Anmerkungen zu Gestalt und Gestaltung des Nationaltheaterbaus in Budapest: als 1999 Viktor Orbans FIDESZ-Partei schon einmal die Wahlen gewann, kippte sie unmittelbar nach Übernahme der Regierung die Pläne der vorherigen für dieses Projekt. Dessen Planung war ordnungsgemäß verlaufen und verabschiedet und die Bauarbeiten hatten bereits begonnen. Die Ausschreibung für den Neubau des Nationaltheaters hatte nach jahrelangem Tauziehen und Planungschaos mit dem Architekt Férenc Ban einer der herausragenden Vertreter der ungarischen Moderne gewonnen. Kaum war sie dann an der Macht, stoppte die Orban-Regierung den Bau am Erzebet Platz im Zentrum Budapests, wählte im "Millienium-Viertel" einen neuen Standort aus und zog in nur 15 Monaten Bauzeit den jetzigen Bau von Maria Siklos hoch.

Diese Vorgänge wurden von vielen schon Anfang des Jahrtausends als Skandal gewertet: nicht nur der umstrittenen Vorgehensweise der Regierung und des undurchsichtigen Verfahrens der Neuvergabe des Auftrags wegen, sondern auch weil die Person der Architektin Maria Siklos umstritten war. Die ideologisierende und eklektizistische Architektur des Hauses (und seines Ambientes) wurde von Anfang an kritisiert, von vielen auch mit Hohn bedacht. U.a. deshalb, weil Bühne und Zuschauerraum nicht den Anforderungen an einen Bau dieser Größenordnung und Bedeutung entsprachen.

Das Budapester Nationaltheater gehört in eine Reihe von Projekten der ersten FIDESZ-Periode, mit denen eine neue Gedächtniskultur im Stadtbild installiert wurde, die weniger auf Dokumentation, Aufarbeitung oder Auseinandersetzung mit der sehr komplexen ungarischen Geschichte angelegt ist (von Aufklärung ganz zu schweigen), denn auf ihre hochgeradige Emotionalisierung und Entkonkretisierung: sie wird in den Bauten, Gedenkstätten und Monumenten jener Jahre vor allem als nationale Passionsgeschichte erzählt, in der Ungarn lediglich als Opfer fremder Mächte ohne eigene Verantwortung erscheint. Zu dieser Gedächtniskultur gehört u.a. auch das "House of Terror" auf Budapests Prachtboulevard Andrassy Ut., das den beiden totalitären Regimen in Ungarn - dem der ungarischen Nazis (Pfeilkreuzler) und dem der Kommunisten - gewidmet (und 2002, also im selben Jahr wie das Nationaltheater eingeweiht worden) ist. Das Haus ist ein Musterbeispiel rechter Gedächtniskultur: eine historische Geisterbahn, wo die Mittel stalinistischer Propaganda und die Überwältigungs- und Suggestionsstrategien der Technicolorära in Hollywood nahtlos eineinander greifen und die Schau zu einem hochemotionalen Parcours machen, in dem die Unterscheidung von Inszenierung, Artefakt und Dokumentation völlig aufgehoben ist. Wesentliches wird hier darüber hinaus auch unterschlagen: u.a. die komplexe Gemengelage der Jahre des Horty-Regimes von 1920-1944.

Das alles detailliert auszuführen, dazu ist dies der falsche Ort. Ich wollte nur noch etwas Anschauungsmaterial nachliefern, um den Abschnitt über den Bau des Theaters in meinem Text zu erläutern. Dieser Bau ist Teil eines seit 1999 heftig geführten Kampfes in Ungarn über die Deutungshoheit in Kultur und Geschichtsschreibung, die eben auch in den Bauten und im Stadtbild sich niederschlägt. Und in der Besetzung von Theaterintendanzen.

