Schrei nach Neu-Schöpfung

von Dirk Pilz

30. November 2013. Christoph Schlingensief ist tot. Er starb nach schwerer Krankheit am 21. August vor drei Jahren in Berlin. Es wird sehr viel geredet von Schlingensief seitdem, sehr viel in Superlativen, sehr viel mit dem kunstmarktüblichen Goldstaub in den Augen. Schlingensief, der größte Künstler seiner Zeit. Der Einzigartige. Der Super-Mann. Der Kunstbetrieb, zu dem man selber gehört, verleibt ihn sich ein. Es ist zum Kotzen. Es widert einen an. Aber was soll man machen. So geht das eben zu.

Chaos und Geschmacksverirrung

Man muss sich erinnern. Im Oktober 1997 berichtete die Wochenzeitung "Die Zeit" von Schlingensiefs Aktion "Bahnhofsmission – 7 Tage Notruf für Deutschland" am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Es war einer dieser Versuche Schlingensiefs, die Kunst aus ihrem Gefängnis zu holen, von ihrer Autonomie zu erlösen, sie zur Tat werden zu lassen.

Schlingensief wusste bestens um die Unmöglichkeit solcher Versuche, genau deshalb hat er sie unternommen. "Raus aus dieser Bude – rein ins Leben!" war sein Motto. Und "Die Zeit"" fragte seinerzeit rechtschaffen erschüttert, ob er "nicht eigentlich ein Synonym für Chaos und Geschmacksverirrung" sei. 

schlingensief 560a foto uwewalter uSchlingensiefs "Deutschlandtrilogie" in den Kunstwerken © Uwe Walter

Zwölf Jahre später gestattete dieselbe Zeitung Schlingensief das gesamte Feuilleton zu gestalten und als Werbung für sein Operndorf in Burkina Faso zu benutzen. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler schrieb einen huldvollen Text, Henning Mankell eine Weihnachtsgeschichte, und Schlingensief hat Worte und Kommentare daneben gekritzelt. "Hypergott" oder "Kranker Blick". Und als es ans Nachrufschreiben für Christoph Schlingensief ging, stand in der "Zeit", mit seinem Tod sei es kälter in der deutschen Kultur geworden. Ein Beispiel nur, um sich zu erinnern: So geschichtsvergessen, so bigott ging das immer zu, wenn es um Christoph Schlingensief ging. Jahrzehntelang als "Chaot" oder "Provokateur" oder "Geschmacksverirrter" verschrien, dann hemmungslos geliebt, in den Himmel gehoben, zum Größtkünstler erkoren.

Echte Menschen, echte Pfähle

Der Kurator Klaus Biesenbach sagt, Schlingensief sei erst in den letzten fünf, sechs Jahren seines Lebens als Künstler ernst genommen worden. So ist es, wenn nicht noch ärger: Schlingensief wurde zu dem, was er heute dem Kunst- und Medienbetrieb ist, seitdem er seine Krebserkrankung öffentlich gemacht und, vor allem, mit Inszenierungen wie Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir und Mea Culpa öffentlich inszeniert hat.

Man sollte das nicht vergessen, und es ist ein Glück, dass Biesenbach darum weiß. Gemeinsam mit Susanne Pfeffer und Anna-Catharina Gebbers hat er die (noch von Schlingensief selbst initierte und ursprünglich bereits für 2011 geplante) Ausstellung "Christoph Schlingensief" in den Berliner Kunst-Werken kuratiert. Sie lebt in ihren besten Teilen davon, dass sie die Unveräußerlichkeit aller Kunst und der Schlingensiefs besonders nicht übergeht. Dass sie sich gegen die Musealisierung stemmt, gegen die Inszenierung schierer Gafferei.

schlingensief 280b foto uwewalter uDie "Bitte liebt Österreich!"-Container
vor den Kunstwerken © Uwe Walter
Zuerst trifft man hier, noch draußen vor den Türen der Kunst-Werke, auf Container, die Schlingensiefs Aktionen "Bitte liebt Österreich" (2000) und "Ausländer raus" (2001) reinszenieren, kann im Hof die Holzkirche samt Beichtstuhl der "Church of Fear" (2003) besuchen – und muss dann durch einen dunklen Gang. Am Ende steht man vor Menschen. Menschen auf Pfahlhochsitzen. Echten Menschen auf echten Pfählen.

