Alles weitere kennen Sie vom Theatertreffen

Berlin, 28. August 2014. Das Maxim Gorki Theater unter Shermin Langhoff und Jens Hillje ist Theater des Jahres. Das ergab die jährliche Umfrage des Fachmagazins Theater heute unter 44 Kritikern. "Eindrucksvolle 15 Kritiker ließen sich von ihrem Berliner Neustart überzeugen, 7 stimmten für den Vorjahressieger Münchner Kammerspiele unter Johan Simons, und weitere 4 stimmgewaltige Kollegen votierten fürs Stuttgarter Schauspiel, geleitet von Armin Petras, der zu Saisonbeginn vom Gorki in die Schwabenmetropole gewechselt war", heißt es in der Auswertung. Schon in der Jahresumfrage des Fachmagazins Die Deutsche Bühne lag das Gorki Theater vorne.

Zur Schauspielerin des Jahres wurde Bibiana Beglau gewählt, die mit 10 Stimmen für ihren Bardamu in Célines Reise ans Ende der Nacht. Peter Kurth reichen für seinen Stuttgarter Onkel Wanja fünf Stimmen zum Schauspieler des Jahres. Ebenfalls nur fünf Stimmen benötigt Karin Henkels Kleist-Aktualisierung Amphitryon und sein Doppelgänger am Schauspielhaus Zürich für den Titel Inszenierung des Jahres, dicht gefolgt von Alain Platels Tauberbach (Münch­ner Kammerspiele).

Dass bei der Auswahl vor allem die zum Berliner Theatertreffen eingeladenen Inszenierungen und ihre Beteiligten gewinnen, zeigen auch die weiteren Kategorien: Aleksandar Denic wurde für Reise ans Ende der Nacht zum Bühnenbildner des Jahres gewählt, Victoria Behr zur Kostümbildnerin des Jahres für Herbert Fritschs Ohne Titel Nr. 1 an der Berliner Volksbühne. Ausnahme bleibt dabei das Gorki Theater: Nicht nur wurde Sibylle Bergs dort uraufgeführtes Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen zum Deutschsprachigen Stücks des Jahres erkoren, sondern auch Ensemble-Mitglied Dimitrij Schaad für diverse Rollen zum Nachwuchsschauspieler des Jahres. Nachwuchsschauspielerin wurde Katharina Knap als Sonja im Stuttgarter Onkel Wanja.

Zum Ausländischen Stück des Jahres wählten die Kritiker Martin Crimps Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino, zum Nachwuchsautor 2014 Ferdinand Schmalz für am beispiel der butter, während sich Thom Luz für sein Archiv des Unvollständigen in Oldenburg und "When I die" (Kaserne Basel) nun Nachwuchsregisseur 2014 nennen darf. Und das "Ärgernis des Jahres"?  Das "undurchsichtige Finanzgebaren am Wiener Burgtheater, das uneinsichtige Unschuldslamm Matthias Hartmann, aber auch die Heuchelei manchen Empörungsschreis", so die Auswertung der Umfrage.

(Kultiversum / geka)

 

Auch in Sachen Diskussionspotenzial ist das Gorki Theater ganz weit vorn – in den Kommentarspalten von nachtkritik.de jedenfalls. Hier wurden viele der Gorki-Inszenierungen heftig diskutiert, z.B. Der Kirschgarten (Regie: Nurkan Erpulat), Small Town Boy (Regie: Falk Richter), Übergangsgesellschaft (Regie: Lukas Langhoff) und Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen (Regie: Sebastian Nübling).

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Kommentare  
Kritikerumfrage: langweilig
Gottchen, wie langweilig.
Kritikerumfrage: Nachfrage
@1

Möchten Sie vielleicht mit uns teilen, was Sie an der Umfrage so "langweilig" finden oder wollten Sie nur auch mal etwas sagen?
Kritikerumfrage: lächerlich
Wann wird dieser Unfug endlich eingestellt? Interessiert das noch irgendwen? Es wird nie etwas anderes sein als der kleinste gemeinsame Nenner. Das jemand mit fünf Nennungen "Schauspieler des Jahres " sein soll ist schlicht lächerlich.
Kritikerumfrage: Kriterien?
@2 wenn diese Umfrage nur das Theatertreffen wiederholt ist sie überflüssig, also langweilig. Die Aussagekraft geht damit gegen Null. Man betreibt so Augenwischerei, peinlich für alle die teilnehmen. Gorki ist Theater des Jahres, schön, aber nach welchem Kriterium? Politisch? Ästhetisch? Auch eine inhaltsleere Aussage. So was finde ich: langweilig.
Kritikerumfrage: besonders kontinuierlich
Wieviele der 44 befragten KritikerInnen leben in Berlin?