Viele Grüße
Theaterbrief Ungarn: weitere Fragen
@ Esther Slevogt

Vielen Dank für die weitergehenden Erläuterungen zu dem Architekturabschnitt und meiner diesbezüglichen Frage. Die "Brüning"-Frage hätte ich nicht stellen müssen, da sogar der von mir (offenbar zu flüchtig) überflogene Wikipedia-Artikel darauf hinweist, daß die erste Orban-Amtszeit die damalige Ausschreibung zu Gunsten Ference Bans aus der Horn-Amtszeit wieder einkassiert hat, um dann eine neue Ausschreibung in Gang zu setzen, dessen Ergebnis die Begünstigung und sehr rasche Umsetzung des Baus nach Maria Siklos war (möglicherweise wäre der Bau im Stadtwäldchen das Beste gewesen, aber die Differenz von 240 Millionen zu 3 Milliarden Forint aus gesammelten Geldern stellt die Frage nach der Relevanz von Theaterkunst überhaupt nicht unwesentlich, und ich mußte nicht nur ob des Schiffes, sondern auch ob der zeitweiligen Nachbarschaft des Rostockartikels zu dem Ihrigen an die quälende Neubaudiskussion der Hansestadt denken). Es gibt zahlreiche Seiten, die weitere Details zu diesem Bau und umfangreiches Bildmaterial zur Verfügung stellen, und es gibt einige Seiten, die in ungefähr die Parallele aufmachen, wie Sie sie schildern, aber auch solche, nach denen diese Verbindung, die naheliegt (2002!), nicht notwendig erscheint oder zumindestens nicht einzig und allein gezogen werden muß. Über Maria Siklos fand ich jetzt in der Kürze nicht allzuviel, sie hat aber offenbar nicht erst in jüngster Zeit diverse Theater in Budapest "erneuert" (ich las etwas zum Puppentheater und einem weiteren Theater an prominenter Stelle, einen Artikel der New-York-Times aus dem Jahr 1994). Immerhin schreiben Sie, daß die Person der Architektin Maria Siklos umstritten war. Ich schätze, Sie meinen eher die "Personalie" und bezogen auf die Geltung Frau Sikloshs in der Fachwelt. Oder etwa doch die Person ? Ist sie irgendwie schon zuvor in Fidesz-/Jobbik zurechenbarer Weise aufgefallen ?? Ist sie an irgendeiner Stelle, nennen wir es einmal drastisch, über "Leichen" gegangen, oder reicht es einfach, daß sie unbekannter ist als Herr Ban (über ihn fand ich in der Tat mehr, Jahrgang 1940 !; den Jahrgang der Architektin fand ich nicht, allerdings würde dieser mich in diesem Zusammenhang tatsächlich interessieren, ebenso wie "Berührungspunkte" beider Architekten oder gegenseitige Bezugnahmen (Treffen da Schulen aufeinander ? Gibt es Interviews zB. mit Herrn Ban zur Neuausschreibung und dann auch zum Bau der "Kollegin" ?? Und deutet so ein Interview zB. auch an, daß Frau Siklos hier zur Architektin der "neuen Rechten" avanciert in etwa ???) ? Und wenn dieser Bau, wie Sie es darstellen, Frau Slevogt, tatsächlich eher eindeutige Referenzen zeitigt, stellt sich dann nicht die Frage, wie man dort überhaupt Theater machen verantworten kann, nicht doch mit einer gewissen Dringlichkeit ? Derlei Fragen sind doch wohl in etwa mit dem "Gründgens"-Link hier und da gemeint, oder täusche ich mich hier erneut so ganz
grundsätzlich ?? Ob die "Kultur" Budapests tatsächlich so leicht als weniger ausgewogen als in Deutschland auszuweisen ist, wie Herr Baucks es jetzt schreibt, weiß ich nicht; immerhin kann etwa die Budapester Zeitung (Internetseite) für den 15.3. 2013 auch von anderen Kundgebungen berichten, sogar etwas über eine Partei gewordene "Urban-Playground-Bewegung" (Partei 4K) ist dort zu erfahren, über stadtweite Kissenschlachten und dergleichen, und ich selbst war nur für 7 Tage und vor 21 Jahren in Budapest und kann mich zwar bei der Nennung an viele der Plätze erinnern, aber kaum an mehr, allerdings nicht minder etwas zB. zu den jüngsten Verfassungsänderungen. Ich weiß garnicht, warum dieser Thread für Ausführlicheres der falsche Ort sein muß ! Freilich kann ich kaum etwas dazu beitragen, außer Verständnisfragen zu stellen, die sich mir unmittelbar ergeben, aber ich bin mir sicher, um ein lebendiges Bild zu erhalten, das auch zu einer Orientierung etwa bei einem Budapest-Besuch mit dem Schwerpunkt der aktuellen Entwicklungen hilfreich sein kann, könnte auf dieser Seite viel, viel mehr geschehen ! Und das wünsche ich mir vor allem, daß hier einige Menschen etwas mehr aus ihrer Reserve kommen und nicht immer nur "verlinken", sondern lebensnäher und eigenanschaulicher hier auf dieser Seite, in diesen Spalten agieren.
Theaterbrief Ungarn: weitere Fragen II
(Fortsetzung)

