Presseschau vom 26. Februar 2014 – Die Wiener Presse interviewt den Mann, der am Wiener Burgtheater gerade die Finanzen prüft

Mängel beim Vieraugenprinzip

Mängel beim Vieraugenprinzip

26. Februar 2014. Am Donnerstag wird der Bericht übergeben, den die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG von der dolosen Buchhaltung des Wiener Burgtheaters erstellt hat. Dann wird auch entschieden, ob und gegen wen möglicherweise Stafanzeige gestellt werden wird. Die Wiener Tageszeitung Die Presse hat Dr. Martin Wagner befragt, Senior Partner der KPMG, der für die Untersuchungen verantwortlich ist.

Die KPMG habe die erste Jahresabschlussprüfung bereits für das Jahr 2011/12 gemacht, stellt Die Presse beispielsweise fest und fragt: "Wieso ist den Prüfern nicht schon damals aufgefallen, dass einiges im Argen liegt?" Wagner: So ist es nicht, wir haben einiges gemerkt und das dem Aufsichtsrat in einer sehr frühen Phase, im Jänner 2013, mitgeteilt. Wir haben gesagt, dass wir Mängel beim Vieraugenprinzip sehen und, dass uns Belege fehlen. Wir waren auch die Ersten, die nicht bereit waren, die praktizierte Abschreibungsmethode zu akzeptieren. Das stieß anfänglich bei der Geschäftsführung auf Unverständnis. Letztlich wurde eingelenkt, denn die Alternative wäre ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk (Anm. der Redaktion der "Presse": das heißt, der vorgelegte Jahresabschluss entspricht nicht den gesetzlichen Vorschriften). Wir haben auch darauf hingewiesen, dass an der Burg viele Abläufe nicht so funktionieren wie an anderen Häusern."

So habe jegliche Demokratisierung im Rechnungswesen gefehlt. Viele hätten sich Wagner zufolge nicht ausgekannt, "auch Mitarbeiter nicht, die von Buchhaltung und Kostenrechnung eine Ahnung haben. Alles war bei Stantejsky zentralisiert, was zur Folge hatte, dass es über Jahre hindurch keine effiziente Kontrolle gab." Und: "Wir waren auch die Ersten, die nicht bereit waren, die praktizierte Abschreibungsmethode zu akzeptieren. Das stieß anfänglich bei der Geschäftsführung auf Unverständnis. Letztlich wurde eingelenkt."

"Hat Hartmann Verantwortung zu übernehmen?" fragt Die Presse auch. Wagner: "Jeder Geschäftsführer ist für das gesamte Unternehmen verantwortlich. Ich kann nicht sagen, ich interessiere mich nur für einen Ausschnitt, selbst wenn die Geschäftsführung aufgeteilt ist. Ich denke, es wäre schon gut, wenn er sagte: Ich habe mich blenden lassen, es ist nicht gut gelaufen."

(sle)

Hier eine Chronik der Ereignisse.

 

Kommentare  
Presseschau Finanzprüfer: Unvergessene Aussage
Unvergessen Hartmanns Aussage in der Zeitung Die Presse vom 03.01.2014: "Dem Haus sei kein finanzieller Schaden entstanden". Wie kommt Hartmann dazu eine solche Äußerung zu tätigen, wo die Prüfung der Unterlagen noch nicht einmal abgeschlossen war. Zudem war er, wie sich nun zeigt, über Unregelmäßigkeiten schon länger in Kenntnis. Umso unerträglicher ist seine Inszenierung als Opfer einer Verschwörung, sein Abwälzen von Verantwortung, die alleine er zu tragen hat, auf andere.
Presseschau Finanzprüfer: sprang als Tiger, landete als Bettvorleger
Interessantes Phänomen: Kaum wird ein (...) Intendant aus seiner bubble, in der kein Widerspruch herrscht, herausgezerrt und ins Offene des Digitalen und subsequent auch in die analoge Öffentlichkeit verfrachtet, geriert er sich als verunsichertes Opfer. Sichtbar wird eine Schwäche, die in fehlender Unternehmensethik begründet liegt. Wenn am eigenen Haus keine demokratische Auseinandersetzung gepflegt wird, die sich mit Widerspruch und Protest demokratisch auseinandersetzt, fehlt in einer krisenhaften Situation mit hohem Außendruck schlicht das Handwerk mit den Vorwürfen überlegt und souverän umzugehen. Bereits die ersten Reaktionen auf die "Diaz-Affäre" aus der Burgintendanz zeigten: erst unbeholfene Arroganz ("wie im Oberbekleidungsgeschäft...") dann 180 % Wende ("wir solidarisieren uns mit den Aliegen des Billeteurs") - sprich extrem ungelenkes sich an die Spitze der Bewegung setzen. Was damals "nur" peinlich berührte, führt jetzt zur Katastrophe. Nicht der finanzielle Vorgang an sich sondern Hartmanns untrainierter und ungeschickter Umgang damit wird ihm das Genick brechen.
Zur rechten Zeit eigene Verantwortung einräumen - und dabei souverän bleiben - dafür ist es jetzt zu spät, und wir dürfen in den kommenden Wochen den langsamen aber unausweichlichen Abschied verfolgen. Er sprang als Tiger - und landete als Bettvorleger. Hier haben Politiker, gerne in Theaterkreisen verachtet, wesentlich professionellere Krisenbewältigungsmechanismen entwickelt.
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