So wollen wir nicht mehr arbeiten!

29. Januar 2014. Am Wochenende hat sich die Dramaturgische Gesellschaft zur Jahreskonferenz "Leben, Kunst und Produktion. Wie wollen wir arbeiten?" getroffen. Hier unser Tagungsbericht von Stefan Bläske.

Am Rande dieser Tagung (und auch sonst) erzählen Theatermitarbeiter, dass sie vor lauter Arbeit, Abenddiensten etc. im letzten Jahr eigentlich nur Inszenierungen am eigenen Haus sehen konnten. Dass sie die einzigen Stunden außerhalb des Theaters bei der Physiotherapie verbringen. Man hört von More-than-Fulltime-Mitarbeitern, dass sie am Ende jeder Vorstellung nun auch noch Werbezettel verteilen sollen (während das Einlasspersonal aus Einspargründen längst zuhause ist). Man hört von Leitungen reicher Theater, die ihren unbezahlten Hospitanten nicht mal ein bisschen Geld geben wollen, wenn diese als Beleuchtungsstatisten einspringen. Von Intendanten, die gerne mündliche Zusagen machen und nicht einhalten. Von Geschäftsführenden Direktoren, die es während achtwöchiger Probenzeiten nicht hinbekommen, den Vertrag eines Gastes fertig zu machen. Von solchen, die Reisekostenabrechnungen von Mitarbeitern, die sie nicht mögen, einfach "verlieren". Man hört von tristesten Unterbringungen der Regieteams, und von Häusern, die ihr Ensemble nur von September bis Mai bezahlen und in den Theaterferien arbeitslos sein lassen. Das alles sind freilich nur unzuverlässige Beispiele aus zweiter Hand, und so interessiert uns: Was sind Ihre Erfahrungen und Erlebnisse im "Traumberuf am Theater"?

Ihre Stimme ist gefragt. Schreiben Sie auf, was Sie besonders stört: Was ist ein No-Go an Ihrem oder einem anderen Haus? Wie viel verdienen Sie eigentlich, bei welcher durchschnittlichen Arbeitszeit? Was muss sich ändern, damit Sie wieder lieber arbeiten?

(Hinweise auf konkrete Theater und ihre Akteure, die für die Redaktion unüberprüfbar sind, können wir hier nur gekürzt bzw. anonymisiert veröffentlichen – es sei denn, der betreffende Kommentator schreibt unter Klarnamen, der von der Redaktion authentifiziert werden kann.)

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Kommentare  
Kummerkasten: Andere Hierachiemodelle
vieles muss sich ändern!die "management" strukturen an den theatern entstammen dem 19.jhdt.gänzlich andere hierarchiemodelle müssten her. man könnte u.a. lernen von "agilen" methoden des projektmanagements.flache hierarchien und gerechte löhne. die künstler sollten endlich wieder aktiv, kritisch und konstruktiv mitreden dürfen. derzeit sind sie bittsteller und froh um jeden job.wo sind künstlerische utopien?
nicht "kuratorische" fantasien sind gefragt sondern kunst!den gedanken, die gesamte bevölkerung, so heterogen sie auch sein mag, ins theater bringen zu müssen sollte man geflissentlich hinterfragen.kunst nurmehr als produkt zu betrachten, erschwert den blick auf das wesentliche.der rezensent hat offensichtlich auch niko paechs thesen nicht richtig verstanden, denn seine theorie hat nichts mit einer "schrumpfung" von theatern zu tun.so lange in einer durch und durch neoliberalen gesellschaft operiert wird, ist als erstes angesagt diese gesellschaft zu hinterfragen. und dies ist die aufgabe von kunst, die sie jedoch in neoliberalen strukturen immer weniger bis gar nicht mehr wahrnehmen kann. dies gilt gleichsam für die sog. "freie" szene, da diese ja auch am tropf neoliberaler institutionen hängt.
also ran ans grundsätzliche!!!
Kummerkasten: aus erster Hand
Hätten Sie die Erfahrungen und Erlebnisse aus erster Hand gerne mit direktem Verweis auf die jeweiligen Häuser bzw. Personen oder sollen die lieber anonym bleiben?

