Hochgezüchtete Freiheit

von Georg Kasch

Berlin, 28. März 2013. Wenn ein Stück in der Schlusspointe "Ein charmanter Abend!" gipfelt, dann muss zuvor die Hölle losgewesen sein. So endet nicht nur George Courtelines Einakter "Die Boulingrins", in der ein Schmarotzer statt aufs erwartete Vorzeigepaar auf ein diabolisches Ehegespann trifft, das nicht nur einander, sondern auch dem Gast das Leben zur Hölle macht. So endet auch Andreas Kriegenburgs Spaßinferno "Sklaven" in den Kammerspielen des Deutschen Theaters: Sieben Hyper-Individualisten und Terrorclowns catwalken auf dem Spiegelboden im glänzend-glitzernden Bühnenkasten herum, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, hinter der Doppeltür auf der Trashhalde aufeinander mit Plastik-Maschinengewehren zu feuern.

Sie hauen einander mit Worten und Ellenbogen vor den Kopf und vors Schienbein, hyperventilieren ihre Neurosen und brüllen auf unverbindliche Nachfragen ihre Ticks heraus. Sie hampeln und zappeln, kalauern und zoten, kurz: Es ist der Wahnsinn!

Phantasien querfeldein

Was soll man aber auch machen, wenn man in diesen Kostümen von Andrea Schraad steckt: Tim Burtons Gruftifantasien mischen sich mit Biedermeier-Rokoko-Pop, Fetischuniformen und Nerd-Accessoires, Natalia Belitski etwa steckt im Zebralatex, Hans Löw stakst auf Plateausohlen und mit Ganzkopfledermaske herum (und muss zum Sprechen erst den Mund-Reißverschluss öffnen), bei Natalie Seelig kriechen die Kleid-Punkte aufs Gesicht. Sie alle vibrieren von einer derart hochgezüchteten Einzigartigkeit, dass ihre Konturen wieder zur Unkenntlichkeit verschwimmen.

slaven5 560 declair hWiedererkannt? Es spielen v.l.n.r. Jörg Pose, Daniel Hoevels, Olivia Gräser © Arno Declair Genau das ist es, was Kriegenburg mit den fünf aneinandergehäkelten Courteline-Einaktern will, eigentlich bitterböse Kleinigkeiten zwischen Wortwitz und Slapstick, mit ihren typischen Nein!-Doch!-Oh!-Dialogen eher Sketche als Boulevardkomödchen, die mit absurden Wendungen grell hinter die (klein-)bürgerlichen Fassaden leuchten. Mit Courtelines Komödien-Typen will er den Konformismus des Andersseins auf die Schippe nehmen, sagt er (im Programmheft): "Es gibt keine Alternative zu ihrer eigenen Ich-Inszenierung, sondern sie sind Sklaven ihrer Freiheit geworden."

Commedia-Harlekine

Ob Courteline dafür der richtige Autor ist? Bei ihm geraten die Typen in ihren Klippklappdialogen eher an den Rand des Absurden. Da lässt Kriegenburg seine gierigen, geilen und gewaltbereiten Trash-Lemuren von Anfang an kochen, während das leichte Geplauder bei ihnen zur Unkenntlichkeit zerdehnt wird und unter all den Vor- und Zusätzen der als Aphorismen getarnten Banalitäten zusammenbricht. Währenddessen feuern die Schauspieler aus allen Virtuosen-Rohren, lassen ihre Körper und Stimmen zappeln – und zappen im Sekundentalkt in die nächste Pose mit einer Hingabe, die wie die Kostüme am Ende ein Unterscheiden kaum mehr möglich macht.

Ein bisschen erinnern diese zombiehaften Aggro-Clowns an die peitschenschwingenden Commedia-Harlekine in SIGNAs Club Inferno. Auch da sollte einem ja diabolisch das Lachen vergehen. Fun ist schließlich ein Stahlbad, oder? Allerdings muss man erst einmal gelacht haben, damit es einem vergangen sein kann. Hier nicht – die vielleicht bitterste Pointe des Abends.

