Das Dilemma der begrenzten Mittel

Berlin, 23. August 2013. Die vom Berliner Senat eingesetzte Kommission zur Erstellung eines Gutachtens zur Neuvergabe der Konzeptförderung, die in einer mehrjährigen institutionellen Förderung für Berliner Freie Szene-Gruppen und kleinere Privattheater besteht, hat ihre Empfehlungen für die Jahre 2015 bis 2018 ausgesprochen. Da es sich bei der Konzeptförderung als Ergänzung zur Basis- und Projektförderung um die höchste Stufe der freien Förderung handelt, die den betroffenen Theatern und Gruppen eine zumindest vierjährige Planungssicherheit ermöglicht, sind diese Empfehlungen von einiger Relevanz, zumal der Berliner Senat ihnen mit einiger Wahrscheinlichkeit folgen wird.

Die neu zur Konzeptförderung empfohlenen Gruppen sind das PerformerInnnen-Kollektiv She She Pop, das mit jährlich 120.000 EUR unterstützt werden soll, sowie die freie Tanzcompagnie cie. toula limnaios, die für eine Förderung von jährlich 250.000 EUR vorgeschlagen ist. In der Konzeptförderung verbleiben wie bisher die Neuköllner Oper, die Sophiensaele, das Ballhaus Naunynstraße, das Theater Strahl, die Vagantenbühne, das Theater im Palais, das Kleine Theater am Südwestkorso, Constanza Macras mit Dorky Park und Rimini Protokoll.

Nicht mehr zur Konzeptförderung empfohlen wurden der Theaterdiscounter, das Theater 89 sowie die freie Musiktheater-Gruppe Nico and the Navigators.

Die Gutachter Ute Büsing, Frank Schmid und Stefanie Wenner weisen in ihrer ausführlichen Stellungnahme darauf hin, dass etwa 10 Mio. EUR beantragt worden seien, aber nur 4,3 Mio. EUR zur Förderung zur Verfügung stünden. Die Konzeptförderung sei "eindeutig unterfinanziert. Mit dem aktuellen Etat, der in den letzten Jahren keine Aufstockung erfahren hat, kann eine seriöse Förderpolitik, die an Weiterentwicklung orientiert ist, kaum realisiert werden."

Während das Theater 89 und Nico and the Navigators aus überwiegend künstlerischen Erwägungen heraus nicht mehr zur weiteren Förderung empfohlen wurden, sei die Nicht-Empfehlung des Theaterdiscounters in dieser Unterfinanzierung begründet. Im Gutachten heißt es dazu: "Am Beispiel des Theaterdiscounters lässt sich sinnfällig zeigen, dass es nicht ausreicht, einer Spielstätte – oder Gruppe – unter Mitnahme der Mittel aus der Basis- bzw. Spielstättenförderung – den Aufstieg in die höchste Form der freien Förderung zu ermöglichen, ohne ein beträchtliches Pfund draufzulegen. Ein Dilemma, dem sich die amtierende Kommission aufgrund begrenzter Mittel erneut nicht entziehen kann. Die vor vier Jahren gewährten 150.000 Euro jährlicher Konzeptförderung waren für den Theaterdiscounter jedenfalls zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel."

Die Gutachter folgern: "Nur mit der Gewährleistung einer Förderung in gewünschter Höhe könnte sich der Theaterdiscounter in dieser notwendigen Weise konsolidieren und weiterentwickeln. Da dies angesichts der begrenzten finanziellen Möglichkeiten nicht realisierbar ist, spricht sich die Kommission unter den gegebenen Umständen mit großem Bedauern gegen einen Verbleib des Theaterdiscounters in der Konzeptförderung aus. Für den Fall der als dringend notwendig erachteten Aufstockung des Konzeptförderungsetats empfiehlt die Kommission den Theaterdiscounter als ersten Nachrücker mit einer Förderung zwischen 280.000 Euro bis 300.000 Euro zu berücksichtigen."

Selbst im Falle der weiter in der Konzeptförderung berücksichtigten Sophiensaele zeige sich den Gutachtern zufolge die Unterfinanzierung: Zwar soll die Spielstätte 905.000 EUR statt bisher 750.000 EUR Zuschüsse aus der Konzeptförderung erhalten (beantragt waren 1,4 Mio. EUR), doch trotzdem "drohten ein Abbau des Personals, Absagen von Kooperationen, Premieren und Vorstellungen, es bestehe die Gefahr einer Abwanderung von Künstlern, Gruppen und Mitarbeitern". Sanierungsfolgekosten und vergangene sowie künftige Preissteigerungen eingerechnet, bedeutet auch eine solche Erhöhung der Zuwendungen nur eine Verwaltung der Stagnation. "Es ist kaum möglich", so die Gutachter, im Rahmen der Konzeptförderung "auf Entwicklungsprozesse bei Förderungsempfängern zu reagieren".

(wb / Senatskanzlei Berlin)

Hier findet man das aktuelle Gutachten sowie weitere aus der Vergangenheit.

