Arbeiten ohne Zielgerade

Für die Wiener Zeitung (28.9.2013) hat Petra Paterno ein Gespräch mit Birgit Minichmayr geführt, die in diesem Monat zwei René-Pollesch-Premieren in Berlin und Wien absolviert hat – für die Schauspielerin durchaus keine Überdosis: "Ich kann derzeit nicht genug von René bekommen." Bei Pollesch führe man "lange Gespräche, setzen uns intensiv mit Inhalten auseinander: Das ist die eigentliche Hauptarbeit. Die Bühne erarbeiten wir uns später, der Text wird bis zuletzt umgestellt." Sie "werde nicht nervös, wenn zwei Tage vor der Premiere eine Masse an neuen Texten auf mich zukommt. Es gibt bei Pollesch keinen Erfüllungsauftrag, keine festgeschriebenen Rollen – und damit auch keine Zielgerade, die man bis zur Premiere unter allen Umständen zu überqueren hat. Das kann unglaublich befreiend wirken".

Von einigen Sätzen, die sie in der Berliner Produktion "Glanz und Elend" auf der Bühne sagt, ist sie auch jenseits dieser überzeugt: "Auf der Bühne kann es nie um ein authentisches Leben gehen. (...) Das ist ein grundlegendes Missverständnis. Es wird immer gefragt: Was hat die Rolle mit einem gemacht und nicht, was hat man mit der Rolle gemacht. Und das passiert mir auch öfters, dass immer angenommen wird, ich spiele mich teilweise selbst. Es ist und bleibt immer eine Rolle." Gegenüber dem "sogenannten Method Acting, bei dem alles über die vermeintlich wahrhaftige Empfindung gespielt wird", hege sie zunehmend Zweifel. Sie ziehe "keine Trennlinie zwischen Privatleben und Beruf. Das Nachdenken hört ja nach dem Ende der Proben nicht automatisch auf." Ihr sei es wichtig, "mich auf die Rolle vorzubereiten, mir eigene Gedanken zu machen. Ich plädiere für das selbstverantwortliche Schauspiel."

(ape)

 

Hier geht's zu den Nachtkritiken von Glanz und Elend der Kurtisanen (Premiere am 6.9.2013 in Berlin) und von Cavalcade or Being a Holy Motor (Premiere am 25.9.2013 in Wien) – beides Inszenierungen von René Pollesch mit Birgit Minichmayr und Martin Wuttke.

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