Sklaven
Fünf Einakter von Georges Courteline aus der Hölle der bürgerlichen Freiheit (Das umgestürzte Auto, Monsieur Badin, Der Hausfrieden, Angst vor Schlägen, Die Boulingrins) Deutsch von Matthias Schrader
Regie und Bühne: Andreas Kriegenburg, Kostüme: Andrea Schraad, Dramaturgie: Juliane Koepp.
Mit: Hans Löw, Olivia Gräser, Elias Arens, Natali Seelig, Jörg Pose, Daniel Hoevels, Natalia Belitski.
Dauer: 2 Stunden 40 Minuten, eine Pause.

www.deutschestheater.de

 

Mehr zu Georges Courteline? Wie Andreas Kriegenburg nutzte auch Andrea Breth "Monsieur Badin" neben weiteren Einaktern in ihrem Burgtheaterabend Zwischenfälle.


Kritikenrundschau

Grundsätzlich habe der Abend "Abgrund und Witz", befindet Michael Laages in der Sendung "Kultur heute" vom Deutschlandfunk (29.3.2013). "Seit Ewigkeiten nicht mehr" seien außerdem "die Kostüme derart entscheidend für die Wirkung einer Aufführung" gewesen. Andrea Schraad sei "sozusagen die Domina einer Orgie in ganz bunt – fast das ganze Ensemble steckt in stets hautengen, absurdesten Ganzkörper-Verpackungen." Doch Kriegenburg, der das Spiel des extrem clownesk agierenden Ensemble immerzu auf Hochtouren halte, ignoriert dem Eindruck des Kritikers zufolge "im artistisch unterfütterten Geschrei konsequent die sprachliche Akkuratesse, die speziell Andrea Breth zuletzt in Wien so zentral interessierte und in der Tat – bei entsprechender Behandlung- ein zentraler Aspekt ist in Courtelines forcierter Absurdität." So sei das Ganze: "ein Gefecht der Extreme; mit vielen Verlusten".

Von einer "bitterlichen Theaternichtigkeit" berichtet Doris Meierhenrich in der Berliner Zeitung (30.3.2013). Dabei war der Abend ihrem Eindruck zufolge wohl eigentlich als "böse Kunstzumutung über die angeblichen Zumutungen gegenwärtiger Kulturmoden" gemeint. Doch Regieseur Andreas Kriegenburg zeige nicht das geringste Interesse an seinen Figuren. Stattdessen verquase er viele Feindbilder darin: "alles Kunstauffassungen, die Kriegenburg nicht mag." Ein bisschen kommt es der Kritikerin so vor, "als hätte Kriegenburg allen Frust der Jahrzehnte über jeden noch so kleinen Verriss seiner Theaterarbeit gesammelt, auf sieben Kulturelite-Deppen verteilt und sie mit Knarren aufeinander gehetzt." Lediglich der Kostümbildnerin Andrea Schraad gebühre ein Kompliment für ihren Einfallsreichtum. "Doch reicht, um sie zu ehren, ein Blick auf die Fotos auch."

Christine Wahl, die im Tagesspiegel (31.3.2013) von Michael Thalheimers Inszenierung der "Geschichten aus dem Wiener Wald" am Deutschen Theater Berlin schwärmt (hier zusammengefasst), handelt Kriegenburgs "Sklaven" vom Vorabend nur kurz ab. Hier seien "Kulturschickeria-Oberflächen bearbeitet" worden. "Eheleute mit Ledermasken und Glitzershorts, Angestellte in farbenfrohen Reifröcken oder gattensubventionsempfangende Hausfrauen in Latexfummeln" hätten einen "Trip in die Hölle der bürgerlichen Freiheit" versprochen. De facto aber "kaspern sich dann sieben Kostüm-Individualisten variantenarm durch einen zusehends zähen Abend, indem sie regelmäßig aus gefakten Maschinengewehren aufeinander schießen und Ego- Diskurse parodieren. Wo Thalheimer Abgründe freilegt, erschöpft sich Kriegenburg in der Ausstellung jener Oberflächen, die er attackieren will."