Vielleicht könnte auch das teilerklären, warum man Berliner Theater besonders kontinuierlich beobachten kann.
Kritikerumfrage: heutzutage
Heutzutage wird man schon Theater des Jahres, wenn man nur formuliert, was man gern sein will. Wie es auf der Bühne aussieht, ist vollkommen egal.
Kritikerumfrage: Melting pot
Nicht zu vergessen, dass das Gorki den "Euromaidan" unterstützt hat, co-finanziert von der Böll-Stiftung. Und Le Monde spricht vom Gorki als "Melting pot" (also das Gegenstück von "Integration") und zitiert wird das Gerede von der problematischen Identität - wo ist denn am Gorki etwas problematisch? Selbst der Bundespräsident - der gewiss der einzige sein dürfte, der seine eigene Stasiakte in seinem Büro aufbewahrt - lässt sich sehen, bei der Suche nach COMON GROUND: http://www.lemonde.fr/festival/article/2014/08/08/shermin-langhoff-melting-pot-theatral_4469066_4415198.html

Das Kalkül wird durchsichtiger: das Gorki ist die Softpower der neues deutschen Außenpolitik! Good Morning Vietnam!
Kritikerumfrage: Sammelbecken für Frustrierte
Ich bin über die Entscheidung wenig überrascht, die Kommentare sind allerdings nicht nur vorhersehbar, sondern traurig! Anonym wird gegen Entscheidungen anderer Menschen gehetzt. Wird es hier immer mehr zu einem Sammelbecken der Frustrierten und Gescheiterten? Das wäre schade, denn ein aufgeklärtes und neugieriges Forum verliert zunehmend seine Bedeutung.

(Werter Lautreamont,
eine Presseschau, die Sie vielleicht interessiert, zum Stand der aktuellen Diskussion über Kommentarforen, Anonymität, Trolltum etc.: http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=9797:2014-07-14-13-49-51&catid=242:Presseschau&Itemid=115, inkl. Links zu nachtkritik.de-Texten zum Kommentarthema.
Beste Grüße, die Redaktion / ape)
Kritikerumfrage: gut gemacht!
Der Hass, der sich hier ballt, zeigt wie wichtig und gut die Arbeit des Gorki ist. Da fühlt sich so mancher unwohl bei soviel geflissentlich vergessener Wirklichkeit und stellt das verzweifelt aggressiv aus. Gut gemacht, Frau Langhoff!
Kritikerumfrage: Wer oder was ist eigentlich das Publikum?
@8: Seien Sie nicht traurig. Stellen Sie sich vor, Theaterkritik kann sich sogar nur auf die Anwesenden im Zuschauerbereich konzentrieren. Und der berühmte Sozialanthropologe Jean-Louis Fabiani hat zum Beispiel sogar schon eine Feldforschung gemacht, um einzig die Wahrnehmungsbeschaffenheit ästhetischer Konzepte zu ergründen*. Natürlich sind solche qualitativen Untersuchungen derzeit etwas aus der Mode geraten. Die Kulturpolitikforschung gerade in Deutschland hält sich ja sehr gerne an Zahlen und das, was in der Debatte auch gerne unter dem Stichwort "Fakten" daher kommt. Bedauerlicherweise musste ich mir schon anhören - da hatte ich mal eine Übersetzung vorgeschlagen - da sagte mir der Verlag, die Debatte in Frankreich sei ja ganz anders als in Deutschland. Auch sagte mal ein Verlag, Feldforschung, so wie sozialanthropologen das machen, das liest keine/r mehr, sei zu sehr 80er - Sehen Sie, die Frage wer das Publikum ist, die stellt sich ja genau an dem Punkt, an dem gesagt wird, es lese niemand. Und diese Frage macht das Fabiani-Buch so relevant: Wer oder was ist denn eigentlich das Publikum? - Sollte Sie diese Frage interessieren, Lautreamont, oder vielleicht weiß jemand anders, wo Interesse herrschen könnte, bitte gebt mir Bescheid!

*http://www.daja.fr/index.php/fr/recherches/comptes-rendus/jean-louis-fabiani-l-education-populaire-et-le-theatre-le-public-d-avignon-en-action-presses-universitaires-de-grenoble-2008
Kritikerumfrage: Hier ist das Publikum!
@10 Das Publikum? Das bin ich!
Kritikerumfrage: Feindbilder
@ Sowas aber auch!: Manchmal frage ich mich, ob hinter Ihren Auslassungen nicht jemand stecken könnte, der nur mal sehen will, wie andere Menschen auf soviel abstrakt-ideologisches Gedankengut reagieren. Sie glauben doch nicht wirklich, dass das Gorki in irgendeiner Weise mit der deutschen Aussenpolitik verbunden ist. Klar, das Gorki will den Krieg. Ich muss lachen.

