Leidenschaft vor hansestolzer Bürgerschaft

Rostock/Senftenberg, 23./24. April 2013. Es ist entschieden: Sewan Latchinian, seit 2004 Intendant der Neuen Bühne Senftenberg, wird ab dem 1. September 2014 neuer künstlerischer Geschäftsführer der Volkstheater Rostock GmbH und folgt damit Peter Leonard nach. So hat es in seiner heutigen Sitzung der Hauptausschuss der Rostocker Bürgerschaft entschieden. Latchinian wird für fünf Jahre berufen.

Mit seiner Wahl folgt der Ausschuss der Empfehlung des Theater-Aufsichtsrates, der am Dienstag, den 23. April mehrere Bewerber angehört hatte, die wiederum von einer Findungskommission empfohlen worden waren. Zuletzt waren nach Informationen der Ostsee-Zeitung neben dem 51-jährigen Latchinian noch die Mitbewerber Manuel Soubeyrand (Intendant der Württembergischen Landesbühne Esslingen) und Hermann Schneider (Intendant des Mainfranken-Theaters Würzburg) im Rennen. Anders als in der Ostsee-Zeitung berichtet und von nachtkritik.de zunächst gemeldet worden war, hat sich Latchinian gegen die Verkleinerung des Volkstheaters auf ein Zwei-Sparten-Haus ausgesprochen.

Die Internetzeitung das-ist-rostock.de (24.4.2013) zitiert in diesem Zusammenhang das Mitglied des Theateraufsichtsrates Uwe Flachsmeyer (Bündnis 90/Die Grünen). Ihm gemäß habe sich Latchinian in seinem Vorstelllungsgespräch deutlich für den Erhalt des Volkstheaters als Vierspartenhaus ausgesprochen habe. Auch die Ballettsparte wolle Latchinian ausdrücklich erhalten. Allerdings habe Latchinian darauf hingewiesen, dass es "besser sei, ein funktionierendes Zweispartentheater zu haben als ein schlechtes Vierspartenhaus, an dem ständig herumgekürzt" werde.

Als Vorbedingung für den Vertragsabschluss, darin stimmen die Meldungen überein, sei der zukünftige Volkstheater-Chef von seiner Gehaltsforderung von 160.000 bis 170.000 im Jahr abgegangen.

In einem Gespräch mit nachtkritik.de bestätigte Latchinian diese Darstellungen. Er habe in seinem Vorstellungsgespräch ein leidenschaftliches Plädoyer für den Erhalt des Vier-Sparten-Hauses gehalten. Er wolle in seinem Vorbereitungsjahr alles daran setzen, die Beteiligten im Theater, im Ministerium und in der Stadt davon zu überzeugen. Selbst Oberbürgermeister Roland Methling, der sich in der jüngeren Vergangenheit als Gegner des Vierspartennhauses zu erkennen gegeben hatte, habe er als offen für einen "letzten Versuch mit dem Vierspartenhaus" erlebt, falls es Latchinian gelingen sollte, einen ähnlichen Aufbruch wie in Senftenberg zustande zu bekommen.

Auch vor einem Szenario, in dem das Schweriner Kultusministerium, das die Fusion der Theater von Schwerin und Rostock favorisiert, einem auf seine Unabhängigkeit beharrenden Volkstheater einen Teil der Landeszuschüsse vorenthalte, ist Latchinian nicht bange. Er habe die Bürgerschaft als sehr selbstbewusst erlebt, eine Fusion werde man sich vom Land nicht aufzwingen lassen. Die Hansestadt Rostock prosperiere, zur Not hätte die Stadt genügend Rücklagen, um ihr Theater eigenständig zu finanzieren. 

Der designierte Rostocker Intendant wurde 1961 in Leipzig geboren, studierte Schauspiel an der Berliner Hochschule "Ernst Busch" und arbeitete danach als Schauspieler am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, jenes Theater übrigens, das nach dem Willen des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit dem Volkstheater Rostock fusionieren soll. In Schwerin wurde 1986 auch Latchinians erstes Theaterstück "Grabbes Grab" uraufgeführt. 1988 wechselte Latchinian als Schauspieler ans Berliner Deutsche Theater, wo auch seine ersten Regiearbeiten entstanden. Ein Jahr, nachdem er die Intendanz des Senftenberger Theaters übernommen hatte, 2005, wurde es in der Kritikerumfrage von "Theater heute" zum Theater des Jahres gekürt.

(www.rostock-heute.de / www.ostsee-zeitung.de / das-ist-rostock.de / ape / jnm)

 

Im Juli 2010 sorgte ein von Latchinian angeregtes Patenschaftsmodell für finanzschwache Bühnen für Diskussionsstoff.

Der kaufmännische Geschäftsführer des Volkstheater Rostock, Stefan Rosinski, schrieb auf nachtkritik.de jüngst über Theater als GmbH – Was aus dem einstigen Heilsversprechen geworden ist.

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