Un/doing differences

von Friedemann Kreuder

Hildesheim, 5. Dezember 2012.

Stichworte zur kurzen Einführung:

1. Un/doing differences: Unterscheidungsprozesse der Unterscheider (Bourdieu):

a) Gegenstand von Geisteswissenschaften (engl. humanities) schlechthin;
b) Komplexitätsreduktion durch Stereotypisierung in der sich nur zögerlich als    Migrationsgesellschaft begreifenden Bundesrepublik Deutschland

2. Darstellen als zentrale Praxis der Humandifferenzierung:

a) Schauspieler als Experten der Praktiken und Diskurse, mit Hilfe derer Menschen sich voneinander unterscheiden; sie verfügen über ein "stummes" Praktikerwissen;
b) Darstellen des Darstellens als Merkmal des zeitgenössischen Theaters

 I Gespielte Identitäten von Schauspielern in der Kunst

Es kann als spezifische Eigenart des Theaterschauspielers gelten, dass er im Material seiner eigenen Körperlichkeit eine vom Autor vorentworfene Figur wie etwa Hamlet darstellt und dabei auch auf der Ebene seiner Wahrnehmung durch die Zuschauer zwischen sich und der Existenzform eines Anderen vermittelt.

Von daher überschreitet schauspielerische Praxis regelmäßig durch gesellschaftliche Klassifikationen hervorgebrachte Grenzen. Dies betrifft zum einen die Grenzen zwischen Nationalitäten, Religionen und sozialen Schichten, beispielsweise in einschlägigen komisch-parodistischen Figuren wie des Osmin in Inszenierungen der Sprechpassagen von Mozarts Singspiel "Die Entführung aus dem Serail" oder auch in Produktionen von Molières "Der Bürger als Edelmann".

Theatrale Praktiken problematisieren aber auch die durch starre Askriptionen festgefahrenen Grenzziehungen zwischen "Whiteness und Blackness", wie sie im Zuge schauspielerischer Besetzungs- und Darstellungsfragen jeder Aufführung von Shakespeares Othello thematisch werden.

 

II Gespielte Identitäten von Schauspielern im Leben

In vergleichbarer Weise sieht der Soziologe Erving Goffman die Auslegung von alltäglichen Situationen zwischenmenschlicher Interaktion durch soziale Akteure und ihre Praktiken bestimmt, deren dominantes Merkmal oder/und diskursiv zugeschriebenes Attribut die Selbstdarstellung ist (Goffman 1969). Goffmans zu heuristischen Zwecken angewandte Theatermetaphorik ('Darsteller', 'Zuschauer', 'Schauspiel', 'Rolle', 'Maske') bezeichnet über das Spiel sozialer Rollen hinaus die menschliche Fähigkeit, in face-to-face-Kommunikation die eigene Selbstdarstellung mit der künstlerischen Praxis des Theaters zu verbinden: Produkt dieser "Alltagskunst" ist die kommunikative Ausstellung von allseitigen Bewegungen/Äußerungen des Körpers bzw. seines Umgangs mit Dingen, die als symbolische Aktionen andere "Sachverhalte" bedeuten als diese sinnlich-manifesten Tätigkeiten selbst sind (Fiebach 2002).

 

III Die besonderen Leistungen des Theaterrahmens: Lebenstheater wird im Kunsttheater thematisch

Theater ist ebenso wie der Film gekennzeichnet durch den Rahmen der Fiktionalität. Ungeachtet der Frage nach dokumentarischen oder historischen Bezügen sind ihre Darstellungen schon durch den Akt der Re-Präsentation von dem gelöst, was sie vermeintlich darstellen. Sie erlauben es nicht nur, erfundene Handlungen und Figuren auf Bühne bzw. Leinwand zu bringen, sondern z.B. auch, historische Ereignisse in ihrer Dramatisierung zu idealisieren. Entscheidend ist hierbei, dass es in Film und Theater zu je spezifischen Realitätsbehauptungen/Illusionserzeugungen im Sinne einer Entdifferenzierung von Schauspieler und Figur bzw. Bild und "Wirklichkeit" kommt.

Aufgrund der spezifischen Medialität und Materialität von Theater ergeben sich jedoch erhebliche Unterschiede zu anderen fiktionalen Medien hinsichtlich der performativen Praktiken von gespielten Identitäten: Im Theater wird die Entdifferenzierung von Ego und Alter in Gestalt der Darstellung einer Figur wie beispielsweise Hamlet unter der für dieses Medium unabdingbaren Voraussetzung der räumlichen und zeitlichen Kopräsenz von Akteuren und Zuschauern vollzogen.

Theatrale Fiktion unterscheidet sich daher von der filmischen durch die von beiden Gruppen geteilte Zeitlichkeit der Aufführung: Während die Körper der darstellenden Akteure dem Zuschauer im Kino in Form der vorteilhaften Montage von Bildern präsentiert werden, denen eine perfektische Zeitlichkeit des Da-Gewesen-Seins eignet, machen Akteure in Theateraufführungen die von einem Autor entworfene Identität eines Alter auf der Basis ihrer eigenen Körperlichkeit im Hier und Jetzt der zwischenleiblich teilhabenden Zuschauer präsent.

Bezüglich der phänomenologischen Eigenheit von Theater kommt bei solchen szenischen Vorgängen die entscheidende Rolle den Zuschauern zu, deren räumliche und zeitliche Kopräsenz mit den Akteuren sie – wie bei der Zauberkunst – zu Zeugen einer Illusionserzeugung macht. Damit eröffnet der Theaterrahmen prinzipiell die Möglichkeit einer intellektuellen Reflexionssteigerung.

Die Körper der Akteure vermögen im künstlerischen Prozess der Aufführung allerdings nur im Zusammenspiel mit denen anderer Akteure sowie Bühnenmitteln und –objekten des Raums (Raumkonzeption, Dekoration, Licht, Akustik), der äußeren Erscheinung (Maske, Frisur, Kostüm) in ihren allseitigen Bewegungen und ihres Umgangs mit Dingen (Requisiten) als Figuren in Erscheinung zu treten. Sie werden hierbei im institutionellen Rahmen von einem Netzwerk koagierender Personen, bestehend aus Intendant, Autor, Regisseur, Dramaturg, anderen Mitgliedern des Schauspielensembles, Masken-, Kostüm-, Bühnenbildnern, Beleuchtern, Requisiteuren, Tontechnikern u.a. unterstützt.

Der Arbeitsprozess der Entstehung einer Aufführung gliedert sich in der Regel in drei Phasen: 1. Casting, 2. Proben, 3. Aufführung(sserie). Jede einmalige und unwiederholbare Theateraufführung im letzten Abschnitt dieses dreigliedrigen Prozesses existiert dann allein als Produkt der autopoietischen Feedbackschleife zwischen Schauspielern und Zuschauern (Fischer-Lichte 2004). Denn in jeder einzelnen Aufführung der Serie spielt immer auch die vorgängig differenzierende Wahrnehmung der jeweils anwesenden individuellen Zuschauer eine entscheidende Rolle.

 

IV Inständigkeit und Abständigkeit schauspielerischer Praktiken

Bei einer Skalierung der eingesetzten schauspielerischen Techniken finden sich am einen Rand des Spektrums performative Praktiken, die den Prozess der Verkörperung im Theater möglichst sorgfältig kaschieren, wie im psychologisch-realistischen Darstellungsstil der meisten Filme.

