Verklärung subjektiver Standpunkte

Berlin, 27. Dezember 2013. Zweiter Teil der Jahres-Rückschau auf nachtkritik.de: Nach dem Quiz und der Liste der meistgelesenen Texte folgt hier die Zusammenfassung der prägnantesten Diskussionen, die sich in diesem fast vergangenen Jahr im nachtkritik.de-Forum entzündeten – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Voilà:


Januar

Aus dem alten Jahr 2012 hinüber in den Januar 2013 schwappt die Debatte um Stefan Ottenis Potsdamer Inszenierung von Uwe Tellkamps Roman einer Fundamentalisierung nach rechts, Der Eisvogel, mit der deutschen Nationalhymne als Sing-along. In dieser Szene und auch im Rest der Inszenierung entdecken die KommentatorInnen "demokratiefeindliches Gedankengut". "Der ganze Abend gibt dem Zuschauer keinen Hinweis darauf, wo der Regisseur, wo das Theater politisch steht. Wer sich in seiner Kunst von solchem Gedankengut nicht klar abgrenzt, sollte nicht in einer öffentlichen Einrichtung wie dem Theater einer Stadt arbeiten dürfen", schreibt "Brandenburger". Es gibt aber auch eifrige Verteidiger der Inszenierung. So schreibt "Stefan": "Das Publikum mit seiner eigenen Denkfaulheit und dem Abfeiern von wohlfeilen wie auch demagogischen Parolen zu konfrontieren, ist (…) im besten Sinne aufklärerisch, da wir ja auch immer alles schon zu wissen glauben."

macbethy 560 thomasaurin.uIn der Theaterblase: Lady Macbeth im Berliner Maxim Gorki Theater: Premiere 12. Februar 2013
© Thomas Aurin


Februar

"Heiße Luft produziert der Mensch. Und wenn er groß sein möchte, kann man besonders gut erkennen, wie klein er ist," schreibt André Mumot in seiner Nachtkritik zu Robert Borgmanns Inszenierung Macbeth am Maxim Gorki Theater. Shakespeare habe das gewusst und in seinem defätistisch dräuenden 'Macbeth' nicht den Hauch einer Illusion aufkommen lassen übers Leben, das sich, so Mumot, "meistens nur in Schall und Wahn äußert". Den Heißluftbefund wendet der Kritiker auch auf die Inszenierung an, über deren "offensive Beliebigkeit" er sich ärgert. Und erhält Zustimmung für seinen Totalveriss: "Meine Schüler und ich sahen uns die Premiere an...ob sie mir wohl jemals verzeihen werden, sie dorthin mitgenommen zu haben? Und noch viel wichtiger: werden sie jemals wieder (freiwillig) ein Theaterstück sehen wollen?" postet eine "Lehrerin". Und eine "Schülerin" fragt: "Müssen die Schauspieler das eigentlich immer machen, was der Regisseur sagt? Wenn sie etwas falsch oder blöd finden, was er sich ausgedacht hat, müssen sie dann gehorchen?" "Können Schauspieler sich wehren? Das ist eine wie ich finde ziemlich gute und interessante Frage. Gegen Regieeinfälle? Ja, schon, zum Ausziehen z.B. kann man Schauspieler nicht zwingen, man muss sie überzeugen. Besetzungen? (...) Gegen zu geringe Gagen und Ausbeutung? Wird sich meiner Ansicht nach viel zu wenig gewehrt." So streift die heftig und emotional geführte Debatte um Borgmanns "kunstnebelverseuchtem Irrenhausklamauk" (Mumot) auch Fragen von Unternehmensethik für das Theater. Und natürlich die ewige Frage von Sitte und Anstand in den Kommentarspalten von nachtkritik.de.

März

kabale2 280 monika rittershaus uBerliner Ensemble, 8. März 2013: Premiere
"Kabale und Liebe" © Monika Rittershaus
Um die Lesarten einer szenischen Anweisung Schillers geht es im März, als Claus Peymann seinen Ferdinand eine Geige zertrümmern lässt. Kabale und Liebe à la Pete Doherty? Volle Kanne Regietheater? "Hat sich etwa Claus Peymann die Rockerattitüde in der Schaubühne abgeguckt?", fragt Kommentator "Stefan" in Erinnerung an Stefan Sterns Cello-Zertrümmerung unter der Regie von Falk Richter. Doch "schiller sagt" klärt auf: "Das mit dem Zertrümmern von Saiteninstrumenten haben sie sich ALLE von einem anderen abgeguckt: Vom schlimmen Schiller." Die Belegstelle wird zitiert, überhaupt herrscht vorbildliche Akribie. Man spitzfindelt über den Unterschied zwischen "auf dem Boden zerschmettern zum kurz und klein schlagen und sich dann noch selbst auf die Reste werfen, um sich darin zu suhlen", man fragt sich, wie gut Ferdinand das Violinenspiel beherrscht, ob es sich um affektives oder analytisches Schmettertum handelt und frotzelt über den Regieanweisungsfetischismus am BE. Einer assoziiert Nam June Paiks "Violin Solo", andere erinnern an Man Ray und die Ähnlichkeit von Streichinstrument und Frauenkörper. Und das Wort "Werktreue" muss auch einige Zerschmetterungsversuche über sich ergehen lassen.