Superhelden müssten die Figuren dieses Abends sein, um ihr letztes Reservat zu verteidigen, schreibt Matthias Heine in der Welt (2.4.2013). "Der absurde Glamour ihrer Kostüme ist nur eine dekadente Panikblüte. Innen im Bunker prangt an der Wand schon unübersehbar als Menetekel das riesige Graffiti-Bild eines vermummten Molotowcocktailwerfers." Heute wolle keiner mehr konform sein, so Heine, "sondern alle mühen sich um Individualität. Sie sind Sklaven ihres Ich-Behauptungstriebs geworden." Das sei die "etwas plakative Botschaft", die Kriegenburgs Inszenierung verkünde. "Der irre Glaube ans Ich ist die Gemeinsamkeit zwischen der Bürgerwelt vor 100 Jahren und unserem postbürgerlichen Zeitalter, die der Regisseur annimmt und mit der er hofft, den gewaltigen Riss zu verkleistern, der uns von Courtelines Charakteren trennt." Das gelinge nur teilweise. "Aber man sieht den Figuren doch gern zu beim verzweifelten Kampf um ihr Fitzelchen bürgerliche Restwürde."

Den "kritischen Erkenntnisgewinn einer mittleren Loriot-Nummer" bescheinigt in der Süddeutschen Zeitung (3.4.2013) Peter Laudenbach diesem Abend, der aus seiner Sicht in seinem Spott über Kleinbürgerrituale selbst nicht frei von Spießigkeit ist. "Strafverschärfend koppelt Kriegenburg die Brühe mit einer so ressentimenterfüllten wie kenntnisfreien Kulturbetriebs-Satire". Was lustig sein soll, findet Laudenbach "nur klemmig, provinziell und etwas doof". Auch die Spielweise der Schauspieler entbehre "selbst bei Natali Seelig und Hans Löw der nötigen Leichtigkeit". Laut, grob, dröhnend, schwerfällig würden die Zerrbilder vorgeturnt.

Kommentare  
Sklaven, Berlin: Zeit für originäres Regietheater
2 1/2 stunden schreien haelt kein mensch aus, geschweige denn, dass man es witzig finden kann. wann ist herrn kriegenburg das einmaleins der dramaturgie abhanden gekommen? der abend ist nur laut und trashig, hat keine hoehen und tiefen. beim dritten einakter, jenem vor der pause, wirkt sich das fatal aus: die wunderbaren natalia belitski und elias arens killen ihr energiepotential und heraus kommt toedliche, einschlaefernde langeweile - beim geraeuschpegel und der geschwindigkeit eine startenden duesenjets: das ist zwar ein veritables kunststueck, hat aber mit kunst nichts zu tun. was mit der trostlos langweiligen franziska in den muenchner kammerspielen begann, findet hier hoffentlich ein ende, sodass wir die grotesk-surreal-surrealistische phase eines erstklassigen regisseurs zu den akten legen koennen. vielleicht braucht herr kriegenburg das grell kreischende durchgeknallte als ausgleich fuer seine zurueckgenommene regiearbeit am ring des nibelungen in der bayerischen staatsoper. es ist nun wieder zeit fuer originaeres regietheater.
Sklaven, Berlin: zuviel
Der Mann macht einfach zu viel. Wie soll dabei noch gute Arbeit heraus kommen?
Sklaven, Berlin: sklavischer Kunstanspruch
In Dresden hat Kriegenburg ja mit den "Fliegen" so ein Zwischending zwischen Trash und Regietheater versucht. Hat auch nicht gefunkt. Man kann ja schon froh sein, dass er nicht total im Existentialismus stecken geblieben ist. Aber eine laute Trashkomödie, in der das Publikum zum Teil in Totenstille verharrt, habe ich auch noch nicht gesehen. Am Karfreitag kann es ja nicht gelegen haben. Aber was macht zum Beispiel Herbert Fritsch richtig, was andere einfach nicht können? Ich denke, er denkt wahrscheinlich am wenigsten darüber nach, was er macht und macht es einfach. Und in Kriegenburgs Arbeiten riecht man förmlich den angestrengten Denkschweiß. Er macht sich somit zum Sklaven seines eigenen Kunstanspruchs. Eigentlich schade. Ein Lob trotzdem an die fabelhaften Schauspieler, und die Kostüme sind einfach preisverdächtig.
Sklaven, Berlin: Leigh Bowery
Die Kostüme sind Ideen des Künstlers Leigh Bowery - hier leider nur abgekupfert.
Sklaven, Berlin: hervorragende Schauspieler
Ja, Stefan genau! Verharrt ist treffend bzw, bis peinlich berührt! Ich finde es grausam, wenn sich bei mir Mitleid mit den wirklich hervorragenden Schauspielern einstellt! Aber warum dann immer der große Applaus für den Herrn Kriegenburg? (...)
Slaven, Berlin: den Fritsch machen
Kriegenburg macht den Fritsch und es geht in die (zugegeben sehenswerte) Hose. Die Darsteller scheinen sich nicht unwohl dabei zu fühlen, dass man bei aller Maskierung nicht allzuviel von ihnen sieht. Das Konzept ist klar, wobei es sich eher empfiehlt das Programmheft zu lesen, als sich diesen Abend anzusehen. Letztlich macht Kriegenburg viel zu viel, wohl auch weil er den Satiren Courtelines nicht so richtig misstraut. Er hätte es besser getan. So bleibt ein wenig Kinderfaschisng, der nicht mal besonders komisch ist.