Am anderen Rand markieren sie die prozessuale Transgression sinnhafter Unterscheidungen, indem sie deren Produziertheit und Gemachtheit durch schauspielerische Verfahren wie etwa offen ausgestelltes Spiel mit Masken in der Commedia dell'Arte oder auch selbstreferentielle/s Sprechen, Gesten und Bewegungen im Brecht-Theater "sichtig" machen.

Hierbei stellen die Akteure ihre Figur auf der Bühne nicht im eigentlichen Sinne dar, mit dem künstlerischen Ideal, mit ihrer Figur möglichst identisch zu sein und den Zuschauern auf diese Weise eine optimale Identifikation mit den von ihnen ausagierten fremden Identitäten zu ermöglichen, wie es das bürgerliche Ideal illusionistischen Schauspiels oder Stanislawskis psychologisches Theater fordert.

Vielmehr führen sie ihre Figuren dem Publikum vor, anstatt sie lediglich aufzuführen (Baumbach 1995, Kotte 2005, Münz 1979).

 

V Performative Reflexion an den Beispielen von Cross-gender und cross-ethnic acting

Es geht hierbei also um eine intellektuelle Leistung des körperlichen Tuns, die die mit dem Theaterrahmen prinzipiell gegebene Möglichkeit der Reflexionssteigerung beim Zuschauer potenziert. So vermögen Darsteller/innen im cross-gender-acting auf der Basis ein und derselben Körperlichkeit männliche wie weibliche Geschlechtsidentität in performance vorzuführen und mittels der sichtbaren Abständigkeit ihrer schauspielerischen Praktiken zu den von den Zuschauern nach dem gängigen binären Muster vorgenommenen Geschlechtskategorisierungen ihrer Körper den Konstruktions- und Aufführungscharakter von Geschlecht offen auszustellen.

Auf diese Weise wird die diskursive Naturalisierung von Geschlecht in actu ad absurdum geführt. Judith Butler hat einen solchen Begriff der Aufführbarkeit von Geschlechtsidentität auf die Praktiken jeder Subjektivation schlechthin ausgedehnt, die vorgängige diskursive Rahmungen wie das sprachliche Dispositiv des "Subjekts" und das westeuropäische Phantasma des "Individuums" in vergleichbarer Weise durch körperbasierte, performative Prozesse allererst erfüllen (Butler 1997).

Aus dieser theoretischen Perspektive sind schauspielende Akteure besonders scharf als Spezialisten einer Form von kultureller Kommunikation abgrenzbar, die auf der Basis ihrer Körperlichkeit Praktiken der Identitätsbildung grundsätzlich als solche ausstellen. Hierbei wird der Grad der Exponiertheit und Transparenz dieser Praktiken von dem ihrer Abständigkeit von der Korporalität des darstellenden Akteurs bestimmt. Dies ist am extremen Rand des Spektrums insbesondere bei denjenigen schauspielerischen Praktiken gegeben, bei denen die wesensmäßige Transgression von Humandifferenzierungen eine Potenzierung erfährt, wenn nämlich selbst als biologisch gerahmte Kategorisierungen als Fiktionen sichtbar werden.

 

V Offene Potentialität des Humanen

Bei beiden schauspielerischen Verfahren, dem cross-gender- wie auch dem cross-ethnic-acting, besteht die besondere intellektuelle Leistung körperlichen Tuns, sein Potenzial zu performativer Reflexion darin, dass sie imstande sind, selbst als biologisch gerahmte Kategorisierungen als Fiktionen sichtbar werden zu lassen.

In dieser Hinsicht beruhen beide darstellerischen Varianten auf den gleichen Voraussetzungen hinsichtlich der künstlerisch hergestellten Marker der äußeren Erscheinung (Frisur, Maske/Schminke, Kleidung, Statur) und ihrer Klanglichkeit (Stimmtimbre und -rhythmus, Artikulation). Sie konvergieren ferner bezüglich derjenigen Logiken, die an solche äußeren Marker geknüpfte Geschlechtskategorien unterbrechen bzw. zum Verschwinden bringen können, wie beispielsweise die zeitweise Überlagerung der Kategorisierungen von Geschlecht durch stärker individualisierende Perspektiven.

Beide darstellerischen Verfahren entfalten sich als performative Reflexion auf der rezeptiven Ebene ihrer Wahrnehmung und Deutung durch die Zuschauer und der damit einhergehenden produktiven Irritationen, Ambivalenzen, Verflüssigungen von Grenzziehungen. Solche Konvergenzen der beiden Gegenstände tragen zur Entlarvung der treibenden Mechanismen sowie der prinzipiellen Konstruiertheit und prozesshaft-fluiden Performativität sinnhafter Unterscheidungen in Alltagskultur und Fiktion bei.

Sie laufen in der utopischen Behauptung der offenen Potentialität des Humanen in der zukunftsträchtigen reichen, bizarren Alltagswelt seiner Erscheinungen zusammen, die uns umgibt.

 

VI Forschungsstand und -aktivitäten in der Theaterwissenschaft

Bisherige theaterwissenschaftliche Forschung richtete den Blick auf die unterschiedlichen Arbeitsweisen und Darstellungspraktiken, die die je eigenen Stile bekannter Schauspieler/innen des Gegenwartstheaters prägen. Sie wurden bislang aus phänomenologischer Perspektive untersucht (Roselt/Weiler 2011). Auch die zu den exemplarischen Darstellungspraktiken führenden Probenprozesse sind ebenfalls unter den Vorzeichen einer Phänomenologie des Theaters Thema, um die Theaterprobe als ein Modell zu verstehen, das kreative, mithin kollektive Entstehungsprozesse auch jenseits des Theaters in unterschiedlichen kulturellen und sozialen Sphären beschreibbar und analysierbar macht (Hinz/Roselt 2011).

Wie sieht es aber mit der Erforschung des am Spartentheater ja eigentlich dreigliedrigen künstlerischen Entstehungsprozess von Aufführungen, bestehend aus Casting, Probenpraxis und Aufführungs(serie) aus? Die bestehende Forschung bezüglich der Institution Theater als Rahmen von Humandifferenzierung beschränkt sich zum einen auf eine kulturpolitische Perspektive, deren Objekt der Zuschauer bzw. der "Zuschauer mit Migrationshintergrund" ist.

Differenzierungskriterien sind hier zum einen die Ethnizität, zum anderen die Zugehörigkeit zu bestimmen sozialen Schichten und die gesellschaftliche Teilhabe (Schneider 2011). Hinsichtlich geschlechterdifferenzierender oder auch –neutralisierender Aspekte untersucht bislang nur eine von Schößler und Haunschild durchgeführte empirische Studie, basierend auf 15 qualitativen Interviews mit Theaterpraktikern, die institutionellen Arbeitsbedingungen am Theater. Die Autoren kommen darin zum Schluss, dass Schauspielerinnen nicht allein durch das für Frauen geringere Rollenangebot an "klassischen Figuren" benachteiligt sind, sondern die spezifische Situation flexiblen Arbeitens mit den weiterhin eher Frauen vorbehaltenen Fürsorgepflichten negativ korreliert.

Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen offenbart die Institution Theater damit geschlechterdifferenzierende Anteile (Schößler/Haunschild 2011). Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang die derzeitig gegenteilige, abnehmende Tendenz männlicher Bewerber an deutschsprachigen Schauspielschulen (Zimmermann 2007). Das daraus resultierende Problem des Geschlechterproporzes auch über die Ausbildung hinaus verleitet Künzel zu der These, dass in Zukunft cross-gender-acting auf deutschsprachigen Bühnen zur dominierenden Darstellungspraxis avancieren könnte (Künzel 2011).