(Sehr geehrter Traumberufler, Hinweise auf konkrete Theater und ihre Akteure, deren Interna für uns unüberprüfbar sind, können wir nicht veröffentlichen. Sie würden mithin gekürzt und anonymisiert freigeschaltet. Kommentare unter Klarnamen, die von der Redaktion authentifiziert werden konnten, können weitergehende Infos bereitstellen. Mit freundlichen Grüßen, Redaktion nachtkritik.de)
Kummerkasten: auf Hochseegaleeren
Hinckelmann hat da Recht, wo es um die Neudefinierung der Hierarchie geht. Ich arbeite seit dem Jahr 2000 immer wieder an Stadttheater in Deutschland, Oesterreich und in der Schweiz - aber auch in der freien Szene. Die Machtfülle der Intendanz ist schon gewaltig, ausnahmslos überall - und egal, ob besseres oder schlechteres Theater gemacht wird an diesen Häusern (die Unterschiede sind marginal, da an allen Häusern den Inszenierungen der gleiche Industriegeschmack anhaftet, mal mehr, mal weniger ungeniessbar ): Die Rolle derjenigen, die auf der Bühne stehen, ist überall eine unwürdige Rolle. Es gibt keine Teilhabe am Werk, keine Mitsprachemöglichkeiten bei der Verwertung. Die SchauspielerInnen sind in ihrer Funktion Musen des Machtapparats. Ich bin der festen Ueberzeugung, dass der deutsche Theaterbetrieb, wie er nun ca seit 100 Jahren existiert, an sein Ende kommen muss. Die Gelder müssen verteilt werden an autonome Zellen. Wenn man die Betriebe so weiterführt, rutschen alle Betriebe ( auch wegen der Teuerung und der steigenden Kosten ) in immer schlimmere Diktaturen hinein, denn die totale Macht der Intendanz nimmt ja nicht ab, je ausgebluteter der Betrieb ist, umso krasser seine Macht, weil die Leute müde sind und nichts mehr entgegenhalten können. Am Ende der Hierachie-Kette sind immer die SchauspielerInnen. Die DramaturgInnen, die Handzettel verteilen müssen, tun mir auch leid, aber sie sind in dem System dann schon eher diejenigen, die auf Hochseegaleeren (mit weinendem Auge und schlechte Gewissen vielleicht) die Mannschaft anpeitschen müssen. Vergleiche dazu Gordon Craigs Schiffsmetapher von 1915: Craig beschrieb einen Theaterbetrieb als streng zu führendes Schiff, die Schauspieler als willenlose Soldaten, der Intendant/Regisseur als strenger Kapitän. Craig ist immer noch Referenz für alle, die mit Macht ausgestattet sind (an den Hochschulen ist er Pflichtprogramm für die Regie-Offiziere). Dieser Gordon Craig ist nach 100 Jahren endlich zu überwinden. Das Theatersystem hat noch keine Revolution erlebt. Es wäre an der Zeit. Ich muss manchmal leider an diese Theater arbeiten gehen. Aber ich mache das immer nur mit Widerwillen und gewaltigem Ekel. Wenn es einen Job beim Film oder Fernsehen zu machen gibt, mache ich lieber den (ein/zwei Tage Dienst dort bringen gleichen Verdienst wie 2 Monate Theatersklaverei). Den Theaterbetrieb zu beeinflussen mit meiner Haltung ist unmöglich. Ich bin immer in einer Position dort, an der ich ihn nicht ändern kann. Ich glaube nicht mal der Intendant könnte was ändern. Das könnten wir letztlich nur alle zusammen. Aber natürlich wollen ihn die wenigen, die an der Macht sind, nicht ändern.
Kummerkasten: Mehrfachbelastung
Meine Vorkommentatoren wollen scheinbar wieder die Struktur-Diskussion aufleben lassen. Die hat sich aber schon als Weg in die Sackgasse erwiesen. Es kommt nicht auf die Struktur eines Theaters an, sondern auf die Menschen, die in ihnen arbeiten. Eine größere Demokratisierung der Theaterarbeit wurde bereits in den 1970er Jahren in verschiedenen Häusern versucht und scheiterte. Bei den vielen und sich oftmals widersprechenden Interessen und Meinungen muss letztendlich jemand eine Entscheidung treffen. Regisseure, die größeren Freiraum lassen, geraten bei ihren Darstellerinnen und Darstellern sehr schnell in den Ruf, schwach zu sein, nicht zu wissen, was sie wollen. Das erlebte ich als Dramaturg immer wieder.
Als solcher arbeitete ich fast 30 Jahre, und zwar unter den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR und nach 1990 im vereinigten Deutschland. In den 1980er Jahren betreute ich pro Saison zwei, manchmal drei Inszenierungen in der Oper Leipzig und in der Musikalischen Komödie. Ich konnte mich intensiv in die Vorbereitung einer Inszenierung einbringen - von der Entscheidung für eine Fassung über die Erarbeitung einer Konzeption bis hin zu regelmäßigen Probenbesuchen. Hinzu kamen ausführliche Lektorate, um fundierte Vorschläge für den Spielplan unterbreiten zu können. Von dem Luxus, für Programmhefte Originalgrafiken in Auftrag zu geben, will ich gar nicht weiter schreiben. Aber schon als Chefdramaturg der Schweriner Philharmonie erhielt ich eine Menge zusätzlicher Aufgaben, aber es hielt sich noch in Grenzen. Wieder in Mitteldeutschland zurück, diesmal als Chefdramaturg in Wittenberg, musste ich alle Inszenierungen des Musiktheaters und des Schauspiels betreuen, die Programmhefte für die Konzerte gestalten, das Jahresheft realisieren und die gesamte Medienarbeit bewältigen.
Auf meiner bisher letzten Station in Flensburg (SH-Landestheater)
blieb die Mehrfachbelastung im Musiktheater und Konzert. Und ich war ständig zwischen mindestens sieben Städten unterwegs, um vor Vorstellungen und Konzerten Einführungen zu halten, Publikumsgespräche, konzertante Aufführungen und Galas zu moderieren. Letzteres machte mir durchaus Spaß. Ich deutete eine
Entwicklung an: Die Aufgaben eines Dramaturgen verlagerten sich immer mehr von der Mitarbeit im Inszenierungsteam in den Bereich der Öffentlichkeit. Ob man dazu unbedingt Theater- und/oder Musikwissenschaft studieren muss, das bezweifle ich. Ich hatte immerhin das Glück, nach 1990 angemessen bezahlt zu werden, allerdings riss die Pendelei zwischen Wohn- und Arbeitsort gewaltige Löcher ins Budget. Ein Umzug bei jedem Engagementswechsel wäre angesichts der befristeten Verträge zu riskant gewesen. Dass das Familienleben, so etwas gibt es tatsächlich außerhalb des Theaters, darunter litt, leuchtet wohl ein. Soweit soll es genügen aus dem Leben eines Dramaturgen.
Exmecklenburger
Kummerkasten: interessante Stille
Schon interessant, wie die Leute schon konditioniert sind. Zu anderen Themen schreiben sie sich die Hände wund, aber kaum gibt es einen Aufruf wie hier, ist Totenstille. Alle sind zufrieden, scheint es...
Kummerkasten: Strukturen hinterfragen
Nur weil etwas in den 70er Jahren in Westdeutschland nicht funktionierte (die Frage ist auch: hat es wirklich nicht funktioniert??? / desweiteren waren damals völlig andere Voraussetzungen und Gründe für das Aufbegehren gegeben), muß dies heute nicht a priori zum Scheitern verurteilt sein.
