"Unwürdige und unproduktive Angstpolitik"

Wien, 15. Februar 2014. "Wir, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Burgtheaters, sehen uns nach Bekanntwerden des finanziellen desaströsen Zustandes unseres Betriebes und mit der Frage nach den Verantwortlichen dafür in der alleinigen Schuldzuweisung an die ehemalige kaufmännische Geschäftsführerin, nicht in der Lage, dieser Darstellung glauben zu schenken." Mit diesem offenen Brief an Kulturminister Josef Ostermayer sprechen die Mitarbeiter des Wiener Burgtheaters dem Intendanten Matthias Hartmann das Misstrauen aus, wie zahlreiche Medien berichten.

Bei einer Ensembleversammlung am Vortag, an der laut ORF auch Mitarbeiter von Technik, Kostüm, Maske und Administration teilgenommen haben, stimmten 83 Mitarbeiter für den Brief und 31 dagegen, bei zwei Enthaltungen. Der Brief bezieht sich auf die fristlose Entlassung der stellvertretenden Leiterin des Burgtheaters Silvia Stantejsky, der vorgeworfen wird, ein Defizit von mindestens 8 Millionen Euro vertuscht zu haben. Intendant Hartmann beteuerte, nichts davon gewusst zu haben.

Ernst nehmen?

Matthias Hartmann antwortet auf den Brief im Kurier (15.2.2014): "Die Tatsache, dass ich vielen Ensemble-Mitgliedern nicht in ausreichender Form meine unausgesetzten Bemühungen zur Bewältigung dieser schweren Krise hinreichend klar machen konnte, macht mich betroffen, und ich nehme das sehr ernst." Er verstehe, dass im "ruhmreichen Ensemble des Burgtheaters" nicht allen die Geschäftsordnung bekannt sei – "welche die kaufmännischen und künstlerischen Bereiche klar trennt."

Im offenen Brief des Ensemble heißt es weiterhin: "Anstatt die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass finanzielle Misswirtschaft von allen Verantwortlichen stattgefunden hat, wird stattdessen uns MitarbeiterInnen des technischen und künstlerischen Personals seit Amtsantritt von Matthias Hartmann die jederzeitige Kündigung als Sparmaßnahmen-Rute ins Fenster gestellt, was einer unwürdigen und unproduktiven Angstpolitik entspricht."

Der adressierte Kulturminister Ostermayer sagte dem ORF am Sonnabend in Reaktion auf den Ensemble-Brief, dass er "derzeit keinen Grund für einen Vertrauensentzug" Hartmann und Springer gegenüber sehe. Im Interview mit dem Radiosender sagte der Minister am Sonnabend aber auch: "Ich halte es für wichtig und notwendig, dass die Probleme aus der Vergangenheit gemeinsam aufgearbeitet werden." Er sei "selbstverständlich gerne" bereit, sich mit dem Ensemble zu treffen.

Dem Protest der Mitarbeiter ging die fristlose Kündigung der stellvertretenden Leiterin des Burgtheaters, Silvia Stantejsky, voraus. Stantejsky beteuert ihre Unschuld und klagt gegen ihre Entlassung. Ihr wird vorgeworfen, durch halblegale Buchführung Bilanzen geschönt zu haben. Intendant Matthias Hartmann sowie der Chef der Bundestheater-Holding Georg Springer betonten, nichts von den Vorgängen gewusst zu haben. Erst vor Kurzem wurde das Defizit von mehr als 8 Millionen Euro am Burgtheater bekannt.

(mw / ORF / Kurier)

 

Mehr in der Chronik der Causa Stantejsky, die den Ausgangspunkt der Ereignisse markiert.

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Kommentare  
Burgtheater-Misstrauensbrief: einiges im Argen
Das ist aber sehr ungewöhnlich das ein Ensemble sich gegen den Intendanten ausspricht.
Da scheint doch noch einiges im argen zu liegen :-)
Burgtheater-Misstrauensbrief: gute Einmischung
Liebe Anne, das mag ja sein. Dass der Vorgang aber ungewöhnlich ist, liegt weniger an der Tadellosigkeit anderer Intendanten, als an den Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen. Wie viele Lehrer sprechen sich gegen ihre Schulleiter aus? Wie viele Journalisten gegen ihre Chefredakteure? Liegt bei ihnen nichts im Argen? Burgschauspieler sind vergleichsweise gut abgesichert. Dass sie sich einmischen, ist grundsätzlich gut, weil demokratisch. Dass ungarische Autokraten diesen Protest für ihre Zwecke ausnützen, ist schlecht. Hoffentlich äußert sich das Ensemble auch dazu.
Burgtheater-Misstrauensbrief: Stantejsky nicht einverstanden
http://orf.at/stories/2218451/2218452/

