Das Rheingold – Teil eins von Frank Castorfs Ring des Nibelungen in Bayreuth
Mythischer Urgrund des Kapitalismus
von Wolfgang Behrens
Bayreuth, 26. Juli 2013. Das Theater Ingolstadt hat – vermutlich völlig ohne eigenes Verschulden – in der vergangenen Woche ordentlich eins auf die Mütze bekommen. Frank Castorf nämlich teilte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit, dass er auf einer Probe zu seiner Bayreuther Neuinszenierung des "Ring" eine "Postbeamtenmentalität" gespürt habe: "Was da auf der Bühne ablief, war Stadttheater Ingolstadt." Natürlich wusste jeder, was mit diesem despektierlichen Vergleich gemeint war – und wenn man dann noch von den notorisch knappen Probenzeiten hörte (die Castorf wiederum laut der Festspielleitung nicht voll ausgeschöpft habe), dann mussten die Alarmglocken schrillen.
Saugende Unheimlichkeit
Wie viele ambitionierte Regiezugriffe sind in Bayreuth in den letzten Jahren nicht vor allem daran gescheitert, dass sie über eine hölzerne Postbeamten-Personenführung nicht hinauskamen? Weil offenbar die Zeit fehlte für mehr als: "Stell Du Dich mal hierhin, und Du kommst dann von rechts." Nun hört man in der Umgebung des Festspielhügels im Vorfeld ja immer so einiges, ständig trifft man jemanden, der jemanden kennt, der auf einer Probe war. Und da Castorf und sein Team schließlich auch noch eine ganze Menge über ihre Konzeption des "Ringes" durchsickern ließen und auch erste Bühnenbild-Fotos kursierten, konnte man sich die Inszenierung im Kopf schon zurechtzimmern, ehe man das Festspielhaus noch überhaupt betreten hatte – und sah dann vielleicht vorm inneren Auge ein fürchterliches Rumstehtheater in grell hyperrealistischen Settings des serbischen Bühnenbildners Aleksandar Denić.
Nach dem "Rheingold" ist nun klar: Weit gefehlt! Ingolstadt ist 160 km entfernt, die Berliner Volksbühne aber ist ganz nah. Castorf ist es tatsächlich gelungen, die Sänger zu seinem schmutzigen und aggressiv-präsenten Spiel zu überreden, und er hat "Das Rheingold" derart temporeich und mit praller Detailfülle in Szene gesetzt, dass man an die angeblichen neun Tage Probenzeit gar nicht glauben mag.
Castorf führt uns zu Beginn der von ihm angekündigten Zeitreise ins Südstaaten-Amerika der 1950er und 1960er Jahre: Das "Golden Motel" samt zugehöriger Tankstelle und schäbigem Shop gibt hier den mythischen Urgrund für das Götter- und Heroendrama des "Rings" ab. Ein nicht gerade naheliegender Ort für den Wagner-Kosmos, aber tatsächlich ein mythischer: Aleksandar Denićs Drehbühnen-Ensemble wirkt wie ein ikonenhaftes und überscharfes Muster-Amerika, das eine saugende Unheimlichkeit nach Art der Bilder Edward Hoppers verströmt. Ein Sehnsuchtsort zugleich: Auf der Pressekonferenz des Vortages hatte Castorf gestanden, dass er zu DDR-Zeiten nie nach Köln oder Bayreuth, sondern immer auf die Route 66 gewollt habe.
Sexuell aufgeladene Foppereien
Götter, Rheintöchter und Zwerge sind in dieser Welt zu Figuren geworden, die man eher aus Stücken von Tennessee Williams (von Castorf vor vielen Jahren kongenial inszeniert) oder Filmen von Robert Rodriguez zu kennen meint: Vulgäre und mafiöse Aufsteigertypen, luxussüchtige, gelangweilte und gefügig gemachte Glamour-Girls. Mit den bewährten Videokameras zoomt Castorf nun hinein in dieses irgendwo zwischen Mittel- und Unterschicht angesiedelte Milieu – auf einem wie eine große Reklame-Tafel auf dem Motel angebrachten Bildschirm läuft ein mitunter rasant und perspektivisch verwirrend geschnittener Film ab, der die brutalen Machenschaften dieser Leute zeigt.