 

VII Fragen / Aufträge an die Theaterinstitutionen

Daraus resultierende Fragen an die Institutionen:

1. Welche Rolle spielt die spezifische Körperlichkeit der Akteure für eine Besetzungsentscheidung?

2. Welche Zusammenhänge zwischen den Unterscheidungskategorien Geschlecht, Alter, Sexualität, Körper und ggf. anderen gesellschaftlichen Kategorisierungen wie Ethnizität oder Leistungsklasse fallen hierbei ins Gewicht?

3. Auf der Basis welcher Kriterien werden cross-ethnic-Besetzungsentscheidungen getroffen – gibt es hier beispielsweise eine starke Ausrichtung an den (vermuteten) Erwartungen des Publikums? Welche Personen stehen zur Besetzung im Rahmen des institutionellen Theaters in Deutschland überhaupt zur Verfügung und inwieweit gibt es hier auf der gesamten Ebene der Produktion grundsätzliche, ethnisch-differenzierende Eintrittsbeschränkungen? Inwiefern findet ethnische Differenzierung bereits in den Ausbildungsbetrieben statt?

4. Inwieweit wird die Problematik der mit der Ethnisierung von Figuren oftmals einhergehenden Stereotypisierung in der Probenarbeit reflektiert? Wie verlaufen die künstlerischen Dynamiken, wenn man einerseits ein „gleich-ethnisches" und andererseits ein "ungleich-ethnisches" Produktionsteam hat? Ist es Ziel des Probenprozesses, die Differenz zwischen Schauspieler und Rolle möglichst zu kaschieren oder wird daran gearbeitet, sie der Aufführung im Sinne einer Entdifferenzierung produktiv zu Nutze zu machen?

5. Inwiefern reproduzieren und verfestigen die inszenatorischen und schauspielerischen Praktiken des deutschen Gegenwartstheaters als cultural performances diese Identitätskonstruktionen in Form von Stereotypen allabendlich? Mit Hilfe welcher konkreten Praktiken wird die dem Theater eigene performative Reflexion offen als solche ausgestellt und somit eine Unterbrechung, ein Zum-Verschwinden-Bringen von Differenzen angestrebt?

 

friedemannkreuderFriedemann Kreuder leitet das Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er studierte Theaterwissenschaft, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Deutsche Philologie. Von 2001 bis 2005 war er wissenschaftlicher Assistent am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin. 2005 kehrte er als Professor nach Mainz zurück. Sein besonderes Interesse gilt dem Theater als Medium des kulturellen Gedächtnisses sowie älterer und neuerer Theatergeschichte.

Mehr zur Vorlesungsreihe: www.uni-hildesheim.de

Alle Hildesheimer Thesen sind im Lexikon zu finden.

Siehe auch: die Stadttheaterdebatte auf nachtkritik.de

 

