Presseschau vom 12. Januar 2014 – Das Nachrichtenmagazin Profil mit neuen Recherchen zur Causa der entlassenen Burgtheater-Vizedirektorin

Krass: Geschäftsführerin streckt Behörde 'n bissel Geld vor

Krass: Geschäftsführerin streckt Behörde 'n bissel Geld vor

12. Januar 2014. Zur Causa um die entlassene Geschäftsführerin des Wiener Burgtheaters Silvia Stantejsky hat das österreichische Nachrichtenmagazin Profil (11.1.2014, 08:41) auf seiner Website neue Recherchen veröffentlicht.

Karin Cerny schreibt, Silvia Stantejsky sei entlassen worden, "weil sich ein fünfstelliger Euro-Betrag aus dem Burgtheater-Budget auf ihrem Privatkonto gefunden" habe; die Ex-Geschäftsführerin habe diese Überweisung "angeblich nicht zufriedenstellend erklären" können.

Mitteilung der Anwältin

Frau Stantejsky, die ihre Entlassung anfechten werde, habe dem Profil durch ihre Anwältin schriftlich mitteilen lassen, dass es sich bei der "Überweisung vom Burgtheater an Frau Mag. Stantejsky" um die "Rückzahlung von Beträgen" handele, "die Frau Mag. Stantejsky aus ihrem Privatvermögen dem Burgtheater vorgestreckt hat." Dies sei dem Burgtheater bekannt. Frau Stantejsky werde "deshalb von niemandem, auch nicht vom Burgtheater, vorgeworfen, sich hierdurch bereichert zu haben". Sofort nach Aufkommen der "Ungereimtheiten" habe Stantejsky, "um jegliche schiefe Optik auszuschließen", den Betrag "unter Vorbehalt der Rückforderung nach vollständiger Aufklärung" an das Burgtheater rücküberwiesen.

Und der Direktor wusste nichts?

Aus dieser Stellungnahme ergäbe sich, so Cerny, die Frage, wie es sein könne, dass Matthias Hartmann, "der als künstlerischer Geschäftsführer jede Zahlung über 10.000 Euro mitunterzeichnen muss, nichts von diesen Unregelmäßigkeiten gewusst haben soll" (siehe unten). Sie zitiert die harsche Kritik des ehemaligen Burgtheater-Direktors Klaus Bachler: "Die Burg hat zwei Geschäftsführer und damit ein klares Vieraugenprinzip. Dann fährt man das Haus an den Rand der Pleite. Daraufhin entlässt ein Geschäftsführer den anderen – der zufällig die verdienteste Frau des Hauses ist. Schuld an dem Dilemma soll dann die mangelnde Subvention sein – und das in dem mit Abstand reichsten Theater der Welt". So viel Zynismus gebe es "in keinem Theaterstück". (Die Kommentatorin Susanne Peschina gab den Hinweis, dass Herr Bachler, der derzeit in München die Staatsoper leitet, nicht immer so gesprochen hat, siehe hier).

Im Hintergrund: ein großes Loch

Viel gravierender allerdings, so Cerny weiter, scheine das offenbar drohende Defizit des Burgtheaters zu sein. Dem Vernehmen nach solle es sich "um ein Defizit zwischen zehn und zwölf Millionen Euro handeln". Bei Subventionen von insgesamt 46,4 Millionen Euro.

Matthias Hartmann, der diese Zahlen nicht bestätigen wollte, habe erklärt, angesichts der seit 1999 um 43 Prozent gestiegenen Gehälter (bei einer Erhöhung der Subventionen um eine halbe Million Euro im selben Zeitraum), sei ein Defizit "unausweichlich". Gegenüber Profil habe Hartmann das drohende Defizit auf veränderte "Buchungsmethoden" zurückgeführt, "darauf, dass Bühnenbilder nicht mehr auf fünf, sondern nur noch auf drei Jahre abgeschrieben werden" dürften.