Die konkrete Handlung des "Rheingolds" gerät dabei zuweilen in den Hintergrund. Was genau etwa der proletenhaft virile Alberich (von Martin Winkler darstellerisch wie stimmlich mit explosiver Präsenz verkörpert) den Rheintöchtern bei den sexuell aufgeladenen Foppereien mit Grillwurst und Cocktails am Pool stiehlt, scheint unwichtig (es ist wohl eine Art Überlebensdecke aus einem Globetrotter-Laden). Kongruenz zu Wagner sucht Castorf weniger in direkten szenischen Entsprechungen als im boshaft in die Klischees hineingetriebenen Typenpersonal: Wotan (Wolfgang Koch) ist ein schmierig rücksichtsloser, verschwitzter Patriarch mit Zuhälter-Charme, der grundsätzlich jede Frau aufs Unangenehmste sexuell bedrängt; die Riesen Fasolt (mit grandioser Noblesse gesungen von Günther Groissböck) und Fafner (Sorin Coliban) sind Mechaniker im Unterhemd, die mit Baseballschlägern um Menschen und Limousinen herumschleichen, um sich ihr Recht zu verschaffen (später steigen sie gesellschaftlich auf und tragen angeberische Nadelstreifenanzüge).
Lauter Stanley-Kowalski-Typen
Der listige Loge (Norbert Ernst mit flexiblem, manchmal etwas zu leicht geführtem Charaktertenor) kommt hier als mustergültige Italo-Gaunercharge daher; und ganz besonders prächtig gerät der Auftritt der Urmutter Erda als Respekt gebietende Puffmutter im weißen Pelz (mit unfassbar wuchtigem Alt: Nadine Weissmann), die allerdings auch nicht verhindern kann, dass ihr Wotan an die Wäsche geht. Das alles gründelt vorerst nicht sehr tief, aber es hat entlarvenden Witz: Den Göttern wird alles Hehre – das sie, nach ihren Handlungen beurteilt, ja auch bei Wagner nie hatten – genommen. Wotan, Alberich, Fasolt, Fafner: im Grunde alles eine Soße. Stanley Kowalski-Typen eben.
Das von jeglicher Statuarik befreite Spiel, zu dem Castorf seine Darsteller animiert, hat möglicherweise auch eine belebende Wirkung auf den Gesang: Das sprechende Singen jedenfalls feiert an diesem Abend ein Fest. Nicht zuletzt Wolfgang Koch kann hierfür exemplarisch einstehen: Er verleiht seinem Wotan nicht einfach die Fülle des Wohllauts – die gibt es auch –, sondern er gestaltet eng an der Sprache und ohne Angst vor realistischen Stimmeffekten; eine Tendenz, die bei nahezu allen Sängern zu beobachten war.
Vom Publikum gefeiert
Wobei es sicher nicht nottut, Castorf auch für die musikalischen Meriten der Aufführung in Anspruch zu nehmen. Denn mit Kirill Petrenko leitete ein Mann das Orchester, der die Musik auf seine Weise zum Sprechen brachte. Nie lärmend oder aufdringlich, agogisch fein bis ins Detail, artikulatorisch präzise, ohne je den Fluss zu verlieren, gelingt Petrenko ein "Rheingold"-Dirigat, wie es differenzierter kaum sein könnte – und ist dabei zugleich ein perfekter Sänger-Begleiter, der sich durch keinerlei Manierismen zu profilieren versucht. Mit Recht wurde er beim Applaus vom Publikum gefeiert. Frank Castorf hingegen (dem ganz sicher der erste, wie ein Blitz herausgeschleuderte Buhruf nach dem Schlussakkord galt – die Rache eines Ingolstädters?) zeigte sich nach dem ersten Teil der Tetralogie noch nicht. Fortsetzung folgt.
Das Rheingold
von Richard Wagner
Inszenierung: Frank Castorf, Musikalische Leitung: Kirill Petrenko, Bühnenbild: Aleksandar Denić, Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Licht: Rainer Casper, Video: Andreas Deinert, Jens Crull, Dramaturgie: Patric Seibert.
