Berlin mon garçon - Odéon Théâtre de l’Europe Paris
Stichwort Terrorismus
von Joseph Hanimann
Paris, 16. Juni 2021. Gern hätte man dem neuen Stück von Marie NDiaye im Titel ein klärendes Komma gegönnt. "Berlin, mein Junge" – als mütterlich zärtliche Bemerkung zum Kind bei der gemeinsamen Ankunft am Sehnsuchtsort. Oder als Seufzer der Eltern über die Abreise des Sohns in die fremde Stadt. Oder als verzweifelter Ruf an den Moloch: Berlin, gib mir den Sohn zurück! Für die vom Berliner Flughafen aus im Taxi durch die endlos langen, schnurgeraden Mietskasernenalleen fahrende Marina – "welch furchtbare Stadt!" – ist es nichts von all dem. Und doch zugleich alles ein bisschen.
Phèdre(s) – Am Pariser Théâtre l'Odéon fügt Krzysztof Warlikowski rund um Isabelle Huppert "Phädra"-Versionen von Wajdi Mouawad, Sarah Kane, J.M. Coetzee und Racine zusammen
Ruinen der Lust
von Lena Schneider
Paris, 17. März 2016. Weht da, kurz vor Torschluss, dann so etwas wie Erleichterung durch den Saal des bürgerlichen Pariser Théâtre de l'Odéon? Nach drei Stunden zeitgenössischer "Phädra"-Texte, nach Wajdi Mouawad und Sarah Kane, kommt dann doch noch er zu Wort: Racine. Nach ausgiebigen Kostümwechseln, viel nackter Haut, nach zwei blonden und einer rothaarigen Perücke steht Isabelle Huppert plötzlich in schlichtem Schwarz auf der Bühne und sagt nachdenklich, zart und ohne das huppertsche Mundwinkelzucken, das sonst noch den ehrlichsten Textaufsagversuch von der Aufrichtigkeit sekundenschnell ins Spöttische stürzt, Racine-Verse auf. "A défaut de ton bras prête-moi ton épée": Wenn du mir schon nicht deinen Arm geben willst, dann gib mir wenigstens dein Schwert.
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