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Kommentare  
Hildesheimer Thesen VII: Karikatur von Wissenschaft
um himmels willen, das ist ja die karikatur von wissenschaft! da macht einer dicke backen und wirbelt ein paar sexy klingende begriffe durch die luft anstatt mal einen klaren satz hinzuschreiben und einen klaren gedanken zu fassen. das liest sich ja alles wie der streber im proseminar, der dem dem prof imponieren will. und am ende läuft es auf etwas hinaus, was man schon immer wusste:
schauspieler sind auch menschen, menschen haben körper. und alle menschen sind mit ihren körpern teil einer gesellschaft und einer politik. was für eine erkenntnis.
Hildesheimer Thesen VII: aktuell und wichtig
u.m. - Ich finde deinen Kommentar doof, weil er nichts zum Diskurs beiträgt. Ich habe sehr wohl einige klare und aufschlussreiche Sätze gelesen und finde sowohl Thema als auch Ausführung sehr aktuell und wichtig.
Hildesheimer Thesen VII: Grenzüberschreitungen
Auch für mich war dieser Vortrag sehr deutlich, klar strukturiert und interessant. Der Schauspieler als Mensch und als Person, die die eigene Person für die Darstellung einer anderen, dramatischen Figur ein Stück weit verlässt und sich bewusst mit den neuen, anderen Charakteristika auseinandersetzt und gleichzeitig die eigenen Erfahrungen mit einbezieht – die Darstellung dieser außerordentlichen Fähigkeiten war Thema des Vortrags. Darin eingeschlossen die besonderen Grenzüberschreitungen, die im heutigen Theater immer wieder thematisiert und auch noch konkreter im künstlerischen Schaffen einbezogen werden müssen. Denn warum werden diese Potentiale der Schauspieler, beispielsweise als Frau eine Männerrolle und andersherum zu spielen, nicht öfter gezeigt? Orientiert man sich dabei an dem Publikum, dem solche „Exkurse“ womöglich zu experimentell sind?
Für mich stellt sich die Frage, ob eine solche Grenzüberschreitung auch in der Oper unter den Sängern zu finden ist. Oftmals werden heute Männerpartien mit Frauen besetzt (zB „Hercules“), aber das eigentliche Aufbrechen von gesellschaftlichen Stereotypen findet in der Oper scheinbar wesentlich geringer statt. Aber ist es nicht die Aufgabe von Theater allgemein, als Spiegel der Gesellschaft wirklich alle Bereiche zu beleuchten und zu reflektieren?
Hildesheimer Thesen VII: Forschung am Schauspieler
Dem Theater einen Forschungsauftrag zu übergeben ist nicht zu viel verlangt. Ist der Theaterbetrieb doch dem Wissenschaftssystem oft zum verwechseln ähnlich und an manchen Stellen aufs engste mit diesem verwoben. Den Schauspieler (also das vermeintliche Forschungsobjekt) als Experte einer Analyse kulturell bedingter Verhaltensnormen zu sehen ein wichtiger Teil dieses Forschungsprojektes. Leider hat der Schauspieler (repräsentativ für den Theaterbetrieb) selbst einen Haufen soziale Zuschreibung verpasst bekommen, denen er kaum mehr entkommt. Die Angst des (seiner Angst folgend, wegbleibenden) Zuschauers mitansehen zu müssen wie sich die Schauspieler ausziehen, ohne dass er weiß warum (er hat mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht Theaterwissenschaft studiert) ist selbst schon eine kulturelle Norm. Die Offenlegung von Transgression durch ein Bewusstmachen der Kopräsenz verschiedener gesellschaftlicher Rollenbilder und dem Körper des Schauspielers (etwa indem der Schauspieler sich seiner, Rollenbilder reproduzierenden, Kleidung entledigt) bleibt doch zu oft verborgen.
Es geht also auch darum, eine Varianz von Blickweisen auf das theatrale Ereignis zu vermitteln und Interesse an reflektierter Rezeption zu schaffen. Der Versuchsaufbau muss immer wieder offengelegt werden, damit der Zuschauer aktiv an dem Experiment Theater teilhaben kann.
Hildesheimer Thesen VII: keine kritischen Fragen
@u.m.
danke! ich kann dir da wirklich nur zustimmen. bezeichnend war dafür im besonderen, dass im Anschluss einfach keine wirklich kritischen Fragen kamen. Stattdessen diskutiert man über Begriffe wie "afroamerikanisch". Und dann noch diese Lobhudelei, die Publikationen von anwesenden Professoren aufzuzählen. Die Bauchpinselei, dass die Hildesheimer ja schon irgendwie herausragend sind. Sich selbst als Theaterveteran bezeichnen und betonen, dass man nur auf dramatisches Theater eingehen möchte. Warum wurde er überhaupt eingeladen? Seine Thesen haben mich wirklich nicht von der Höhrsaalbestuhlung gerissen. Sein Gedankenkonstrukt: ein Luftschloss.
Hildesheimer Thesen VII: Ironie des Widerspruchs
@XXY: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, sich über das Fehlen kritischer Fragen zu beschweren anstatt welche zu stellen.
Hildesheimer Thesen VII – Das Alter und das Ego
Ich möchte etwas vorsichtiger als meine Vorredner sein und den Beitrag von Prof. Kreuder nicht sofort als uninformativ abtun. Sein Vortrag unterschied sich von denen der bisherigen Redner vor allem dadurch, dass er in erster Linie ein Forschungsinteresse und dazugehörige Thesen formuliert hat. Hier wurde nicht so sehr mit Fakten und Konkreta um sich geworfen, als mehr ein bisher zu kurz gekommenes Feld betrachtet und Überlegungen angestellt. Dass dadurch der Eindruck entstehen kann, seine Präsentation sei unvollständig oder lückenhaft, kann ich durchaus nachvollziehen.
Nichtsdestotrotz finde ich den Ansatz den Schauspieler auch als Experten zu betrachten durchaus bedenkenswert. Nur blieb Prof. Kreuder ein wenig zu allgemein und oberflächlich. Meiner Meinung nach, formuliert er seine Thesen zu sehr in einem Vakuum und übersieht, dass auch das Schauspiel und seine Bewertung subjektiv sind. Wo positioniert er das Publikum? Und wann gelingt einem Schauspieler die Überschreitung der Grenze zwischen Ego und Alter? Wer entscheidet das?
Vielleicht hätte man mehr aus seinen Thesen machen können, hätte er nur eine oder zwei Thesen vorgestellt, diese aber genauer differenziert. Zum Beispiel hätte ich es interessant gefunden, wie er zu dem Begriff des "Alter" im Gegegnsatz zum "Ego" steht. Es fällt mir leicht von einem Ego auszugehen, einem Ich, aber ist das Du, das Alter, nicht ein künstlicher, von mir gemachter Begriff? Weiß ich, kann ich wissen und begreifen, wer die Person gegenüber ist? Ist ein Alter nicht immer eine Erfindung eines jeweiligen Egos? Daraus ergibt sich für mich, dass ich den Schauspieler nicht sofort als Experten benennen möchte, weil das eine Allgemeingültigkeit seiner Ansichten implizieren würde, die ich in diesem Zusammenhang nicht sehe. In mir entstand der Eindruck, dass aus den Forschungsergebnissen eine Art Katalog zusammengestellt werden soll, der Gesten, Artikulation etc. bestimmten Bedeutungen zuordnen soll (wo wir wieder in der Zeit von Siddons oder Engel laden würden, oder?). So wird es aber sicher nicht gemeint gewesen sein.
Gerade dieser Vorhang zwischen Identitäten, durch den (laut Kreuder) Darsteller so (schau)spielerisch schlüpfen, ist doch für das Theater und seine derzeitigen Diskurse sehr spannend. Folgt mir kurz in meinen Ausführungen, ja? Also, meine These: Durch Geburt, qua Existenz gibt es ein Ego, nennen wir es "Matthias". Vielleicht ist sich "Matthias" der Ausmaße seines Egos (no pun intendet) nicht vollkommen bewusst, aber alles was er sagt ist begründet in diesem Ego. Nun gibt es aber auch das Ego "Inga" und das Ego "XYZ", die beide Egos sind, aber erst in der Interaktion mit Ego "Matthias" entsteht jeweils ein Alter. Und zwar auf beiden Seiten. Soweit so gut.
Dieses "Inga" Alter allerdings besteht in erster Linie aus Aussagen, Handlungen Interaktionen zwischen Ego "Inga" und Ego "Matthias" und wird auch noch durch den Ego-"Matthias"-Filter gesehen und interpretiert. Somit gibt es kein objektives Alter, sondern immer nur Alter in Bezug auf ein Ego.
Nungut, vielleicht sieht Prof. Kreuder dies ähnlich, trotzdem sah ich mich gezwungen dies zu erklären, da er mit diesen Begriffen so lax umging.
Ganz zum Schluss möchte ich mit vollem Herzen meine Unterstützung aussprechen in der Überlegung die Ausbildung der Schauspieler genauer unter die Lupe zu nehmen, da ich den Eindruck habe, dass (vor allem in der "Sprecherziehung") die Ausbildung nicht mehr wirklich zeitgemäß ist. Ein (zugegeben subjektiver) Eindruck, den ich nicht nur im Hildesheimer Theater, sondern auch auf größeren deutschen Bühnen, erhalten habe.
Langer Rede kurzer Sinn: Lieber Prof. Kreuder, bitte forschen Sie! Vielleicht lassen Sie die Schauspieler erst einmal sprechen, bevor Sie sie adeln, aber untersuchen Sie sie auf jeden Fall! Und egal was am Ende auf dem Papier steht, ich will es lesen. Denn auch wenn ich heute nicht so erleuchtet aus dem Hörsaal kam, habe ich mir doch den Rest des Tages mein "Egöchen" zerbrochen und es ist doch schön, wenn ein Vortrag so etwas auslösen kann, oder?

MfG
Hildesheimer Thesen VII – Substanzlosigkeiten
was für ein klugschiss! aufgeblasene substanzlosigkeiten.
das theater hat die theaterwissenschaft die es verdient. und vice versa.
jeder der einen kopf hat, nehme ihn schleunigst unter den arm und suche das weite.
Hildesheimer Thesen VII: Synergieeffekte
Hier schwimmt einer in etwas verquastem Wissenschafts-Sprech auf der Welle des aktuellen Diskurses. Blackface, Interkulturalismus, Transgender etc. Offene Türen rennt Friedemann Kreuder damit aber am konventionellen Stadttheater voraussichtlich trotzdem nicht ein. Neu ist die Diskussion eh nicht. Schon Heiner Müller hat gesagt: „Und ich glaube, das Theater hat einen ungeheuren Verlust erlitten in dem Moment, wo geschlechtsspezifisch besetzt wurde." (Gespräch mit Alexander Kluge zum Thema „Anti-Oper") Also auch das Phänomen, dass gerade in einer Kombination von Performance, Sprech- und Musiktheater neue Sachen immer viel einfacher darstellbar bzw. eher durchsetzbar scheinen, ist im Theaterbetrieb lange bekannt. Hier gibt es jede Menge Synergieeffekte und interkulturelles Potential. Müller bringt das japanische Kabuki-Theater als einfaches Beispiel. Auch Schlingensief hatte das erkannt. Leute wie Marthaler, Baumgarten, Stemann oder Marton arbeiten in diese Richtung. Dass es zum Vortrag in dieser Form keine kritischen Fragen gibt, kann ich mir anhand der sehr theoretisch anmutenden Darreichung aber gut vorstellen.
Hildesheimer Thesen VII: Bruch durch Cross-Gender?
@3:
Wie stellen Sie sich denn "das eigentliche Aufbrechen von gesellschaftlichen Stereotypen" durch cross-gender-Spiel praktisch vor?
Was soll eine Sängerin, die Hercules singt, tun, damit Ihre Wünsche erfüllt werden?