Aus der PRESSE:
Umso interessanter ist, dass Stantejsky, als sie von dem Ergebnis der Ensembleversammlung telefonisch erfuhr, sich ganz und gar nicht glücklich darüber gezeigt und sogar deponiert haben soll, sie sei ausdrücklich dagegen, Hartmann das Misstrauen auszusprechen. Heltau zeigt sich darüber sehr verwundert: „Sie sollte uns doch bitte ihre Reaktion erklären! Es ging ja bei der Zusammenkunft nicht um Frau Stantejsky, sondern darum, wie es zu der wirtschaftlichen Schieflage des Hauses kommen konnte.“
(Michael Heltau ist der Doyen des Hauses)
Burgtheater-Misstrauensbrief: Billeteur als Intendant
Macht den aufmüpfigen Billeteur zum Intendanten, der versteht mehr von Politik und Ökonomie als die ganze Theaterleitung und weiss aus eigener Erfahrung, wie man mit wenig Geld umgehen muss. Um die Kunst können sich dann die anderen Kümmern.
Burgtheater-Misstrauensbrief: inhaltliche Argumente?
Hallo Herr Rothschild, was unterstellen sie in ihrem Posting dem Ensemble des Burgtheaters? Dass es zu blöd ist, zwischen Pennäler Frust und begründetem Misstrauen zu unterscheiden? Und was wollen sie damit sagen, dass Burgschauspieler vergleichsweise gut abgesichert sind? Dass sie nur das Maul aufreißen, weil sie sowieso nichts zu befürchten haben? Haben sie auch inhaltliche Argumente, warum Mitarbeiter des Hauses das Misstrauen nicht aussprechen sollten?
Burgtheater-Misstrauensbrief: mutige Herren
Ein großes Dankeschön an Herren JOHANNES KRISCH und PETER MATIC, deren öffentliche Statements zur Causa sehr MUTIG und wichtig sind. Zwei veritable Herren, die sich gegen die Angstmache- & Besatzungspolitik des Hartmannes stellen.


Wünschenswert wäre doch gewesen wenn ich die Betriebsrätin D. Lyssewski und der Ensemble-Sprecher Roland Koch ebenso in dieser Causa zu Wort gemeldet hätten.
Burgtheater-Misstrauensbrief: falsch gelesen
Liebe Nummer 5, wie viel Bösartigkeit muss in einem stecken, damit man genau das Gegenteil dessen liest, was da steht. Ich habe die Initiative des Ensembles ausdrücklich begrüßt. Ich habe lediglich versucht zu begründen, warum das anderswo so selten geschieht, warum es, nach Anne, "ungewöhnlich" ist. Und dass die Burgschauspieler weniger zu befürchten haben als Abhängige an anderen Theatern, sollte kein Vorwurf sein, sondern eine Erklärung für die Vorsicht derer, denen bei Revolte die Kündigung droht. Aber offenbar muss man nicht lesen können, um einen Kommentar zu schreiben und den eigenen Pennälerfrust los zu werden.
Burgtheater-Misstrauensbrief: nicht die ersten Eis-Gerüchte
Es ist ja nicht das erste Mal, dass aus diesem Haus Gerüchte eines von ganz oben herrührenden, sehr eisigen Klimas dringen.
Burgtheater-Misstrauensbrief: Bravo Krisch ud Matic
Sein spöttisches Gerede vom "ruhmreichen Burgtheaterensemble" zeigt ja wie Hr. Hartmann von den Schauspielern denkt. Nochmals ( siehe Nr. 6 ) Bravo Krisch, Bravo Matic. Vor den Vorhang !!! Eigentlich hätten der Ensemblesprecher und der Betriebsrat sich zu diesen Zynismen entsprechend melden sollen.
Burgtheater-Misstrauensbrief: umso tragischer
Warum tun Sie da wieder das übliche Österreich-Deutschland Match auf? Das ist wirklich unnötig.
Es geht wohl eher um langjährige Weggefährten und Solidarität.

Aber die Art wie in diesem Riesenbetrieb die kaufmännischen Agenden seit 14 Jahren gelaufen sind, bzw. sich gestapelt haben, machte es absehbar, dass kein Nachfolger das in der Art weiterführen kann. Umso tragischer, dass man die Laufbahn einer so verdienten Mitarbeiterin nun auf diese traurige Weise medial ausschlachtet, um zur Wiener Lieblingssportart "Burgtheater-Direktoren" Bashing übergehen zu können.

