Kolumne: Als ob!
Michael Wolf
Michael Wolf hat Medienwissenschaft und Literarisches Schreiben in Potsdam, Hildesheim und Wien studiert. Er ist freier Literatur- und Theaterkritiker und gehört seit 2016 der Redaktion von nachtkritik.de an.
Michael Wolf
Michael Wolf hat Medienwissenschaft und Literarisches Schreiben in Potsdam, Hildesheim und Wien studiert. Er ist freier Literatur- und Theaterkritiker und gehört seit 2016 der Redaktion von nachtkritik.de an.
Kolumne Als ob! – Michael Wolf liest Bernd Stegemanns Buch über die "Wutkultur" als Rückzugsgefecht
Linke auf Abwegen
von Michael Wolf
7. September 2021. Der Dramaturg und Publizist Bernd Stegemann hat sein zweites Buch in diesem Jahr veröffentlicht. Auf Die Öffentlichkeit und ihre Feinde, in dem er die Identitätspolitik kritisierte, und zahlreiche Artikel, in denen er die Identitätspolitik kritisierte, folgt nun "im Vorfeld der Bundestagswahl" (Verlagsankündigung) der Essay Wutkultur, in dem Stegemann die Identitätspolitik kritisiert. Auf Seite 86 betitelt er die bevorzugte Textgattung ihrer Anhänger spöttelnd als "One-Trick-Pony": "'Ich bin wütend' wird zum Ausgangspunkt des immer gleichen Textes, der gegen eine vermeintliche Übermacht anbrüllt." Vermutlich war Stegemann die Ironie dieses Satzes nicht bewusst. Humor ist seine Sache nicht, dafür ist die Lage scheinbar zu ernst.
Kolumne Als ob! – Michael Wolf über Kunst, die zum Verwaltungsakt wird
Gleichung ohne Unbekannte
von Michael Wolf
1. Juni 2021. "Wieder mal ein Mann!", schreibt Sabine im Kommentarthread unter der Meldung über den Gewinn des Hans-Gratzer-Stipendiums. Ein Offener Brief beklagt das Fehlen schwarzer Autoren auf der Longlist des Leipziger Buchpreises. Für den renommierten Turner-Preis sind in diesem Jahr ausschließlich Kollektive nominiert. Die Kulturstiftung des Bundes hat die Klimabilanz von Kulturinstitutionen berechnen lassen. Gut möglich, dass Förderungen in Zukunft an die Einhaltung von Emissionsgrenzen gebunden werden.
Kolumne: Als ob – Michael Wolf wünscht sich mehr Philosophie im Theater
Vielleicht mal beten
von Michael Wolf
1. Dezember 2020. Vor kurzem habe ich "Gott" gesehen, die TV-Adaption des Stücks von Ferdinand von Schirach (am Theater uraufgeführt in Berlin und Düsseldorf). Ich halte den Film für solide Fernsehunterhaltung, gestört hat mich nur der Titel. Denn es geht hier natürlich kein bisschen um Gott, sondern um die Frage, wie man die Tatsache des Todes gesellschaftlich am besten managt. Folgerichtig ist der Text als Gerichtsdrama angelegt. Das ist das Erfolgsrezept des Autors. Schirach bricht die ganz großen Themen auf ihre juristische Ebene herunter, leitet einen so gleichsam an einem schützenden Geländer entlang immerhin in Sichtweite existenzieller Abgründe. Und das ganz ohne transzendenten Schwindel, jeder Zweifel erübrigt sich hier, sicher führen die Argumente zum Ziel, am Schluss einer 90-minütigen Erörterung ist die Antwort auf eine weitere Frage nach Sein oder Nichtsein auch schon wieder geklärt.
Kolumne Als ob: Michael Wolf bedauert das Verschwinden von Genres im Theater
Oops, ein Dialog!
von Michael Wolf
20. Oktober 2020. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Merkur beschreibt der Kunsthistoriker Jan von Brevern, wie die Gattungen verschwanden. Bis ins 19. Jahrhundert bildeten sie die alles entscheidenden Kategorien in der Bildenden Kunst, sie bestimmten Technik und Format ebenso wie den sozialen Verwendungszusammenhang und das Prestige der Werke.
Kolumne: Als ob! – Michael Wolf über Möglichkeiten des Politischen in der Kunst
Rohöl tropft von den Fingern
von Michael Wolf
23. Juni 2020. Am Wochenende habe ich den Bewerb um den Bachmannpreis verfolgt. Einer der (unprämierten) Texte lässt mich seither nicht los: Levin Westermanns "und dann". Es ist ein Klageruf, eine Aufzählung dessen, was der Erzähler von seinem Platz auf einem Rattanstuhl im Wintergarten aus beobachtet: eine Katze, deren Nachwuchs "human entfernt" wurde, ein eingesperrter Pfau, ein brennender Regenwald, ein namenloser Präsident in der Zeitung, der unschwer als Donald Trump zu erkennen ist: "seit 2015 stiehlt er die zeit / er schuldet mir: zeit".