Blackfacing-Debatte

Suche nach Begriffen
Begriff Definition
Blackfacing-Debatte

Blackfacing-Debatte

Als Dieter Hallervorden am Berliner Schlossparktheater im Januar 2012 seine Inszenierung von Herb Gardners "Ich bin nicht Rappaport" mit einem schwarz geschminkten weißen Schauspieler in einer der Hauptrollen herausbrachte, formierte sich – zunächst im Netz – Widerstand. An dem Protest gegen diese spezielle Inszenierung, die ihre Kritiker in der Tradition des rassistischen, "N-Wort"-Klischees parodierenden "Blackface"-Theaters der in den USA des 19. Jahrhunderts populären "Minstrel-Shows" sahen, entfachte sich bald eine weiter greifende Diskussion darüber, wie rassistisch es eigentlich allgemein auf deutschen Bühnen zugeht.

Die Organisation Bühnenwatch trat auf den Plan und organisierte neben Netz- auch "Real Life"-Protestaktionen, zum Beispiel gegen Michael Thalheimers Inszenierung von Dea Lohers "Unschuld" am Deutschen Theater Berlin. In der Urfassung dieser Inszenierung bemalten sich zwei weiße Schauspieler die Gesichter schwarz – im Zuge der Proteste und der weiteren Diskussion entschied das DT sich dafür, das "Blackfacing" aus der Inszenierung zu streichen.

Auf nachtkritik.de meldeten sich derweil Kommentatoren und Autoren zu Wort und untersuchten unter anderem, warum die Debatte an den Theatern richtig UND falsch ist, was ihre historischen Grundlagen sind und wie manche Argumente der Theater(kritik) verraten, dass die Möglichkeiten der kritischen Reflexion noch lange nicht ausgeschöpft sind.

Im Herbst 2012 flammte die Debatte an Brett Baileys Gastspiel Exhibit B beim Festival "Foreign Affairs" der Berliner Festspiele wieder auf – im Rahmen des Symposiums "Stages of Colonialism / Stages of Discomfort", von dem Elena Philipp berichtet. Im Mai 2013 wiederum wurde Sebastian Baumgartens Zürcher Inszenierung der "Heiligen Johanna der Schlachthöfe" mit einer schwarz angemalten Frau Luckerniddle anlässlich des Gastspiels beim Theatertreffen zum Anlass der Auseinandersetzung, natürlich auch in der Jury-Abschlussdiskussion. In Wien entfachte sich die Debatte im März 2014 anhand eines Plakats und einer Aktion beim Wiener Opernball.

Im September entfacht ein Londoner Gastspiel von "Exhibit B" einen Proteststurm, der mit der Absetzung der Aufführungsserie endet.

Texte zum Thema auf nachtkritik.de:

Zur Blackfacing-Diskussion – Theater macht Kunst, aber nicht im luftleeren Raum von Nikolaus Merck (2/2012)

Presseschau vom 24. Februar 2012 – Die Blackfacing-Debatte geht weiter

Die Blackfacing-Debatte oder: Das Politische im Ästhetischen, von Ulf Schmidt (2/2012)

Die Blackfacing-Debatte II: Worüber wir reden, wenn wir über "Blackface" reden, von Jürgen Bauer (2/2012)

Die Blackfacing-Debatte III: Man muss kein Neonazi sein, um rassistisch zu handeln, von Lara-Sophie Milagro (3/2012)

Presseschau vom 23. März 2012 – Die taz über Blackfacing-Diskussion am Deutschen Theater Berlin nach der Vorstellung von "Unschuld"

Presseschau vom 23. April 2012 – Im Tagesspiegel spricht Schauspieler Michael Klammer über Blackfacing und Rassismus

Presseschau vom 25. Mai 2012 – Ulrich Khuon spricht über drei Jahre Intendanz und die Blackfacing-Debatte am Deutschen Theater Berlin

Es geht um die Diskurshoheit – Debatte um Brett Baileys Arbeiten auf dem Symposium "Stages of Colonialism / Stages of Discomfort" beim Berliner Festival "Foreign Affairs", von Elena Philipp (10/2012)

Blackface, Whiteness & the Power of Definition – eine Tagung von Bühnenwatch, Bericht von Nikolaus Stenitzer (10/2012) (mit Presseschau)

Presseschau vom 19. Oktober 2012 – die Frankfurter Rundschau und der englische Guardian zur Blackfacing-Debatte

Presseschau vom 22. Januar 2013 – Simone Dede Ayivi argumentiert im Tagesspiegel gegen rassistischen Sprachgebrauch in Kinderbüchern

Black Intervention zu Rassismem in Kinderbüchern im Ballhaus Naunynstraße, von Esther Slevogt (2/2013)

Presseschau vom 2. Juni 2013 – Internationale Blogs beleuchten die Situation von Schauspielern mit ostasiatischem Migrationshintergrund auf englischsprachigen Bühnen

Blackfacing in Sebastian Baumgartens "Johanna der Schlachthöfe" – In einer Sonderveranstaltung der Berliner Festspiele treffen Welten aufeinander, von Esther Slevogt (6/2013)

Rassismus im Kulturbetrieb – Eine Podiumsdiskussion im Ballhaus Naunynstraße in Berlin (9/2014)

Presseschau vom 6. Oktober 2014: Süddeutsche und Neue Zürcher berichten von Robert Wilsons Inszenierung von "Les Nègres" am Pariser Odéon-Theater

Diskussion über Rassismus und Johan Simons' Inszenierung "Die Neger" am Hamburger Schauspielhaus (10/2014)

Magazinrundschau Oktober 2014: Wann gehören das N-Wort und die neoliberalen Selbstausbeutungsorgien endlich der Vergangenheit an?

Debattenbeitrag: In Sachen Blackfacing – Zwischenruf zu einer andauernden Debatte (11/2014)

Meldung: Proteste in Paris gegen Brett Baileys "Exhibit B" (12/2014)

Erklärung von Brett Bailey nach den Pariser Protesten gegen seine umstrittene Arbeit EXHIBIT B

Kommentar vom 5. Dezember 2014: Robert Wilson vermeidet mit Jean Genets "Les Nègres" am Pariser Théâtre de l'Odéon nur scheinbar diskriminierenden Zeichengebrauch

Links:

Vier Stimmen zum Blackfacing in der "Heiligen Johanna": Kulturwissenschaftlerin Simone Dede Ayivi, Regisseur und Bühnenwatch-Aktivist Atif Hussein, Regisseur Sebastian Baumgarten und Dramaturgin Andrea Schwieter (5/2013)

TT-Bloggerin Summer Banks über Blackfacing in der "Heiligen Johanna" (5/2013)

Holger Syme über Blackfacing in der "Heiligen Johanna" (5/2013)