Siegfried ist gekommen

von Wolfgang Behrens

Bayreuth, 29. Juli 2013. "Es liegt mir daran, nicht nur anzuregen, sondern mich auch vollkommen verständlich zu machen", schrieb Richard Wagner im Vorwort zu "Oper und Drama". Es ist dies ein Satz, den Frank Castorf für sich wohl schwerlich so unterschreiben würde. Der Volksbühnen-Intendant hat bei der Pressekonferenz am Eröffnungstag der Bayreuther Festspiele sein Misstrauen gegenüber geschlossenen Konzeptionen mit "ein-eindeutigen Zuordnungen" der Bedeutung (warum eigentlich ein-eindeutig? reicht eindeutig nicht aus?) zum Ausdruck gebracht und von seiner neuen "Ring"-Inszenierung als einem "Assoziationstheater" mit "Sternschnuppen-Zitaten" gesprochen.

Castorf im besten Falle

Verständlichkeit im Sinne einer stimmigen, eben mal im Vorübergehen zu dechiffrierenden Interpretation ist dabei nicht angestrebt – anders als dem Theaterdirektor Goethes geht es Castorf nicht darum, dass sein Tun "mit Bedeutung auch gefällig sei". Wenn sein Theater gelingt, dann eröffnen die Assoziationen Castorfs den Zuschauern ihrerseits Assoziationsräume, in denen die Bedeutungen eher ins Wanken kommen als sich verfestigen, und es entstehen stattdessen polyvalente Energien und Bilder, die sich nicht so leicht abschütteln lassen – auch nicht mittels heftiger Abwehrreaktionen. Ein Gutteil der andauernden Irritation dieser Arbeitsweise liegt sicher darin, dass die Dechiffriermaschine in den Köpfen des Publikums (und auch des Berichterstatters) unablässig weiterläuft, immer auf der Suche nach einer Eindeutigkeit, die Castorf längst über Bord geworfen hat.

Nach einem flott inszenierten Rheingold und einer recht flauen Walküre hat Castorf auf seiner "Ring"-Reise im "Siegfried" nun einen vorläufigen Gipfel dieser Irritationskunst erklommen. Der Abend schüttet ein wahres Füllhorn an grandiosen Bildern und verrätselten Aktionen aus: Sich einen Deutungsweg durch dieses Gestrüpp zu schlagen, fällt schwer und soll wohl auch schwerfallen. Da ist etwa das erneut ingeniös entworfene Bühnenbild von Aleksandar Denić: Mimes Schmiede zu Beginn findet sich unter einer Replik des Mount Rushmore wieder, der jedoch keine Skulpturen amerikanischer Präsidenten zeigt, sondern: Marx, Lenin, Stalin, Mao.

siegfried 560 bf enriconawrath uMount Sozialismore  © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Unfreie Wohnwagen-Sozialisten

Vor dieser ins Gigantische zielenden Szenerie campiert Mime – von Burkhard Ulrich als sich virtuos durch alle Stimmfacetten des Listigen hindurch chargierendem Charaktertenor verkörpert – in einem Wohnwagen, umgeben von Bücherstapeln. Ist er ein intellektueller Aussteiger-Typ, der sich mit marxistischen Theorien panzert? Wenn Wotan (der erneut formidable Wolfgang Koch) ihm beim Ratespiel des ersten Aktes die entscheidende Frage vorlegt, wer denn das Schwert Notung neu schweißen werde, versagen Mimes Theorien jedoch, und wütend geht er mit dem Holzhammer (!) auf den monumentalen Marx-Kopf los. Seltsamerweise hält sich Mime zudem eine Art Sklaven an langer Leine (als Edelstatist agiert hier der Produktionsdramaturg Patric Seibert), der die Bücherstapel immer wieder umsortiert. Eine Anspielung auf sozialistische Unfreiheit?