Auch der Theatermonat März darf nicht vorüber gehen, ohne dass das Centraltheater Leipzig Thema wird. Gerade beginnt Sebastian Hartmanns Abschiedsmarathon in der umstrittenen Arena, die ins Theater gebaut wurde (und später nochmal Thema werden sollte, siehe Dezember), da stellt Hartmanns Chefdramaturg Uwe Bautz anlässlich der Inszenierung Entscheide dich für die Liebe. 3 Russen #1 Traum einiges klar: "Durch fünf Jahre Berichterstattung geistert der Vorwurf, Hartmanns Arbeit sei epigonal zu Castorf. Das Epigonale besteht (...) in Form von epigonalem Abschreiben der Kritik voneinander und untereinander." Die Arena sei außerdem kein Denkmal, das man sich setze, sondern ein Ort, den man sich lange gewünscht habe und der für die 16 stattfindenden Premieren nicht überproportioniert sei. Bautz' Verteidigungs-Brandrede greift einen Punkt auf, der später noch in Frage gestellt werden soll: "Hartmann ist Traditionalist, denn er glaubt an die Notwendigkeit von Kunst. Das Centraltheater ist ein traditionell und seriös arbeitendes deutsches Stadttheater."

wellen 560 hlboehme uHans Otto Theater Potsdam, 22. März 2013: Premiere "Wellen", Regie: Barbara Bürk. © HL BoehmeAm 22. März hat Barbara Bürks Inszenierung von Eduard von Keyserlings Roman Wellen Premiere am Potsdamer Hans-Otto-Theater, und Kommentator Thomas Rothschild macht zu diesem Anlass unter der jubelnden Nachtkritik ein großes Fass auf: "Erzählende Literatur ist genau wie der Film durch das Theater ebenso wenig ersetzbar wie ein Drama durch eine Nacherzählung", schreibt er. "Hinter diesem Bearbeitungfuror steckt das Missverständnis des Inhaltismus, der die für die Künste konstitutive Form missachtet." "Au weia, Herr Rothschild", pariert "Opa Verdi": "Da haben Sie natürlich recht, die Grenzen der Künste müssen zementiert werden. Ich ärgere mich auch immer über so Stümper wie Verdi, der 'La traviata' nach Dumas komponierte, über einen Hebbel, der das Nibelungenlied in ein Drama übersetzte, über Frechlinge wie Botticelli, der Dantes 'Commedia' in Bilder brachte, über Komponisten wie Schubert, die Gedichte mit Musik zersetzten (das sah ja auch Goethe schon sehr kritisch)." Und siehe da! Rothschild lenkt ein und macht das Fass wieder zu, mit der Einschränkung: "Ich sehe halt so wenig Bearbeiter im Theater, die das Talent von Verdi oder Botticelli haben."

Eine Woche später, am 29. März wagt Christian Rakow seine Nachtkritik zu Michael Thalheimers Geschichten aus dem Wiener Wald mit dem Satz "Wir waren lange nicht so tief drunten und so nah bei den Sternen" abzuschließen. Sogleich meldet sich eine Anti-Wir-Fraktion zu Wort: "Welches Wir soll das sein? (...) ich will als Leser nicht zu einem Wir eines Eitlen gemacht werden." Und: "Ich war nämlich auch da und habe etwas anderes gesehen". "Stefan" widerspricht: "So ein Quatsch. Warum soll denn ein Kritiker nicht mal ins Schwärmen kommen", und auch "Peter" findet es "schön", wenn man sich "mal altmodisch uncool hinreißen lässt". Theaterschreiber Nis-Momme Stockmann findet das Wir auf nachtkritik.de generell "hochgradig problematisch. Das grenzt an eine Verklärung des subjektiven Standpunkt zu einer allgemeingültigeren Wahrheit." Er empfiehlt: "Meiden Sie nicht das Ich. Haben Sie den Mut Ihre persönliche Meinung als solche zu adressieren." Der Nachtkritiker selbst verweist zur Erläuterung seines "Wir" auf die Fußball-Fangesänge, die erklingen, "wenn eine Energie vom Rasen auf die Ränge schwappt, wenn der Kick mitreißend ist". Der KommentatorInnen-Kick endet unentschieden.

mecklenburg-vorpommern 560 fastenwandernOh, wie schön ist Mecklenburg-Vorpommern! Und bald ganz leer. Dann braucht es auch keine Theaterhäuser mehr.  © fastenwandern

April

Die Kulturpolitik Mecklenburg-Vorpommerns beherrscht fast ganzjährig die Meldungsspalten und damit die Kommentare. Besonders hoch geht es in Rostock her. Dort wird zunächst die Suche nach einem Volkstheater-Chef eingestellt, dann platzt die vom Land forcierte Fusion zwischen Schwerin und Rostock, und schließlich wird am 23. April bekannt: Sewan Latchinian, Intendant am Neuen Theater zu Senftenberg, soll ab 1. September 2014 Intendant der Hansestadt Rostock werden, was wiederum die Gerüchteküche mächtig anheizt.