Ganz im Gegenteil! Man hat viel gelernt in den letzten Jahren! Heute geht es tatsächlich um die Wurst. Das Theater hat an Stellenwert massiv eingebüßt und spielt de facto in einer heterogenen Gesellschaft wie der unsrigen kaum noch eine Rolle.
Dies ist ein zum großen Teil auch selbstverschuldeter Zustand, der
schlicht mit den Strukturen zu tun hat! Strukturen hinterfragen und Verkrustungen aufbrechen. Den Diskurs öffnen und der Kunst endlich wieder eine Chance geben. Darum sollte es gehen! Zudem ist es an der Zeit diese Arbeitsbedingungen nicht mehr hinzunehmen.
Man stelle sich vor, das künstlerische Personal stelle ein paar Tage geschlossen die Arbeit ein. Dann würden alle anderen am Haus sich zu Recht fragen, was sie da eigentlich machen...oder eben nicht machen!!!
Kummerkasten: Menschen im Betrieb
@harmonix: meine Worte, gute Worte....ja, das Regietheatersystem ist auch erst 100 Jahre alt, wieso sollte das nun für immer und ewig gleich bleiben.
@Ex Mecklenburger: Niemand sagt, es braucht nicht Leute mit Visionen, niemand will "schwache" Regisseure. Es braucht Macht-Monster, aber nicht von der Struktur vorgegebene Kapellmeister, die mit den SchauspielerInnen machen können, was sie wollen (ganz schlimm, wenn sie nicht wissen, was sie wollen, aber so tun, das ist das ALLERSCHLIMMSTE). Mehr Anarchie. Mehr Diversität. Es gibt starke SchauspielerInnen, die sich montrös durchsetzen können, warum nicht? Es gibt zarte, weiche ZuschauerInnen, die gute Tipps geben, warum nicht? Ganz sicher ist die von dem Staat definierte Regie/Dramaturgietheaterstruktur stärker als die Menschen, die sich in ihr bewegen. Nur wegen dieser Struktur haben oft die charakterschwächsten Menschen das sagen, die Machtgierigen und nicht die Begabten. Und beispielsweise auch die, die das Leben im Betrieb über das Familienleben setzen. Auch das ist gar nicht gut.. es braucht im Theater Menschen, die auch ein Leben neben dem Betrieb führen.. im Betrieb aber herzhafter fighten für besseres Theater... und nicht nur die Schleicher, die sich im momentanen System hochdienen.
Kummerkasten: Neoliberalismus 1:1
@julius detructivus
Wunderbar wahr!!!!
Die Beschreibung ist treffend und ist zudem ein Abbild der Gesamtgesellschaft im Kleinen...leider!!!!
Das Theater bildet die Neoliberale Struktur der Gesellschaft 1:1 ab.
(hierzu sei das Buch "die Kritik des Theaters" von Stegemann empfohlen)
Kummerkasten: Zahlen müssen stimmen
Ich melde mich mal zu Wort. Habe mit ansehen müssen, wie eine Assistentin sechs Jahre assistierte, ohne Aussicht auf eine eigene Inszenierung, erst zwei Jahre an einem, dann vier Jahre an einem anderen Haus. Kleinere Formate wurden ihr übertragen, durchaus mit Erfolg. Parallel hat sie was für einen Wettbewerb inszeniert, prompt den ersten Platz belegt. Inzwischen hat sie am Theater gekündigt, war lange arbeitslos und macht jetzt eine Umschulung.
Inzwischen wird Stellenbewerbern an diesem Theater gesagt, dass man keine Abschlussinszenierung bekommt.
Kann mir das jemand erklären?
Mutmaßung: Die Zahlen der Stadt gegenüber müssen stimmen. Ein erstmals inszenierender Assistent ist ein Anfänger, ein Risiko.
Frage: Früher war das mal ein Ausbildungsberuf. Hat eine Leitung nicht eine gewisse Verantwortung seinem "Personal" gegenüber? In anderen Betrieben ist das so ... Und ich habe gehört, das Theater sei auch einer.
Kummerkasten: Open Source
Wie wäre es denn mit "Open-Source-Zusammenhängen" ähnlich den Projekt Management Strategien "SCRUM" und ähnlichem. Eben "Peer-Produktion": Es gibt keine Hierarchie, sondern alle Beteiligten arbeiten selbstorganisiert als "Peers" (Ebenbürtige) miteinander. Als zweite Säule:Offenheit und Transparenz -ich zitiere die TAZ zum Thema:"[...] während traditionell bürokratische Strukturen auf exklusivem Herrschaftswissen basieren und Misstrauen das Klima vergiftet, existiert in Open-Source-Strukturen ein anderes Verständnis von geistigem Gemeineigentum - das sagt schon der Name: Open Source = offene Quelle. Hier sind die Menschen hoch motiviert und gerne bereit, ihr Wissen und ihre Ideen mit anderen zu teilen - weil ihnen Vertrauen, Respekt, Anerkennung, Fairness und Toleranz entgegengebracht wird.[...]" Dies könnte ein Zukunftsmodell beschreiben..in der einen oder anderen Theaterproduktion funktioniert es ohnehin schon so und man "merkt" es nicht. Oftmals geht es so lange "gut", bis die Hierarchien wieder offen zu Tage treten. Aus "Sachzwängen" heraus..oder weil es so sein "muss", wie es schon "immer" war.Echte "Transparenz" und "Offenheit"im hier beschriebenen Sinne scheinen mir Wege aufzuzeigen, die auch und gerade in einer "vernetzten" und "digitalen" Gesellschaft die Zukunft in Institutionen, Organisationen und Unternehmen gestalten werden.
