So schlecht wie möglich

von Eva Biringer

17. September 2013. Uwe Eric Laufenberg, geboren 1960 in Köln, ist als Regisseur und Schauspieler seit vielen Jahren eine feste Größe im Theater- und Opernbetrieb. Von der Spielzeit 2009/2010 an bis August vergangenen Jahres war er Intendant der Kölner Oper. Nach jahrelangen Unstimmigkeiten zwischen ihm, dem Haus und der Stadt, wurde ihm nach einem umstrittenen Zeitungsinterview fristlos gekündigt.

Und jetzt hat Uwe Eric Laufenberg ein Buch geschrieben. "Palermo" ist so etwas wie ein literarisches Feedback für seinen Arbeitgeber, wobei Laufenberg das mit der Fiktionalisierung nicht so eng sieht. Ausnahmsweise ist die literaturkritische Marotte, Autor und Werk in eins zu setzen, gerechtfertigt, so unverschlüsselt begegnet uns die Hauptfigur als Alter Ego des Autors. Die Ähnlichkeit mit realen Personen in "Palermo" ist beabsichtigt, man nehme nur das Beispiel des Verlegers Alfredo Castel del Monte, der als ungelenke Übersetzung für Alfred Neven duMont selbst der Bild-Zeitung ins Auge sprang. Der Ortswechsel – von Köln in die sizilianische Hauptstadt, wo das Klischee der mafiösen Verstrickung an jeder Ecke lauert – muss reichen.

Viagra! Auch wichtig!

Tommaso Moncorrente, die Hauptfigur des Romans, soll als Intendant die heruntergewirtschaftete Oper seiner Heimatstadt Palermo auf Vordermann bringen. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass das Geld nicht reicht und jeder in Palermo sein eigenes Interessensüppchen kocht. Wie das im Leben so ist, gibt es Höhen und Tiefen. Manch vermeintlicher Freund neidet Tommaso seinen Posten, jahrelange Feinde entpuppen sich als Helfer in der Not.

Damit ist die Handlung eigentlich erzählt. An einigen Stellen schreckt der Leser kurz hoch, etwa, wenn Tommaso im Zug den seltsamen Ausführungen eines gewissen Nico Lombardo folgt, der ein ganz drolliges Verständnis von der Dialektik des Eros hat, welches Tommaso erst verwirrt, dann zu neuen inszenatorischen Höhenflügen anstachelt. Viagra und "Liebe zu dritt" spielen auch eine Rolle!

Schuld an Tomassos unglücklicher Existenz als Opernintendant ist nicht übrigens zuletzt das Fußvolk seiner Heimatstadt, das sich vom Charme der – natürlich schönen! – Bibiana Cacciatori bezirzen lässt.

cover palermo laufenberg 180

Frauen? Zu groß! Zu blond!

Wie viel Energie den Wutbürger von heute umtreibt, wenn es um mit Steuergeldern finanzierte Großprojekte geht, weiß man seit Stuttgart 21 – warum sollten die Palermiteser keine Petitionen gegen den Neubau des Opernhauses mobilisieren? Und wer weiß, wie viele Millionenetats auf Schmierzetteln ausgerechnet werden? Für Kuriositäten dieser Art brennt jeder Theatergänger.

Das Problem an "Palermo" ist ja nicht sein Sujet, sondern die Ausführung. Schon was die Charakterisierung von Personen betrifft, geht Laufenberg jede Nuancierung abhanden: Sekretärinnen sind entweder "schön" oder "korpulent", die Dame, die für das Sponsoring zuständig ist, wird als "zu groß und zu blond" für eine Italienerin eingeführt und eine Frau, die sich etwas aus ihrem Äußeren macht (noch dazu, wenn sie eine Intrigenspinnerin ist!), isst natürlich keinen Kuchen, denn "ihre schmale Figur und auf sexy getrimmte Erscheinung" verbiete ihr das.

Auch die Schauplätze sind derart aufgeladen mit Klischees, dass man sich als Leser fragt, ob der Autor seine Heimatstadt je verlassen hat. Peking hat außer dem Platz des Himmlischen Friedens wenig mehr zu bieten als Märkte für gefälschte Markenartikel und "angesagte Galerieenviertel", und in Shanghai dienen letztere auch nur als Kulisse für pompöse Geschäftsessen in "angesagten französischen Restaurants", in denen dann natürlich viel Wein getrunken wird.

Oh, eine Diva isst Würstchen in der Bar!

Schablonenexistenzen, wohin man liest: ein Medienmogul, der Palermos Presselandschaft regiert, abtrünnig gewordene Väter, die ihren Söhnen auf der Intendantentasche liegen, Österreicherinnen, die "dauer-schlecht-gelaunt" sind. Einmal beschreibt der Autor eine Opernsängerin, als hätte er die Zielgruppe der Gala-Abonnentin vor Augen: "Das Gepäck war einer Diva gemäß, aber ihr Verhalten hatte so gar nichts davon. Zu ihrer Lieblingskneipe erkor sie eine Taverne, die sie nur "die Bar" nannte und in der sie jeden Abend zubrachte. Dort aß sie Würstchen und erzählte Zoten, und alles war sehr charmant wegen ihres rohen australischen Witzes und ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit. Auf der Bühne und für ihre Fans mochte sie eine Diva sein, privat hatte das Leben sie gezeichnet."

Unbestreitbar verfügt der Autor über Expertenwissen. Gerne hätte man etwas über die Inszenierungsarbeit eines Opernregisseurs gelesen (stattdessen Banalitäten wie: "So einfach wie möglich, so kompliziert wie nötig") oder hätte das Klein-Klein der Kulturpolitik durchschaut. Es muss ja einen Grund geben, für den Irrsinn, eine literarische Form zu wählen, andernfalls wäre eine gut recherchierte Reportage förderlicher. Bei "Palermo" jedenfalls stellt sich kein ästhetischer Mehrwert ein. Dafür sind die sprachlichen Figuren zu banal ("er kennt sich im Opernrepertoire aus wie in seiner Westentasche"), die Bilder zu abgegriffen (das Stadtarchiv bricht wegen dem Ausbau der U-Bahn Linie zusammen) und die Charaktere derart flach, dass sich gar nicht erst ein Interesse aufbaut, das dann verschwinden könnte.

In einem Interview wurde Laufenberg nach der Übereinstimmung seiner Romanfiguren mit realen Personen befragt. Seine Antwort: "Das bringt vielleicht kurzzeitig ein gewisses Vergnügen, aber verpufft nach kurzer Zeit total. Und dann bleibt der Text, entweder ist er gut, oder er ist nicht so gut. Und das wird seine Lebensdauer bestimmen."

Ab der kommenden Spielzeit wird Uwe Eric Laufenberg als Intendant das Hessische Staatstheater Wiesbaden leiten. Hoffentlich muss er seine Erfahrungen dort nicht literarisieren.

 

Uwe Eric Laufenberg:
Palermo. Roman
Strauss Medien Edition. E-Book. 306 S., 9,99 Euro

 

 

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