OFFENER BRIEF
DER MITARBEITER DER VOLKSTHEATER ROSTOCK GmbH
Rostock, 4. März 2011.
An das sehr geehrte Publikum, die Damen und Herren Abgeordneten der
Rostocker Bürgerschaft, den Herrn Oberbürgermeister!
WIR SPIELEN WEITER!
Das Große Haus ist zu. Wir spielen und arbeiten im Theater im Stadthafen, in der Kleinen Komödie, der Kunsthalle, in Schulaulen, in der Stadthalle, in der Nikolaikirche, in der Bühne 602, im Barocksaal, in der Yachthafenresidenz *
Die Rostocker Bürger wollen ein Theater.
Die Rostocker Bürgerschaft hat seit 1992 immer wieder ein funktionierendes Theater versprochen und ist den Rostockern ebenso lange die Einlösung dieses Versprechens schuldig.
Theater braucht einen festen Ort- ein Zuhause für Publikum und Mitarbeiter.
Wir, die Mitarbeiter der Volkstheater Rostock GmbH fordern:
1.
die schnellstmögliche Umsetzung eines Theaterneubaues , unter Einhaltung des Bürgerschaftsbeschlusses zur Zukunftssicherung des Volkstheaters als Vier-Spartenhaus, sowie einen korrekten Zeitplan dafür,
2.
dass die Stadt für die entstandenen und entstehenden Kosten der durch ihr langjähriges unentschlossenes Handeln geschaffenen Situation eintritt, das heißt, für die Anmietung zusätzlicher Spielstätten, Einnahmeverluste und daraus resultierende Subventionsausfälle, sowie die Kosten für eine funktionierende Spielstätte,
3.
spätestens ab der Spielzeiteröffnung 2011/2012 einen ständigen, funktionierenden, der großen Bühne entsprechenden Spielort für Musiktheater, Tanztheater, Konzerte und Schauspiel.
SEHR GEEHRTES PUBLIKUM * WIR SPIELEN WEITER.
Wir danken Ihnen für Ihre Treue und freuen uns auf Ihren Besuch *
vorläufig an vielen Orten, hoffentlich bald an einem festen großen Spielort in Rostock.
DIE MITARBEITER IHRES VOLKSTHEATERS
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
Das Interesse an dem Fortbestand des Volkstheater ist bei den Bürgern groß.
ICh steh voll hinter den Forderungen.
Und jetzt ?!
Nach reiflicher Überlegung komme ich zu dem Schluss: Gut so !
Ein Haus, dass schon seit einiger Zeit mit seinem "Glamour", seiner "Strahlkraft" auf der Stelle tritt, kann man schließen und verlassen, so wie die Bürger Mistras ihre Stätte verließen.
Nur eines darf nicht geschehen: Der Kulturetat, egal auf welche Kunst er angewandt wird, darf auch in Rostock deshalb nicht gekürzt werden. Denn das Recht Kunst zu genießen ist ein Grundrecht.
Spielt, spielt, sonst sind wir verloren !
Ca. 60.000.000 Euro Neubaukosten.
Kostendeckung durch Kartenverkauf: weniger als 10%.
Subvention pro Eintrittskarte: 140 Euro.
Keinerlei bundesweite Relevanz.
Seit Jahren keine Impulse für den Kulturdiskurs in HRO.
Teilweise katastrophale künstlerische Leistungen.
Und diese Mitarbeiter stellen FORDERUNGEN???
Unfassbar.
Sie kennen sich aber aus ..
Abschaffung der subventionierten Kultur in Rostock? Oder überhaupt aller subventionierten Kultur in Deutschland, welche nicht bundesweit relevant ist? Wer entscheidet darüber was bundesweit relevant ist?
Warum muss Kultur überhaupt bundesweit relevant sein, ist sie doch hauptsächlich für die Menschen gedacht, die am Ort wohnen und die, wie man den anderen Kommentaren entnehmen kann, sie auch zumindest zum Teil weiterhin wollen. Kultur sollte in erster Linie ernst genommen werden und nicht nur an Zahlen gemessen werden.
Die Kosten für einen Neubau sind natürlich noch nicht bezifferbar, lassen sich aber aus ähnlichen Neubauprojekten andernorts ungefähr herleiten. Die 60 Millionen sind sogar konservativ gerechnet, wenn man a) 8 Jahre Inflation einkalkuliert und b) den Neubau allen Ernstes im Stadthafen errichten will, wo der Baugrund so ein Gebäude gar nicht trägt, wo statt Tiefgarage ein Parkdeck gebaut werden müsste usw. Aber Hauptsache, unser OB hat sein Rostocker Gegenstück zur Hamburger Elbphilharmonie und unsere 300 Mitarbeiter am Volkstheater habens schön warm.
