Whiteface, Blackface, Glitzerface

von Jan Fischer

Berlin, 2. September 2014. Der Herbstanfang lässt sich nicht mehr leugnen, es wird frisch, die Zeltplanen des Flüchtlingsprotestcamps auf dem Hannoveraner Weißekreuzplatz flattern im kühlen Wind. Und irgendwie, das ist der erste Gedanke, muss sich das doch zusammenbringen lassen, die Migranten dort auf dem Platz und das Stück "Msonkhano.de/Begegnungen.mw", das die Frl. Wunder AG und das malawische Solominic Peacocks Theatre zusammen im Hannoveraner Pavillon aufführen, nur ein paar Schritte entfernt vom Camp. Dass ein Stück der Berliner Mauer als Mahnmal auf dem Platz steht, macht die Sache zusätzlich hochsymbolisch.

Blick des Anderen

Vielleicht lässt sich das aber auch nicht übereinander bringen. Vielleicht soll man das gar nicht. Vielleicht ist das nicht wichtig, auch wenn oder obwohl die Migranten aus dem Flüchtlingscamp zum Stück eingeladen sind: Malawi ist nicht der Sudan, und Migranten tauchen in "Msonkhano.de/Begegnungen.mw" nicht auf – die einzig politische Passage ist eine, in der in einem kurzen Dialog die Frage erörtert wird, warum Entwicklungshilfe und Kulturimperialismus immer so dicht zusammenhängen.

Aber, und das ist das Wichtige: Es geht um Kommunikation, darum, sich gegenseitig zu verstehen, trotz kultureller Unterschiede. Gleich zu Anfang tauschen die Darsteller der Frl. Wunder AG und die Darsteller des Solomonic Peacocks Theatre auf durchsichtigen Plastikeimern sitzend ihre Kleidung. Die Botschaft ist klar: Wichtig ist, das Leben aus der Perspektive des jeweils anderen zu sehen.

Wasserträger-Catwalk

Dafür hat sich die Frl. Wunder AG auf Recherchereise nach Malawi begeben, in Hannovers Partnerstadt Blantyre, und umgekehrt sind die Darstellers des Solomonic Peacocks Theatre nach Hannover gekommen. Arbeitsweisen – die einen entwickeln gemeinsam performative Recherchestücke, die anderen halten sich eher an klassisches Regietexttheater – Lebensweisen, Kulturen sollten in Begegnungen fruchtbar aneinanderknallen. Herausgekommen ist ein Stück, das versucht, kleine Szenen, kleine Erzählungen zu einem größeren Bild zu collagieren: Eine Hochzeit kommt vor, Gesangs- und Trommeleinlagen, ein Wasserträger-Catwalk.

msonkhano1 560 c frlaeulein wunder ag und solomonic peacocks theatre u Die Kunst des Wassertransports in "Msonkhano.de"
© Fräulein Wunder AG / Solomonic Peacocks Theatre

Jeder aus der Frl. Wunder AG wurde jemandem der Solominic Peacocks zugewiesen. Briefe, in denen sich die Partner gegenseitig von ihren Erfahrungen mit dem jeweils anderen erzählen, bilden das Herzstück von "Msonkhano.de/Begegnungen.mw". Das können Geschichten von der Begegnung mit einem Gecko sein, die szenisch und hopsend nachgespielt werden. Das sind aber auch Fragen nach der gemeinsamen Erziehung von Kindern, die wiederum szenisch aufgegriffen werden, indem alle auf das Paar einstürmen und gute Ratschläge erteilen.

Möwen und Raben

Zusätzlich zu den Briefen zieht sich eine allegorische Erzählung von Möwen und Raben durch das Stück, die in drei verschiedenen Varianten ausführt, wie die Möwe versucht, sich ihr Gefieder schwarz zu färben, weil sie gerne bei den Raben mitmachen möchte. Während viele Textpassagen auf Englisch sind, werden diese Geschichten auf Chichewa und Deutsch vorgetragen, mal von den beiden Musikern des Stückes, die einsam und zentral auf der leeren Bühne stehen, mal von allen Darstellern im Wechsel, mitten im abgedunkelten Bühnenraum. 

msonkhano3 560 c frlaeulein wunder ag und solomonic peacocks theatre uBeim Wandern und Recherchieren in Deutschland
© Fräulein Wunder AG / Solomonic Peacocks Theatre

Aber am klarsten wird die Absicht des Stückes in einer Szene, in der alle Darsteller sich – unabhängig von ihrer Hautfarbe – weiße und schwarze Schminke ins Gesicht malen. Dergestalt gewhite- und geblackfacet verschwinden sie kurz danach hinter die Bühne, nur, um mit Glitzerfaces wieder aufzutauchen.

Gemeinsame Erleben

Letzendlich geht es in "Msonkhano.de/Begegnungen.mw" vor allem um eines: Um die Frage, wie man trotz der großen Unterschiede – und hier kommen, trotz aller Nicht-Gemeinsamkeiten, wieder die Flüchtlinge vom Weißekreuzplatz ins Spiel – miteinander kommunizieren kann, wie sich etwas Gemeinsames schaffen lässt. Das Stück erzählt davon, dass gemeinsames Erleben Gemeinsamkeiten schafft. Nur: Von dem, was die beiden Gruppen miteinander erlebt haben, sieht der Zuschauer am Ende nur ein kleines, anderthalb Stunden langes Stück.

Die Leistung ist, dass beide Gruppen vor allem in ihrer Dynamik ihr Zusammenwachsen transportieren, die Ahnung, dass da noch viel mehr ist, als gezeigt wird. Das ist einerseits schön – andererseits aber auch schade. Denn die Ahnung, dass da noch viel mehr ist, was vielleicht auch noch hätte gesagt werden müssen, schwächt das Stück auch, lässt es am Ende doch eher ohne Pointe, ohne Bogen schwach ausplätschern. Da allerdings auch Aufführungen in Malawi geplant sind, ist die deutsche Version – auch, wenn das Stück dort größtenteils dasselbe sein soll – nur so etwas wie der erste Teil eines Projekts, das nie ganz gezeigt wird. Aber doch eine gute Idee für einen Anfang ist.

 

Msonkhano.de/Begegnungen.mw
von Solomonic Peacocks Theatre (MW) und Fräulein Wunder AG (DE)
Mit: Regina Chitzanzo Kaiya, Verena Lobert, Vanessa Lutz, Jimmy Frank Maole, McArthur Matukuta, Malte Pfeiffer, Talent Phoya, Marleen Wolter, Musik: Stephanie Krah, Ben Michael Mankhamba.
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause

www.fraeuleinwunderag.net
www.solomonicpeacockstheatremalawi.com
www.pavillon-hannover.de



Kritikenrundschau

"Das, was die zehn Darstellerinnen und Darsteller in anderthalb Stunden verhandeln, ist das Angebot einer Annäherung", schreibt Charlotte Schrimpff in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (4.9.2014). "Viel Afrika prallt auf dieser Bühne auf ein bisschen Deutschland und lässt den Zuschauer mitunter ratlos zurück: Was ist dran an der Fabel der Möwe, die unbedingt auf die Party der Raben will?" Die Fabel werde leitmotivisch aufgenommen und variiert und ende doch immer "gleich ernüchternd: Die Raben feiern, die Möwe bleibt allein." Wobei die Frage bleibe: "Wer Rabe ist und wer Möwe?"

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