Gegen einen weiblichen Hamlet und einen Mann, der in Berlin z.B. die Frieda in Kafkas "Schloss" spielt, gibt es doch keinen Widerstand. Jedenfalls nicht im Stadttheater. Und die Unverbesserlichen aus der Frankfurter Südkurve, Rostocker Neonazi-Kneipe oder Londoner Börse werden Sie kaum mit Kafka erreichen.
Hildesheimer Thesen VII: der soziologische Aspekt
Auch ich finde, dass der Vortrag nicht so übertrieben schlecht war, wie er hier bei manchen Beiträgen dargestellt wird.
Zu erst einmal sollte man sich vor Augen führen, dass es sich lediglich um Thesen handelt. Und Thesen sind nun mal da um ersteinmal ohne große Fakten etwas zu hinterfragen um sich dann näher damit auseinander zu setzten. Es sind ja keine in Stein gemeißelten Feststellungen, sondern mögliche Wege, mit denen man sich auseinander setzten kann, und bei vielen auch sollte.
Außerdem fand ich den Vortrag sehr interessant, da er wirklich mal ein Themenfeld angesprochen hat, das bisher in der Ringvorlesung noch nicht so intensiv vorkam. Dabei hat mir vor allem der soziologische Aspekt, der bei vielen Thesen mitschwang, sehr gefallen. Denn im Endeffekt ist immer noch der Mensch selbst der Mittelpunkt und die Grundlage von Theater und dass dabei Themen wie cross-gender oder cross-ethnic-acting, oder das breite Feld von Identität aufkommen ist ja wohl unvermeidbar.
Vielleicht sollte man mal ein bisschen offener für neue und eventuell auch gewagte Theorien sein, anstatt sie sofort abzutun. denn so wird sich in der Theaterlandschaft bestimmt nichts mehr ändern. Verwerfen kann man solche Thesen ja immer noch, wenn man merkt, dass man damit nicht weiterkommt.
Hildesheimer Thesen VII: anonym, stumm
@ Der Neckermann: Wie kommen Sie eigentlich auf die Egos "Inga" und "Matthias"? Zufall? Langsam reicht's mal.

Ansonsten, die Frage der Positionierung des Publikums im Raum ist tatsächlich eine entscheidende Frage. Nicht ohne Grund versammelten und versammeln sich Darsteller/Performer und Zuschauer bei Happening und Fluxus auf gleicher Ebene. Raumaufteilungen sagen immer auch etwas über Hierarchiebeziehungen zwischen Menschen aus. Holt das Publikum - vor allem das auf den sogenannten "billigen Plätzen" - auf die Bühne, anstatt es als reine Empfänger bzw. Consumer einer Botschaft zu betrachten! Ja. Und genau darin liegt auch das Problem der (politischen) Repräsentation, dass die Adressaten aller möglichen Politiker-Botschaften im Grunde anonym, stumm, unbeweglich und im Dunkeln bleiben sollen. Politiker sprechen ja auch lieber vor Medien und Presse als vor realen Bürgerversammlungen. Warum wohl? Es geht um Macht. Und wo Bürger auf ihren reinen Adressatenstatus reduziert werden (Zuschauer-Demokratie), da ist nicht mehr viel los mit alten neuen Ideen wie der "sozialen Plastik", zum Beispiel.

Irgendwo gab's doch mal diesen Tortenwurf auf Jürgern Trittin, oder? Ach ja, in Hannover, im Wendland-Dorf vor dem Schauspiel Hannover. Tja, und darauf folgte die Reaktion eines verletzten Egos, eines alt gewordenen Opportunisten. Ich meine, eine Torte. Ein bisschen Spaß muss sein oder was. Aber, mal im Ernst: Wo stehen Sie jetzt, Herr Trittin? Könnte man natürlich ebenso zum Beispiel einen SPDler oder LINKEN fragen. Die junge Basis dieser Parteien ist oftmals viel weiter als ihre Vor-Gesetzten. Ich sag nur: ISM oder auch R2G.
Hildesheimer Thesen VII: wertneutrale Namen
Liebe Inga, mit den in meinem Kommentar verwendeten Egos "Inga", "Matthias" und "XYZ" habe ich nicht bestimmte Personen gemeint. Zwar meine ich, beim Überlesen einiger Kommentare zu anderen Vorlesungen, mal auf eine gewisse "querelle d'Inga" gestoßen zu sein, da sie aber für mich nicht von Interesse bzw. zum Thema zu sein schien, habe ich sie nicht weiter beachtet. So ist mir beim Schreiben durchaus bewusst gewesen, dass es da mal möglicherweise etwas gab, aber das fand ich zu marginal und wollte lieber (spasseshalber) Namen verwenden, die Personen anhaften, die ich zu meinen guten Freunden zähle und gut kenne. Außerdem hoffe ich, dass ersichtlich geworden ist, dass in meinem Kommentar die Namen nicht mit positiven oder negativen Konnotationen besetzt wurden, sondern wertneutral zu lesen sind.
Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Ich wünsche trotzdem allen Lesern und Kommentatoren einen fruchtbaren Austausch und eine gute Nacht, auch, wenn sie nicht "Inga", "Matthias" oder "XYZ" heißen.

Mit freundlichen Grüßen
Hildesheimer Thesen VII: Live-Begegnung
ICH habe diese absurde "querelle d'Inga" nicht angestoßen. Und darum ging's mir auch gar nicht, in meiner Frage. Wahrscheinlich wollte da jemand sowieso nur mal darauf hinweisen, wie wichtig die Live-Begegnung zwischen Menschen ist, gerade auch in Bezug auf das Politische (nicht unbedingt "die Politik").

Auch das Prinzip der Piraten funktioniert in meiner Wahrnehmung genau deshalb nicht, weil und insofern oftmals anonym und allein übers "Netz" debattiert wird. Zu einer wirklich offenen und fairen politischen Auseinandersetzung kommt es aber erst in der face-to-face-Begegnung. Darüber entlarven sich Menschen oftmals sehr schnell selbst. Alle anderen Medien begünstigen das "Sich-Verstecken" hinter einer virtuellen Maske. Es kommt aber drauf an, sich den politisch dringlichen Fragen live zu stellen. Und die eigene Haltung genau darüber möglicherweise auch zu verändern und/oder verändern zu lassen, über die Konfrontation mit dem Anderen, welches nicht einfach in das eigene Weltbild integriert werden kann. Im MedienBild vielleicht schon, in der körperlichen Live-Begegnung aber nicht. Das ist der Vorteil der TheaterGeister.
Und welche Sprache da im "Netz" herrscht. Schon allein dieser Begriff des "Shitstorms". Der sagt so einiges über die Piraten aus, die sich damit in meinen Augen als wirklich ernstzunehmende Diskussionspartner leider längst disqualifiziert haben.

Und Sie haben jetzt wirklich etwas mit dieser Neckermann-Familie zu tun? Oder tun Sie nur so, als ob? Ja ja, wir sind doch alle gewissermaßen Schauspieler, nicht warh? Wenn ja, könnten Sie dieser Familie bitte übermitteln, dass es mich ungemein nervt, permanent von deren Werbung zugespamt zu werden? Das ist aggressiver Konsumkapitalismus - eine Welt, die mir nicht gefällt. Mir gefallen TheaterGeister - Begriffe wie Gestaltung, Poesie, utopische Vorstellungskraft. Wo findet man das, ausser in den offenen Spiel-Zeit-Räumen von Texten bzw. des Theaters.