Aber die Causa Rostock geht, ungeachtet dieser Richtungsentscheidung, munter weiter. Zum Jahresende sorgt der Austritt des Volkstheaters aus dem Deutschen Bühnenverein für besonderen Wirbel: Hier lodert jene Debatte wieder auf, die die tarifvertraglich abgesicherten Mitarbeiter denen mit frei verhandelter Gage gegenüberstellen. So schreibt "Grotesk": "Das Tarifsystem bedroht die Theater nicht, sondern das Verständnis der Politik, dass man Kunst und Theater nicht nach Tarif bezahlen muss. Und wenn man glaubt, man könnte einen Teil nach Tarif bezahlen, einem anderen aber die übrigen Almosen vorwerfen, dann geht das schon mal gar nicht." Es wird an die Solidarität appelliert und Rostock sowohl als allgemeines Fanal dargestellt als auch als Sonderfall umrissen (etwa hier). Eine der letzten Wortmeldungen bringt die Faszination der KommentatorInnen für dieses Thema auf den Punkt: "Hier wird stellvertretend für ganz Theaterdeutschland die entscheidende Frage ausgefochten. Es entspringt dem Labor entweder ein neues 'Rostocker-Modell', das beispielhaft zeigt, wie durch Kommunikation und Lösungswillen Stadttheater finanziert werden kann oder wir werden erleben, wie ein Neuanfang eines engagierten Intendanten und der Versuch der Vernetzung von Theatern hemmungslos zerlegt wird."

 

Mai

"Ein Abend, der blöder war, als Theater ist", urteilt Matthias Dell im Freitag nach Theatertreffen-Sichtung im Mai über Jérôme Bels Disabled Theater und zeigt sich in der argumentstarken Diskussion, die im Anschluss an die Presseschau zu seinem Artikel losbricht, überaus "diskussionsoffen".disabled theater 280 michael bause uTheatertreffen 2013: Das Theater Hora
zeigt "Disabled Theater" © Michael Bause 
Hartnäckig verteidigt er seine Kritik am "othering", an der "veranderung": "wenn man normalität in frage stellen will, dann muss die scheinbare abweichung davon nicht so deutlich markiert werden" und "hinterher sagen alle, dass er sich dabei so unglaublich viel gedacht habe, dass das quasi alles einmal meta und zurück ist. ist es nicht, da gibt es keine anzeichen für". Auch "Disabled"-Dramaturg Marcel Bugiel schaltet sich ein und es entspinnt sich ein bemerkenswert ernsthaft ringendes Gespräch, in dem Bugiel nicht nur darüber aufklären kann, dass es sich bei den von Dell im Artikel gescholtenen "Befehlen eines Konzeptkunstgezeiges", die der Übersetzer einspricht, um ein Pina-Bausch-Zitat handelt, sondern auch darstellt, dass Bel mit den "Tänzen der HORA-Leute gewissermaßen etwas gefunden hatte, wonach er immer schon eigentlich gesucht hatte: eine ihm entsprechende Form von Tanz." Was eigentlich Fragen wie diese ermöglicht: "Was ist das, was hier passiert, ALS TANZ? (...) Welche Rolle spielt Virtuosität oder Nichtvirtuosität in diesen Tänzen? Welche Form von Können oder auch Nichtkönnen ist hier am Werk?"

 

Juni

Ehe am 5. Juni das Jahressteuergesetz 2013 den Vermittlungsausschuss des Deutschen Bundestages und des Bundesrates passiert, erhitzt die Umsatzsteuer für Regisseure die Gemüter der Schaffenden. Ein sich als "Stadttheaterregisseur" ausgebender Kommentator beschreibt ausgiebig ein "typisches Jahr" und rechnet seine Einnahmen und Ausgaben vor. Er kommt zu dem Schluss: "Ich habe rein gar nichts gegen die Mehrwertsteuer, wenn sie weitergereicht wird bis zum Endverbraucher – wie es ja ihrer Natur entspricht. In unserem Fall aber wirkt sie sich aus wie ein administratives Folterwerkzeug, welches mich vollends ins Prekariat bzw. sogar aus dem Beruf drängen würde." Das ist glücklicherweise nun abgewendet – für die Regisseure! Nicht vergessen sei aber: Unklar ist die Lage nach wie vor bei Bühnen- und Kostümbildnern.