Das ist ein schöner Coup: in einer Ausstellung sein und dem Theater begegnen. Eine Retrospektive besuchen und die Lebendigkeit der Kunst erleben. Die Pfähle – auch sie gehörten zur Venezianischen "Church of Fear" – umstellen einen Kasten, der den "Animatograph" (in der Version Ragnarök) beheimatet. Es ist dies ein Rundbau, eine Installation, die sich durchwandern und besteigen lässt. Es riecht nach Laub und Erde, man sieht Hitler-Bilder und Videos (Schlingensief und Bernhard Schütz machen sich an einem blutigen Etwas zu schaffen). Es ist eng und stickig.

Allumfassend

Seltsam. Der "Animatograph" kam mir damals in seiner Version als "Kaprow City" an der Berliner Volksbühne (im Januar 2006) seltsam leer und selbstreferenziell vor. Er schien mir die Figur gewordene Gefahr der Schlingensief-Kunst: dass aus dem steten, immer riskanten, immer offenen Spiel mit den verschiebbaren Grenzen zwischen Kunst und Leben, Ästhetik und Ethik, Witz und Wahrheit nur Koketterie, kaum mehr als Schein-Spiegelei wird.

Hier aber, in dieser Ausstellung, verwandelt sich der "Animatograph" zum sinnlichen Ausdruck einer grundlegenden Geste seiner Kunst: Sie steht für den verzweifelten Schrei nach Eindeutigkeit, nach Erlösung, nach Abschied vom Vorhandenen, nach Neu-Schöpfung. Es ist keine bloße Spielerei, schon gar nicht schierer Provokationswillen, dass sich Schlingensief immer wieder als Priester verkleidet, mit religiösen Symbolen gearbeitet, katholische Bildwelten zitiert hat – seine Kunst war katholisch im Wortsinne: allumfassend, alleinschließend. Das Hauptmotiv seiner Arbeit ist eschatologischer Natur. Offenbarung und Apokalypse, Heil und Kreuz waren für ihn keine bloßen Begriffe.

"Es gibt auch Grenzen der Kunstfreiheit"

Das findet im Erdgeschoss und Keller dieser Ausstellung statt. In den Etagen darüber: Dokumentationen, Einzelbeispiele aus dem Gesamtwerk des Film-, Theater-, Happening- und Installationskünstlers. Eine Retrospektive ist diese Schau nicht, den Anspruch eines repräsentativen Überblicks will sie nicht erfüllen müssen.

Es sind Theaterzettel zu "Rocky Dutschke" (1996) oder "100 Jahre CDU" (1993) an die Wand geklebt. Ein Video zeigt die berühmte Pressekonferenz von Jürgen Möllemann, mit der er 2002 auf die "Aktion 18" und Schlingensiefs Ruf "Tötet Möllemann" reagierte (Möllemann im Video, sehr ernst, sehr komisch: "Es gibt auch Grenzen der Kunstfreiheit."), daneben eine FDP-Fahne und in der Vitrine ein Kondolenzbuch nach dem Tod Möllemanns mit Schlingensiefs Unterschrift.

schlingensief 560 foto uwewalter u"Church of Fears – Pfähle der Säulenheiligen" in der Ausstellung © Uwe Walter

Weiter hinten eine kleine Drehbühne mit Sofas und zwei Fernsehern, die "Talk 2000" zeigen (ein herrlich witziges Gespräch mit Harald Schmidt), daneben Tische und noch mehr Fernseher, in denen Ausschnitte aus der TV-Serie "U 3000" (2001) laufen. An der Wand ein Transparent mit der Aufschrift "Scheitern als Chance", ein eigener Raum mit Großbildleinwänden zu dem Film "Die 120 Tage von Bottrop", in den Treppenhäusern werden Regieanweisungen Schlingensiefs eingespielt ("Von hier oben sieht es super aus.").

Ein Katholik kann sich nicht selbst erretten

Man schlendert umher und wird überall von einer Kunst umfangen, die immer auf Wirkung setzte, immer eingreifen wollte, ohne schon vorher zu wissen, welche Wirkung und welche Eingriffe sie zur Folge hatte. Schlingensief hat nie versteckt und verbrämt, dass er selbst am meisten von sich und seiner Kunst überrascht war. Er hat immer Selbst-Offenbarungen inszeniert und wusste, dass man sich nicht selbst erretten kann. Auch das gehört zu einem katholischen Kosmos dieser Kunst, den Schlingensief gleichermaßen bekämpft und bestätigt hat.