Um sachlicher zu werden: Ich behaupte nicht, ALLES am Volkstheater sei schlecht. Es gibt auch gute Aufführungen und Konzerte. Aber 18 Millionen Euro Steuergelder jährlich stehen in krassem Mißverhältnis zur Leistung des Hauses. Das Volkstheater sollte sich auf die Bereiche konzentrieren, die es gut kann. Zwei Sparten statt Vier. Und wenn das Theater dann 4-5 Millionen jährlich einspart, könnte man damit auch Zins und Tilgung für einen 60 Millionen Euro teuren Neubau finanzieren.
Eine Stadt, in der die Jugendherbergsschiffe so heißen, eine Stadt mit einer Hochschule für Musik und Theater, die immer verstärkter mit dem Volkstheater zusammenarbeitet, gerade erst wurde "Alles offen" geradezu gefeiert (und bei den Autorentheatertagen im DT Berlin gezeigt), eine Stadt mit unheimlich starken Kontrasten:
man begebe sich dazu nur einmal abwechselnd in die Altstadt, den Überseehafen, Lichtenhagen und Warnemünde, um selbst zu spüren, wovon ich hier sprechen mag, Kontraste, die für das Theatermachen eigentlich wie geschaffen erscheinen (ich kenne ehrlich nicht viele Städte, bei denen ich das so wie für Rostock sagen würde),
Weite und Enge, Leidenschaft und Stiefmütterlichkeit sind kaum irgendwo so dicht beieinander wie dort.
Wollte zuerst im April nach Hamburg, jetzt werde ich mir das in Rostock im April ansehen: die vorläufigen Spielorte bergen irgendwo auch eine Chance, nur, ich weiß, daß die Rostocker Theaterleute immer wieder Zusagen erhalten haben, vertröstet wurden und mit allerlei "Fusionswirren" geplagt: dem Aufruf der Mitarbeiter kann ich mich nur anschließen. Liebe Grüße aus einer anderen Ostseestadt..
Schauen Sie sich Städte, wie Wuppertal an. Demnächst werden Ampeln abgeschafft und Bücher verbrannt. Diese Dummheit macht micht traurig.
Ich glaube an das VTR Rostock!
Wer etwas kauft, ist ein Kunde. Das gilt auch für Theaterkarten: Der Kunde bezahlt Geld und bekommt was geboten. So läuft der Deal. Manchmal bekommt man mehr, als man dachte. Manchmal weniger. Wenn es so ist, dann ist sind die eigenen Ensembles tatsächlich Schnee von gestern. Zumal man ja in den neoliberalen Zeiten liebend gern vorgerechnet bekommt, wie viel Steuergeld pro Eintrittskarte zugeschossen werden muss. 79,96 Euro sind es in MV nach der letzten Erhebung im Oktober 2010. Wenn man sich dieses Geld sparen könnte!
Ja, was wäre dann eigentlich? Würde man auf die Parkgebühren verzichten? Oder den Straßenbahnfahrschein billiger machen? Die Steuern senken? Wohl kaum. Dieses Geld wäre nicht gespart, es wäre nur: weg. Keine zwei Prozent der Haushalte in Ländern und Kommunen werden für Kultur ausgegeben! Aber unabhängig von diesen Relationen: Das Volkstheater hat Akzeptanzprobleme, es muss sich ändern, öffnen, auf Tour gehen, kooperieren, Marketing betreiben, auf Events setzen, sich in der Stadt unentbehrlich machen - denn Publikum, das bedeutet Öffentlichkeit, Bürgerlichkeit, Identität. Am besten in einem neuem Haus, das auch 50 Millionen kosten dürfte, denn als weit ausstrahlendes Vierspartenhaus würde der vielzitierte "weiche Standortfaktor" durchaus an Härte gewinnen. Das wird ein Kampf, den sich zu führen lohnt: Sich ein Publikum zu erobern, das ist etwas anderes, als Kunden zu akquirieren.
Neubau als Chance.
bei all diesem Hin und Her - Schließung oder nicht etc. - bleibt doch die Frage offen, was für ein Theater wir Bürger uns für unsere Stadt wünschen! Bin auf der Suche nach Ideen / Anregungen für ein lebendiges Theater in Rostock. Welche Themen interessieren uns? Was erwarten wir vom Theater, wenn wir denn eins wollen (?), insbesondere bezüglich der Frage, wie wird in Rostock ein (gemessen an der Einwohnerzahl vorhandenes) Publikum erobert? Nur wenn aus dieser Richtung neue Impulse kommen, denke ich, kommt die Stadt auch inspiriert über die berechtigte Frage (mit allem Für und Wider) der Finanzierung hinweg.
Andernfalls heißt eben nur unzureichend:
"Ja, wir wollen ein Theater, egal was für eins!"
Es darf die Frage gestattet sein, ob es nicht ein Armutszeugnis der Zivilisation ist, wenn Theater kaputt gespart werden? Kommt es gar der Stadt gelegen, eine feine Begründung für die Schließung einer Spielstätte zu haben?
Auch das Bremer Ensemble beschloss damals: "Wir spielen weiter!"
Also, Ihr Rostocker Gaukler, seid stark und mutig - die Bremer Solidarität ist Euch gewiss!