 

Juli

In der Nacht des 31. Juli stellt sich Regisseur Frank Castorf nach seiner Bayreuther Götterdämmerung endlich – am vierten Abend des Rings von Richard Wagner – dem Publikum und wird mit einer Orgie aus Buhs empfangen. Castorf bleibt stehen und gestikuliert, aber was will er mitteilen?goetterdaemerung 560 bf enriconawrath uBayreuther Festspiele, 31. Juli 2013: "Götterdämmerung", Regie: Frank Castorf - Showdown an der Wallstreet  © Bayreuther Festspiele / Enrico NawrathSchnell macht die Runde, Castorf habe den Zuschauern den Vogel gezeigt, doch in den nachtkritik.de-Kommentaren wird nachgehakt, erstmals von einer "Enthusiastin": "Ich habe die Geste Castorfs dahingehend gedeutet, als wollte er sagen, denkt doch mal darüber nach und buht nicht einfach nur." Dieselbe "Enthusiastin" hat in der "Götterdämmerung" übrigens auch mehr entdeckt als die meisten KritikerInnen, nämlich "eine Parallelwelt, von der wir ahnen, dass sie existiert, mit der wir aber nicht in Berührung kommen."

 

September

Saisoneröffnung am Düsseldorfer Schauspielhaus am 21. September. Mit den Worten "moralsatter Applaus" beendet Andreas Wilink seine Kritik zu Staffan Valdemar Holms Inszenierung von Jalta. Am Tag darauf kontert der Düsseldorfer Dramaturg Ludwig Haugk: "Ich bewundere jene Leute, die einen Mercedes 190 E, Baujahr 1986, von einem Mercedes 190 E, Baujahr 1989, am Geräusch unterscheiden können." Haugk lobt im Gegensetz zum Rezensenten die Inszenierung. Eine Debatte entspinnt sich um die die Frage, ob er sich als Mitarbeiter des Hauses überhaupt äußern sollte. "Also ehrlich!", schreibt Carl Davis "Ihr Lob mag oder mag nicht stimmen, überrascht aber nicht, wenn man weiß, dass Sie Dramaturg am - jawohl! - Düsseldorfer Schauspielhaus sind". Wieso soll Ludwig Haugk hier nicht mit offenem Visier seine Meinung zur Inszenierung vertreten können?, fragt die Redaktion zurück. Und Franz findet: "Ist doch klasse, wenn Dramaturgen mal aus ihrer zweiten Reihe kommen und in diesem besonderen Fall wohl auch angebracht." Ansonsten gehen die Meinungen mal wieder auseinander, ob Unklarnamen besser seien oder man gerade seine Identität offen lege solle, weil man "dann mit mehr Aufmerksamkeit" lese, wie ein anonym bleibender Klaus. schreibt.

 

Oktober

Enrico Lübbe tritt im Sommer 2013 seine Intendanz in Leipzig an. Die ersten Premieren kommen ab dem 3. Oktober heraus. Von dem Erdbeben, das im Dezember ausbrechen wird, ist zwar noch nichts zu spüren. Aber trotzdem ist man sich alles andere als einig, wie der Start der neuen Intendanz mit den Stücken Who's there / Der Lärmkrieg / Othello zu werten ist: "Enttäuschend" bis "lieblos" führen allein fünf KommentatorInnen aus, während viele andere Stimmen "gratulieren", die dramaturgische Konzeption loben und vor allem Verständnis für die unglückliche Situation zeigen, aus der Lübbe heraus starten muss: Der Leipziger Oberbürgermeister hatte Lübbe gegen die anderslautende Empfehlung einer Findungskommission eingesetzt.

Am 12. Oktober präsentiert Neu-Intendant Stefan Bachmann mit Der Streik nach dem Roman von Ayn Rand seine erste eigene Inszenierung am Schauspiel Köln. Der Nachtkritiker Sascha Westphal schreibt: "Letztlich interessiert das ganze Arsenal an Figuren und Typen Bachmann auch gar nicht weiter, ihm schweben eher Bilder vor, mit denen er die Bühne füllen und sich den Raum als Spielplatz von Weltentwürfen und -visionen Untertan machen kann... das ist der Zauber totalitärer Kunst, die erschlägt, statt zum Denken anzuregen."

streik 560a davidbaltzer uSchauspiel Köln, 12. Oktober 2013: Premiere "Der Streik", Regie: Stefan Bachmann
© David Baltzer
Wütend und entnervt reagieren die KommentatorInnen. Zu lang, "uninspiriert", "reaktionärer Schwachsinn", "belanglos", "banal wie eine Bedienungsanleitung von Ikea", zuwenig Interpretation, schlechte Schauspieler, "der Denver-Clan" wäre besser gewesen. Doch rasch melden sich nach dieser Kanonade des Missvergnügens auch die Andersmeinenden zu Worte: "Toll", "Gefühle und Spannung", endlich einmal nicht "die ewig verkopfte, pseudointellektuelle Langweiligkeit", "sehr schlau", "wirklich mutig". Und natürlich bleibt der zu erwartende Stoßseufzer "Gebt uns unsere Karin Beier wieder!" auch nicht aus : "Die abstruse story mag zwar in den USA immer noch als Bibel gelten, hier lohnt eine Auseinandersetzung mit dem Unsinn allerdings nicht. Das alles nach 6 Jahren Karin Beier ist ein regelrechter Absturz!"