Wie widerspruchsblitzend sie damit wurde, und wie engmaschig, wie genau sie einer inneren, verschlungenen Logik folgte, wie wenig zufällig, beliebig seine Arbeit war – davon gibt diese Ausstellung immerhin eine Ahnung. Man versteht, warum diese Kunst auf so viel Ablehnung und Empörung stieß, man versteht auch, warum sie keine Ruhe ließ – und warum sich das Schlingensief-Schaffen nur unter Absehung seiner Kraft kunstbetrieblich eingemeinden und superlativisch wegkatalogisieren lässt. Hoffentlich.

 

Christoph Schlingensief
Eine Ausstellung.
Kuratiert von Anna-Catharina Gebbers, Susanne Pfeffer, Klaus Biesenbach.
Künstlerische Beratung: Aino Laberenz.
Kunst-Werke. Institute for Contemporary Art. Auguststraße 69, Berlin.
Bis zum 19. Januar 2014.
(Der Katalog zur Ausstellung erscheint Mitte Dezember 2013.)

www.schlingensief.com
www.kw-berlin.de

 

Mehr zu den Arbeiten von Christoph Schlingensief finden Sie im nachtkritik.de-Lexikon.

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Kommentare  
Schlingensief Ausstellung: schöner Text
Ein schöner Text, der die Kunst Schlingensiefs so genau, wie das eben geht, trifft.
Schlingensief-Ausstellung: Leerlaufen im Seminar-Räumchen
Schlingensief hat das Scheitern vielleicht propagiert wie kein anderer. Viel schöner anzusehen ist aber wie Theater und Theaterwissenschaft heute dran scheitern sich Schlingensief einzuverleiben. Da kommt nichts nach außer nur noch Pseudoaufbäumen auf der Bühne und Leerlaufen im Seminarräumchen. Das macht sein Fehlen doppelt und dreifach schmerzhaft.
Schlingensief-Ausstellung: Autor, Darsteller und Werk
Christoph Schlingensief in einer Inszenierung von Christoph Schlingensief.
Schlingensief-Ausstellung: Weihwasser auf dem Sarg
Leider ist der Kritik in keinem Punkte zuzustimmen: diese Ausstellung ist die zweite Beerdigung des Künstlers Christoph Schlingensief, die endgültige Kanonisierung und Einverleibung in die high art high society. Und diese Kritik verhält sich komplementär dazu: die "Entdeckung" der religiösen Dimension ist das Weihwasser auf dem Sarg. Beides ist Leichenfledderei und hat nicht, aber auch gar nichts mit dem zu tun, was Schlingensief getan hat: "Scheitern als Chance!" (war übrigens ein Slogan seiner Partei Chance 2000 - für alle, die nicht so vertraut mit dem Werk sind).
Schlingensief-Ausstellung: permanenter Selbstwiderspruch
Ich hab das Krebstagebuch von Schlingensief gelesen, von ihm signiert und datiert auf den 3.5.2009, TT. Und nach diesem Buch kann ich nur eines wirklich sicher sagen: Wer ihn wirklich als Mensch, mit allen Macken, Höhen und Tiefen kennengelernt hat, ist Aino Laberenz. Es geht also auch in diesem Buch, wie in seiner Kunst, um das Thema der Selbst-Inszenierung. Ich würde daher bezweifeln, ob Dirk Pilz mit seiner Konstatierung des "verzweifelten Schreis nach Eindeutigkeit" wirklich Recht hat. Für mich liest sich dieses Buch eher als ein Zeugnis des Lebens im permanenten Selbstwiderspruch.

Dirk Pilz schreibt ausserdem: "(...) seine Kunst war katholisch im Wortsinne: allumfassend, alleinschließend. Das Hauptmotiv seiner Arbeit ist eschatologischer Natur. Offenbarung und Apokalypse, Heil und Kreuz waren für ihn keine bloßen Begriffe." Was ist damit gemeint? Dass es letztlich um das Leiden, um die Aufopferung des Einen für alle geht? Nee nee nee, das glaub ich ja gar nicht. So funktioniert das nicht. Schlingensief jedenfalls schreibt dazu: "Ich glaube wirklich nicht, dass Jesus gerufen hat: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Diesen Satz hat er nicht gesagt, davon bin ich fest überzeugt. Das ist einfach Quatsch. Das ist nicht das Zeichen: Ja, ich bin auch so schwach wie ihr. Ich glaube, er ist einfach ganz still da oben gehangen, hat Aua gesagt und was weiß ich, aber er hat nie den Vorwurf gemacht, dass man ihn verlassen hat. Er hat einfach gesagt: Ich bin autonom."