Mit: Wolfgang Koch, Oleksandr Pushniak, Lothar Odinius, Norbert Ernst, Claudia Mahnke, Elisabet Strid, Nadine Weissmann, Martin Winkler, Burkhard Ulrich, Günther Groissböck, Sorin Coliban, Mirella Hagen, Julia Rutigliano, Okka von der Damerau.
Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, keine Pause
www.bayreuther-festspiele.de
nachtkritik.de berichtet über alle vier Teile von Castorfs Bayreuther Ring. Morgen geht es mit Die Walküre weiter.
Regisseur Frank Castorf und Dirigent Kirill Petrenko treiben dem "Ring"-Vorabend "jede Spur von Germanenmythos aus" und suchten "Wagners Substanz jenseits jeder Deutschtümelei", schreibt Reinhard J. Brembeck für den Online-Auftritt der Süddeutschen Zeitung (26.7.2013). Durch Castorfs Live-Filmarbeit "begeistert das Mienenspiel der Sänger, das sonst im Riesenraum kaum jemand wahrnimmt. Aber das Zusammenspiel zwischen Film und Szene nutzt Castorf auch, um die Abgründe dieses Machtkampfs zu zeigen, der zunehmend aussichtsloser und sinnloser wird." Obwohl Dirigent und Regisseur "die alten Mythen demontieren und oft komisch ins Abseits stellen, wird der Abend nicht platt. Zwar geht es nicht mehr um die höchste Götterhierarchie, sondern nur mehr um einen mittelständischen Gaunerclub, die Probleme des Machterhalts aber sind dieselben und sie sind genauso existenziell."
Für Lucas Wiegelmann auf der Onlineseite der Welt (26.7.2013) ist dieser Auftakt des "Rings des Nibelungen" inhaltlich "enttäuschend flach". Als spannend empfindet er die Live-Videotechnik, die "teilweise eine unheimliche Dynamik vermittelt: Nie zuvor konnte man dem 'Ring'-Personal so nahe kommen, konnte man die Götter schwitzen, spucken, atmen sehen. Das ist auch Programm: Hier sind keine überzeitlichen Fabelwesen zu sehen, sondern Menschen. Und nicht die Sympathischsten." Auch die Schauspielerführung wird gewürdigt, doch kritisiert der Rezensent, "dass dem Berliner Regisseur zu dem Stoff selbst eigentlich nicht viel eingefallen ist". Irritiert registriert er, dass sich Castorf für wichtige Handlungsmomente und Wendpunkt "gar nicht interessiert". Je mehr Fragen im Laufe des Abends offen blieben, "desto stärker wird der Eindruck, dass es gar keine Antworten gibt. Dass es beliebige Bilder sind, ohne einheitliche Idee dahinter." Musikalisch kündige sich hier allerdings "ein erfolgreicher 'Ring' an".
Der "Geist" der Berliner Volksbühne "dampft kräftig über die Rampe" und es gibt "viel Theater auf der Opernbühne zu sehen", schreibt Werner Theurich für Spiegel Online (26.7.2013). "Stets wird gefilmt, und auf einer großen Videowand explodieren manchmal geradezu Parallelgeschehen, Vergrößerungen von Bühnenaktion oder pantomimische Interpretationen. Wotan dreht seinen Film, sein Ding, das ist 'Walhall' als überlebensgroßes Video." Castorf schaffe "eine bitterböse Kammerkomödie, die die Scheinmoral der göttlichen Vorgehensweise grellbunt auffächert", und so erweise sich sein "Ring"-Vorabend als "lohnender Ansatz, der Musik und Gesang allerdings manchmal beinahe in der Bilderflut ertränkt".
Als "eigentliche Überraschung des Abends" beschreibt Ulrich Amling vom Berliner Tagesspiegel (28.7.2013) die charakteristische Ästhetik des Abends: "Ohne sein vertrautes Ensemble, ohne seine eigene Musik- und Verschleppungsdramaturgie, die sich im partiturtreuen Bayreuth verbietet, gelingt es Castorf, ein Stück Volksbühne zu exportieren." Der Regisseur nutze Film- und Bühnenzitate und motiviere die Sänger, "sich seinem kleinkriminellen Kosmos spielerisch zu ergeben. Das tun sie auch deshalb für ihn, weil der Regisseur sie im Gegenzug ungestört singen lässt." Dabei werde noch "nicht ernsthaft an irgendetwas gekratzt. Noch amüsiert man sich ganz gut, und Buh-Rufe verhallen rasch." Einen Triumph sagt der Kritiker aber bereits jetzt schon Dirigent Kirill Petrenko voraus. Der habe "mit schier endloser Energie das Festspielorchester erobert, das zuletzt als feste Thielemann-Burg galt".