Kummerkasten: Selbstverwirklichung
@Verantwortung
Offensichtlich hatte da jemand Angst vor künstlerisch ernsthafter Konkurrenz. In einem gut geführten Theater kümmert man sich um den künstlerischen Nachwuchs, doch leider dominiert das Streben nach Selbstverwirklichung immer stärker, soll doch jede(r) sehen, wo er bleibt. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass Intendanten mit ihrem Team von Theater zu Theater ziehen, um "ihr Ding zu machen".
Wer zum Vorgänger gehörte, wird entlassen, was in der Sprache der Bühnen-Verträge Nichtverlängerung heißt. Das neue Team macht oftmals fast das Gleiche wie am Theater zuvor, gibt es aber als "die" Erneuerung aus.
Um noch einmal auf den Anfang zurück zu kommen: Ich hatte noch das Glück, von wohlwollend-strengen Theaterpatriarchen gefördert zu werden, aber die Zeiten änderten sich.
Exmecklenburger
Kummerkasten: flache Hierachie in Produktionen
Die soziale Vorbildfunktion, also das Anderssein als die gängige spätkapitalistische Realität generell wie auch im kommerziellen Theater, findet im Stadttheater, öfter als man meint, in den Produktionen statt: Flache Hierarchien, Regisseure, die sich als primus inter pares verstehen, ein Ensemble, das sich unter Führung einem künstlerischen Ziel nähert.
Beklagenswert ist anderes und hier schon oft Gesagtes: Tarifliche Unterschiede, hohe Belastung, Unflexibilität des existierenden Systems, fehlende Zeit, um sich ernsthaft mit einer Zukunft zu beschäftigen, die etwas anderes bringen muss als den ewigen Kanon zwischen Ibsen, Büchner und Shakespeare runterzubeten.
Kummerkasten: Missstände im Kindertheater
Was mich stört:
Als Regisseur in der Wachstumsbranche Kindertheater verdiene ich 4000.- für eine Inszenierung! Jeder kann ausrechnen, wieviele Produktionen für ein notwendiges Jahreseinkommen ich akquirieren, vorbereiten und durchführen muss und kommt schnell drauf, dass es anders als in einem komplett unproduktiven Akkord nicht funktioniert.
Und weil die Kindertheater eben kein realistisches Honorarbudget bekommen, werden zunehmend bescheidene Kollegen engagiert, die ihre Gage eigentlich nicht brauchen, also Festengagierte ("mal was anderes ausprobieren"), Studenten ("jungen Leuten eine Chance geben"), Rentner ("ab und zu nochmal was am Theater machen") etc.
Das ist für die jeweilige Person sicher schön und kann im Einzelfall auch zu wunderbaren Ergebnissen führen.
Aber im Prinzip ist das nicht mehr als Nachlassverwaltung!
Kummerkasten: wer darf?
Dürfen hier auch ehemalige Hospitanten und/oder Foyerangestellte schreiben?

(Ja. - die Redaktion)
Kummerkasten: das gebe der Theatergott
gesegnet sei der ewige kanon zwischen ibsen, büchner, shakespeare - beckett und tschechow und der theatergott gebe, dass es damit nicht
gar zu langweilig wird auf den brettern die die welt bedeuten . . .
Kummerkasten: Theatermüdigkeit
@till:
Wird es aber auf Dauer, da hilft kein Beten. Und für die Sektenmitglieder macht das Singen des Kanons nach wie vor Spass, klar. Aber ob dann Neue in die Kirche kommen? Ich bewege mich seit 30 Jahren in der Theaterwelt. Und kann meine Freunde außerhalb für dieses Medium nur schwer erwärmen. Die kommen höchstens, wenn ich mitspiele. Und interessieren sich ansonsten durchaus für jede Art von Kultur: bildende Kunst, Literatur, Kino, TV Serien, Musik. Nur nicht für Theater. Und, ehrlich gesagt: Wenn ich jetzt nicht da zu tun hätte, ging´s mir genauso. Jetzt schon wieder Faust gucken, weil ich den Schauspieler kenne? Nö. Mach ich nicht mehr. Und in den Kantinen wird sich doch sowieso über die neue Folge von "breaking bad" o.ä. unterhalten, wie hier schon mal an anderer Stelle bemerkt...das muss doch was bedeuten!! Und zwar auch für die Macher.
Kummerkasten: weg mit den Regie-Trompetern
@Helga: Das Problem ist natürlich auch, dass nicht jene Regisseure belohnt werden, die dieses (durchaus auch vorkommende Teamdenken fördern), sondern die anderen, die auf den Tisch hauen, lärmen, einschüchtern, auslachen und verspotten. Es ist dieser Typus Regisseur, der das Treppchen hochsteigt, begleitet und assistiert von devoter Entourage, die diese Atmosphäre des Terrors und Willkür schätzt und mag.. das ganze System ist ausgerichtet auf diese "Maniacs", die "Regietitanen", die - wenn wirklich "Titanen" wären ( leider die totale Ausnahme ) - vielleicht Geniöses zustandebrächten. Nur: Meistens sind die Regisseure aber eben mittelmässige Als-ob-Titanen - und viel Geld fliesst in falsch konzipierte Bauten, in zu lange Proben, in schlecht gedachte Einspieler und dümmliche Perücken. Zudem wird zu lange geprobt. Hauptsache man hockt aufeinander und kaut sich gegenseitig zu Tode...anstatt dass man sich anständig vorbereiten würde ). Andere Anreizsysteme, mehr Einbindung der Wissenschaft und zeitgenössischem Kulturmanagement ( das sei hier mal positiv verwendet, im Bewusstsein, dass es auch ein "böses" Kulturmanagment gibt ). Man beachte nur die Erfolge neuer Inszenierungs-Konzepte - an den letzten Theatertreffen! Diese sollten eigentlich zu neuen Strukturen führen... der genialistische Regisseur als Modelltypus ist grundsätzlich eher etwas, der sich für den Film eignet, beim Theater muss diese zeitgemässe Inszenierungstechnik endlich auch in anderen Strukturen sichtbar werden, weg vom "Genie", hin zum Teamwork. Ja: Abschaffung des Regietheaters des 20.Jahrhunderts. Kein Kompromiss. Diese "Regisseursfigur" muss verschwinden. Die wirklichen "Genies" werden sich auch in neuen Kontexten offenbaren - und sich nützlich machen - aber sie müssen Ausnahme bleiben, weil Hochbegabung ja auch wirklich etwas sehr Seltenes ist. Und sich auch bei SchauspielerInnen offenbaren kann, im feinen, im zarten... nicht in diesem Trompetenhaften der Regie, ja, auch bei Ausstattern, die vielleicht, anstatt irgendeinen Schwachsinn zu bauen, entscheiden, dass es ein schöner Tisch und eine leere Bühne auch tut, um den Zuschauer zu beeindrucken. Die Theater haben nicht zu wenig Geld. Sie setzen es falsch ein.
