This is water

von Thomas Köck

Berlin, 15.05.2013. Der Spree-Diamant ist der Luxusliner unter den Spree-Touristenschiffen: Riesige Glasfenster lassen tief in einen luxuriösen Speisesaal blicken, eine dezente Beleuchtung sorgt für eine entspannte Lounge-Atmosphäre an Deck und sollte es mal langweilig werden, kann das Schiff auch ganz schön anziehen. Allerdings sieht man den Spree-Diamanten nur vom eigenen Schiff aus vorüberfahren, das gemächlich, mit melancholischer Beleuchtung am Bundeskanzleramt vorbei Richtung Charlottenburg tuckert. Aber was ist schon Luxus, denkt man sich und lässt die vergangene Woche Revue passieren, die Menschen, Europa, die Jugend, das Geld, Europa, das Theater, das Geld, die Jugend, Europa, das Geld… Außerdem hatte die hier tippende Person Geburtstag, war also grundsätzlich melancholisch gestimmt und vermischte deshalb schon mal all die Europismen und Transismen und Interismen mit sich selbst oder dem, was nach zehn Stunden Blogtexten am Tag noch so von einem sogenannten Selbst übrig bleibt.

dsc 0176Spreeufer für alle - auch für Touristenschiffe... © Thomas Köck

Fische

Mit all den Europismen im Kopf steht man also am Abend da und blickt ins Wasser, an den beigen Hosen hinab, den Sneakers vorbei beim Versuch, sich witzige, schlaue, kritische Anmerkungen zur Festgemeinschaft an Deck auszudenken oder einen wichtigen Kontakt mit einem wichtigen Theatermacher herzustellen oder einfach nur ein anregendes Gespräch zu führen, das einem das Gefühl gibt, dass sich all die Fragen, die sich in einer Woche angesammelt haben, sinnvoll beantworten lassen.

Da fällt einem dann plötzlich Foster Wallace ein, der in einer über Internet posthum verbreiteten, zu viel Ruhm gekommenen Rede namens This is Water folgende Geschichte erzählt: Zwei junge Fische schwimmen glücklich und zufrieden herum. Da kommt ein älterer Fisch vorbei, der ihnen zunickt und sagt: "Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?" Die zwei jungen Fische schwimmen noch ein wenig und dann sieht einer den anderen an und sagt: "Was zur Hölle ist Wasser?" Weil eigentlich, sagt Wallace, gilt es aufmerksam zu bleiben, aware, gegenüber allem was uns umgibt, conscious bleiben und sich nicht von Kleinigkeiten ablenken lassen. Davon reden die Fische, von der Welt also, von Europa, von dem was sie umgibt und uns auch. Und von Touristenschiffen, die die Spree hoch- und wieder runterfahren und auf denen sich so genannte Europäer immer schon europäisch verhalten.

Fragen, Fragen

Dann schwimmen die beiden Fische wieder auseinander, man sieht die eigenen Sneakers wieder, die Hände am Geländer des Schiffes, die Sonne ist untergegangen, plötzlich ist es dunkel geworden. Ist das Bierglas in meiner Hand halb voll oder halb leer? Wem gehört dieses irre Lachen, das sich alle paar Minuten auf Deck ausbreitet. Warum ist das Geld eigentlich  immer in der reichsten Ecke der Welt knapp? Will man ein Europa der Zukunft auf dem Rücken einer unbezahlten Jugend? Und wohin ist eigentlich der Sitznachbar verschwunden?

Anstatt eines nachdenklichen Essays gibt es Fotos und Eindrücke von der Bootsfahrt auf der Spree – und vielen Dank für die schöne Bloggerei gemeinsam mit Alissa Rubinstein, Jenny Sréter, Hannah Eßler und Georg Kasch.

dsc 0202An Bord, Berlin-Gespräche: "Ich erkenne hier nichts wieder." © Thomas Köck

 

dsc 0243Wird hier das nächste Festival geplant? © Thomas Köck

 

dsc 0252An Deck drängelt's sich mindestens so wie in der Strandbar am Ufer © Thomas Köck

 

dsc 0260Geschwindigkeitsrausch? Oder die Macht der Perspektive? © Thomas Köck

 

dsc 0310Bahnhof mit Flusslandschaft © Thomas Köck

 

dsc 0322Unter (mindestens) sieben Brücken musst du gehn... © Thomas Köck

 

Der Blog ist ein Kooperationsprojekt von nachtkritik.de und der European Theatre Convention im Rahmen des Young Europe Festivals. Seine Inhalte sind nicht Teil des redaktionellen Kontents von nachtkritik.de: Impressum.

Kommentar schreiben