Komplette Kritik: http://stagescreen.wordpress.com/2013/03/30/viel-larm-viel-nichts/
Sklaven, Berlin: Wille zum Monströsen
@4
Ja, das ist wirklich dreist, wie eins zu eins die Kostümbildnerin bei Leigh Bowery - Gott hab ihn selig - klaut. Aber weil, so scheints, Theatergänger nicht in der Kunstwelt unterwegs sind, merkts kaum einer. Bei Bowery ging es damals noch um Statements zur Sexualität, um den Willen zum Monströsem, letzlich um die Befreiung des Körpers - alles weg bei Kriegenburg, alles austauschbar.

(Werter Thomas L., ist es nicht so, dass sich das Theater oft Anregungen in den Nachbarkünsten holt? Muss man gleich von "Klauen" sprechen? Freundliche Grüsse aus der Redaktion, Esther Slevogt)
Sklaven, Berin: sklavischer Drang zur Extravaganz
@4
Stimmt. In Wien gab es ja bis vor kurzem noch die Ausstellung XTRAVAGANZA. Hatte ich ganz vergessen und leider auch nicht gesehen. Aber es heißt ja, Bowery beeinflusst die Kunst- und Performanceszene bis in die Gegengenwart. Ich denke es ging auch um den sklavischen Drang zur Extravaganz und Individualität, die zwangsweise bei der Masse in eine neue Uniformität der Nachahmung mündet. So passen die Kostüme wieder ganz gut. Bei der frappierenden Ähnlichkeit zu Bowery wären aber ein paar Kredits an den bereits verstorbenen Künstler sicher gut gewesen.
Sklaven, Berlin: Anregungen
Werte Frau Slevogt,
das ist mir schon bewußt, daß man sich beim Theater "in den nachbarkünsten Anregungen holt", das ist auch nicht, was ich kritisiere. (...) googeln Sie einfach mal "Leigh Bowery. Bilder" - und Sie werden verstehen was ich meine: ALLES ist von Bowery, die Kostüme, die Mehrfachbrillen, die Frisuren, das Make-Up. das nennen Sie "Anregungen"?
Sklaven, Berlin: Hinweis für Pikierte
Du meine Güte: "Kriegenburg macht den Fritsch" und "macht einfach zu viel" und Andrea Schraad hat bei Leigh Bowery "abgekupfert". (An dieser Stelle kann man Esther Slevogt nicht genug für den richtigen Hinweis danken, dass sich alle Künste schon immer Anregungen nicht nur aus den Nachbarkünsten, sondern auch aus der Mode, den Medien, von der Straße usw. geholt haben und holen. Das Originäre ist höchst selten.) Ich hätte noch einen Hinweis für pikierte Berliner Rezensentinnen: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Eines kann man Kriegenburg jedenfalls nicht vorwerfen: Er kupfert nicht bei sich ab wie viele andere Regisseure, die dadurch zwar schnell zur gehypten Marke aber auch todlangweilig werden.
Kriegenburg traut sich was, polarisiert und überrascht das Publikum immer wieder. Besonders für jüngere Leuten hat die Inszenierung das Potenzial, Kult zu werden.