Kummerkasten: Wünsche für Hospitanten und Foyerarbeiter
Wunderbar. Freie Meinungsäußerung. Ich wünsche mir, dass Hospitanten an einem großen, Berliner Theater nicht nur hauptsächlich fürs Kopieren und Material besorgen abgestellt werden, sondern auch tatsächlich an den "großen" Dramaturgiesitzungen (zumal als Dramaturgiehospitant) teilnehmen dürfen. Wie sonst sollen sie lernen, wie ein Dramaturg arbeitet? Wenn er/sie mal nicht zur Physiotherapie geht. Auch wünsche ich mir, dass ein Hospitant nicht aus der eigenen (Vor-)Kasse dafür aufkommen muss, wenn Regisseure, Dramaturgen, Assistenten die ausgeliehenen Bücher und Videos mal wieder zu spät abgeben, so dass Gebühren fällig werden.

Bezüglich der Foyerarbeit wünsche ich mir Transparenz bis hin zur Leitungsebene und mehr Kontakt und Interesse von Seiten derselben gegenüber dem "Vorderhaus". Konkret: Es sollte z.B. auch transparent gemacht werden, warum Foyerangestellte bei Betriebsratswahlen des Theaters nicht mitwählen dürfen und um was es da eigentlich geht. Ich erlebte, dass nur Unterschriften gesammelt wurden, dass Foyerangestellte nicht daran teilnehmen sollen. Ohne weitere Begründung. Outsourcing ohne Arbeitnehmerrechte ist nicht dem Prinzip des Gemeinsamen förderlich.
Kummerkasten: Zuschauer-Kummer
Zu Nr. 17 : Ich habe als Zuschauer mit dem Innenleben des Theaters nichts zu tun. Aber mir geht seit längerem die Inzucht jener "Regietitanen" wirklich auf die Nerven. Ja, weg mit dieser Form der selbstreferentiellen Bestätigung und hin zu einem Theater, welches unideologisch neue Wege wagt. Wer geht denn heute noch (ausser Feuilletonisten und ein paar schrullige Theaterfans) noch wegen einem "berühmten" Regisseur ins Theater ????
Kummerkasten: warum haben Theater keine Kitas?
Die Arbeit im Theater fordert im höchsten Maße, Aufopferungsbereitschaft und Flexibilität. Die Arbeitszeit eines Dramaturgen ist immens und lässt kaum Platz für Privatleben oder Familie. Zudem muss man ja nicht nur zu ungewöhnlichen Arbeitszeiten bereit sein, nein man sollte auch alle paar Jahre bereit sein seinen Wohnort zu wechseln. Vornehmlich findet soziale Interaktion also mit Kollegen statt, da man ja mit Ihnen die meiste Zeit verbringt. Vielleicht ist der Vorwurf man sei weltfremd und habe einen Tunnelblick daher nicht immer ganz von der Hand zu weisen. Die Diskrepanz auf der Bühne Sozialkritik auszuüben, während hinter der Bühne ein autoritäres zutiefst kapitalistisches System herrscht, ist schier kaum auszuhalten. Begründet wird die Ausbeutung des Humankapitals nicht mit dem Steigern der Erträge - nein es ist die Kunst und wir machen es auch noch gerne. Und diejenigen die einen befristeten Vertrag ergattern konnten haben ja noch Glück gehabt.

Ich habe als Dramaturgiehospitantin und Regieassistentin an einem Berliner Theater gearbeitet. Zunächst habe ich im Team und im Umgang mit dem Regisseur die Wertschätzung meiner (unbezahlten Arbeit) erlebt, habe sehr viel investiert an Zeit und Kraft und dies auch gerne getan. Als Regieassistentin später habe ich mit einem anderen Regisseur wesentlich schlechtere Erfahrungen im sozialen Miteinander gemacht, und habe auch hier sehr viel Energie hineingesteckt. das ist naturlich wie überall sehr stark abhängig von den Jeweiligen Personen mit denen man zusammen arbeitet.

Es wird sehr viel diskutiert über Vereinbarkeit von Familie und Beruf, es scheint überall schwer zu sein, aber meine Erfahrung sagt mir ganz besonders im Theater ist es immens schwer. Ich habe einen Partner mit dem ich mir die Erziehung unseres Kindes teile, eine Kita... Aber auf Dauer sehe ich dennoch kein Licht am Ende des Tunnels. Dauerhaft so zu arbeiten wie ich es mir gewünscht hätte geht dann doch über meine Kräfte, zumindest wenn ich mit meinem Sohn mehr als fünf Minuten am Tag verbringen will. Ich werde mich wohl umorientieren müssen, auch wenn es sehr schwer fällt.

Warum haben Theater eigentlich keine eigenen Kitas? Bei den üblichen Arbeits-/Probenzeiten wäre das doch mehr als angebracht. Auch Halbtagsstellen sind absolute Raritäten.