"Ich meine, Theater wird erst dadurch lebendig, daß ein Element immer das andere in Frage stellt. Die Bewegung stellt den Stillstand in Frage und der Stillstand die Bewegung. Der Text stellt das Schweigen in Frage, und das Schweigen stellt den Text in Frage, und das kann man endlos fortsetzen. Dadurch entsteht ja auch die andere Wirklichkeit, die Theater gegen den Zwang oder die Forderung nach Abbildung, nach bloßer Reproduktion von Realität behaupten muß. Und dadurch stellt Theater dann auch die Wirklichkeit in Frage, das ist auch wohl die wichtige politische Funktikon von Theater. Unabhängig von ideologischen Besetzungen oder so. Wenn Kunst die Wirklichkeit nicht in Frage stellt, dann hat sie keine Funktion, dann ist es sinnlos, dafür Geld auszugeben." (Heiner Müller)
Hildesheimer Thesen VII: ein wenig ratlos
Den Vortrag von Herrn Kreuder empfand ich persönlich als sehr gut strukturiert und nachvollziehbar.
Dass er sich für die Aufarbeitung des Themas am klassischen Theater entschieden hat ist insofern nachvollziehbar, als dass es sich dabei doch wahrscheinlich um die Art von Theater handelt, die vom traditionellen Publikum noch am liebsten rezipiert wird, also die breite Masse (an Intellektuellen) erreicht. Sicherlich gäbe es hinsichtlich modernerer Theaterformen, wie Performance (eigentlich ja auch schon nicht mal mehr so modern...) bereits innovativere und aktuellere Erkenntnisse, als er sie uns an seinen Beispielen aufzeigen konnte. Da muss ich auch zustimmen: Das Thema ist vielleicht aktuell, die Erkenntnisse, die er dazu äußert nicht unbedingt.
Für meinen Geschmack zogen seine durchaus interessanten Ausführungen, zu wenig Konsequenzen und Forderungen nach sich. Man muss das noch weiter untersuchen, sich mal die Ausbildung der Schauspieler ansehen, ja gut, doch was heißt das konkret in der Praxis? Ich hätte mir schon gewünscht, dass Herr Kreuder ein paar konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreitet, geht es in dieser Vorlesung doch um die Reformation des Theatersystems. So bleibe ich am Ende ein wenig ratlos, inwiefern uns diese Diskussion nun weitergebracht hat.
Hildesheimer Thesen VII: Inga-Preise
@14:
Gedankenspiel:

Inga "verändert sich über die Konfrontation mit dem Anderen der Neckermann-Werbung, welche nicht einfach in das eigene Weltbild integriert werden kann." (1)

""Ich meine, ein Blog wird erst dadurch lebendig, daß ein Element immer das andere in Frage stellt. Die Bewegung stellt den Stillstand in Frage und der Stillstand die Bewegung. Der Text stellt das Pseudonym in Frage, und das Pseudonym stellt den Text in Frage, und das kann man endlos fortsetzen. Dadurch entsteht ja auch die andere Wirklichkeit, die der Blog gegen den Zwang oder die Forderung nach Abbildung, nach bloßer Reproduktion von Realität behaupten muß." (Lieschen nach Heiner Müller)

Großes Oster-Preisrätsel: "Begriffe wie Gestaltung, Poesie, utopische Vorstellungskraft. Wo findet man das, ausser in den offenen Spiel-Zeit-Räumen von Texten bzw. des Theaters?"

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Fußnote 1: Auf die "Querelle d'Inga" einzugehen, erübrigt sich in diesem Zusammenhang, siehe Kommentar 14: "Ja ja, wir sind doch alle gewissermaßen Schauspieler, nicht warh?" (Inga)

Bibliographie
Adorno, Theodor W.: Jargon der Eigentlichkeit. Zur deutschen Ideologie. Neuaufl. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1992
Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1964
Blancgrelotte, Petronius: La querelle d'Inga et des modernes, Paris, L'an III de la République (1794/95)
Zizek, Slavoj: Ein Plädoyer für die Intoleranz. 4. Auflage. Wien 1992
Hildesheimer Thesen VII: mehr Schein als Sein
@ Guttenberg: Wenn Sie mich hier nur, Entschuldigung, verarschen wollen, dann suchen Sie sich jemand anderen. Wen interessiert schon Ihr Blog? Und welchen Blog meinen Sie eigentlich? Ihren privaten? Und Sie sind dann offenbar mehr Schein als Sein?
Hildesheimer Thesen VII: Grundsätzliches über Kommunikation
Liebe Inga,

mehr wäre zwar nicht dazu zu sagen gewesen, aber jetzt muss ich mich doch noch ein paar Wörter weit erübrigen, meinen Gedankensenf dazu zu geben.
Ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass derartige Kommunikationswege, wie ein Forum oder andere Kanäle, die durch die sogenannten neuen Medien entstanden sind, sich radikal von den "analogen" Austauscharten unterscheiden mögen. Dennoch erachte ich es als wichtig, wie diese neuen Kommunikationsmedien genutzt werden. Im Übergang zur Schriftkultur wurde Wissen plötzlich auf eine ganz neue Art speicher- und distributierbar - Blahblahblah. Ich werde jetzt den Oberlehrervortrag nicht ausformulieren, sondern direkt zum entscheidenden Punkt kommen: Obwohl wir uns eines schriftlichen oder literarischen Rahmens bedienen (einen Kommentar SCHREIBEN), sprechen wir diesen dem Computer förmlich ein. Dabei ist nicht nur die Syntax oder das Vokabular betroffen, sondern auch der Inhalt. Man "schreibt" miteinander, als würde es ein direktes Gegenüber geben, das ohne Umschweife antworten könnte. Dies liegt an unserer Gewöhnung an dieses Medium, welches (bei guter Verbindung und gleichzeitiger Nutzung) durchaus einen direkten Austausch bei leiblicher Abwesenheit fördern kann. Nichtsdestotrotz übernehmen viele diese Haltung in die Nutzung bestimmter anderer Foren, die nicht auf gleichzeitige (online) Anwesenheit beruhen. Viele formulieren ihre Beiträge daher unüberlegt und aus Affekt, weil sie sich durch einen anderen Kommentar angegriffen fühlen und häufig genug werden auch Kommentare klar zur Diffamierung oder Beleidigung benutzt. Daher würde ich diese Kommunikationswege nicht sofort verteufeln, sondern lieber darauf hinweisen, dass der unreflektierte Umgang mit solchen Medien dazu führt, dass diese schnell auf eigentlich neutralem Boden zu einem persönlichen Schlachtfeld instrumentalisiert werden.
Apropos instrumentalisiert: Dadurch, dass meine eigene kleine Fehde in einer öffentlich einsehbaren Plattform für alle lesbar ist, ist die Verletzung, der Druck sich zu wehren und der Drang nach eigener Selbstdarstellung noch größer.
Es gibt auch eine interessante und witzige Komponente, nämlich, wenn es plötzlich nicht mehr darum geht, was jemand geschrieben hat, sondern WIE. Dann beruft man sich darauf, dass ein Rechtschreib- oder Tippfehler geistige Armutszeugnisse seien und den Redner/Autor von vornherein disqualifizieren. Wenn man keine Argumente mehr hat, schlägt man nicht zu, aber man wirft seinen "ersten" Stein.
Daher möchte ich Sie alle bitten, liebe Kommentarfunktionsnutzer dieser Internetseite, sich, bevor Sie Ihren Kommentar abschicken, darüber Gedanken zu machen, ob Ihr Kommentar der Allgemeinheit nutzt, oder einen Vorredner schmähen soll. Sollte zweiteres der Fall sein, wäre es doch nur fair und ehrlich, mit entsprechender Person Kontakt aufzunehmen und sich auf anderer Ebene (face-to-face?) mit Ihr oder Ihm auseinander zu setzen. Wenn Sie dies einmal ernsthaft in Erwägung ziehen, wird Ihnen vielleicht auffallen, wie nichtig Ihr wütender Kommentar ist, weil Sie ihn niemals so einer anderen Person ins Gesicht sagen würden oder, was auch möglich und vielleicht sogar schöner ist, Sie stellen fest, dass Ihre Sorgen und Ihr Unverständnis nicht wirklich klar artikuliert sind und Sie dies noch einmal ausformulieren sollten. Im Großen und Ganzen möchte ich aber nicht Zaungast fremder Streitereien sein und zum Gaffer fremden Hasses werden. Außerdem ist es kein Angriff, wenn der Autor einer vorherigen Nachricht nicht meiner Ansicht ist. Dann hat er eine andere Sicht auf die Dinge und das sollte man respektieren und lieber seinen eigenen Standpunkt beschreiben. (Neuüberlegung zum Matthäus Evangelium 12,30!)
Meine Meinung.
Und ich möchte Sie, Inga, bitten, sollten Sie tatsächlich Interesse an meinen Familienverhältnissen haben, sich doch bitte mit mir persönlich in Kontakt zu setzen oder dies zumindest zu versuchen. Und sollten Sie tatsächlich ernsthafte Probleme mit Werbung aus dem Hause Neckermann (sind die nicht schon alle pleite?) haben, sich doch bitte selbst bei jenen zu melden. Ich bin mir sicher, dass man über das Internet ziemlich einfach an deren Kontaktdaten kommt.
Nungut, ich habe das Gefühl gesagt zu haben, was mir, wie ein Stein, auf dem Herzen lag und möchte noch mit einer Abwandlung meines Lieblingszitates abschließen.