Hier die Links zu zwei nicht nur milden, sondern sehr positiven Kritiken, die meine Ansicht bestätigen:
www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/2058220 (die Kritik von Michael Laages gehört unbedingt hier veröffentlicht)
www.rbb-online.de/kultur/buehne/premierenspiegel/2013/kw13/check-deutschestheater-sklaven.html
Sklaven, Berlin: Fantasie und Buntheit
Ich kann mich meinem Vorredner anschliessen. Sooooo stumpf und einseitig klaumaukhaft wie es hier dargestellt wird, kam mir das Stück ganz und gar nicht vor.
Es hat Längen, das ist richtig (inbesondere, wie schon erwähnt, der Teil, der der Pause vorausgeht). Aber insgesamt fand ich es erfrischend "anders", mit viel Fantasie und Buntheit. Das mag als Pointendrescherei angesehen werden, aber es kann auch gefallen. Die Schauspieler dürfen brillieren: insbesondere Hans Löw und Natali Seelig sind umwerfend (besonders erwähnt werden sollte ausserdem, wegen Körpereinsatzes, Daniel Hoevels. Dass er den Abend wunden- /und prellungsfrei überlebt, grenzt an einem Wunder...).
Der letzte Teil erschlägt einen allerdings ein wenig wegen seines Übermasses an Slapstick. Nun gut.
Aber Kriegenburg hat tatsächlich den Mut bewiesen, sich auch dieses Mal wieder neu zu erfinden. Das ist allemal einen Theatergang wert.
Sklaven, Berlin: ungut stecknadelstill
Lieber B.W., es gibt durchaus einen Unterschied zwischen "sich Anregungen holen" und kopieren. Kriegenburg tut leider eindeutig letzteres. Und was den Humor angeht, nun ja, der sollte irgendeinen Anlass bekommen sich zu regen. Kriegenburg bietet den nicht. Wenn man im Publikum während der einen oder anderen farcenhaft überdrehten Szene fast schon die sprichwörtliche Stecknadel hätte hören können, läuft etwas gehörig schief.
Sklaven, Berlin: Jubel für die Schauspieler
Lieber Prospero.

Ironie versteht eben leider nicht jeder. Kriegenburg hat nicht kopiert, sondern sich über den Spaßterror lustig gemacht, der gegenwärtig sogar bis in die Hochkultur hineinreicht. (Übrigens: Auch Thalheimer hat sich am Abend darauf nach seiner wunderbaren Inszenierung der Geschichten aus dem Wiener Wald so oft und schnell gemeinsam mit dem Ensemble verbeugt, dass man sich an gegenwärtig gehypte Applausordnungen erinnert fühlte.)