"Das Tollste" an diesem neuen Bayreuther "Ring" sei "das Teufelskerlchen Kirill Petrenko" als Dirigent, jubelt Manuel Brug in der Welt (29.7.2013), der ein "famoser Geschichtenerzähler" sei und "glänzend über alle klangdramaturgischen Mittel" verfüge. Aber auch für Castorfs Regie hat der Rezensent viel Lob übrig, berichtet über "ein entspannt souveränes 'Rheingold' als scherzohafter Vorabend, wie er im Regietheaterbilderbuch steht" und eine "Walküre" als "statisches Gegenteil: Dunkel, Schlagschatten, eine bühnenhohe surrealistische Holzkonstruktion als glühbirnchenbeleuchtete Mischung aus Bohrturmkathedrale, Freisitz, Werkhalle und angeklebter Hundingshütte nebst Truthahnkäfig." Castorfs "inhaltlich-ästhetische Prinzipien" lauteten: "Sex, Öl und Videospiele". Halbzeitfazit nach zwei von vier "Ring"-Opern: "Auf Aktion folgt Reduktion, auf Billig-Glamour Politik als Diskontinuum. Wir wissen nicht, wie das wird, was Castorf auf dem "Siegfried"-Weg zum Berliner Alexanderplatz so einfällt. Aber wir können jetzt schon sagen: Es wird wohl eine bedeutende Inszenierung werden, die vielleicht sogar an die längst verklärte Chéreau-Tetralogie anknüpfen kann."
Niklaus Hablützel von der taz (29.7.2013) vermag keine Regiearbeit von Frank Castorf in diesen ersten "Ring"-Abenden zu erkennen. "Ganz sicher kann man den Anfang von 'Der Ring des Nibelungen' so erzählen, wie es Frank Castorf und sein Bühnenbildner das tun. Das Problem ist nur, dass man es nicht muss und dass es auch nicht deswegen plausibel ist, weil in Castorfs Regie irgendetwas zu erkennen wäre, was die Verpflanzung des Stoffs aus den mythischen Rheinauen in den nicht weniger mythischen Mittelwesten der USA erklären und rechtfertigen könnte." Der Kritiker würdigt Denićs Motel-Gebäude als "Rheingold"-Bühnenbild, "das in allen Einzelheiten so realistisch wie nur möglich ausgestattet, in seiner absurd verschachtelten Gesamtarchitektur aber ein einziger surrealer Albtraum ist", kommt dann aber wieder auf die Leerstelle zu sprechen: "Sängerinnen und Sänger jedenfalls fühlen sich spürbar wohl in dieser klaustrophobischen Architektur und lassen sich tragen von dem sehr präzise, prägnant, aber nie überwältigend spielenden Orchester unter der Leitung von Kyrill Petrenko. Wo aber ist Frank Castorf?"
Während für Peter Hagmann von der Neuen Zürcher Zeitung (29.7.2013) dieser neue Bayreuther "Ring" musikalisch "zu einer bedeutsamen Wegmarke werden könnte", wird von der Regie Vergleichbares nicht behauptet. "Irritierend" sei "weder der Versuch Castorfs, sich als Regisseur in die Interpretation der Tetralogie einzumischen, noch sein eigenwilliger Denkansatz. Störend ist vielmehr der szenische Aktionismus: die Macht, mit der sich das Optische in den Vordergrund zu drängen sucht. Die Bildschirme fügen dem schon ausreichend komplexen Geflecht der Ebenen in Wagners Musiktheater eine weitere hinzu – ausserdem eine, welche die Aufmerksamkeit besonders absorbiert und das Zuhören erschwert."