Theater und Games ist eines der hippen Themen des Jahres. Anlässlich der von Computerspielen inspirierten Freiluft-Performance Zarathustra 1.2 von 400asa/stadttheater.tv & Churer Ensemble (Premiere 13. Oktober) erhitzen sich die Gemüter, inwieweit und Theaterdesign und Gamedesign einander verwandt sind. Mit ostentativer Unkenntnis wirft Inga ein: "Was ist GTA 5? Eine Massenvernichtungswaffe?" und Kuchisoka Onna kontert: "GTA 5 nicht zu kennen, Himmel, öffnen sie ihre Augen! Raus aus der Kantine!" Aber was ist GTA 5 denn nun? Das gerade erschienene Videospiel "Grand Theft Auto 5" von Rockstar Games, das im Übrigen wegen einer überzogen gewaltsamen Folterszene gerade in die Kritik geriet. Insofern: Massenvernichtungswaffe auch nicht so völlig verkehrt...

billeteur screenshot 240 youtube uChristian Diaz im Burgtheater kurz
vor Abbruch seiner Rede © Screenshot
Ein erster Höhepunkt der Spielzeit zeigt sich am 14. Oktober auf nachtkritik.de. Fast zumindest. Denn eigentlich ist die Burgtheaterbühne der Schauplatz des Geschehens. Dort aber darf beim Jubiläumskongress der Billeteur Christian Diaz seine Rede nicht halten, mit der er jenseits des kuratierten Programms auf seine Arbeitsbedingungen als outgesourcter Angestellter eines Security-Konzerns und dessen Verstrickungen in Aktivitäten aufmerksam machen wollte, die dem Weltverbesserungsanpruch der moralischen Anstalt Theater diametral entgegengesetzt sind. Weil er u.a. auch Abschiebegefängnisse betreibt. Doch kaum hat Christian Diaz beim Burgtheaterkongress Von welchem Theater träumen wir? das Wort ergriffen, wird er von der Bühne gewiesen. Eine nachtkritik.de-Redakteurin sitzt im Publikum, und so wird die Rede des Billeteurs trotzdem veröffentlicht, neben anderen Originalbeiträgen des Kongresses auf nachtkritik.de.
Und kaum ist dies geschehen, bricht, nicht nur unter den KommentatorInnen, ein Sturm der Empörung los, der schließlich sogar das österreichische Parlament erreichte. "Die Rede des Billeteurs ist bezeichnend dafür, dass das Theater sich zwar gern als utopischen Ort bezeichnet, wenn dann aber die Realität in diesen Ort einbricht und/oder die Kunst ausbricht, was kommt dann?" stellt Kommentatorin "Inga" fest. "Vielleicht wäre es auch am Publikum dem Burgtheater durch Abokündigungen und Fernbleiben zu signalisieren, dass Einsparungen zu Lasten des vom Theater behaupteten politisch humanistischen Anspruchs teuer werden können. So wie ich durch meine Kaufkraft entscheiden kann ob mein Kaffee fair angebaut wird. Das Burgtheater ist in seiner künstlerischen Aussage beschädigt", so die Schauspielerin Silvia Rhode, die damit auch auf die fragwürdige Erklärung des Burgtheaters zu Diaz reagiert (am Ende der Erklärung von Diaz zu finden). Fair Trade, fair Hochkultur. "Das Theater, von dem wir träumen, sieht anders aus", konstatiert Frank-Patrick Steckel.
Der Fall war auch ein Beispiel für die komplexen Zusammenhänge von Theater und Netz, in dem (und durch das) sich die auf dem Theater verhinderte Diaz-Rede viral in Windeseile verbreitete und sich damit einmal mehr als das machtvolle Forum einer neuen Öffentlichkeit bewies, in der das Theater seine Rolle (und Glaubwürdigkeit) zunehmend verspielt. Und die Diskurshoheit schon lange verloren hat.

nachtkritik.de ist 2007 angetreten, die "Einbahnstraße" der Kritik für den Gegenverkehr zu öffnen. Und dieser Gegenverkehr kommt nicht nur aus dem Zuschauerparkett bisweilen mit Karacho, sondern auch von den kritisierten Künstlern und Theaterdiskursteilnehmern selbst. Am 12. Oktober 2013 tritt der Theaterwissenschaftler Andreas Englhart einer Rezension seines Buches Das Theater der Gegenwart von Thomas Rothschild mit einer ausführlichen Kritik der Kritik entgegen: "Das weite Feld des Theaters der Gegenwart auf knapp 120 Seiten darzustellen, ist sehr schwer, weil man möglichst ausgewogen argumentieren und nicht einseitig performative oder dramatische Theaterformen bevorzugen sollte. Fast unlösbar, aber spannend und notwendig ist die Aufgabe, die wichtigsten Strukturen zu finden, die relevanten Entwicklungen, Bühnen, Ästhetiken und Persönlichkeiten zu erkennen und auf engstem Raum kurz vorzustellen. Das, lieber Herr Rothschild, ist erst mal eine immense Leistung, die Sie zumindest hätten ansprechen können."