Ich glaube inhaltlich könnten die Theater von diesen weniger belasteten Mitarbeitern die auch Erfahrungen ausserhalb des Theaterkosmos machen nur profitieren.
Kummerkasten: ran an die Leute mit allen Formaten
@ destructivus: Ich weiss nicht, ob die Theaterregie der Bereich ist, den man als Beispiel für die Rücksichtslosigkeit unserer Zeit anführen kann, unbenommen der Vorwürfe gegen angedeutete Personen. Interessant aber, wie sehr sich Theater mal wieder nach "oben" richtet, denn jene Regietitanen gibt es doch nur in den grossen Städten. Nach dem, was ich gehört habe, sind es da aber auch nur zu ca. 50% Despoten, der Rest scheint mir nach Auskünften manierlich und dabei, wenn auch sehr zielstrebig zu sein. Die Provinzdespoten scheinen mir auszusterben.
Zurück zu den grossen Städten: Immer schon hat man sich im subv. Theater nach Berlin, Hamburg oder München ausgerichtet, selten ernsthaft mit dem Ort beschäftigt, an dem man ist, weil man ja da hin will, wo die Titanen schon sind.
Und somit zurück zum Thema Zukunft der Stadttheater: mehr lokale Bezüge! Das bearbeiten, was in der Stadt passiert, in der du lebst! Auf ernste, aber auch unterhaltsame Weise. Es reicht einfach nicht, Ibsens Volksfeind aufzuführen, wenn in der Stadt die Kacke am Dampfen ist. Lokale Identifikation fördern!
Der intellektuelle Diskurs darüber ist ja auf Nachtkritik in vollem Gange. Mich interessieren dabei pragmatische Ideen und Ansätze. Eine Sitcom mit lokalen Anspielungen z.B.. Eine Serie, bei dem der Zuschauer gebannt darauf wartet, wie es mit der Familie, die bei ihm um die Ecke wohnen könnte, weitergeht. Late night Shows mit Personen des öffentlichen Lebens. Ein Podium für lokale Grössen. In den immer leerer werdenden Städten einen Treffpunkt für alle etablieren. Poetry Slam, Standupbühnen, Konzerte...der potenzielle Abonnent von heute will nicht achtmal Schauspiel sehen, glaube ich. Und ich habe den Eindruck, dass viele Leute sich heute in Theaterstücken ein wenig "eingesperrt" fühlen und nicht zu Unrecht eine gewisse "intellektuelle Geiselnahme" befürchten. Die gehen lieber ins Foyer zu Lesung oder Liederabend, da können sie ein Bier trinken und gehen, wann sie möchten.
Wenn man dann so was vorschlägt, heisst es immer, dass man mit dem Stücke für Abos produzieren so ausgelastet sei, dass nix mehr daneben geht. Da aber bei den "normalen" Produktionen eh schon vorne und hinten gespart wird, könnte man ja mal auch an Personal sparen und statt in der nächsten Premierenrunde wieder die Ensemblevollbeschäftigung zu suchen, könnte man ja mal drei, vier Leute freistellen, die sich um so was kümmern möchten. Macht man mal Fräulein Julie statt Nora. Oder die älteren Kollegen spielen was für die älteren Abonnenten...
Wenn der Anteil an solchen Veranstaltungen kontinuierlich wächst, hat man ne gute Chance.
Hier darüber reden und Ideen zu sammeln, wie man neben dem "Pflichtbetrieb" Perspektiven aufzeigen kann, fänd ich ne andere Dimension als den Kummerkasten.
Kummerkasten: Trampolinspringen mit Philosophie
@ Helga: Eine Sitcom mit lokalen Anspielungen? Wenn Sie auch im Theater nur Fernsehen bzw. das Fernsehformat wollen, dann setzen Sie sich doch gleich vor die Glotze oder das Internet, Sozialporno gucken. Und wenn "die Kacke am Dampfen" (inwiefern?) ist, dann ist es eben auch nicht immer nur das Theater, welches diese Probleme lösen kann und soll. Da ist dann vor allem auch mal die Politik gefragt. Ich persönlich gehe auch weiterhin gern ins Schauspieltheater. Das Problem liegt in meinen Augen aber eher darin, dass auch das Schauspieltheater mittlerweile immer schlechter geworden ist bzw. wird, siehe Roland Barthes. Wenn das Theater reiner Zeitvertreib und nicht mehr zugleich mit der Entwicklung und Gestaltung der Polis durch die Bürger selbst verbunden wird, dann ist es für mich leider längst tot. Aber das ist natürlich auch nur EINE Meinung neben Ihrer. Man sollte den emanzipierten Zuschauer weder unterschätzen noch mit modischen Akademismen überschütten. Trampolinspringen geht auch mit Philosophie, z.B. dem Bewusstsein dafür, dass menschliche Körper nur gemeinsam stark sind. Ansonsten KÖNNTEN wir auch ganz schnell bei Jean Améry bzw. Frantz Fanon landen: "Ich war mein Körper und nichts sonst: im Hunger, im Schlag, den ich erlitt, im Schlag, den ich zufügte." Und weiterdenken.
Kummerkasten: Verdacht Trampolinspringen
Das ist ja seltsam, dass das sofort mit Banalisierung gleichgesetzt wird, was ich vorschlage. Nein, nein, ich will doch gar nicht im Niveau runter. Und wenn Sie gute Sitcoms kennen würden, wären Sie verblüfft, wieviel Niveau da drin ist. Keiner will Ihnen Ihren Lieblingsautoren wegnehmen, keine Angst. Anfangsverdacht Trampolinspringen. Ressentiments gegenüber allem, was irgendwie kommerziell sein könnte. Die Theaterwelt ist voll davon. Altmodische Intellektualität. Und, jawohl, das Stadttheater droht die Gestaltung der Polis durch den Bürger aus den Augen zu verlieren, deshalb sag ich das ja. Und ich hab auch gesagt, dass die anspruchsvolleren Projekte dsbzgl. hier hinlänglich debattiert werden. Ich wollte jetzt nur mal ne Bresche zum Zuschauer schlagen, der mir in meiner Realität begegnet und für den man sich nicht gleich prostituiert, wenn man mal zwei Witze reisst...