Daniel Ender vom Standard (29.7.2013) ruft schon einmal vorsichtig Dirigent Petrenko zum "Star" des Bayreuther Festspielsommers aus. "Ein derartiger Ausgleich zwischen transparenten Strukturen und glühender Dramatik dürfte seit dem legendären 'Jahrhundert-Ring' von 1976 mit Pierre Boulez als Dirigent nicht mehr erreicht worden sein." Allerdings machte die "Bilderflut, die Frank Castorf insbesondere im 'Rheingold' entfesselte, machte die Konzentration aufs Zuhören mitunter sehr schwer." Fazit: "Trotz des vielen schwarzen Golds ist die Tetralogie bisher also kein glatter Rutscher. Bis auf die große thematische Klammer blieben zu viele ölverschmierte Fäden in der Luft hängen, um eine Deutung erkennbar werden zu lassen."
In diesem "Rheingold" bahne sich "zumindest eine handwerklich exzellent gemachte Theaterarbeit an", berichtet Wilhelm Sinkovicz in der Presse (27.7.2013). Das "Rheingold" sei "zunächst einmal amüsantes Unterhaltungstheater mit kleinen Krimi-Akzenten, gut geeignet fürs Vorabendprogramm" gewesen. Dabei sei klar geworden, dass sich "Castorf um Petitessen wie einen ‚Handlungsstrang' auch in Bayreuth nicht schert".
Nach den ersten beiden "Ring"-Abenden "konnte man den Eindruck haben, dass hier zwei verschiedene Regisseure am Werk waren", schreibt Peter Uehling in der Berliner Zeitung (29.7.2013). "'Das Rheingold' am Freitag war ein greller, virtuos arrangierter Gangsterfilm in einem Motel an der Route 66, 'Die Walküre' am Samstag ein gedämpftes, sparsam inszeniertes Kammerspiel auf einem Ölfeld in Aserbaidschan." Dabei behaupte Aleksandar Denics Bühnenbild durchweg "Dinge, die von den Figuren nicht gespielt werden", wird kritisiert. Lob auch hier für Dirigent Petrenko: "Wie sich Linien aufeinander zu bewegen und korrespondieren, das hat man bei Wagner wohl noch nie so plastisch gehört."
Dieser neue Bayreuther "Ring" habe "keine Handlung, erzählt keine Geschichte", schreibt Eleonore Büning in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (29.7.2013). "Er kippt stattdessen, aus großen Eimern, kleingehäckselte Second-Hand-Story-Splitter in die schönen Bühnenbilder hinein." Überhaupt sei die Ausstattung "das Stärkste" an Castorfs Neuinszenierung: "die detailverliebten Kostüme, die schnelle Lichtregie, die live produzierten Videos, vor allem aber die grandiosen Bühnenbauten, die sich der junge serbische Theater- und Filmdesigner Aleksandar Denić ausgedacht hat." Dagegen liege "Castorfs größte Schwäche" an diesen ersten beiden "Ring"-Abenden in dem "Umstand, dass er diesmal das Regieführen wegließ", d.h. dass er darauf verzichtet sichtbar zu machen, was zu hören ist. Im "Rheingold" falle die "Ratlosigkeit der Regie noch nicht so ins Gewicht. Götter, Nixen, Zwerge und Riesen sind in Castorfs lustiger Parallelbilderwelt aus dem mittleren Westen, aus den Sechzigern oder Siebzigern, von der gleichen verzweifelten Art: menschlicher Abschaum, zynische Verlierer." Großes Lob erhält das Dirigat von Petrenko: "So überzeugend farbenklar und gestenreich spricht diesmal die Musik, so sirenenhaft verführerisch und kraftvoll begleitet das Orchester die Sänger, so leicht und transparent kommt das daher, dass man seinen Ohren kaum traut."