Auch in diesem Jahr soll die Grundsatzdiskussion über die Anonymität der Kommentare nicht fehlen. Nachdem Herbert Fritsch am 19. Oktober bei seiner Zürcher Premiere Friedrich Dürrenmatts Physiker teilchenbeschleunigt hat, entzündet sich der nachtkritik-notorische Prinzipienstreit an der harten Kritik, die einer der Schauspieler in den Kommentaren ausgesetzt ist. Was da abläuft, ist für Fritschs Dramaturgin Sabrina Zwach "von feigheit gezeichnet". Es könne hier "aus dunklen ecken geschossen werden, ohne namen, ohne herz, (ohne gesicht und körper ja ohnehin). das ist persönlich motiviertes heckenschützentum (...). nennt eure namen. habt den mut, euch mit euren beiträgen zu verbinden und identifizieren oder schweigt für immer!" "Unterstützend zur Seite stehen" möchte ihr Dramatiker Nis-Momme Stockmann, der eine "Debatte über den Kommentarethos" fordert. Und der freie Theatermacher Samuel Schwarz schlägt "eine NACHTKRITIK-Testphase" vor, in der "die Anonymität aufgehoben werden würde...." Die Redaktion und andere fragen sich, wie die Aufhebung der Anonymität angesichts beliebig erstellbarer E-Mail-Adressen technisch funktionieren solle. "Der Burgbilleteur hat doch gezeigt, was passieren kann, wenn man als No-Name öffentlich sein Maul aufreißt: Entlassung, Aus, Ende", gibt außerdem "Matthias Müller" zu bedenken. "Respekt vor dem Mut, aber es soll keiner sagen, dass Meinungsäußerung bei uns in dem Sinne frei sei, dass man danach nichts zu befürchten habe. Das Ende der Anonymität fordern immer nur die, die schon oben sind."

 

November

Theater und Religion, jawohl, das hat mehr miteinander zu tun, als wir Kinder der Aufklärung manchmal wahrhaben möchten. Weil es auch auf dem Theater (z.B. via Katharsis) um den Augenblick gehen kann, wo aus dem Saulus im Zuschauerraum ein Paulus werden kann: wenn ihn ein Theaterabend an den Moment heranzuführen vermag, in dem er entscheiden muss, der Welt zuliebe (oder welcher Instanz auch immer) ein Anderer, Besserer zu werden. So zumindest bringt Dirk Pilz anlässlich der Berliner Milo-Rau-Retrospektive Die Enthüllung des Realen am 7. November seine Sicht auf Raus Theaterbegriff auf den Punkt. Nicht zu jedermanns Zustimmung allerdings. "das pathos, das sowohl aus dem munde milo raus als auch aus dem artikel von dirk pilz spricht, das ist das pathos einer wahlkampagne oder eines apple-keynote-events. solche rethorik ist in erster linie dazu geeignet, den verstand zu vernebeln", konterte ein Kommentator namens "Kirillov". mlee-179Milo Raus "Die Moskauer Prozesse"
© IIPM / Maxim Lee

"das pathos der entscheidung, das klingt dann doch eher nach carl schmitt als nach lenin", befand "chto delat?" (Der Nickname 'Chto Delat?' bedeutet übersetzt 'Was ist zu tun?' und ist dem Titel eines Romans von Nikolai Tschernyshevski von 1863 entliehen, der darin einen minutiösen Plan für den Aufbau einer sozialistischen Arbeiterorganisation entwirft. Vladimir Lenin übernahm den Titel später für sein politisches Programm). "wer die entscheidung derart autoritär einfordert, der sollte mit gutem Beispiel vorangehen und sich als erster entscheiden und zwar dazu, wirklich mit dem 'als ob' aufzuhören, also: mit dem theater. also real einzugreifen in die realität." Eine Debatte, in die sich auch Milo Rau einmischt und in der sich der angegriffene Dirk Pilz mehrfach mit guten Argumenten für seine Thesen in die Bresche wirft. Schützenhilfe erhält er dabei von einem Wiedergänger des Reformators "Georg Spalatin". Nach viel schwerem und theorielastgem Gefecht, dessen Frontlinie irgendwo zwischen den Aposteln Lenin und Paulus verlief, beendet ein Kommentator mit dem pointensicheren Nickname "Saulus" die Debatte: "Ja, bitte! Frag mich schon die ganze Zeit, was für eine Sekte hier aktiv geworden ist: reenacting Kirchengeschichte?".