"Der Munch entsteht mit dem Schrei." (Der Neckermann, nach H. Müller)

Ich wünsche gute Nacht und Schlaf und Gedankenfreiheit.
MfG
Hildesheimer Thesen VII: Fazit fehlt
Wie trägt das Theater denn nun dazu bei, zu studieren, wie Menschen sinnhafte Entscheidungen treffen? Die Frage am Anfang des Vortrags habe ich leider als genauso schwammig empfunden, wie ich sie nun beantwortet sehe.
Gewiss waren es interessante Aspekte, die im Vortrag des Friedemann Kreuder angesprochen wurden. Und doch bleiben mir am Ende zu wenige Konsequenzen, mir fehlt das Fazit. Interessant ist sicherlich die Frage nach dem Treiben an deutschen Schauspielschulen, die Frage danach, wie eine fundierte Ausbildung heute aussieht und danach, wer an deutschen Schauspielschulen angenommen wird – und warum. Doch diese Fragen werden aufgeworfen, bleiben aber unbeantwortet.
Was am Ende bleibt ist also die Erkenntnis, dass Schauspieler ihrem Publikum etwas vermitteln und dass sie dabei eine andere Rolle einnehmen. Das ist nicht neu, genauso wenig wie es neu ist, Männerrollen durch Frauen zu besetzen, auch wenn die Motivation dafür heute vielleicht eine andere ist, als noch vor hundert Jahren.
Schauspieler sind also Experten, aber warum sie das sind, ist mir weiterhin unklar. Letzten Endes leuchtet es ein, dass sie die Grenzen zwischen „Ich“ und „Du“ überschreiten, so wie es einleuchtend ist, dass sie den dramatischen Vorentwurf eines Charakters umsetzen. Dabei weiß der Zuschauer, dass er es mit Schauspielern zu tun hat, er reflektiert und ist im Alltag selbst ein Schauspieler. Es sind viele Thesen, die in den Raum geworfen, aber nicht weiter begründet werden. Schade!
Hildesheimer Thesen VII: angewandte Axiome
@17:
Liebe Inga,
was Sie mir unterstellen, liegt mir fern. Ich habe lediglich versucht, Ihre Axiome anzuwenden. Mich interessiert Theorie nämlich nur, sofern sie praktisch ist.
Herzliche Grüße
Hildesheimer Thesen VII: Ego ohne Alter
@ Der Neckermann: Alles schön und gut. Aber das Wesentliche haben Sie gar nicht erfasst, denn: Wie komme ich über Ihren Internet-Nickname "Der Neckermann" an Ihre persönlichen Kontaktdaten, zum Beispiel? Sie scheiben hier doch auch nur über eine virtuelle Maske. Und genau darin liegt möglicherweise das Problem, welches ich zu beschreiben versuchte. Es geht um die Beziehung zwischen Geist und Hand, welche in früheren Zeiten durch die absolute Instanz Gottes vermittelt wurde, woran ich aber nicht glaube, an eine letzte, sinngebende, autoritäre Instanz, welcher ich mich zu unterwerfen habe. Der Computer als Gottesersatz ist nun andererseits aber auch keine Lösung, denn die virtuelle Realität des Computers befördert, dass die Computerschrift gern mal Amok läuft, was ich hier nicht moralisch bewerten, sondern nur einmal festellen möchte. Bei einem Stift dagegen hinterlässt das Schreiben Spuren des eigenen Körpers (im Sand). Die Vermittlung zwischen Geist und sinnlicher Erfahrung auf Seiten des "Ego" UND des "Alter" ist beim Computer nicht gegeben.
Hildesheimer Thesen VII: der Mensch ist nicht gern verwirrt
In der Zweite These, "Gespielte Identitäten von Schauspielern im Leben", wird davon gesprochen, dass eine Darstellung zu einer Verbindung zwischen der künstlerischen Praxis, sowie der eigenen Selbstdarstellung führt. Dies soll scheinbar nun als Instrument dienen, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Doch, ist eine Inszenierung nicht geprägt durch den individuellen Blick der Beteiligten. Und würde dieses nicht in einer Welt mit zahlreichen Inszenierungen täglich, allzu oft zu Konfrontationen zwischen diesen unzähligen Einstellungen kommen. Der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten zu wollen, kein Problem, aber einer so schwankhaften und launenhaften Menge stets neue Ansichten vorzuführen, denen sie Glauben schenken soll; würde sie dies nicht bald überfordern und von der Kultur durch zunehmende Frustration abwenden? Der Mensch ist nicht gerne verwirrt, er liebt die Wahrheit und begibt sich auf die Suche danach. Doch liebt er auch den einfachen Weg und dazu gehört gewiss nicht die 'Qual' stetigem Wandel der 'eigenen' Ansicht unterworfen zu sein (ohne den Menschen als absolut unmündig darstellen zu wollen). Er würde sich doch letztlich wieder dem angenehmen vorgefassten und traditionellem Bild hingeben, das bisher bestand hatte. Somit wären wir doch wieder im jetzt und hier?
Hildesheimer Thesen VII: Spiegel vorhalten?
@ Rapunzel: Ich empfinde diesen Begriff des "der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten" als unglaublich schlecht, und zwar aus dem Grund, weil er suggeriert, dass ein Künstler gegenüber "der Gesellschaft" - und wer ist das eigentlich, diese ominöse Gesellschaft? - der "moralisch Besserwissende oder Mehr-Wissende" sei. Mich langweilt sowas enorm. Aber solange es interpassiv und innerhalb des Bereichs der Kunst bleibt, okay.