Konzenptionell ist dieser Ring aus Sicht von Christine Lemke-Matwey in der Zeit (1.8.2013) – (wo sie den ganzen Zyklus in einem bespricht) – durchaus ein Wurf. Doch in der Umsetzung sieht sie "eine gar grässliche Wurstigkeit, Lustlosigkeit, Langeweile" walten. Letztlich sei, so die Kritikerin, eben doch vieles bloß assoziativ und rein zufällig, "da mögen einem Aleksandar Denićs filmreife Bühnenbil der noch so sehr den Atem rauben". Die vier Stationen des Zyklus hätten wenig miteinander zu tun. Auch deshalb, weil es in Wagners Ring "nicht nur ums Scheitern sozialer Utopien" gehe und "die alte Systemkritik am Kapitalismus, sondern immer wieder auch ums Disparate." Um das, was herausbreche aus dem herrschenden Diskurs. "Kirill Petrenko kontere der Regie "mit einem vorzüglich analytischen Dirigat. Seine Tempi überzeugen, vieles hat man so überhaupt noch nie gehört, vieles ist so fein modelliert, als sei die Partitur ein Bergwerk mit tiefen stollen und geheimnisvoll glitzernden Grotten – und Petrenko der Scout mit der Stirnlampe darin."
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Wie aber mag das weiter funktionieren? Denn genau darum, was Alberich da so "Unwichtiges" stiehlt wird in jedem Akt der weiteren drei Stücke ausgiebigst gesungen und reflektiert?
S.g.H.C., wir haben im Spiegel gelesen, dass auf Ihren Proben so was wie "Stadttheater Ingolstadt" zu sehen war. Da wünschen wir Ihnen, dass es so weiter geht und die Premiere ein voller Erfolg wird. Sie dürften sich auf der sicheren Seite befinden. Die neue Mannschaft arbeitet seit 2 Jahren an diesem Theater, welches sich bewusst wieder Stadttheater nennt, massiv in die Stadt hinein geht, neue Spielplätze sucht und oft den ganzen Stadtraum bespielt. Dieses Stadttheater hat bei den Bayerischen Theatertagen in Nürnberg in diesem Jahr sowohl den Preis für die Inszenierung ("Das Ende des Regens"), als auch den Preis für das Kinderstück "An der Arche um acht" zugesprochen bekommen. In der "Deutschen Bühne" konnte man lesen, dass dieses Theater der Shooting-Star unter den bayerischen Theatern ist. Also, seien Sie guten Mutes, wenn Sie in Bayreuth auf einmal Stadttheater Ingolstadt sehen./ Im Moment arbeitet Johann Kresnik bei uns, von dem ich Sie grüßen soll. Er würde sich freuen, wenn Sie zu seiner Premiere "Lebenmüssen ist eine einzige Blamage", einem Stück über Marieluise Fleißer, am 5. Oktober, kommen würden. Dann wäre zumindest geklärt, dass, wenn Sie das nächste Mal vom Stadttheater Ingolstadt reden, es sich um eine Meinung handelt und nicht nur um eine müde Pointe./ Herzliche Grüße aus Ingolstadt verbunden mit Toitoitois für den Rin. d.b.
Lieber Herr Berkenhoff,
hoffentlich sind Ihre Inszenierungen nicht so humorlos, wie Ihre Replik.
die Chancen, dass Herr Castorf einmal Ihr Theater besucht, sind als gering einzuschätzen. Ich habe Castorf noch nie eine fremde Spielstätte betreten sehen, und ich gehe oft ins Theater. Selbst im eigenen Haus ist er, im Vergleich zu anderen Intendanten, eine Rarität. Die Volksbühnen-Kantine will er anscheinend auch nicht mit seiner Gegenwart beglücken (zugegeben, ich bin dort kein Stammgast). Wahrscheinlich schätzt er die Aufenthalte in seinem Büro. Das Mobiliar – ich kenne es nur von Fotos – könnte allmählich eine Auffrischung gebrauchen. Zum Glück hat die Volksbühne keine DDR-Bestuhlung mehr.
See yuu later,
Bernd Woltersberg
Humorlos? Finde ich nicht! Finde den Spruch von Castorf einfallslos.
Diese Form der Arroganz hat einfach keinen Stil.
Ziemlich billig. Ich kenne mich aus. War jahrelang auch so.
Bis ich im hohen Alter zu spät merkte, dass keiner mehr was von mir wissen will.
War ziemlich übel. Aber das muss ich keinem wünschen. , das passiert, Gott sei dank, ganz von selbst.
Bin bei Ihnen, ehrlich gesagt auch nicht sicher.
Gruß