Der mit Glitzerweste ausgestattete Siegfried scheint hedonistischer veranlagt zu sein als sein Ziehvater Mime, mit dessen Büchern hat er nichts am Hut – offenbar pfeift er auf den Marxismus und gibt seinerseits der Stalin-Skulptur eins auf die Nase. Nicht nur Notung schmiedet er neu, er setzt sich auch eine Kalaschnikow zusammen und zieht los. Der kanadische Tenor Lance Ryan singt diesen Siegfried mit einer jugendlichen Unbekümmertheit und Verve, die sein etwas glanzloses Timbre und einige Härten in der Tongebung fast vergessen machen.

siegfried2 56 bf-enriconarath uAm Alex  © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Kalaschnikow-Amoklauf mit Vorwarnung

Im zweiten Akt dreht sich – ein faszinierender Moment – der Mount Rushmore des Ostblocks weg, um auf der Rückseite der sozialistischen Denker und Henker den Blick auf den real existierenden Sozialismus freizugeben: Berlin Alexanderplatz mit S- und U-Bahnhof samt Weltzeituhr, Postamt und Mülleimer. Siegfried ist zum Amokläufer geworden: Die irgendwie mit westlichen Konsumfreuden konnotierten Verlockungen des Waldvogels (Mirella Hagen in einem Kostüm, das vom Karneval in Rio stammen könnte) treiben ihn zum Mord an Fafner (der eine Kalaschnikow-Salve abbekommt, vor deren Schockwirkung die Festspiel-Leitung vorher eindringlich warnen zu müssen glaubte) und am marxistisch verbohrten Mime.

Und dann der dritte Akt: die Route-66-Puffmutter Erda (die eindrucksvolle Nadine Weissmann) aus dem "Rheingold" kehrt wieder, um nun mit Wotan am Alexanderplatz Spaghetti und jede Menge Rotwein zu verzehren, per Handkamera zur unappetitlichen Überdeutlichkeit herangezoomt. (Warum nur hat Castorf hier die Chance vertan, den Wagnerianern Kartoffelsalat vorzusetzen?) Immer weiter werden die Drastik-Schrauben angezogen: Der Zwist zwischen Erda und Wotan endet mit einem Versöhnungs-Blowjob in Großaufnahme, den Wotan zu den Worten "Dort seh' ich Siegfried nahn" abbricht.

Fränkischer Zorn

Die Wut, die dem (nach wie vor beim Applaus unsichtbaren) Regisseur am Ende entgegenschlug, entzündete sich aber wohl noch nicht oder jedenfalls nicht zur Hauptsache hieran, sondern an einer fulminant abwegigen Bildstörung, die Castorf dem rauschenden Schlussduett zwischen Brünnhilde und Siegfried eingeschrieben hat: Während sich Brünnhilde (Catherine Foster verleiht ihr leidenschaftliche Stimmintensität) im Postamt des Alexanderplatzes bräutlich ausstattet und der antisozialistisch berserkernde Siegfried mit dem privaten Glück zu verspießern droht, wackeln zwei große, schnauzenklappernde und gänzlich surreal anmutende Gummikrokodile heran.

Krokodile auf dem Alexanderplatz, während der Bayreuth-Besucher in leuchtender Liebe und lachendem Tod schwelgen will? Das ist zuviel! Beim Buh-Chor nach dem finalen Akkordschlag konnte sich Castorf, so er ihn gehört hat, einen Vorgeschmack verschaffen, wie man ihn in zwei Tagen hier empfangen wird, wenn er nach der "Götterdämmerung" vor den Vorhang treten wird. Der neue "Ring" jedenfalls hat wieder Fahrt aufgenommen. Nächstens mehr.

 

Siegfried
von Richard Wagner
Inszenierung: Frank Castorf, Musikalische Leitung: Kirill Petrenko, Bühnenbild: Aleksandar Denić, Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Licht: Rainer Casper, Video: Andreas Deinert, Jens Crull, Dramaturgie: Patric Seibert.
Mit: Lance Ryan, Burkhard Ulrich, Wolfgang Koch, Martin Winkler, Sorin Coliban, Nadine Weissmann, Catherine Foster, Mirella Hagen, Patric Seibert.
Dauer: 5 Stunden 55 Minuten, zwei Pausen

www.bayreuther-festspiele.de

 

Mehr von Castorfs "Ring": Teil eins: Rheingold, Teil zwei: Walküre.