Gleichwohl betrachte ich Aufführungen als weitaus interessanter, in welchen ich selbst auf die entscheidenden Themen komme, und zwar über eigenständiges Denken, welches auch gern mal die Richtung wechseln darf, wie auch gute Inszenierungen immer mal wieder performativ bzw. situativ die Richtung bzw. Haltung wechseln. Den "moralischen Zeigefinger" eines Künstlers dagegen brauche ich nicht. Und ausserdem, welcher Spiegel eigentlich? Wer oder was soll da jetzt von wem gespiegelt werden? Ist der, welcher "spiegelt", repräsentativ für "die Gesellschaft", also für alle? Wer hält hier wem den Spiegel vor? Und was ist eigentlich hinter dem Spiegel? Was soll nicht repräsentiert werden? Was fällt aus dem Rahmen der Repräsentation?
Hildesheimer Thesen VII: (Selbst-)Reflexion
@Inga: Ist nicht der Akt des 'Besser-oder Mehr-Wissens'schon allzu häufig aufgetreten in Inszenierungen und Darstellungen. Die Intention des Autors/Regisseurs etc. arbeitet doch zumeist als eine solche, die lehren soll. Wie ist denn die Geschichte des Theaters so oft zu verstehen, wenn nicht als lehrend. Nicht nur als feines Mittel um selber einen Denkanstoß zu erhalten. Musste nicht häufig erst zu Mitteln innerhalb der Inszenierung gegriffen werden, die den Zuschauer so fassungslos machten, dass er eine Lehre zog. Und dies durch die 'Mehr-Wissen' Position des Autors/Regisseurs? Sie spiegeln die Gesellschaft, versuchen dies zumindest in ihrer Auffassung; die Gesellschaft, ja, dieses ominöse Etwas. Aber das ist sie doch. Ominös, unklar, fragwürdig, undurchsichtig. Ist nicht der Spiegel eine Möglichkeit der Reflexion und Selbstreflexion, durch die jeder sich selbst agieren -spielen- und -sichtbar-repräsentiert sieht?
Hildesheimer Thesen VII: Wer lernt von wem?
@ Rapunzel: Ich verstehe, was Sie aussagen wollen, habe aber eine andere Perspektive. Ich würde nicht davon ausgehen, dass Theatermacher es besser oder mehr wissen (und warum eigentlich, können nicht alle Menschen denken?), sondern davon, dass sie, ausgehend vom Bau Ihrer Inszenierungen, produktive Fragen an jeden einzelnen Zuschauer stellen. Und zwar im Hinblick darauf, die Wirklichkeit unmöglich zu machen, wie Heiner Müller es formuliert. Oder eine alternative Sicht auf die sogenannte Wirklichkeit zu erlangen, welche immer nur zwischen Menschen und ihrer unterschiedlichen Wahrnehmung auf etwas konstruiert werden kann.

Lehren? Nein. Das ist für mich immer noch kein adäquater Begriff. Vielmehr irritieren, stören, hinterfragen usw. Und was meinen Sie konkret mit folgendem Satz?: "Musste nicht häufig erst zu Mitteln innerhalb der Inszenierung gegriffen werden, die den Zuschauer so fassungslos machten, dass er eine Lehre zog." Das klingt für mich jetzt erstmal sehr nach Lehrer Lämpel bzw. (versteckter) Machtausübung. Als ob es eine klare Abgrenzung zwischen "dem Richtigen" und "dem Falschen" gebe und es die Aufgabe des Regisseurs wäre, genau das zu predigen. Nein, das empfinde ich als zu simpel. Denn ich möchte selbst drauf kommen. Und da geht's dann nicht um das Lehren, sondern um die Schaffung von Möglichkeiten, etwas neu und anders zu sehen und im besten Fall die eigene Lebenspraxis danach auszurichten. Haben Sie schon mal "richtige Kinder" beobachtet? Die durchschauen auch ganz genau, ob sie ernst genommen werden oder nur ihr Vertrauen ausgenutzt wird, um sogenannte "erwachsene" Erziehungsabsichten durchzusetzen. Tja. Wer lernt hier eigentlich von wem? Das ist hier die Frage.
Hildesheimer Thesen VII: Theater ist kein Unterrichtssaal
@Rapunzel: Wenn der Autor/Regisseur sich in die Position versetzt, seinem Publikum etwas unterrichten zu wollen, eine (Welt)anschauung vermitteln will, dann sind wir ganz schnell dabei, die Kunst zu instrumentalisieren. Es geht doch vielmehr darum, das Publikum mit einer Situation zu konfronieren, zu der Position beziehen muss. Selbstreflexion durch Irritation. Bildung durch Kunst. Es gibt außerdem viele Regisseure, die mit einer Frage in in einen Probenprozess gehen. Die mit ihrer Arbeit etwas herausfinden wollen. Das Theater als Unterrichtssaal, das war vielleicht mal bei Schillders moralischer Anstalt so, aber das Theater hat sich schon ein bisschen weiterentwickelt.
Hildesheimer Thesen VII: noch nicht verstanden
Meiner Meinung nach war der Vortrag und die damit verbundenen Thesen zwar sehr interessant, aber vieles vom Erzählten war klang neu, war es aber eigentlich nicht.
Das Frauen Männer spielen können ist schon relativ lange bekannt und wird auch öfter genutzt, sodass es uns kaum noch neu erscheint. Auch dass man viel mit Kostümen, Perücken, etc. verfremden kann ist neu. Mich fasziniert dies zwar auch immer wieder und es ist auf jeden Fall immer wieder einer Erwähnung wert, doch für den Vorlesungsrahmen, hätte dies etwas kürzer gehalten werden können.
Letztendlich habe ich leider noch nicht verstanden, wie jetzt mit diesen Thesen umzugehen ist.
Eine Zusammenfassung und Anerkennung der Schauspieler als Experten ist gelungen.
Hildesheimer Thesen VII: Arbeit an der Rollenauflösung
Ich habe nicht so wirklich verstanden, worauf der Vortrag eigentlich hinaus wollte und was die gesellschaftlichen (nützlichen) Konsequenzen der Thesen von Professor Kreuder sein könnten. Von der Gestaltung her war es einer der lebhaftesten Beiträge, begründet durch die Passion des Vortragenden und dass er nicht, wie einige Kollegen, am eigenen Thesenblatt klebte. Im Gesamten war der Vortrag dennoch nicht sehr lehrreich und wäre vielleicht besser in der Pädagogik platziert (Gesellschaftliche Rollen, Rollenspiele, etc). Zwar beweisen Schauspieler (hoffentlich, aber auch nicht garantiert) eine hohe Rollenkompetenz, gleichzeitig ist es ihr Beruf mit Klischees zu arbeiten und diese so auch vermitteln. Schon allein das Theaterschulen sich bestimmte Typen aussuchen und sie meistens nur in diesem Feld fördern (aggressiver Typ, aggressive Rollen) und das Schauspieler gerade darunter leiden, dass sie eben wie Models immer wieder für einen Typen eingekauft werden, widerspricht dem ganzen doch ein wenig. Des Weiteren halte ich es auch nicht für hoch fortschrittlich, dass Frauen Männer spielen, Männer Frauen, Schwarze Weiße, Weiße Schwarze. In idealerweise sollte eine schwarze Frau einen weißen Mann, oder eine Inderin, oder was auch immer spielen können, völlig ungeachtet dessen, ob es genau das Gegenteil ihres Typs ist. Dann findet doch hoffentlich wahre Rollenauflösung statt und eine Reduktion auf das reine Können des Darstellers, frei von seiner äußeren Erscheinung.

M.W.H
Hildesheimer Thesen VII: nicht klar geworden
Leider ist mir während des Vortrags von Herrn Professor Kreuder nicht klar geworden inwiefern sein Vortrag sich mit dem Thema der Ringvorlesung "Konzeptionen zur Reform der Darstellenden Künste" verbinden lässt. Ich denke, dass seine am Ende gestellten Fragen zwar zukunftsorientiert sind, jedoch ist mir SEINE Meinung zu den Fragen "Welche Reformen sind überfällig, welche Produktionsformen braucht Theater, welche Neuorientierungen sind notwendig, um die gegenwärtige Strukturkrise zu überwinden?" leider nicht klar geworden.
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