Dass der neue Geschäftsführer ein Reset braucht ist auch klar.
Burgtheater-Misstrauensbrief: anscheinend
Wo tut sich da ein Österreich-Deutschland Match auf ?? Das "ruhmreiche" Burgtheaterensemble besteht zumindest aus einem Drittel wenn nicht mehr "Nichtösterreichern", die sich anscheinend auch großteils gegen Hartmann ausgesprochen haben.
Burgtheater-Misstrauensbrief: unkündbar
was ist daran mutig? Krisch und Matic sind unkündbar!
Burgtheater-Misstrauensbrief: Angst hält ab
Da kommt wohl der "Fall Stantejski" gerade richtig um der Intendanz mal die Meinung zu sagen. Die Angst vor der künstlerischen Macht hält eben viele Schauspieler von der offenen Meinungsäußerung ab. Dennoch können "Unkündbare" eine richtige Meinung haben-auch eine Form der Solidatität.
Burgtheater Misstrauensbrief: nur noch von Geld
Das schlimmste an der Affäre ist, dass nur noch von Geld die Rede ist. Der aktuelle künstlerische Status des Burgtheaters ist ebenso aus der Diskussion geraten wie die alarmierende Tatsache, dass die Verträge einiger hervorragender Schauspieler nicht verlängert werden. Um es auf eine Formel zu bringen: Man geht wegen Udo Samel ins Burgtheater, nicht wegen Matthias Hartmann. Und man hat einen Grund weniger hinzugehen, wenn Samel dort nicht mehr auftritt. Und, lieber Tomb: das Ensemble des Burgtheaters besteht nur noch zu weit weniger als einem Drittel aus geborenen Österreichern. Das ist ein komplexeres Problem, als ein kurzer Kommentar andeuten kann. Nur soviel: man muss kein Chauvinist sein und nicht so borniert wie Muliar einst gegenüber Peymann, um zu bedauern, wenn eine literarische Tradition von Nestroy bis Schnitzler und Turrini auszusterben droht, weil es kein Ensemble mehr gibt, das deren Texte zu sprechen imstande ist. All das wäre eine Debatte wert. Stattdessen halten uns die Finanzen in Atem.
Burgtheater Misstrauensbrief: keine Absicht
@Rothschild - da war gar keine Absicht, sie falsch verstehen zu wollen. Das ist tatsächlich passiert, dass ich sie falsch verstanden habe.
Burgtheater Misstrauensbrief: Empfehlung
Das sollten einige andere Ensemble's ruhig auch machen.
Ich finde es es ist eine begrüßenswerte Aktion!
Burgtheater Misstrauensbrief: man hätte es wissen können
...dass es viel viel kostet, als ein in theaterkreisen ja durchaus mehr als skeptisch angesehener herr hartmann angesagte und prominente (und das muss ja sein...) regisseure und bühnenbildner an das jeweils regierte theater zu holen, das liegt auf der hand... da kommt sicher ganz schön was zusammen... aber das hätte man wissen können...
Burgtheater Misstrauensbrief: bornierte Anti-Deutsch-Schlagseite
s. g. Rothschild. s. g. Tomb

Wissen Sie, dass es das Lamento, dass man an der Burg nur mehr Hochdeutsch hört, schon in den fünfziger Jahren gab. Das Haus hat, seit es besteht, die besten deutschsprachigen Schauspieler angezogen. Und das ist gut so. (und Schnitzler und Nestroy gibt es noch immer in den Spielplänen.)

Wenn ich das nicht will, finde ich in Wien genug "österreichische" Bühnen.

Ärgerlich finde ich an der kaufmännischen Debatte, dass sie medial und in den Postings so eine bornierte Anit-Deutsch-Schlagseite bekommen soll: So quasi "Es kann nur der piefke-großsprech-deutsche Direktor Schuld an der ganzen Scheiße sein." Und wer den Skalp der Direktors als erster ans Burgtor nagelt, ist der Grösste.

Ganz ehrlich, wie dort die Kasse geführt wurde, das war vormodern. Und Frau Stantejsky samt ihrer vielen Verantwortungsbereiche gab es schon unter Bachler und Drozda (Sie hat sich übrigens telefonisch dagegen ausgesprochen, dass vom Ensemble jetzt Direktor Hartmann angeprangert wird. Quelle: Presse). Das Kaufmännische war also echt österreichisch.

Wenn jetzt die Holding-Verantwortlichen die "neutralen" aber von ihnen bezahlten Wirtschaftsprüfer mit ihrer Software über das schriftliche Zahlenwerk rasseln lassen, wird das nicht gut aussehen für die Frau.

Das Match heisst Springer vs. Stantejsky. Und das Wort "dolos" hätte Springer sich sparen können. Denn das war ihm sicher nicht unbekannt, wie die Usancen im Burgtheater seit Jahren waren. Er hat sie ja schlussendlich zur kaufmännischen Direktorin bestellt.
Misstrauensbrief Burgtheater: Nationalität
Die Nationalität des Hr. Hartmann ist bei der ganzen Diskussion überhaupt kein Thema, außer dass hier offensichtlich Einige sie als abgewandelte Miniatur-Nazi-Antisemitismus-Keule einbringen wollen.
Auch die unterschiedlichen Sprachstile an der Burg stehen nicht in der derzeitigen Diskussion.
Misstrauensbrief Burgtheater: ausgedient
In komplexen Institutionen ist das "Top_Down" Gefüge nicht mehr zeitgemäß und zudem nicht erfolgreich!!!
Die Pyramide aus dem 19.Jhdt. hat endgültig ausgedient.
Eine solche "Top-Down" Führung funktioniert (wenn überhaupt) nur über ANGST.Die altehrwürdige BURG könnte hier mit ganz gutem Beispiel voran gehen...könnte....
Neue Strukturen sind bereits erprobt, bewährt, effizient und erfolgreich.
Diese würden auch in "Kulturinstitutionen" ein Modell sein können..
Wenn es da ein Bereitschaft gäbe ...
Burgtheater-Misstrauensbrief: passendes Bild
vieleicht ein passendes Bild:

http://i.imgur.com/qFmAtbO.png
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