Kummerkasten: überall nur noch Breaking Bad? Brrrr
@ Helga: Ich kenne z.B. Breaking Bad. Und hab schon nach der ersten Staffel abbrechen müssen. Schon da gab's in meiner Wahrnehmung einen Niveauverlust. Kann sein, dass die nächsten Staffeln wieder spannender geworden wären. Aber dramaturgisch gesehen, hab ich nicht länger durchgehalten. (..) Wenn jetzt alle am Theater nur noch das Sitcom-Modell bedienen, wird's doch auch langweilig bzw. thematisch unterkomplex. Oder wie. Überall nur noch die Theaterversion von Breaking Bad auf den Bühnen? Na ja. Aber das meinen Sie sicher auch nicht.
Kummerkasten: von Arte ins Theater
Ich glaube einfach, dass wir nicht genügend Zuschauer für´s Theater unter den ARTE - Sehern rekrutieren können. Da haben Sie doch Breaking Bad gefunden, oder? Und das alle nur noch das Sitcom Modell bedienen, mein ich bestimmt nicht. Hab ich eigentlich auch so beschrieben zwei Einträge vorher...
Kummerkasten: weiter bei Stadttheaterdebatte VIII
Und jetzt, nachdem ich den Vortrag von Ulf Schmidt gelesen habe, kann ich nur darauf verweisen, denn da steht ja eigentlich alles drin, finde ich. Müssen wir uns hier gar nicht mehr disputieren, oder?
Kummerkasten: Kita-Frage
SchnickSchnacks Beitrag stellt eine esserntielle Frage: Warum haben die Theater keine eigenen Kitas? Dass diese Frage gestellt werden muss, zeigt, dass es keinen ernstzunehmenden Willen an den Theatern gibt, dass wirklich emanzipatorisch gerarbeitet werden will. Die Kontrolle der Körper ist das Hauptinteresse der Mächtigen. Kitas würden beispielsweise die SchauspielerInnen extrem entlasten, ihnen die Möglichkeit erhalten, in der schwierigen Phase der Elternschaft die dionysischen Pflichten wahrnehmen zu können (rumsauen für Regisseure, für das Stück, für den Zuschauer), wie auch die Pflichten, die es braucht, um einem Kind ein Zuhause geben zu können. Hier sieht man, wie die Theater gar keine emanzipierten Körper und Geister will. Die Theater wollen nur diese Körper unterdrücken. Diese Frage wurde in den letzten 20 Jahren schon mehrmals gestellt: Warum haben die Theater keine eigenen Kitas? Die Frage will nicht beantwortet werden. Resp die nicht offen formulierte Antwort wäre eben zu sexistisch. Weil wir - die Theater - die Kontrolle über die SchauspielerInnen behalten wollen. Leider leider ist das so. Deshalb müssen die Theater in ihren jetzigen Struktur, diese Sexismus-Maschinen völlig umstruktriert werden. Warum haben die Theater keine eigenen Kitas? ist die Schlüsselfrage. Solange die Theater sie nicht beantworten mit: "Stimmt. Wir sollten Kitas einrichten, damit die SchauspielerInnen (und Dramaturginnen und HospitantInnen) ohne schlechtes Gewissen Vollgas geben können" bleiben die Theater eben auch Sexismus und Rassimus-Maschinen....
Kummerkasten: nur Gegenwart hält auch keiner aus
@ Helga: Den Vortrag von Ulf Schmidt empfinde auch ich als interessant. Aber er erscheint mir momentan nur umsetzbar in solchen Theatern, welche sowieso immer schon freier und offener in Bezug auf die umgebende Stadtgesellschaft gearbeitet haben und arbeiten - z.B. das Hebbeltheater in Berlin. Und zugleich empfinde ich folgenden Satz von Ulf Schmidt als falsch: "Die abstrahierten Leiterzählungen der Vergangenheit, die Dramen der Tradition funktionieren nicht mehr." Das sehe ich nicht so. Es kommt bloß drauf an, diese Erzählungen und Dramen vor der Folie der Gegenwart neu zu lesen, in ihrer ganzen Komplexität. Die Vergangenheit reicht wie über eine (utopische) Sonde in jede neue Gegenwart und antizipatorisch in die Zukunft hinein. Die Zeitblase aus bewusstloser, permanenter Gegenwart hält auf Dauer auch keiner aus. Genauso wenig wie das Fernsehen. Auch Ivan Nagel sollte man meines Erachtens nicht nur auf die flachen Hierarchien reduzieren. Der hatte auch inhaltlich so einiges zum Theater zu sagen.
Kummerkasten: Fragen an die Kollegen
Es wundert mich tatsächlich das diese Diskussion so schnell verebbt. Also doch alles relativ ok an der Theater Front?
Mich würde wirklich interessieren, wie eingangs von nachtkritik angeregt wurde, wieviel arbeitet ihr in der Woche? Wie sieht es mit dem Sozialleben außerhalb des Theaters aus? Gibt es Erschöpfungs- und Ermüdungszustände? Wie geht ihr damit um? Weitermachen, weil es ja alle anderen auch tun?
Geht es nur mir so, das ich nicht annähernd alles unter einen Hut bekomme (Familie, Kinderbetreuung, eigene psychische Gesunderhaltung und das Theater)?
Liebe ich diesen Beruf also nicht genug, wenn ich aufgebe? Oder warum macht ihr weiter? Warum ändert sich nichts an den Arbeitsbedingungen? Folgen wir brav dem Diktat das Kunst = totale Aufopferung bedeutet? Was unterscheidet uns denn tatsächlich von jenen Arbeitern in der Wirtschaft, Managern, Politikern?