Eine besondere Rolle in dieser ganzen Angelegenheit spielen offenbar die zuständige Kontrollinstanz, die Bundestheater-Holding, der seit 1999 Burgtheater, Akademietheater, Staatsoper und Volksoper unterstehen, und ihr schweigsamer Vormann Georg Springer, der auf Anfragen seitens der Nationalrats-Abgeordneten oder von Journalisten am liebsten nur mit Verzögerung oder gar nicht reagiere.

Die Ergebnisse einer bereits "2008 durchgeführten externen Evaluierung der Häuser sowie der Holding selbst" seien nie veröffentlicht worden, schreibt Cerny. Das darin dem Vernehmen nach identifizierte Sparpotenzial wollte Holding-Chef Georg Springer "bis 2014/15 umgesetzt haben". Konkrete Zahlen lägen bis heute nicht vor. Auch zu den Vorgängen um die entlassene Vizedirektorin Silvia Stantejsky habe sich die Holding bis dato offiziell nicht geäußert.

Interview mit Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann

Dreieinhalb Stunden später (11.1.2014, 12:10) veröffentlichte Profil ein Gespräch mit dem Direktor des Burgtheaters Matthias Hartmann über die Hintergründe der Entlassung seiner Geschäftsführerin, seine Privilegien und die finanzielle Notlage seines Hauses.

In diesem Interview bestätigt Hartmann, dass "ein fünfstelliger Euro-Betrag aus dem Burgtheater-Budget" auf dem Privatkonto von Silvia Stantejsky gefunden, diese daraufhin erst suspendiert, dann entlassen worden sei. Aber diese Entlassung sei "hoffentlich eine Zwischenmaßnahme, bis man die Dinge nachvollziehen kann. Und dann ist alles wieder gut." Menschen am Theater müssten "ständig Konflikte miteinander regeln", dabei gelte "das Gesetz des gesunden Menschenverstandes und nicht das der Juristen". Es gebe für ihn, Hartmann, keinen Grund, "an der persönlichen Integrität meiner geschätzten Mitarbeiterin zu zweifeln".

Gefragt, ob er den fünfstelligen Betrag, der auf das Konto seiner Vizedirektorin überwiesen worden sei, denn nicht, gemäß der geltenden Regelung am Burgtheater, mitunterschrieben habe, antwortet Hartmann: "Das hätte ich ganz bestimmt nicht getan. Und zu dieser Angelegenheit nehme ich, wie eingangs gesagt, keine Stellung."

(jnm)

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Kommentare  
Presseschau Burg-Vize I: ganz normal
Das "Gesetz des gesunden Menschenverstandes" orientiert sich natürlich an den Gesetzen des Matthias Hartmann. Das ist auch viel bequemer als irgendwelche Juristen einschalten zu müssen. Aber keine Sorge - in Wien ist das ganz normal!
Presseschau Burg-Vize I: theatrales Fiasko
Die Ränkespiele und Eskapaden hinter den Kulissen bei gleichzeitigem künstlerischem Absturz haben der Burg schon seit längerem den Ruf des österreichischen Bayreuths eingebracht. Bachler mag man vorwerfen, er habe die Burg vom Theater entfremdet, indem er "die Künstler" ans Haus geholt hat (Nitsch, Schlingensief etc.). Von Hartmann und seiner Entourage kann man sagen, dass er wieder Theater spielen lässt, sogar Theatertheater, sogar Theatertheatertheater, allerdings nach einem Theaterverständnis, dass schon seit 30 Jahren als veraltet gilt. Man ist vermainstreamt und larmoyant, gebärdet sich aber gleichzeitig als Hüter irgendeines Grals, von dem auch Bayreuth weiter entfernt ist als je zuvor. Grals-Burg(en) eben. Dass das spielerische und dramaturgische, sprich das theatrale Fiasko der Burg jetzt seine Fortsetzung hinter der Bühne findet, ist da irgendwie folgerichtig, wenn auch nicht weniger schändlich und ernüchternd.
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