Vielleicht kann sich das eigene Denken auch ein wenig den Quellen gefährlicher Verirrungen nähern ("Karpatia" zu hören und auf sich wirken zu lassen nur als An-
regung , gleichzeitig aber auch zur Bestätigung dessen, was Sie zu dem Stil der Ausstellungen schrieben !), ohne sogleich in Abwehrhaltungen überzugehen (von denen ich nicht frei bin: siehe "Ressentimentsanwurf" an Sie) -die nicht von heute auf morgen unmöglich werden (müssen/können)- , wenn sich (vermeintliche oder wirkliche) Komplikationen ergeben, die gebotenes Handeln (!) für den "eiligen Leser
im Gefängnis seiner Überzeugungen" (Nietzsche) eher zu konterkarieren drohen.
Ein(e) solche(r) Leser(in) mag dann auch einmal als ganz tröstlich empfinden, daß wir auf dieser Seite nicht allein sind, die Welt sich weiter dreht, und die eigenen Augen gerade einem humorvoll enden sollenden Satz verfolgen, geschrieben von jemandem, der hier damit begann, wie er selbst einen Wiki-Artikel noch zu hastig überflog..
Theaterbrief Ungarn: Link
http://www.focus.de/politik/ausland/das-ist-demokratischer-faschismus-serbische-historiker-werfen-deutschland-sadismus-vor_aid_951354.html
Theaterbrief Ungarn: Link
http://www.n-tv.de/sport/Di-Canio-uebernimmt-Sunderland-article10390451.html
Theaterbrief Ungarn: Maßstäbe abhanden gekommen
Wenn ich Herrn Baucks' Verlinkungseifer richtig verstehe, will er uns sagen, dass man die deutsche (Kultur-)Politik nach 1933 nicht hätte kritisieren sollen, weil es auch einen Mussolini, einen Horthy, einen Pilsudski gab. Im Übrigen wäre Orbán etwas weniger beunruhigend, wenn er Fußballtrainer und nicht Ministerpräsident wäre. Ich fürchte, Herrn Baucks sind die Maßstäbe abhanden gekommen. Niemand, auch Esther Slevogt nicht, hat behauptet, dass die Welt jenseits von Ungarn ein Paradies sei. Wer diese Erkenntnis freilich instrumentalisiert, um Kritik an den ungarischen Entwicklungen unserer Gegenwart abzuwehren, macht sich zum Kollaborateur.
Theaterbrief Ungarn: Anti-Kerneuropahaltung
Man kann Ihrem letzten Satz ja zustimmen, Herr Rothschild, aber diese Verlinkungen
erfolgen letztlich durch die nk-Redaktion -Herr Baucks liefert lediglich einen Ver-
linkungshinweis, dem nachtkritik de. hier nachgekommen ist; dies geschieht nicht
bei jedem Hinweis dieser Art-. Auch ist nicht von Mussolini, Horty oder Pilsudski die
Rede, sondern ua. von einem 38-jährigen serbischen Historiker (Cedomir Antic),
der durchaus als streitbar gelten darf (siehe den serbischen Blog "Blog b 92").
Herr Baucks hat an den DT-Kammerspielen seinerzeit zu solchen Artikeln Theater
machen lassen, ich sehe jedenfalls durch diese Verlinkungshinweise eher eine Art
Verwandtschaft zu solchen "Inszenierungen". Nein, ich sehe diese Hinweise nicht mit der Absicht gegeben, die Situation in Ungarn zu relativieren, ich sehe es eher, einhergehend mit meinen vorherigen Beiträgen so:
Sich mit der deutschen Europapolitik in diesem Zusammenhang auseinanderzu-
setzen, halte ich durchaus für fruchtbar bzw. erforderlich, ua. weil viele der radikalen Bewegungen sich geradezu aus einer Anti-Kerneuropahaltung heraus formieren
(siehe "Arschkarte" weiter oben) und keineswegs darauf aus sind, sich zusammen mit Frau Merkel ablichten zu lassen, um bei den "eigenen Leuten" besser anzukommen. Mein Großvater war in Jugoslawien möglicherweise sogar an Kriegsverbrechen beteiligt; der Gedanke, dort zwei Generationen später mit einem Geldbeutel voller Euros im Rücken "Demokratie" zu lehren, kann durchaus dazu führen, bei so einem Thema den Betrachtungshorizont zu erweitern. Aber Fragen werden einem ja nicht unbedingt beantwortet..
Theaterbrief Ungarn: Ungarn als Projektionsfläche
Wenn ich das so lese, kann ich nur sagen Herr Rothschild, sie haben doch einfach nur Angst. Angst vor Relativierung, Angst davor etwas zu denken, dass ihre vorgefasste Haltung, ihre Sicht von geschichte und Gegenwart verändern könnte. Immerhin interpretieren sie eine Menge in die Links hinein und befördern etwas, dass man so nicht stehen lassen kann. Deutschland 1933 und Ungarn 2013 kann man und darf man nicht gleichsetzen. Der Vorwurf der Kollaboration in diesem Zusammenhang ist lächerlich.