Kritikenrundschau

"In Frank Castorfs Bayreuther so bannender wie verstörender 'Siegfried'-Fantasmagorie" fühlte sich Manuel Brug von der Welt (31.7.2013) merklich bestens aufgehoben. Als "unheimlich konsequent" empfindet er, wie Castorf sich "offensichtlich bisweilen nicht um die Musik schert, ihre pathetische Kraft unterläuft, andere Betonungen setzt als Wagner – und sich gerade darin einen aufregenden Dialog mit dem präsenten, aber unsichtbaren, nur klingend zu erlebenden Kirill Petrenko liefert." Der Dirigent halte dabei "alles zusammen und dröselt musikalisch auf, wenn Castorf szenisch träumt und verrätselt". Als "Dreh- und Angelpunkt" gilt dem Kritiker wieder das Setting von Aleksandar Denić. "In diesem surreal irrlichternden Assoziativ-'Ring' aus der nach wie vor funkensprühenden Castorf-Schmiede, bisweilen nahe an den Wagner-Vorgaben, dann sich mutwillig Freiheiten nehmend, geht zumindest im 'Siegfried' der Erdöl-Grundgedanke als Goldersatz weitgehend flöten. Natürlich, wir stehen am klarsten Konfrontationspunkt der beiden den Kalten Krieg beherrschenden Systeme, der auch ein Kampf um Energie und Antrieb war. Diesmal aber erleben wir vor allem eine Abfolge von privaten Begegnungen der mal poetischen, mal abstoßenden Art."

Von einem "Buhgeschrei ohnegleichen" berichtet Reinhard J. Brembeck in der Süddeutschen Zeitung (31.7.2013) und ist sich sicher: "Hätte sich Castorf gezeigt, er wäre gelyncht und das Festspielhaus demoliert worden." Die musikalischen Leistungen bringen den Rezensenten ins Schwelgen; dagegen stelle die Regieinterpretation "selbst wohlmeinende Exegeten vor Probleme". Die Vorgängerabende "Rheingold" mit dem Route-66-Setting und "Walküre" in der frühen UdSSR seien gegen diesen "Siegfried" geradezu "schlichte Erzählungen" gewesen. "Jetzt aber setzen Castorf und Denić zur Synthese dieser Welten an. Ihr Konzept, das allmählich sichtbar wird, versucht assoziativ den Zusammenhang zwischen Macht und Humanität, vulgo 'Liebe', in den verschiedensten Zeiten und unter verschiedenen Herrschaftssystemen zu analysieren: Kapitalismus trifft auf Sozialismus trifft auf Neoliberalismus." Castorf, so vermutet Brembeck, wurde "wohl auch verpflichtet, den Ruf als hemmungsloses Schreckenskind des staatlich subventionierten Bildungsbürgertheaters zu verteidigen – und wo könnte er das besser als in Bayreuth, das manchen als die Hochburg anbetender Klassikerpflege gilt? Castorf nutzt die Chance mit provokanten Lösungen, die aber immer wieder neuralgische Punkte in puncto Wagner (be)treffen". So laufe der neue "Ring"-Zyklus "trotz des alle Rekorde brechenden Kirill Petrenko und etlicher großer Sängermomente, auf einen handfesten Skandal zu."

Castorf habe den "Siegfried"-Plot "überall und nirgends" angesiedelt, mit einem Bühnenbild, das abermals "ganz hinreißend pittoresk: polyvalent, mehrstöckig, verspielt, zitatenschwer und dabei doch drehbar" ist, berichtet Eleonore Büning in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (31.7.2013). Und auf dieser Drehbühne singen die Akteure, "wenn das Publikum Pech hat", ihre "wichtigsten und eindringlichsten Passagen, wenn sie gerade hinten sind". Die "übergriffigen, lärmigen Einfälle der Regie" seien „nie sinnvoll, aber immer sehr lustig". Von der Ohnmacht eines Zuschauers beim lärmenden Gewehrknattern der Kalaschnikow von Siegfried wird berichtet. "Rührung, Ergriffenheit, Katharsis und ähnliche bürgerliche Albernheiten sind nicht vorgesehen im lustigen Lumpensammler-'Ring'."

Über ein "disparates Projekt" berichtet Peter Uehling in der Berliner Zeitung (31.7.2013) mit einem umstrittenen "Rheingold", einer Begeisterung erregenden "Walküre" und einem nun "schweren Protest" auslösenden "Siegfried". Denićs Bühnenbild und Castorfs Regie "suggerieren Bedeutung im Überschuss, ohne dass sie wirklich auf eine 'Botschaft' fokussierbar wären", wobei sie darin der "Siegfried"-Musik ähnlich seien, die für "den bis dahin so grandiosen Dirigenten" Kirill Petrenko "zuweilen zu bunt" sei. "Castorf gelingen erstaunliche Szenen", führt der Rezensent aus und berichtet vom Titelhelden auf dem Alexanderplatz einen "Moment zarter Tristesse und großer Poesie, der auch von der folgenden Erschießung Fafners mit der Kalaschnikov nicht zerstört wird".