Theater-Kummerkasten: wachsam sein
Danke Schnickschnack!!
All diese Fragen interessieren offensichtlich immer noch nicht genug
Theaterleute...leider. Inzwischen ist es jedoch bereits 5nach12.
Ist es auch hier eine Umgebung der Angst, die es verhindert offen zu schreiben..selbst unter einem Pseudonym??
Die ganz jungen unter uns wollen es vllt. hinnehmen, in der Hoffnung weiter nach "Oben" zu kommen...doch wo ist dieses "Oben"??
Es sind die allerwenigsten, die sich beruhigt zurücklehnen können...was immer das bedeuten mag.Ich stelle "Burnout" Symptome stark vermehrt fest. Nicht nur bei mir selbst.Oftmals ist es zum Stress auch noch die offensichtliche Sinnlosigkeit des eigenen Tuns.Künstlerisches Denken und Handeln sind oftmals nicht gefragt..
Vielmehr geht es darum zu funktionieren.Dies am allerbesten ohne irgendwelche Fragen zu stellen.Die "Quote" muß stimmen. (die "Quote", die geschönt und gebogen wird wo es nur geht!!). Wenn wir Künstler nicht aufbegehren gegen diese unsäglichen Strukturen und Hierarchimodelle, wird es zu Kollaps kommen.Wir müssen die Strukturen hinterfragen und nicht halbherzig vorgehen.
Klar..man liebt den Beruf...aber gerade deswegen sollten wir wachsam sein und das Ruder wieder selbst in die Hand nehmen!!
Theater-Kummerkasten: wo ganz oben ist
Ganz oben? Das ist in dem bestehenden System dort, wo Matthias Hartmann ( im Moment noch ) sitzt. Das ist, was man merken muss, was nach einem Weg nach oben aussieht, ist de fakto der Weg nach unten... In die Schlangengrube.... Das "oben" muss spiritueller werden, hört sich kitschig an, aber so isses...
Theater-Kummerkasten: der schwebende Alleinherrscher
@andersalsob

Ja und hier sind doch gerade die etablierteren "oben" gefragt. Wenn man als Neueinsteiger die Strukturen hinterfragt wird man ja ansonsten aussortiert ehe man seine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann.
Was ist mit den Intendanten, den Chefdramaturgen? Geht es nicht doch anders? Ich habe flache Hierarchien bisher vielleicht innerhalb einer Produktion erlebt, wo es darum geht jeden (auch Hospitanten und Assistenten)thematisch einzubeziehen. Aber keine Abweichung von den üblichen Arbeitszeiten/Bedingungen. Und weiterhin schwebt über jeder Produktion ja der Alleinherrscher Intendant - der viele Zustände in seinem Haus gar nicht kennt, weil vor ihm ja wirklich alle kuschen...
Theater-Kummerkasten: ohne Dank
...habe auch (nicht im Kindertheater!) zuletzt für eine sehr politisch anspruchsvolle Studioinszenierung 4000 brutto verdient. An einem mittelgroßen Stadttheater!Ich wollte das nicht machen, aber hatte keine Verhandlungsmöglichkeiten, es standen schon zwei andere Regiekollegen in den Startlöchern, die es sofort gemacht hätten. Als ich dann anfing,wurde der Bühnenbildner krank, also übertrug man mir seine Arbeit, ohne Zusatzverdienst! Und es kam noch dicker: im Gegensatz zu den Jahren davor (war schon öfter an diesem Haus) gibt es dort inzwischen keine Assistenten mehr (sind alles Studenten im freiwillligen Jahr), keinen Souffleur (nur noch auf der großen Bühne), keinen Techniker,der den Ton fährt (das machte jetzt ein Statist für 10 Euro am Abend, es gibt für ihn auch keine Probengage)...ich war ziemlich entsetzt. Der Intendant gratulierte mir dann zur wunderbaren Inszenierung, kam allerdings nicht zur Premiere, weil an an diesem Wochenende seinen freien Tag mit seiner neuen Freundin hatte..und die Vorstellung wurde sage und schreibe nur sechs Mal gespielt (vor acht Jahren waren es noch zwölf Vorstellungen im Studio, die oft noch verlängert wurden), wovon noch eine aus Krankheitsgründen ersatzlos ausfiel...-- ich mußte mich danach ein halbes Jahr von meinem Schock erholen.. die (von außen durch die Intendanz mit einem charmanten Lächeln süffisant angeblich wunderbar bewältigten Sparmaßnahmen) erwiesen sich als absolut "Energie-Geld-Solidaritäts-und Motivations- raubend" für die Kunst und das technische Ensemble (jeder schaute nur noch nach seinem Überleben)- und führten dazu, daß alles auf den Gästen und auch den Künstlern auf der Bühne ohne mit der Wimper zu zucken - und vor allem ohne weiteren Kommentar von der Intendanz, oder auch wenigstens Dank!! - abgewälzt wurden. Nie wieder.
Theater-Kummerkasten: alarmierende Zustände
Oh wow, das sind ja rosige Aussichten :D
Das verdirbt mir ein bisschen die Lust aufs Regisseurin werden. Ich liebe diese Kunst und will dass sie immer Teil meines Lebens ist. Aber nicht um jeden Preis. Ich habe ja schon oft Kritik am Theater in seiner heutigen Form gehört, gelesen und live mitbekommen. (Unsere Regieassistentin hat 450/monat für 50h/woche bekommen!!!) Aber dass es so arg aussieht und von so vielen Seiten bestätigt wird, ist alarmierend.
Leider wird es mich trotzdem nicht davon abhalten diese Laufbahn einzuschlagen, ich hoffe wir können in Zukunft gemeinsam etwas erreichen...
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