Natürlich kritisiere ich die Mediengesetze und die neue Verfassungsgesetzgebung in Ungarn. Ich verkürze meine Kritik aber nicht auf so simple Vergleiche.

Überall kann man dieser Tage Bilder von Frau Merkel mit Hitlerbärtchen sehen. Hin und wieder überkommt mich dabei der Gedanke, dass sich verschiedene europäische Länder die ewig selben Vorhaltungen auf recht primitive Weise machen und wir nun auch unsere Projektionsfläche Ungarn gefunden haben, obwohl Spuren der Entwicklung die zu Verhältnissen, wie in Ungarn führten fast in jedem europäischen Land nachweisbar sind. Betrachte man nur die Demonstartion mit mindestens 300 000 Tausend Beteiligten gegen die Homo-Ehe in Paris und und und...

Ich denke, man muss die Entwicklung in Ungarn gesamteuropäisch einordnen, und bin zu dem der Meinung, Ungarn ist noch nicht auf dem Weg ein viertes Reich zu errichten, wie es viele Zyprioten und Griechen Frau Merkel vorwerfen, der man in einer italienischen Zeitung vorhielt, sie errichte mit den Waffen der Ökonomie das, was Hitler militärisch nicht gelungen wäre.
Theaterbrief Ungarn: auch noch Demokratie retten?
Ich war tief berührt, dass eine Theaterszene - frei, wie institutionalisiert - zusammensteht und mit eine Budget von € 13.000.- eine nationale Leistungsschau für ausländische Gäste organisiert; Von Schauspielern, die an drei Abenden in vier unterschiedlichen Stücken auf der Bühne stehen und das für lau; Von Kompagnien und Häusern, die ihre zugesagten Jahressubventionen 2012 am 23. Dezember desselben Jahres ausbezahlt bekommen und trotzdem weitergearbeitet haben...

Ist - neben er Erziehung von Kindern, dem Integrieren von Migranten, dem Reaktivieren urbaner Planungsfehler, etc. - nun auch noch die Rettung der Demokratie Aufgaben des Theaters? Vielleicht schaffen wir es ja auch diese 'Finanzkrise' wieder in einen smoothen Kapitalismus zu verwandeln?

Ich danke den Künstlern und Machern des Showcase dafür, dass sie sich die Lebens-Zeit genommen haben an Ihre Kunst zu glauben und Ihre Positionen stark zu machen, vor allem aber dafür, dass sie die Grosszügigkeit besitzen das alles mit uns zu teilen! Das Radikale an dieser Entscheidung liegt für mich hier: Lasst uns Theater machen, keine Politik, denn das ist worin wir stark sind!
Theaterbrief Ungarn: im Zusammenhang ein Veranstaltungshinweis
Akte/NSU
Werkstattaufführung – Die Aufführung ist der Zwischenstand des dokumentarischen Theaterprojekts

Datum: 12.04.2013
Uhrzeit: 19:00
Ort: Gemeinde- und Gedenkzentrum Plötzensee, Heckerdamm 226, 13627 Berlin-Charlottenburg

Lang-Beschreibung
Wenige Tage vor dem Prozessbeginn gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) präsentieren Berliner Jugendliche ihre Auseinandersetzung mit der rechtsterroristischen Mordserie. Zusammen mit dem dokumentartheater berlin und dem Jugendcafé Nightflight haben sie nach Antworten gesucht: Wie ist das massive Versagen der Sicherheitsbehörden zu erklären? Welches gesellschaftliche Klima ist die Grundlage für rechte Gewalt und welche politische Kultur legitimiert ihre Ideologien? Wie ist eine fehlende Solidarität mit den Opfern zu erklären oder wie werden aus Menschen “Döner” gemacht? Und wie passt das alles mit den alltäglichen Diskriminierungserfahrungen junger Menschen zusammen?
Theaterbrief Ungarn: mit Heine gesprochen
@28: Schon wieder diese These vom "versagen der Sicherheitsbehoerden"! / Sie sang mit wahrem Gefuehle und falscher Stimme / Sie sang das grosse Entsagungslied/ das Eiapopeia vom Himmel / .../ Im Luftreich des Traums besitzen wir die Herrschaft, unbestritten!/

In diesem Sinne: Gute Nacht!
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