Castorf meldet sich "lautstark zurück auf dem Grünen Hügel" und lässt "es knallen, spielt sich auf, legt sich mit allen an – egal, ob das auch nur im Ansatz sinnvoll ist", schreibt Ulrich Amling im Tagesspiegel (31.7.2013). "Das Unangenehme daran ist nicht, dass hier einer beweisen will, dass ihm nichts heilig ist. Das erwarten wir so von unserem Castorf. Nur möchte er an diesem Abend obendrein alle als Spießer bloßstellen, die sich nicht mit lieblos hingehauenen kalten Spaghetti auf dem Alex abspeisen lassen wollen. Die Buhs für den 'Ring'-Regisseur werden substanziell."

"Frank Castorfs Bayreuther 'Ring'-Unternehmung erreichte mit dem ‚Siegfried' die vollständige komödiantische Loslösung von Richard Wagners Text und einem irgendwie mit selbigem zu assoziierenden Sinngehalt", berichtet Wilhelm Sinkovicz in der Presse (31.7.2013). In den "gewaltigen Dekorationen" Aleksandar Denićs bleibe das Publikum "so allein gelassen mit Wagners Gedanken wie in den handwerklich weniger gelungenen Bayreuther Inszenierungen davor". Es bekomme allerdings von der Musik "jedes erdenkliche Diskussionsmaterial geliefert. Der Star der Jubiläumssaison heißt Kirill Petrenko, so viel steht nach der dritten Premiere fest. Was Castorf verweigert, liefert der Dirigent mit Hingabe: Versenkung in den Wagner'schen Notentext, dessen möglichst punktgenaue Realisierung – und eine aus der Detailarbeit wachsende, stringente Klangerzählung von beeindruckendem emotionalen Reichtum."

"Spießer ärgern für Fortgeschrittene" betitelt der Standard (31.7.2013) Daniel Enders Bericht über Castorfs "Siegfried". Auf "schlüssige Dramaturgie kommt es Castorf nicht an – ebenso wenig wie auf Logizität der Ereignisse". Erstaunlich sei, "wie leicht geradezu Pawlow'sche Effekte der Erregung erzielt werden können. Und schade, dass die vielen Einfälle so in der Luft hängen bleiben".

Werner Theurich von Spiegel Online (30.7.2013) bedankt sich beim Dirigenten dafür, dass der sich "leisere Schüsse aus der Schnellfeuerwaffe ausbedungen hatte" im 2. Aufzug: "Danke, Herr Petrenko, es war auch so plakativ genug." Nach diesen Gewehrschüssen, nach "der Sündensalve rollt dann ein castorfsches Ironieprogramm ab, das nur eine Botschaft transportiert: Der Regisseur nimmt seinen Stoff nicht wirklich ernst." Was Theurich scharf kritisiert: "Dass das Zeitalter der allumfassenden Ironielösung vorbei ist, hat sich offenbar nicht bis zu Frank Castorf herumgesprochen."

Endlich habe sich Castorf als Regisseur dieses "Rings" gezeigt, sagt Niklaus Hablützel in der taz (31.7.2013) und meint zum Chor der Buh-Rufer, in den sich auch "entschiedene Zustimmung einer hörbaren Minderheit" gemischt habe: "Und beide hatten recht, die Empörten wie die Begeisterten, denn Castorfs 'Siegfried' hat mit Wagners Textbuch gleichen Namens nichts mehr zu tun." Was bei Wagner "die bloß ausgedachte Konstruktion eines reinen Toren war, wird bei Castorf zur erfahrungsgesättigten Figur eines ahnungslosen, zornigen jungen Mannes, der fassungslos den Zusammenbruch seiner Lebenswelt erlebt, einer Welt, die er zwar hasst, aber dennoch auch liebt, weil sie die einzige ist, die er kennt." Castorf leide "bis heute an diesem Trauma" des Untergangs der DDR, "und denkt gar nicht daran, Rücksicht auf die Festgemeinde von Bayreuth zu nehmen. Sie muss ertragen, dass der Tod des Sozialismus weit tragischer ist als der Untergang der Wagner'schen Götter." Eine "wahre Sensation" liefere Dirigent Petrenko: "Während oben Castorf den Text in die Tonne tritt, kehrt unten die Partitur in einer Weise zurück, die im Wortsinne unerhört ist."