Und dass seine Kunst für den laut Pilz "verzweifelten Schrei nach Abschied vom Vorhandenen schreit", das kann auch irgendwie so gar nicht sein. Da spricht ja schon der Buchtitel dagegen: "So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!" Always look on the bright side of life.
Schlingensief-Ausstellung: Sammelsurium ohne Konzept
Leider ist diese Ausstellung nur ein Sammelsurium von (neu kombinierten) Rest-Artefakten und nachgebauten (!) Elementen von Aktionen, die ausschließlich für den - damaligen - Moment bestimmt waren. Eine Ausstellung, die keinerlei Konzept hat (außer einer unstrukturierten Anhäufung von Mini-Monitoren von leicht erhältlichen Videos) und keine Kontexte erschließt.
Typisch für Leute aus der bildenden Kunst, die keine Analyse intendieren, sondern nur Oberfläche und Repräsentation - also genau das, was Schlingensief mit seinen Projekten hinterfragen wollte.
Schlingensief-Ausstellung: fundamentales Missverständnis
Ich fasse es nicht, was ich hier lesen muss: Schlingensief habe versucht, "die Kunst von ihrer Autonomie erlösen". Das ist nicht nur reaktionär. Das ist das Gegenteil von Schlingensiefs Schaffen. Ein fundamentales, ein fundamentalistisches Mißverständnis. ATTA ATTA z.B. war getragen von der steilen These, dass der Djihad eine Reaktion auf das Fehlen des modernen Kunstsystems sei: das Fehlen ihrer Autonomie. Wenn er eine message für die Arbeitslosen in seiner Partei-Phase hatte, dann: "Seid autonom!" Das war der Antrieb. Das hat er gepredigt. Das sagt jede seiner Aktionen. Jedes Stück. Es macht mich fassungslos und wütend, wie das hier durch ein verquast-religiöses Gerede verleugnet wird. Ein absoluter Tiefpunkt der Kritik in diesem Lande.
Schlingensief-Ausstellung: verquast-autonom gedacht
nicht zu fassen, wie jemand bei Schlingensief nicht den Unterschied zwischen dem, was auf der Bühne gesagt wird (in Atta Atta zum Beispiel) und dem, was der Gesamtkontext ergibt, unterscheiden kann, wie man den Inhalt der Worte schon für den Inhalt der Kunst nimmt. Ich bin fassungslos, wie naiv man sein kann. Mich macht dieses verquast-autonome Denken fassunglos, das damit "gepredigt" (!!) wird.
Schlingensief-Ausstellung: katholischer gehts nicht
Herrlich, wenn jemand eine andere Sicht auf den Heiligen Christoph hat, gleich wütend werden. Super, das ist natürlich total im Sinne des Christoph: es gibt nur ein richtiges Verstehen, nämlich meins!! Das hätte ihm gefallen, katholischer gehts ja nicht....
Schlingensief-Ausstellung: Kunst versus Arbeitslose
@autonom
Kann es sein, dass schon ein Unterschied besteht, ob man von autonomer Kunst spricht oder von autonomen Arbeitslosen? Wenn ich eine Partei gründe und Arbeitslose mit "Seid autonom!" anspreche, dann ist das doch vom Autonomie-Begriff der Kunst recht weit entfernt. Zum Glück!
Schlingensief-Ausstellung: aus dem White Cube lösen
Die Kunst von ihrer Autonomie zu erlösen, sie zur Tat werden zu lassen, damit ist hier ja wohl eher gemeint, dass man die Kunst aus dem Rahmen oder dem White Cube lösen will. Eigentlich dass, was jedes Theater und jede Documenta heute machen. Wie können sie anderes denken? Eher von ihnen naiv gedacht.
Ausstellung Schlingensief: Inspirierend
Der Text inspiriert mich, doch die Ausstellung anzusehen. Danke!
Ausstellung Schlingensief: Als Zweitverwerter wichtig tun
Schlingensief zu denken, so wie man selbst will, ist sicher in seinem Sinn. Mal anarchisch, mal katholisch, mal politisch, mal moralisch. Ärgerlich, find ich, wird es erst, wenn "Künstler", die mit Mühe und Not den Mainstream oder die Berliner Possy bedienen, sich als legitime Nachfolge oder Zweitverwerter Schlingensiefs wichtig tun, obwohl sie außer Attitüde nichts zu bieten haben. Ich denke an Rainald Grebe, der Schlingensief in einigen Interviews zitiert, als ob es da auch nur im entferntesten irgendeine Verbindung. Und noch schlimmer: Helene Hegemann, die sich mit ihrem "Christoph war mein Mentor"-Mantra total lächerlich macht. Also: Man kann Schlingensief verstehen, wie man will, das ist eine große Freiheit. Aber die, die subtil zum Besten geben, sie hätten ihn verstanden und könnten ihm folgen, die haben wohl rein gar nichts verstanden.
Schlingensief-Ausstellung: Erlösung wäre autoritär
zu 8 und 9: Schlingensief hat in ATTA ATTA nie gesagt, dass es um die Autonomie der Kunst, bzw. deren Fehlen geht, das war die (unausgesprochene) Arbeitshyptothese. Ebensowenig hat er zu den Arbeitslosen gesagt: "Werdet autonom!" sondern "Werdet sichtbar! Beweist, dass es Euch gibt!" Als sie nicht zum Wolfgangssee kamen, hat er das auf der anschließenden Presseschau mit ihrer Autonomie erklärt. Die Weigerung, einem Führer zu folgen. (Ist auch auf dem Video der Ausstellung sehen) In seinen Memoiren hat er viel über Autonomie geredet, s. Ingas Zitat. Das war sein Credo - und in diesem Sinne hat die Autonomie der Kunst sehr viel mit persönlicher Autonomie zu tun, der Autonomie des Denkens, des Handelns, der Moral. Natürlich war die Avantgarde immer von dem Wunsch beseelt, die Autonomie zu überschreiten, wirksam zu werden, in die gesellschaftliche Realität zu intervenieren. Schlingensief hat beides gleichzeitig gemacht - so wie das heute auf der theoretischen Ebene Ranciere reflektiert: nicht als Gegensatz, sondern als konstitutives Paradox. Aber eine "Erlösung von der Autonomie" herbeizusehnen, also nicht in der Tat, sondern von oben, das ist eine autoritäre Sehnsucht. Sie passt zu diesen Zeiten. Ich bin froh, dass sich das hier in dieser vernebelten Kritik manifestiert. Denn das ist das, wogegen man kämpfen muss - in der Post-Schlingensief-Zeit. Erlöst Euch selbst! Sonst habt ihr schon verloren.
Schlingensief-Ausstellung: Link
ein netter artikel zur ausstellung ist heute in der welt zu lesen, auch online. holt vielleicht auch die verquaste dramaturgen-diskussion hier wieder etwas auf den boden zurück ;-)