Und dann war da am 15. November noch die Eröffnung der Gorki-Intendanz von Shermin Langhoff und Jens Hillje. Man spielte Tschechows Kirschgarten, inszeniert von Nurkan Erpulat. Die Nachtkritik war eine gute Stunde online – und schon wurde gefragt: "Wie? Das ist jetzt die große Eröffnung des ersten Post-Migrantischen Theaters in Deutschland?" Die entscheidende Frage dabei: Passt Erpulats postmigrantische Lesart zum Kirschgarten, besonders zur Figur des Lopachin? Nein, sagen die einen, denn "das ganze Stück handelt von einem Konflikt innerhalb einer homogenen Gesellschaft, die an ihren sozialen Konflikten auseinander bricht und nicht an ihren multikulturellen"; Tschechows Stück tauge nicht, die Verhältnisse in Deutschland abzubilden." Doch, sagen die anderen, denn "multikulturelle Konflikte sind immer soziale Konflikte".

Kirschgarten3 560 ThomasAurin xMaxim Gorki Theater, 15. November: Nurkan Erpulats "Kirschgarten" endet mit einem
türkischen Fest. © Thomas Aurin

Rasch wurden daraufhin die Begriffe "Nation" und "Heimat", auch "Leitkultur" diskutiert, bald war man bei der Frage, ob "eine Gruppe gegenüber einer anderen einen besseren Zugang zur Wahrheit haben soll, nur weil ihr Hintergrund migrantisch ist", was wiederum die Frage aufwirft, was "post-migrantisches, migrantisches und nicht migrantisches Theater voneinander unterscheidet. Und für wen soll es denn gemacht sein?" Es müsse, darin war man sich größtenteils einig, der Punkt erreicht werden, "an dem man erkennt, dass die Besetzung einer Rolle nicht von der Herkunft abhängig gemacht werden sollte, und dass die Herkunft uns nicht automatisch Lesarten und Konzeptionen diktieren darf". Und es brauche "(Schutz-)Räume im etablierten Theaterbetrieb, einfach weil es sich bisher ja nur abseits der großen Bühnen entwickeln konnte und der Zugang nach wie vor erschwert wird". Aber suggeriert ein Begriff wie "Schutzraum" nicht, dass es eine "äußere Bedrohung" gebe? Sollte man nicht besser für "Freiräumen" streiten? Es bleibe die Frage, "wie gehen wir in diesem Land mit unseren Migranten und Postmigranten und anderen gesellschaftlichen Gruppierungen um? Wieviel Geld geben wir dafür aus? Wer bezahlt's? Und bis der große Klimakrieg kommt, wäre es schön, noch die eine oder andere gute Antwort zu finden!"

Dezember

Am 7. Dezember zeigen Helene Hegemann (Text), Michael Langemann (Musik), Janine Ortiz (Konzept) die Uraufführung ihrer Oper Musik. I make hits motherfucker nach Frank Wedekinds "Musik" in der Oper Köln. "Der Abend wär ärgerlich gewesen, wäre man nicht drei Viertel der Zeit mit fremdschämen beschäftigt gewesen", ätzt gleich als zweiter Kommentator "Felix" gegen die als Hauptverantwortliche erkannte Hegemann. "präpubitär! Grow up, Fräulein Hegemann, und dann können wir dich ernstnehmen", schreibt "Johan Kepler" gehässig. Haben Beziehungen der Regisseurin zu ihrer ersten Musiktheaterregie verholfen?Musik3 280 PaulLeclaire hOper Köln, 7. Dezember: Premiere Musik. I
make hits motherfucker © Paul Leclair

nachtkritik-Redakteur Behrens
verwahrt sich gegen diese "reflexhaft argumentlose Häme". Und dann, ziemlich überraschend, melden sich auch die Hegemann-Verteidiger zu Wort. Mit Argumenten. Man glaubt es kaum. Vielleicht sei der Abend nur "falsch gelabelt" gewesen, mutmaßt K.H., denn, schlägt StefanP in dieselbe Kerbe die Regie sei "flüssig und natürlich", "keine Statik oder Langeweile", "souverän" der "Umgang mit der Raumbühne", "toll" die Erotik, "nie geschmacklos" und schließlich, wieder K.H., was heiße hier bitt'schön "unerfahren", wenn jemand bereits "einen Film, ein Hörspiel, zwei Theaterstücke und zwei Bücher produziert" habe? Man müsse halt etwas anfangen können mit "den ganzen verbauten Gimmicks ... Stichwort Pizza und Schweinfurther Grün", beschließt Christian nach knapp zwei Wochen die Diskussion.