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Kommentare  
Konzeptförderung Berlin: künstlerische Qualität?
Mit Verlaub: wie wird denn die Weiterförderung von Vagantenbühne, Theater im Palais und Kleinem Theater am Südwestkorso begründet? Doch wohl kaum mit Argumenten die künstlerische Qualität betreffend, oder?
Konzeptförderung Berlin: Link
http://www.berliner-zeitung.de/kultur/peanuts--haushalten-mit-der-freien-szene,10809150,24078316.html
Konzeptförderung Berlin: Zweifelhafter Bühnenball
@2:
27 Mio Euro für müde Intendanten in Nadelstreifen, deren Kreativität sich darauf beschränkt, die Freie Szene abzuschöpfen (Dietmar Schwarz an der Deutschen Oper; Sasha Walz an der Staatsoper) und beamtete Kunsthandwerker, die ohne Risiko Kunst machen, wie man Brötchen bäckt... Hm...
Obwohl ich kein Klassenkämpfer bin komm ich doch ins Grübeln... Ist das Filz oder der Fäulnisglanz eines längst dahingeschiedenen Kunstsystems? Wie relevant ist z.B. ein neuer Nabucco von einem Regisseur, der sich längst damit begnügt, Aufträge der Reihe nach säuberlich abzuarbeiten? Muss man die Allgemeinheit ein Opernhaus subventionieren, das einem Sänger dient, indem es ihm einen neuen "Falstaff" zu Füßen legt?
Und müsste man nicht auch andere Zirkusunternehmen subventionieren, wenn man die Galavorstellungen des Zirkus Barenboimi aus der Schatulle unterstützt, um La Netrebko nach Berlin zu holen. Die Leute, die sich das anhören, können doch auch die volle Gage bezahlen, die die Dame kostet. Normalsterbliche kommen ohnehin nicht an Karten. Warum sollen sie für den Bühnenball der Spitzen der Gesellschaft zahlen?
Konzeptförderung Berlin: Gewerkschaften sind schuld
Zu aller erst sind die Gewerkschaften Schuld, weil sie alles tun, damit das Geld nicht umverteilt werden kann. Sie hüten ihre Schäfchen und ziehen sich aus der Verantwortung, wenn man ihnen sagt, dass die eigentlich Not leidenden jene sind, die keine festen Verträge haben. Dann verweisen sie an die Politik, die ihre Institutionen nicht ausreichend finanzieren. Es gibt aber kaum mehr Geld für die Kultur! Damit muss man sich abfinden. Und zu Recht, sagt der Steuerzahler. Das Geld geht nur in die falschen Gehälter.
Konzeptförderung Berlin: Freie brauchen eigene Gewerkschaft
Die Gewerkschaften sind Schuld? Weil sie denjenigen, für die sie da sind, eine ordentliche Bezahlung sichern? Nein. Es wird an der Zeit, dass die Freie Szene mutig genug wird, eine neue Form von Gewerkschaft zu erfinden, eine, die auch nicht-feste Engagements mit Mindesthonoraren absichert, die es verhindert, dass die Menschen selbst und auch die freien Institutionen (die zwar selbst unterfinanziert sind, aber auch immer wieder in Dumpinglohnmanier agieren) sich und die, mit denen sie arbeiten, ausbeuten. Also nochmal ein dickes NEIN! Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn solche Argumente gebracht werden, wahrscheinlich auch noch von Menschen, die sich als Teil einer progressiv-avantgardistischen Kunst verstehen und die vermeintliche Beamten-Kunst mit Gewerkschaft, Stillstand und 20. Jahrhundert assoziiert. Der Neoliberalismus hat uns alle in die Maschinerie der Selbstverantwortung geworfen, es wird Zeit, dass wir mit anderen Mitteln darauf antworten und nicht wieder drauf reinfallen, dass angeblich nicht mehr Geld da ist.
Konzeptförderung Berlin: Mitverantwortung
Unerträglich dieses idealistische Geplapper! Es kommt nicht mehr Geld, das ist klar. Eher weniger. Die Häuser werden geschlossen werden. Schauen sie sich doch um, was mit Wuppertal, etc. passiert! Wie wollen sie einem Bochumer erklären, dass noch mehr Geld ins Schauspielhaus gepumpt werden muss, wenn die halbe Stadt bald keine Arbeit mehr hat? Bleiben sie nur weiter stur, aber lassen sie sich auch gesagt sein, dass sie das deutsche Theatersterben mit zu verantworten haben. Meinetwegen mit erhobenem Kopf.
Konzeptförderung Berlin: Geist ist flüchtig
Es geht hier um eine faire Förderung der freien Szene, nicht um Subventionen für leckgeschlagene Stadttheatertanker. Während sich Klaus Wowereit einerseits über 26 Millionen Berlin-Besucher freut, die Steuereinahmen für die Stadt bringen, vergisst er die, die mit ihrer Kreativität Berlin erst so attraktiv machen. „Geist ist noch flüchtiger als Kapital – haltet ihn fest!“ Das sollte Wowi nicht vergessen.
http://www.tagesspiegel.de/kultur/wutkuenstler/8679348.html
Konzeptförderung Berlin: Sarkasmus
Wenn die Leute, ja auch mit Freude wie man liest und großem Einsatz, für drei Euro die Stunde arbeiten, was kann sie daran hindern dieses auch für ein Euro die Stunde zu tun?
Konzeptförderung Berlin: Theaterdiscounter!
Einfach hingehen! Deutlich machen, dass wir den Theaterdiscounter in Berlin brauchen!
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