Konzenptionell ist dieser Ring aus Sicht von Christine Lemke-Matwey in der Zeit (1.8.2013) – (wo sie den ganzen Zyklus in einem bespricht) – durchaus ein Wurf. Doch in der Umsetzung sieht sie "eine gar grässliche Wurstigkeit, Lustlosigkeit, Langeweile" walten. Letztlich sei, so die Kritikerin, eben doch vieles bloß assoziativ und rein zufällig, "da mö­gen einem Aleksandar Denićs filmreife Bühnenbil­ der noch so sehr den Atem rauben". Die vier Stationen des Zyklus hätten wenig miteinander zu tun. Auch deshalb, weil es in Wagners Ring "nicht nur ums Scheitern sozialer Utopien" gehe und "die alte Systemkritik am Kapitalismus, sondern im­mer wieder auch ums Disparate." Um das, was herausbreche aus dem herrschenden Diskurs. "Kirill Petrenko kontere der Regie "mit ei­nem vorzüglich analytischen Dirigat. Seine Tempi überzeu­gen, vieles hat man so überhaupt noch nie gehört, vieles ist so fein modelliert, als sei die Partitur ein Bergwerk mit tiefen stollen und geheimnisvoll glitzernden Grot­ten – und Petrenko der Scout mit der Stirnlampe darin."

Kommentare  
Siegfried, Bayreuth: Es sind die Dostojewski-Krokodile!
Aber lieber Herr Behrens,
das sind doch sonnenklar die Dostojewski-Krokodile! Wozu die Dinge mystifizieren?
Siegfried, Bayreuth: Spaghetti sind der neue Kartoffelsalat
Weil: Spaghetti sind der neue Kartoffelsalat (siehe Kehlmann) - auch der Kleinbürger hat ein Halbwertszeitgedächnis, was Rezeptionsgeschichte betrifft; mit Kartoffelsalat käme die Assoziationsflut doch nur ins Stocken, frei nach dem Beispiel "Hä, jetzt Kartoffelsalat, hä, die deutsche Kartoffel, Storch im Salat, hä?" - und jedes Provokationspotetial wäre dahin... Ach, auch radikale Regie hat's nicht leicht.
Siegfried, Bayreuth: Wissenslücke aufgedeckt
Ha, lieber Guttenberg, da haben Sie doch wirklich eine Wissenslücke bei mir aufgedeckt. Ich gestehe, Castorfs "Spieler" verpasst zu haben, und Dostojewskijs "Krokodil" habe ich auch nie gelesen. Es gibt offenbar Nachholbedarf! Trotzdem hoffe ich, nicht allzu viel Mystifikation betrieben zu haben, als Bild immerhin bleiben die beiden Reptilien schon schräg anzuschauen.
Siegfried, Bayreuth: Kommentar des Kommentars
Aber ganau DAS ist doch das Problem: Als Bild muss es schräg anzuschauen sein - und wie Jelinek so schön schreibt bleibt nur noch übrig: Sinn egal, Körper zwecklos... Hier, so scheint es, wird doch nichts und Niemand mehr gefährdet. Hauptsache Kommentar des Kommentars. Spaghetti statt Kartoffelsalat. Marx statt Washington. Alles Wurst, ach nee, Osten: Banane.
Siegfried, Bayreuth: so viel kann Vinge gar nicht
Traurig an Castorf und der Volksbühne ist doch, dass sie Berlin zur Provinz gemacht haben. Da wirkt ja selbst schon Bayreuth wie New York oder Ingolstadt wie Paris. So viel kann Vinge gar nicht schei..., dass sich das irgendwann nochmal ändern würde. Über Meeses Parsifal wird doch heute schon gegähnt. Wer sich immer nur auf den Lorbeeren vergangener Tage ausruht, sogar damit kokettiert, der wird sich irgendwann erheben und merken, dass der Lorbeer längst vertrocknet ist. Bayreuth mag in Castorfs Augen ja die DDR sein, die es nicht mehr, aber Berlin ist die DDR, wie sie einmal werden sollte: Ein auch kulturell labiles Konstrukt, dass sich aus den Erträgen und Zuschüssen der es umgebenden "Provinzen" ernährt (finanziert). Das ist zu wenig, um sich oder den RING aufzuspielen.
Siegfried, Bayreuth: dürre Nutten
Spaghetti und jede Menge Rotwein? Spaghetti ist doch auch ein Bild für dürre Nutten, oder nicht? Und das Krokodil im Nil? Fressen oder Gefressen-Werden, das ist hier die Frage.
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