Eien Woche darauf sitzen im Münchner Milla dreizehn Teilnehmer auf dem Podium, um sich über kulturelle Diversität auszutauschen, und die anlässlich des "Kirschgartens" entfachte Debatte geht nun nahtlos weiter. Initiator Tuncay Acar schaltet sich ein und sagt, weshalb die nötige Auseinandersetzung erst so spät beginnt: "weil alle darstellerInnen, regisseurInnen, theatermacherInnen, die sich äussern wollten, sich in abhängigkeitsverhältnissen befinden, innerhalb derer sie sich nicht aufmucken trauen. so wird eine ganze kreative masse zum schweigen gebracht." Nach kurzer Auseinandersetzung, wie die Begriffe bio-deutsch und migrantisch besetzt sind, positiv oder negativ, erläutert Samuel Schwarz die unterbewussten Prägungen, die auch den Kulturbetrieb bestimmen, gibt es Vorschläge, dass Migranten die Wohnungen von Künstlern inklusive des Theaterensembles in München besuchen, wird auch Bertolt Brecht zur Rate gezogen und sofort wieder verworfen. Über allem schwebt die Frage, ob etwa ein mit einem farbigen besetzter "Wurm" zu einem erweiterten Verständnis der Gegenwart führen würde, nein, antwortet der Kommentator Martin Baucks: "Über das individuelle Bedürfnis nach einer solchen Rolle hinaus, gibt es kaum Nachweise, dass solche Besetzungen wirklich zu einer gesellschaftlichen Besserung führen." Andere beißen sich in die Faust, wenn sie so etwas lesen. Florian Huber schreibt: "In Ihrer Logik war Rosa Parks also nur naiv und vermessen, weil sie meinte, wenn sie im Bus vorne sitzen bleibt, wird die Welt besser? … Wofür soll das ein Argument sein? Dass man die Rassentrennung nicht hätte aufheben sollen, weil danach prompt die Rollstuhlfahrer frech geworden sind?" Wolfgangk sieht die Diskussion getriggert durch das "Verlangen 'zu kurz Gekommener' auch endlich mal 'dran' sein zu sollen". Raphael Urweider resümiert, "es geht nun wirklich nicht um Kunst, sondern um Verteilung und – Diversität."

Verschiedentlich werden das gesamte Jahr über die antidemokratischen Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf das Theater und die Kulturpolitik in Ungarn diskutiert, besonders nachdem Attila Vidnyánszky seine Intendanz am Budapester Nationaltheater im vergangenen Herbst angetreten hatte. Von "Kulturkampf" ist die Rede. Und kann man von Demokratie in Ungarn überhaupt noch sprechen? "Demokratie in Ungarn heute", so ist zu lesen, bedeute: "Wiederbelebung der faschistischen Ideologie, vollzogener Umbau der Staatsführung zur Alleinherrschaft, staatlich geförderter offener Antisemitismus und Antiziganismus, Ausschaltung des liberalen politischen Gegners auf allen gesellschaftlichen Ebenen". Mehrere Intellektuelle rufen daher im April zum Widerstand gegen die Regierung Viktor Orban auf. "So ein Aufruf ist leicht formuliert und leicht unterzeichnet", hieß es danach, aber ist er auch angemessen? Der Kommentator Martin Baucks schreibt: "Ich kann mich auch nicht des Eindrucks erwehren, dass sich hier ein paar deutschsprachige Theaterleute auch endlich einmal als 'Befreier' aufspielen wollen, um sich einer 'gewissen historischen Rolle der Deutschen in der europäischen Geschichte' weiter zu entledigen." Frank-Patrick Steckel, einer der Unterzeichner des Aufrufs, hat seine Unterschrift eigens begründet. Später, nachdem im Rahmen einer Berliner Ungarn-Konferenz im Dezember die beiden verfeindeten Regisseure Attila Vidnyánszky und Arpad Schilling erstmals gemeinsam an einer Podiumsdiskussion teilnahmen, schreibt Steckel: "Die Politik in Ungarn verhöhnt alle europäischen Vorstellungen von konstruktivem Zusammenleben der Menschen. Die protofaschistische Epoche der Zwischenkriegszeit zeigt ihre nur oberflächlich maskierte Fratze plötzlich von neuem."

Voll im Gange, aber noch lange nicht abgeschlossen: Die Debatte um das Defizit am Schauspiel Leipzig. Das Drama in Kurzform:
Neuer Intendant Erico Lübbe: "Ex-Intendant Sebastian Hartmann hat ein Defizit von 400.000 Euro hinterlassen."
Ex-Intendant Hartmann: "Wir haben kein Defizit hinterlassen, sondern einen kleinen Überschuss."
Der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig: "Die Prüfung hat bestätigt, dass es ein 400.000-Euro-Defizit gibt."
Ex-Intendant Sebastian Hartmann: "Die Prüfung hat ein kleines Defizit bestätigt, aber auch das ist falsch. Es gab einen kleinen Überschuss."
Inzwischen steht nicht nur ein Vorwurf der Rechnungsfälschung seitens der neuen Intendanz im Raume, auch Strafanzeigen wurden angeblich gestellt. Eine externe Prüfung soll nun Klarheit geben. Unter einem Überblicksartikel hat sich derweil die kulturpolitische Sprecherin der Linken Skadi Jennicke zu Wort gemeldet, und verteidigt ihre Position und gleichsam die der Stadtspitze. Doch die Leipziger KommentatorInnen sind nicht zu überzeugen: Man verzweifle schon länger "über die desaströse Kulturverwaltung auf allen Ebenen". Es bleibt ein Ende des politischen Gezerres abzuwarten, und die Frage steht im Raume: "Armes Leipzig, was ist nur los mit dir?"