Kommentar - Die Autorentheatertage verabschieden sich von flüchtiger Gegenwartsdramatik
Der Schritt ins Gewichtige
von Simone Kaempf
Berlin, 12. Juli 2014. Das Spielzeitende ist da. Und wie man oft vom Ende her die Anfänge besser sieht, so lohnt es sich, noch einmal auf eine Meldung zu schauen, die jüngst über den Ticker lief. Die Meldung zur Reform der Autorentheatertage.
Es begann in Hamburg
Diese Autorentheatertage waren einmal ein großes Saisonabschluss-Spektakel am Hamburger Thalia-Theater, das mit der Langen Nacht der Autoren schloss. Vier Stücke wurden jeweils zwölf Tage lang geprobt und dann an einem Abend hintereinander in Werkstattinszenierungen gezeigt. Dieses Antesten neuer Stücke bedeutete dort einen absoluten Höhepunkt: Die ausgewählten Autoren, Nachwuchsdramatiker mit wenig Erfahrung, konnten während der Autorentheatertage zwei Wochen lang im Thalia ein- und ausgehen und erlebten, wie ihre Texte auf der Bühne funktionieren. Den Dramaturgen und Journalisten zeigte der Dramatikerwettbewerb – der die Lange Nacht in ihrer Organisationsform auch war – Stücke, die aus der Menge geschriebener Dramen herausragten. Und fürs Hamburger Publikum war es ein finales Fest mit Grillwürstchen und Bier. Am Tag darauf begann schlagartig die theaterfreie Sommerpause. Das hatte für alle den Vorteil, die Anstrengung auf die leichte Schulter zu nehmen und den Experimentiercharakter hoch zu halten.
Höhere Ansprüche in Berlin
Der sportive Spaß wird ab nächstem Jahr endgültig Geschichte sein. Schluss nach 20 Jahren – solange hatte es die Marathonnacht tatsächlich gegeben. Ulrich Khuon hatte sie aus seiner Intendanz in Hannover mit nach Hamburg genommen. 2009 zog sie weiter mit ans Deutsche Theater Berlin, und hier veränderte sich der lockere Charakter, das Frühsommervergnügen wirkte mit Ambitionen überfrachtet. In einem Berliner Theaterumfeld, dem es an neuer Dramatik nicht mangelt (man denke an den Stückemarkt des Theatertreffens oder das F.I.N.D-Festival an der Schaubühne), erschienen die in kurzer Probenzeit bewerkstelligten Werkstattinszenierungen oft wie lieblose Pflichtübungen, weder gut für die Texte noch für das Theater noch fürs Publikum.
Im nächsten Jahr wird die Lange Nacht der Autoren in Berlin ein anderes Gesicht bekommen und sich damit vom Liebhaberspektakel verabschieden. Der bedeutsame Richtungswechsel hat sich in Etappen angekündigt, als Alleinjuror Till Briegleb in dieser Spielzeit bei seiner Auswahl vom Modus der Neuentdeckung Abschied nahm, stattdessen die Siegerstücke aus den vergangenen zwei Jahrzehnten Autorentheatertagen wiedergelesen hat. Jetzt erfolgt der radikale Schnitt: Erstmals richtet sich der Stückewettbewerb nicht nur an Nachwuchsdramatiker, sondern ausdrücklich auch an etablierte Autoren. Statt Werkstattinszenierungen gibt es Uraufführungen. Die Altersbegrenzung ist abgeschafft. Und die Alleinjurorenschaft, die immer für eine subjektive Auswahl stand, wird nun von einer mehrköpfigen Jury abgelöst.
Das Gewichtige und Nachhaltige
Es ist ein Schritt ins Gewichtige. Er entspricht der Forderung nach Nachhaltigkeit, die in der jüngeren Zeit immer wieder laut geworden ist: von Verlagen die über zuviele Uraufführungen klagten und über zuwenig Nachinszenierungen, die den Dramatikern überhaupt erst ein finanzielles Fundament sichern, von Journalisten, die zunehmend von Überförderung sprachen, und nicht zuletzt von den Autoren, die unter den fehlenden Perspektiven im Theaterbetrieb litten.
Die Veränderung der Langen Nacht der Autoren steht nicht zuletzt auch für die Abkehr von der Gründungsidee der Stückemärkte. Einst ging es darum, im Rahmen eines Festivals neue Texte der Öffentlichkeit vorzustellen. Die Flüchtigkeit und Lockerheit wurde in Kauf genommen, sogar gebilligt, denn Aufmerksamkeit für neue Autoren war das Ziel. Noch bis Mitte der 90er Jahre schienen die Türen der Theater jungen Autoren verschlossen, das Schreiben fürs Theater war wenig attraktiv. Diese Unattraktivität ist unter veränderten Vorzeichen zurückgekehrt. Viel schwieriger als ein erstes oder zweites Stück im Theater unterzubringen, scheint es im Moment, mit dem fünften oder sechsten noch auf Interesse zu stoßen.
Der improvisatorische Geist ist weg
Dass die Stücke in der neuen Langen Nacht nicht mehr nur in Werkstattinszenierungen, sondern in Uraufführungen gezeigt werden, die ins Repertoire des Deutschen Theaters, des Schauspielhaus Zürich und des Burgtheaters Wien eingehen, ist im Sinne der Qualitätssicherung richtig. Eine vollwertige Inszenierung ist immer besser als eine halbe oder nur eine Lesung! Aber man sieht zugleich: Das Lockere weicht dem Staatstragenden. Der improvisatorische Geist ist weg.
Auch das ist ein Paradigmenwechsel. Unter den veränderten Rahmenbedingungen müssen sich die Texte nun von Anfang an stärker beweisen und die große Bühne füllen. Jetzt also mehr Nachhaltigkeit. Statt der Feier der eigenen Vergänglichkeit, die am Theater ja durchaus ihren Ort hat. Am Spielzeitende und überhaupt.
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