Fluchtpunkt Flokati

von Hans-Christoph Zimmermann

Düsseldorf, 2. April 2007. Einige Jurymitglieder des Berliner Theatertreffens haben es gerade noch einmal in Interviews bestätigt. Die Bühnen in NRW sind derzeit nicht festivalwürdig. Düsseldorf macht da keine Ausnahme. Die Resonanz auf die Arbeit von Intendantin Amélie Niermeyer blieb bisher eher verhalten. Umso mehr als wichtige Projekte wie eine Uraufführung von Thomas Jonigk, Inszenierungen von Jürgen Gosch und Konstanze Lauterbach verschoben wurden und das Probengebäude mit neuer experimenteller Spielstätte nicht fertig wird. Also muss die Intendantin es selbst richten, doch ihre Inszenierung von Shakespeares "Wie es euch gefällt" wird daran kaum etwas ändern.

Abenteuerspielplatz Liebe?

So flauschig war es im Ardener Wald lange nicht mehr. Wenn Rosalind und Celia in bodenlanden Reisekleidern mit federbewehrten Hüten zur großen Flucht ansetzen, führt der Weg schnurstracks auf den Flokati: Bühnenbildnerin Maria-Alice Bahra hat eine halbkreisförmig sich aufschwingende, mit weißem Teppich belegte Skateboardbahn entworfen. Die Zuschauer sitzen dichtgedrängt gleich mit auf der Bühne, umgeben von meterhohen bemalten Waldwänden. Abenteuerspielplatz Liebe? Rückkehr ins Kinderzimmer? Ort der Erinnerung früher erotischer Versuchung? Von allem ein bisschen. Celia holt aus ihrem Rollkoffer ein pinkfarbenes Petticoatkleid heraus; Rosalind versucht es mit Probsteins Anzug und Schiebermütze. Fertig ist die Verkleidung zum großen Spiel.

Der "gottverlassene Ort" erweist sich jedoch schnell als gefährliches Areal. Silvius (Thiemo Schwarz) im Jeananzug sucht mit Radiodurchsage verzweifelt nach seiner geliebten Phoebe und ringt schon mal stellvertretend das schmächtige Käthchen nieder. Die wiederum stampft als trotziger Waldpunk mit Lockenfilz und Säge (Janina Sachau) durchs Gelände und gerät bald an den massig-behäbigen Probstein mit dem messerscharfem Witz (Horst Mendroch). Harmloser dagegen der schwarzgewandete melancholisch-verfluste Jaques des Rainer Galke - und natürlich Orlando. Michele Cuciuffo in weißem Hemd und Hose in den Stiefeln scheint geradewegs aus einem Tschechow-Stück zu kommen; er lässt zwar schon mal schlechte Gedichte aus dem Schürboden verklappen oder sich zu einem irritiert-innigen Kuss mit Rosalind hinreißen, doch ansonsten bleibt die Figur einzige Charakterfarbe reduziert.

Hier rächt sich, dass Amélie Niermeyer das Spiel ausschließlich auf die Liebeswirren konzentriert. Personal und Schlossszenen des ersten Akts sowie die ganze höfische Szenerie im Wald sind gestrichen. Das könnte zwar einer Konzentration aufs erotische Quidproquo hilfreich sein, scheitert aber daran, dass die Regie sich nicht entscheiden kann. Die Besetzung der Rosalind mit der gestandenen Juliane Köhler deutet zwar an, dass Amélie Niermeyer nicht nur erotisches Ausprobieren, sondern auch die Erinnerung daran meint. So entdeckt Rosalind plötzlich die brüllende Männlichkeit in sich, heizt Celias Zuneigung erotisch an, wenn es mit Orlando nicht klappt, doch ihr gelingen weder die Angstlust am Erotischen noch die gebrochene Erinnerung an die Neugier darauf.

Aimée und Jaguar go Shakespeare

Vieles sieht einfach nur nach wiederaufgekochtem "Aimée und Jaguar" aus. Spannender ist da schon die Celia der Nadine Geyersbach, die wunderbar den Spagat zwischen damenhaft und burschikos auslotet, die geliebte Freundin beharrlich aus gefährlichen Situationen schubsend herausholt, dann immer verkniffener reagiert angesichts von Rosalinds Liebe zu Orlando und am Ende einsam zurückbleibt. So driftet die Inszenierung auf einem Schlingerkurs der Unentschiedenheit dahin. Da wird musikalisch vom Live-Gitarristen über die singende Säge bis zur Hollywoodkitschmusik alles aufgeboten, da wird Phoebe (Claudia Hübbecker) furios als Diana der Großwildjagd wie aus "Out of Africa" eingeführt und dann psychologisch links liegen gelassen. Ein Sammelsurium an Ideen, die weder aufeinander abgestimmt sind, noch sich wirklich zu einer Konzeption fügen. Der Weg zum Theatertreffen ist dadurch nicht kürzer, sondern eher noch etwas länger geworden. Berlin muss wohl weiter auf NRW warten.

 

Wie es euch gefällt
von William Shakespeare
Deutsch von Thomas Brasch
Inszenierung: Amélie Niermeyer, Bühne: Maria-Alice Bahra
Mit: Claudia Hübbecker, Juliane Köhler, Horst Mendroch, Rainer Galke, Michele Cuciuffo, Janina Sachau, Thiemo Schwarz, Nadine Geyersbach, Dorothee Hartinger.

duesseldorfer-schauspielhaus.de

 

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