Und zudem hat sich die Welt doch längst weitergedreht. Das Feindbild des US-Imperialismus hat ausgedient und ist ein Relikt der Alt 68er. Heute geht es doch längst um das aufstrebende China als neuem, hochkapitalistischem Wirtschaftsraum, um das "neue Europa", um asymmetrische Kriege (nicht mehr nur zwischenstaatlich, sondern auch innerstaatlich, siehe die sogenannten "Glaubenskriege") usw.
Krause/Castorf: Vereinfachung für Dialog
@ Liebe Redaktion, (...). Könnten Sie bitte die Überschrift meines Kommentars ändern? Mir geht es nicht um Feindbilder, und ich würde sagen, vielleicht ist auch genau das das Problem der Alt-68er. Feindbilder entstehen ja nur dann, wenn man die komplexe Welt versimplifiziert. Und diese Form der Vereinfachung ist für mich nur dann okay, wenn damit ein Dialog bzw. Diskurs allererst in Gang gesetzt wird/werden soll. Das geht auch humorvoll, z.B wenn Wolfgang Herrndorf über "asoziale Mädchen auf Müllkippen" (Tschick) schreibt, welche sich dann aber den lebensuntüchtigen Männern aus der gehobenen Mittelschicht gegenüber als viel lebenspraktischer erweisen. Oder wenn derselbe Autor über den "Mann in sonnengebräunter Kleidung und karierter Haut" ("Sand") schreibt.
Kritikerumfrage: Ort, an dem sich Welt spiegelt
(...) Ich mag nicht jede Produktion im Gorki, dennoch ist es ein innovativer Ort, an dem sich die Welt spiegelt. Und dass auf dieser Seite viel zensiert wird, was Worte anbelangt ist gut. Aber, was so jemand wie "sowasaber auch" schreibt und dann kommentarlos stehen bleibt, kann nicht sein. (...)
Kritikerumfrage: warum der kleinste Nenner wichtig ist
Lieber Stugotts,
in einer Gesellschaft, die alles zulässt, in der alles möglich ist, ist mitunter der kleinste gemeinsame Nenner extrem wichtig. Mein Glückwunsch an alle Gewinner von Theater heute und an alle Eingeladenen zum Theatertreffen.
Ich weiß, dass es im Umfeld von Unterdrückung und Aufbruch viel mehr Reibungspunkte gibt und damit kommen immer Innovationen von dort, z.B. aus Osteuropa.
Nur, was machen wir mit unserer Kunst, die wenig Reibefläche bietet? Jeder ist ein Künstler, alles wird zur Kunst? Jeder darf seine Meinung sagen.
Das ist schon wichtig, führt aber ins Leere. Darum ist ein kleinster Nenner schon etwas im Dschungel der "Alle sind Künstler und wichtig.
Ich maße mir nicht an zu urteilen. Ich freue mich, wenn sich ab und an der kleinet Nenner mit meinen Erfahrungen trifft. Darum noch einmal einen Glückwunsch ans Gorki.
Kritikerumfrage: in Zeiten der Wohnortkritik
wir befinden uns schon lange in zeiten der wohnort-theaterkritik. in zeiten des zunehmend un-mobilen kritikers (schwindende reisebudgets, verkleinerte redaktionen, weniger print-platz, verkleinertes netz an freien, usw.) können die meisten theaterkritiker in wirklichkeit schon lange nicht mehr über das "deutschsprachige theater" berichten, sondern lediglich über das theater an ihrem wohnort. (einen viel echteren überblick über das deutschsprachige theater bietet heute nur noch nachtkritik.)

theater heute, theater der zeit und alle anderen publikationen sollten die durchführung diese jahrensrückblicke dringend optimieren, bzw zumindest die probleme eines solchen unterfangens ehrlicher mitkommunizieren.

ps.: regionalere "überblicke" sind übrigens auch nicht viel besser. nicht einmal in NRW sind die beteiligten Kritiker der WELT-NRW-Jahresumfrage in der lage, über einen kern von z.b. zehn inszenierungen abzustimmen. weil sie sie nicht gesehen haben. und so nominieren dann kölner kölner inszenierungen, der aus düsseldorf mal keine, der aus bochum was vom schauspiel bochum, usw.
Kritikerumfrage: auch Theatertreffen-Problem
ps.: und ja, die überschrift hat sehr recht, denn beim theatertreffen ist es übrigens genauso. selbst die scouts, die für die jeweiligen bundesländer eingesetzt werden, können nicht wirklich ausführlich in denselben umherreisen - oder tun es eben nicht. vielleicht auch zu wenig budget und zeit.
Kritikerumfrage: Unterhaltung und Information
@ 16/17: Ich würde das theoretisch nicht so hochhängen.
Solche Listen haben einen Unterhaltungswert und in einem eingeschränkten Maßstab auch einen gewissen Informationswert. Aber die "Wirklichkeit an sich" ist ja schon seit Kant und Kleist so eine Sache... Da sollte man vielleicht lieber heiter, "comme philosophe" mit umgehen. Warum immer so verbiestert? Aber natürlich ist es frustrierend für die Theaterschaffenden an den Rändern abseits der Trampelpfade und ICE-Verbindungen (Saarbrücken, Altenburg etc.)
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