Ich habe jedenfalls während der Premiere von "Sklaven" viele Lacher gehört - auch wenn einem das Lachen oft im Halse stecken geblieben ist. Und wenn man zwischendurch die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören konnte, spricht das doch nur für die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums. Außerdem ab es am Schluss starken Beifall und sogar Jubel für die Schauspieler. Also: So what?
Sklaven, Berlin: Fremdkörper
Ja, die Kostümideen von Leigh Bowery sind toll, wirken aber auch wie ein Fremdkörper in der Inszenierung. Man merkt, dass sie nicht in einem Arbeitsprozess entstanden sind - vielleicht war dafür einfach nicht genug Zeit bei dem vielbeschäftigten Regisseur?
Sklaven, Berlin: Verträge
Ich bin selbst Kostümbildnerin. Und in meinen Verträgen steht immer, dass ich alle Rechte an meinen Entwürfen besitze und das Theater von Rechtsansprüchen Dritter freihalte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei Andrea Schraad anders sein soll.....
Sklaven, DT Berlin: Schauspiel-Augenweide
He, was ist das für eine schicke Bühne, Goldlamé und Glitzerboden, Hutablage für die Mgs, das war’s.
In diesem Raum wird geschubbert und gerubbelt, dass die Plastikfetzen nur so fliegen. Überlebensgroß
der schablonenhafte Kombattant, die Geste des Résistant schon inkorporiert und damit tot.
Der Auftakt furios: Aus dem Draußendreck kommen die abstrusesten Figuren, mehr Hybrid denn Mensch, das Grusel-und Karnevalskabinett speit Gestalten aus, die Sentenzen und Mauvaismots ausspeien. Der morbide Spaß an scheinbar Subersivem, aufgelöst im Pfefferminzbonbon, das wumst in die Ohren und dann wieder weg, war da was?
Erster Akt: knallbunter Dreierbeschuss: zwei Männer, eine Frau, die mehr gleiten denn stehen, die Männer im skurrilsten Kostüm, verstellt, verwandelt, ein Clown, ein Harlekin, man weiß es nicht, die Frau, das löckende Wesen, alles prostituiert sich, alles vergewaltigt sich.
Großartig, was da an Körperlichkeit und Gewand sich versklavt.
Ein Wortfeuerwerk, Musik von Louise Attack oder kam die erst später, ich weiß es nicht.
Mir in Erinnerung bleibt die großartig groteske Szene, in der Hans Löw mit Metronom auf dem Kopf die Langeweile im Ministerium mit so viel Witz und Freude am Slapstick, gemeinsam mit Jürgen Pose und Daniel Hoevels einfach alles an Schrill-Schlimmem erspielt und verspielt: Es ist ein einziges Vergnügen.
Dann bleibt nicht mehr viel vor der Pause: Buß-oder Busgeld, das Perfide der abhängigen Ehefrau in einer Ehesklaverei, da wäre mir weniger mehr gewesen, aber die Kostüme halten mich im Bann, man geht vollgedröhnt in die Pause.
Und wieder ein so schöner Beginn: Nathalie Seelig und Hans Löw entblättern und entkleiden das Klein-Wichtige und spielen das mit so einer Freude am Spiel, dass man gar nicht anders kann als sie zu lieben.
Der letzte Akt bringt alle Mittel noch einmal in die letzte Spielschraube, mir war es irgendwann zu viel, zu laut, zu eintönig, aber Jörg Pose ist einfach ein Fest.
Ja, es war Boulevard, ja, es war eine Farce, aber was für eine Schauspiel-Augenweide.
Och, Bedeutungstheater unterlaufen, virtuos und doch nicht ohne Bedeutung.
Wir amüsieren und quälen uns zu Tode, es ist schon alles heiß gelaufen, bis zum dernier cri im wahrsten und wahrhaftigsten Sinne des Wortes.
Sklaven, Berlin: Grauen
grauenhaft!
Sklaven, Berin: leerer Saal
Leerer Saal, der freundlich applaudierte. Kostüme und Make Up kann man auf den Fotos sehen, ich kann die Inszenierung nicht empfehlen.
Sklaven, Berlin: Ein Hoch auf den Slapstick!
Einer der besten Theaterabende seit langem.

Ein Hoch auf den Slapstick! Ein Hoch auf Klischees! Ein Hoch auf Groteske und Absurdität!
Kurz: Ein Hoch aufs Theater!

Kriegenburg polarisiert. Das habe ich nie verstanden, weil ich seine Arbeiten immer großartig fand und finde und immer vollkommen überrascht dastehe, wenn es anderen nicht so geht (passiert mir bei keinem anderen Regisseur). Für mich ist Kriegenburgs Theater Erfüllung: Er findet Bilder, die meinem Gefühl für den Text entsprechen. Andere finden das platt. Ich finde es auf den Punkt.
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