http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article122616541/Das-Jenseits-ist-Afrika.html
Schlingensief-Ausstellung: animatographische Hölle
Also autonom? Na, das war der Christoph net. Atta atta Kaisergartn. Der fand das doch auch scheiße mit seiner Partei in Kohls See baden gehen zu müssen und ärgerte sich, dass nicht wenigstens 3 Mio Arbeitslose, Nichtwähler, Behinderte, Anarchos und Künstler und noch ein paar resozialisirungswillige Nazis mit ihm da rein sprangen. Macht man das Beste aus dieser Schlappe, schwätzt was von Ausdruck von Autonomie, und schwups, hat man gewonnen - von wegen Scheitern. Alle, die ihn in den Himmel loben, haben nix verstanden. Hat denn keiner den Porno in der animatogrphischen Hölle gesehen?
Schlingensief-Ausstellung: verquast
"Und warum sich das Schlingensief-Schaffen nur unter Absehung seiner Kraft kunstbetrieblich eingemeinden und superlativisch wegkatalogisieren lässt." Derart verquastes habe ich seit langem nicht mehr gelesen. Dirk Pilz will uns offensichtlich mit seiner "Bildung" beindrücken, statt einfach mit uns zu kommunizieren.
Schlingensief-Ausstellung: klarer Satz
Verstehe ihren Einwand nicht. Was soll an dem von ihnen zitierten Satz verquast sein? Und wieso mit Bildung beeindrucken? Hä? Ist doch ein einfacher klarer Satz, man kann falsch finden, was er behauptet, aber das ist etwas anderes. Und ganz unter Niveau sollte man bei Schlingensief nicht gehen. Wenn man das dann Bildung schimpft - Ihr Problem
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